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»Run also!* sagte er, endlich zufriedengestellt. „Jetzt Haden wir eben nur einen Spiegel; aber der tut's vor läufig auch. Mit der Zeit wollen wir weiter sehen.* Die Versöhnung nahm ihren Fortgang. Kleine Ursachen, große Wirkungen. Ein Steinchen, in den stillen, ruhigen Teich geworfen, zaubert kleine runde Kreise hervor, alsbald werden sie größer. Zuletzt über ziehen sie die ganze Wasserfläche. Die Nervosität in dem von dem Glück heimgesuchten Hause wirkte entschieden ansteckend. Auch in dem ersten Stockwerk ertönten streitende Stimmen. Der Nein? dicke August Essinger ging mit seinen kurzen Beinen schnell in. dem Zimmer auf und ab. Der Kneifer baumelte an einer dünnen, langen Schnur auf dem runden Körper. Er sah ärgerlich aus, und das lebhafte Spiel seiner Hände verriet die Erregung, in der er sich befand. .Ich hätte dich doch für gescheiter gehalten, Thusnelda. Ich habe immer geglaubt, ich habe eine gescheite Frau. Sollte das unrichtig sein? Ich bitte dich, Thusnelda, fei vernünftig." Frau ThuSnelda saß schweratmend in ihrem Lehn stuhl. Ihr allzu üppiger Busen wogte. Sie sah derangiert aus, und ihre hochgekammten dicken, mähnenartigen Haare waren in Unordnung. .Soll ich mich beleidigen lassen von dem Schneider, der bei uns in der Mansarde unseres Hauses wohnt?" sagte sie mit scharfer Stimme, die auffallend abstach von ihrem sonstigen matten Ton. „Soll ich mich beleidigen lasten von dem Lienhart, von der Familie, von der schon die ganze Stadt spricht?" »Laß sie sprechen, Thusnelda! Latz sie sprechen!" siel der Gemahl ein. „Geht es den Bankier Effinger etwas an, wenn dem Herrn Lienhart die Tochter durchgegangen ist, oder geht es ihm nichts an? Hab' ich nicht viel Geld durch Herrn Lienhart verdient, ein schönes Stück Geld? Ein Mann, mit dem ich Geschäfte machen kann, sogar sehr gute Ge schäfte, ist in meinen Augen kein schlechter Mann, Thus nelda." Effinger sagte eS mit vollem Nachdruck, in dem Ton einer Rüge. Frau Thusneldas Stimme nahm einen tiefen, starken Klang an. „Ich kenne dich nicht mehr, August. Wahrhaftig, ich kenne dich nicht mehr!" Herr Effinger fuhr mit nervösen Fingern durch die grauen, aber noch dichten Haare. Dann spielte er mit der schweren goldenen Uhrkette, die sich in malerischer Lage über die ganze Breite der bunten Weste hinzog. Schließlich zog er die Uhr, und ließ geräuschvoll den Deckel auf springen. .Beruhige dich, Thusnelda, beruhige dich!" Aber Frau Thusnelda wollte sich nicht beruhigen lasten, und als ihr Mann immer wieder anfing, Herrn Lienhart herauszuftreichen, verließ sie, stolze Verachtung im Blick, geräuschvoll das Zimmer. Effinger versuchte, ein Liedchen zu pfeifen und spitzte die dicken Lippen; aber plötzlich wurde er wieder wankend in seinem Entschluß. August Effinger war ein friedlicher Mann, und er wollte feine erzürnte Gattin nicht noch mehr reizen. Sinnend furchte er die hohe Stirn, und er über- legte ernstlich, wie er am besten wieder einlenkte. Aber mitten in seinen Plänen wurde er durch einen Lärm auf der Strahe gestört. Es rumpelte, tönte und dröhnte auf dem holprigen Pflaster, daß die Mauern des alten Haufes erzitterten. Ein schwerer Lastwagen schien vorüberzufahren; es klapperten die Hufe der starken Pferde. Einige Männer, die des Weges gingen, blieben stehen und sahen neugierig heraus. Sogleich hörte auch das Rollen und Dröhnen auf; ein Fuhrmann knallte mit der Peitsche. Der Wagen hielt vor dem Hause. Stimmen wurden laut. Als Effinger an das Fenster Kai, zog er vor Erstaunen die Augenbrauen hoch und seine Stirn bewölkte sich ernstlich. „Ist das ein Unsinn", sagte er laut und vernehmlich. Er war ganz ausgebracht. „Hat ein Mensch schon einen solchen Unsinn gesehen?" Aufgeregt schritt er zu der trennenden Tür, und pochte kräftig. „Thusnelda, Thusnelda! Komm heraus und sieh dir an, was er für einen Unsinn macht, der Lienhart. Ich bin zornig, ordentlich zornig, weil er doch ein dummer Mensch ist, der Lienhart..." Drinnen in dem kleinen Gemach regte sich etwas; heftig ging die Tür auf. „Hab' ich recht, oder hab' ich nicht recht, August", sagte die dicke Frau, indem sie sich neugierig an das Fenster drängte. „Vollkommen hast du recht, Thusnelda, vollkommen. Hat sich der Lienhart wahrhaftiger Gott einen Kasten schrank angeschafft, der fast doppelt so groß ist, wie der Kastenschrank des Bankiers Effinger. Sollte es ein ver nünftiger Mensch glauben? Wozu gibt er so viel Geld aus, der Herr Lienhart, so viel unnötiges Geld? Einen Zorn könnte man kriegen, einen großmächtigen Zorn. Könnte er nicht mir sein Geld zum Aufheben geben, der Herr Lienhart?" „August", sagte Frau Essinger, „und von einem solchen Menschen willst du mich beleidigen lasten?" Effinger hob beschwörend die Hand. „Es soll gesühnt werden, Thusnelda, ich versprech' dir's in die Hand. So bald er seinen Kastenschrank ausgestellt hat, der Herr Lien hart, werde ich ihn steigern, werde ich ihn nicht zu wenig steigern. Das wird die Strass sein, daß er die Gemahlin des Bankiers Effinger beleidigt hat und daß er solch ein verschwenderischer Mensch ist, der das Geld mit vollen Händen hinauswirft." Frau Thusnelda blickte ihren Gatten zärtlich an. „Ich hab' mich doch nicht in dir getäuscht, August. Jetzt kenn' ich dich wieder. Du wirst ihm zum Bewußtsein bringen, daß er der Schneidermeister Lienhart ist, und wirst ihm Miete und wieder Miete zahlen lassen, bis sein Uebermnt gebrochen ist, mit dem er oie Gemahlin, des Bankiers Effinger beleidigt hat." Drunten im Erdgeschotz ging es lam und lebhaft zu. Sechs starke Männer, die Rock und Weste abgelegt hatten, mit bloßen Armen und bloßem Nacken, standen vor dem Hause um den groben Transportwagen herum, aus welchem das blankpolierte metallene Ungeheuer lag. Sie krauten sich hinter den Ohren, netzten die schwieligen Hände, schnupften und berieten anscheinend, wie sie den Riesenleib am besten von seinem Lager herunterholen könnten. Allmählich sammelten sich noch mehr Neugierige, Müßiggänger von allen Ecken, die mit Interesse dem Beginn des Werkes entgegensahen und ehrfürchtige Blicke bald auf den erstaunlich großen Kassenschrank, bald auf das Haus richteten, das bestimmt war. dieses nützliche und wohltuende Möbelstück auszunehmen. Auch Herr Effinger beobachtete durch das geöffnete Fenster das Gebaren der Männer. Aber da er bemerkte, daß die Blicke zu ihm herausslogen. zog er sich ärgerlich zurück. Seine Nasenflügel zitterten vor Entrüstung. „Gott", sagte er, „wie sind sie dumm und einfältig, alle die Leute. Was stemn sie und sehen herauf, als ob der Kasscnschrank dem Effinger gehörte. Sie werden alle glauben, er gehöre wirklich nur. Sie werden meinen, -s sei viel Geld, ungeheuer viel E-Id im House, und es ist mir sehr unangenehm, wenn sie das meinen.. Sie könnten leicht auf dumrm Gedanken kommen, die Leute, die schlechten Elemente unter den Leuten werden angezogen, daß man nich: mehr im eigenen Hause sicher ist." lFortfetzuag folgt.)