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v »Ich glaube, ich weiß mehr darüber, als Sie denken; aber — da wir beschossen haben, aufrichtig miteinander zu reden, will ich auch das mit allem Freimut aussprechen: können Sie sich vorstellen, daß ein Mann von meiner Stellung und meinem Vermögen ruhig zusehen würde, daß sein Schwiegervater ruiniert dasteht — um nicht noch Schlimmeres zu befürchten?* Die linke Hand des Obersten tastete nach einer Stuhl- lsshne. Nach längerem Schweigen flüsterte er mehr, als er auSsvrachr „Ich rann Elinors nicht zwingen, ,ja' zu sagen.* «Es wird wohl keines sehr harten Zwanges bedürfen. Sprechen Sie noch in dieser Stunde für mich, Oberst Gra ham; ich glaube, daß Sie viel über Ihre Tochter vermögen. Und wenn Fräulein Elinor nicht schon eine Neigung für jemand anders gefaßt hat —*, er unterbrach sich, und seine Äugen zeigten den stechenden Blick, den sie sonst hinter den Lidern verbargen — »oder sollte schon irgendein anderer Aussichten haben?' , «Nicht, daß ich wüßte.' Der Oberst sah den trostlosen Ausdruck in Gilbert Dalys Augen vor sich, als er diese Worte hervorstieß. «Nun, dann befürchte ich keine gar zu schroffe Ableh nung', meinte Archibald Mantle, und senkte die Lider ein wenig. «Fräulein Elinor ist eine kluge junge Dame, und wenn ihr Vater die rechten Worte sindet, dann glaube ich fast, daß Sie mir noch heute abend eine günstige Antwort geben können.' ES war Lem Oberst nicht möglich, die versteckte Drohung in Archibalds Worten zu überhören. «Roch heute abend...!' Seine Stimme klang seltsam Seiß«.- ,Aa — ich dachte, Sie wollten ja noch heute die An- gelegenheit betreffs des Majors in Ordnung bringen.' Der Kreis war geschloffen, es gab keinen Ausweg mehr, LaS wußte der Oberst. Oh, dieser Archibald Mantle war entsetzlich klug...! «Gich Herr Mantle, ich komme noch heute zu Ihnen; Wer es wird spät werden, denn ich muß noch vorher zu Mae Daniel.' Sin wenig erfreuliches Lächeln'zuckle um Archibald ' Mantles Muüd. «Schön, ich erwarte Sie nachher. Sollte es später als elf Uhr sevr, dann klopfen Sie bitte mit dem Stock an mein Fenster; ich werde mich im Rauchzimmer im Parterre auf halten und Ihnen selbst aufmachen. Es wird das einzige erleuchtete Fenster sein.' Der Oberst ging nach einer Minute völliger Stille an die Lür des Musikzimmers, und öffnete sie. «Elinor', sagte er, «Herr Mantle möchte dir .Auf Wie dersehen' sagen.' Elinor erschien blond und strahlend in der Tür. «In welchem Dunkel haben Sie Ihre Geschäfte erledigt', scherzte sie. «Nein, das ist nichts für mich!* Sie lief zum Schalter, und bald ergoß sich eine Flut von Licht über den Raum. «MS Sie das Zimmer verließen, verschwand auch die Sonne. Es ist nur natürlich, daß es mit Ihrem Eintritt wieder hell im Zimmer wird*, sagte Archibald beim Ab schied, «hossentlich bin ich so glücklich, mich noch oft Ihrer Erhellenden Gegenwart zu freuen.' * * Archibald Mantle war ein wenig überrascht, als er zu Hause seinen Vetter Gilbert Daly vorfand, der ihn er wartete. «DaS ist ja eine seltsame Auszeichnung', meinte er. Die beiden standen in keinerlei freundschaftlichen Be- ziehungen zueinander, trotzdem sie nahe verwandt waren. Der Altersunterschied und mehr noch die tiefe Verschieden heit der Charaktere ließen keine rechte Herzlichkeit aus- kommen. Archibald kümmerte sich kaum um seinen jungen Vstrrj -S paßte nicht zu seinem gewohnten Leben, Fami lienanhang zu haben. Das konnte nur Scherereien und Verlegenheiten mit sich bringen. Einen reichen, bedeuten den Verwandten hätte er als eine Art Nebenbuhler an gesehen, einen armen, unbedeutenden Verwandten dagegen als eine Belastung. Solche Leute wollen immer, daß man ihnen Stellungen verschafft oder Schulden zahlt. Nein, es war schon das beste, sich mit einem oberflächlichen Verkehr zu begnügen, der dem andern gar nicht die Möglichkeit bot, sich mit Privatangelegenheiten an einen zu wenden. Das hinderte nicht, daß er Gilbert freundlich empfing, und ihm wohlwollend auf die Schulter klopfte. Gilbert hatte viel Respekt vor seinem Vetter, aber auch er hatte sich nie bemüht, die gegenseitigen Beziehungen leb hafter zu gestalten. Doch heute, am Tage seiner Abreise, wollte er wenigstens Abschied nehmen. Archibald war ja nun einmal fein einziger Verwandter, und Gilbert war von der Unterredung mit dem Oberst im Innersten ausgerührt. Wie junge Leute oft bei solchen Ge legenheiten, hatte auch Gilbert in diesen Stunden das Be dürfnis, sich auszusprechen. Und das brachte mit sich, daß er heute seinen Vetter nicht bloß mit kühlem Respekt ansah. Es war nun einmal sein nächster Verwandter. Und wenn Archibald im all gemeinen etwas abweisend wirkte, so mochte er, Gilbert, vielleicht auch eine gewisse Schuld daran haben. Archibald war ein vielbeschäftigter Mann, man konnte nicht von ihm verlangen, daß er sich seines Vetters erinnerte; da war es eher an ihm, an dem Jüngeren, sich um die Freundschaft des Aelteren zu bemühen. Schließlich war Archibald ein reicher, aber auch ein sehr einsamer Mann, der zwar viel umworben war, aber gerade dadurch wohl mißtrauisch werden mußte. Gilbert sah sich in dem Zimmer um. Es waren kostbare Möbel, Bilder und Teppiche genug vorhanden, aber trotz dem hatte man kein behagliches Gefühl. Irgend etwas fehlte. Man spürte, daß dem Bewohner dieses Zimmers alle diese Dinge wenig bedeuteten, daß er sie wahrscheinlich kaum beachtete. In Gilbert stieg ein warmes Mitleid mit seinem Vetter aus. Schade, daß er erst heute, in der Ab schiedsstunde, alle diese Dinge so ansah. Und er nahm sich vor, nach seiner Rückkehr Archibald häufiger auszusuchen; er würde ihn auch zu sich einladen, in das kleine Heim, das er dann begründen wollte, wenn Elinor... „Nun, was führt dich denn zu mir?" fragte Archibald, nachdem sie es sich bet einer Zigarre bequem gemacht hatten. „Eine Ewigkeit, seit wir einander zuletzt begegnet sind.' Auch Archibald Mantle war heute sehr umgänglich ge stimmt. Wie immer, wenn er fühlte, durch seine stärkere Geisteskraft einen Sieg errungen zu haben. Und die Aus sicht, Elinor bald als seine Gattin zu sehen, erhöhte seine Laune noch beträchtlich. Wie gut paßte das zu ihm, eine der schönsten Frauen Londons an seiner Seite zu haben! Aber es war nicht bloß die Eitelkeit des Siegers — er wußte sehr wohl, daß er vem Oberst die Wahrheit gesagt hatte. Elinor hatte wirklich tiefen Eindruck aus ihn gemacht, ja, er wußte sehr wohl, vaß sie Vie erste war, um die er bis zum Aeußersten kämpscn wollte. Nun, dergleichen war kaum mehr nötig. Der Oberst konnte ihm nicht „nein" sagen, vazu war das Terrain doch zu gut vorbereitet gewesen. Schritt für Schritt. Denn der Entschluß, Elinor zu gewinnen, war schon lange vor der Gesellschaft bei Dixons' in ihm entstanden. Er hatte sie im Theater gesehen, und das war genügend ge wesen. Natürlich tat er nicht dasselbe, was ein schüchterner junger Mann getan hätte: die Bekanntschaft des Mädchens suchen und mit aller Kraft einer ehrlichen Neigung auch bei dem Mädchen Neigung zu erzeugen. O nein, das war nicht Archibald Mantles Art. Er hatte bald herausgebracht, daß der Oberst mehr Geld brauchte, als einnahm. Das war ein Punkt, wo man den Hebel ansetzen konnte. Er ließ den Oberst beobachten. Er selbst besuchte manchmal den Klub, in dem der Oberst ver«