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Zu bestem Ende", rief Mantle, und leerte sein Glas. Die Tür von der Bibliothek in den Speisesaal öffnete sich leise; John zeigte sich. Mantle faßte Everard unter den Arm, und führte ihn zum gedeckten Tisch: „An die Arbeiti" Man begann mit einem herrlichen blors ck'oeuvre, das aus mindestens zwanzig kleinen Schüsseln, Tellern oder auch in den Originaldosen zusammengestellt war. Everard ordnete eine ganze Symphonie auf seinen Teller. „Diese Schüssel empfehle ich Ihnen ganz besonders", sagte Mantle, und wies auf eine kristallene Schale. „Was ist das?" fragte der kurzsichtige Anwalt. „Scheint weder Fleisch noch Fisch." „Das sind Alici. Ich beziehe sie direkt aus Genua. Es ist wohl das Zarteste, was es an gewürzten Speisen gibt; kleine Fischchen, eine Sardellenart, die -aus der Zunge zer gehen, mit Oliven, Melonenschnittchen — eine wundervolle Zusammenstellung." Everard ließ sich nicht nötigen, schaffte auf seinem Teller noch Platz für eine tüchtige Portion der angepriesenen Alici, und gab sich wortlos der angenehmsten Beschäs- tigung hin. Dem tiors ck'oeuvre, das von einer Flasche Mosel begleitet war, folgte ein Rumpsteak mit allerhand Gemüsen und einem schweren Lafite; Käse, Obst, süßes Backwerk vervollständigten mit einem gut gekühlten Jrroy das Mahl, dessen Schluß ein öliger holländischer Likör und eine Schale Mokka bildeten. Dies alles wurde von John Sleath mit Hilfe eines zweiten Dieners und des ge räuschlosen Speiseaufzugs so blitzschnell serviert, daß die Herren keine Zeit als eben zum Essen und Trinken hatten, und die Bemerkungen, die sie etwa zu machen versucht waren, sich zu Lauten des Wohlbehagens verdichteten. Endlich saßen sie allein, schwere Havannas rauchend, in den tiefen ledernen Polsterstühlen der Bibliothek. „Was für ein köstliches Heim Sie sich geschaffen haben, Herr Mantle", sagte Everard voll Bewunderung und Dank barkeit. „Und die größte Kostbarkeit kommt nächstens dazu." „Die größte...?" „Ich heirate." „Ah, also haben Sie sich nun doch entschlossen? Wahrhaftig, ich gönne es der liebenswürdigen Frau Swinnerton." „Frau Swinnerton? Wer spricht von Frau Swinner- ton?" „Verzeihung, ich wollte nicht indiskret sein, ich dachte... wenn ich nicht irre» habe ich ja selbst in Ihrem Auftrage Rechtsgeschäfte ausgeführt, die sich noch auf den Nachlaß ihres ersten Mannes bezogen. Der Ruf der schönen Frau ist ja tadellos, und man hat doch zuweilen von Ihnen beiden als von einem zukünftigen Paar gesprochen..." Mantle zog etwas länger an seiner Havanna. „Es hat keinen Sinn, mit Ihnen Verstecken zu spielen. Frau Swinnerton hat mir wirklich nahe gestanden, und sie selbst weiß es auch bis zu diesem Augenblick nicht anders. Aber ich habe in den letzten Wochen eine andere Wahl ge troffen. Nun muß ich mit Frau Swinnerton klare Rech nung machen, und dazu erbitte ich mir Ihren Beistand." Jetzt war es an Everard, sich mit seinem Zigarren stummel eingehender zu befassen. „Ich weiß", fuhr Mantle fort, „die Aufgabe ist nicht angenehm, ja peinlich. Aber sehen Sie, ich fürchte mich da vor, der Dame allzu weh zu tun, denn — Sie kennen mich ja — ich bin kurz angebunden, und Widerspruch kann mich sehr hart machen." „Hat sie ein Eheversprechen von Ihnen?" „Kein schriftliches. Auch kein mündliches. Denn ein Liebkosungswort in einer vertraulichen Stunde kann nie- mals als ein bindendes Versprechen angesehen werden. Allerdings gebe ich zu, daß Frau Swinnerton nach der Art unserer Beziehungen sich gewissen Hoffnungen hinzugeben nicht ganz unberechtigt war." «k „Hm. Der Fall ist nicht leicht. Womit soll ich denn Ähre Lrennungsabsicht begründen?" „Mit Geld." „Wie verstehen Sie das?" „Meine Freundin ist eine durchaus ehrenwerte Frau. Sie hat gleich zu Beginn unserer Beziehungen mir jede- Geschenk verboten, und ich mußte mich auf jene kleinen Auf merksamkeiten beschränken, wie sie in der Gesellschaft zwischen Herren und Damen ohne jede weitere Verbind lichkeit, als Akt der Höflichkeit, der freundschaftlichen Ge sinnung üblich sind. Wenn es Ihnen durch Ihre Dar legungen gelingen wird, ihr zu beweisen, daß sie mich nicht halten kann, und daß es ihr nur zu lebenslänglichem Un glück gereichen würde, wenn sie wirklich ein Recht an mir hätte, und mich zwingen würde — ich meine, sie müßte er kennen, daß ein gütliches Auseinandergehen das Richtige ist. Sie ist schön, sie ist klug, sie erscheint begehrenswert. Wenn sie sich von mir freimacht, kann es ihr nicht schwer fallen, einen Ersatz für mich zu finden. Sie ist nicht reich, Sie kennen ja ihre Verhältnisse, Herr Everard, aber sie hat ihr anständiges Auskommen. Wenn sich nun ihr Vermögen derart erhöht, daß sie sich aus ihrer bisherigen Zurück gezogenheit befreien und mit allen ihren Gaben, Fähig keiten und Einkünften in der Gesellschaft eine Rolle spielen kann, dann vermöchte schon dies allein ihr Ersatz für mich zu bieten, könnte aber obendrein ihr eine Anzahl ernst zu nehmender Freier zuführen." „Ich bin immer schon ein aufrichtiger Bewunderer Ihres Scharfsinns gewesen, Herr Mantle", sagte der Rechtsanwalt, „aber wie Sie da jetzt vor mir plädiert haben — Sie könnten der beste Rechtsanwalt sein. Und wären vielleicht auch Ihr bester Anwalt bei Frau Swinnerton." Mantle lachte. „Ja, wenn ich nicht Alexander wäre, möchte ich wohl —! Aber nun will ich Ihnen verraten, daß ich doch etwas Zartgefühl besitze. Ich kenne die Macht des Geldes, und bin der aufrichtigen Meinung, daß auf dieser Welt alles mit Geld zu machen ist. Aber dieser Frau Geld anzubieten, wäre ich nicht imstande." „Sie haben recht." »Sie übernehmen es also?" „Unter der Bedingung, daß Sie mir noch einen Whisky schenken." Der ohnehin vorbereitete Whisky wurde gebracht. „Und wie weit darf ich gehen?" „Nun, Sie kennen ja so ziemlich auch meine Verhält nisse. Das Opfer muß gebracht werden, so soll es auch wirk lich ein Opfer sein. Ich denke, ein Drittel meines Gewinns an »North Australian'..." „Wieviel war das doch?" „Aber lieber Freund, waren Sie nicht einer meiner stillen Gesellschafter bei dieser Transaktion? Also bieten Sie ihr fünfzigtausend Pfund." „Das habe ich mir ungefähr auch gedacht." „Sie bitten sie morgen zu sich und machen die Sache ab." „So eilig haben Sie es?" „Ja, denn ich will morgen auch meine Sache ab machen." Everard trank sein Glas Whisky aus und erhob sich. Mantle griff nach seinem Arm und drückte ihn sanft wieder in den Lehnstuhl zurück. „Zweiter Teil der Konferenz. Wollen Sie noch etwas rauchen oder trinken?" „Nein, ich danke. Ich glaube, ich habe mein Maß für heute nach allen Seiten überschritten." „Ich will es kurz machen. Sie wissen, ich habe einen einzigen Verwandten, einen jungen Mann, der mein Erbe werden sollte, da er zwanzig Jahre jünger ist als ich." „Gilbert Daly, soviel ich mich erinnere." „Gaikz recht. Da ich nun heirate, geht ihm meine Erb schaft verloren, gleichviel, ob meine Ehe mit Nachkommen- schäft gesegnet sein sollte oder nicht. Denn meine Frau soll die Untversalerbtn sein. Ich bitte Sie, diesen meinen Willen