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N 2 UZ. „Getrennt marschieren uno vereint schlagen, heißt die Losung, Herr Lienhart!... Gehen Sie hinein und machen Sie Anzeige. Wir wollen jetzt unsere Nachforschungen, jeder für sich, fortsetzen... Hoffen wir auf guten Erfolg!* Etwas unsicher betrat der Schneidermeister die dunkle Stube, das Wachlokal des dritten Polizeireviers. An einem Tische saßen mehrere Schutzleute, die rauchten und die eben erschienenen Abendblätter lasen; ein anderer lag auf einer Pritsche und erholte sich von den Strapazen der vergangenen Nacht. Die Männer waren augenscheinlich der Ansicht, daß Lienhart genaueren Bescheid wisse; denn sie wandten kaum den Kopf nach ihm. Der Schneidermeister räusperte sich vernehmlich. „Wünschen Sie etwas?* fragte ein dicker Poltzei- Unteroffizier in grauer Litewka, die er der Bequemlichkeit halber geöffnet trug. In Lienhart erwachte der Bürgerstolz. „Selbstverständ lich wünsch' ich was. Sonst wär' ich nicht hier. Ich Hosse stark, einer von Ihnen ist so freundlich und zeigt mir ge fälligst, wo ich hin muß.* Auf diese kecke Rede sanken einige Tagesblätter auf den Tisch, und der Schutzmann auf der Pritsche, der aufgewacht war, hob den Kopf und stützte sich auf. „Sind Sie nicht der Mann, der gestern im .Goldenen Apfel' eine Bombe geworfen hat?* fragte er. „Nein*, sagte ein anderer am Tische, „es ist der, der heute morgen mit seiner alten Kutsche am Heringsmarkt den Auflauf gemacht hat.* „Ganz im Gegenteil*, sagte ein dritter, „es ist der, von dem ich heute morgen eine Strafe wegen groben Unfugs eingezogen habe.* Schließlich wurden sie einig, daß sie alle drei recht hätten. Der Dicke erhob sich. „Sie sind anscheinend ein Mann, auf den man ein Auge haben muß... Was wollen Sie denn schon wieder aus der Polizei?* Dem Meister kamen seine Sünden zum Bewußtsein, sonst wäre er weit ausfallender geworden. „Sind Sie der Wachtmeister?* fragte er deshalb nur. „Ich will zum Wachtmeister. Ich hab' was anzuzeigen.' Das Interesse der Mannschaft schien sofort zu er lahmen. Man nahm die Zeitungen wieder auf. „Ich Weitz nicht, ob der Herr Wachtmeister gerade Zeit hat*, knurrte der Dicke. „Will mal sehen.* Mit einem leisen Aechzen erhob er sich, und verschwand in dem anstotzenden Zimmer. Der Wachtmeister war soeben damit beschäftigt, sein Vesperbrot zu genießen. Er hatte einen großen Rettich kunstgerecht geschnitten und reichlich mit Salz versehen und beobachtete nunmehr mit Aufmerksamkeit die Wasser ziehende Wirkung des Salzes. Er war sonst ein recht schaffener, braver Mann; aber begreiflicherweise etwas ungehalten, wenn er gerade bei dieser Beschäftigung ge stört wurde. Menschlich, nur allzu menschlich! „Er soll mal 'reinkommen! Selbstverständlich kommen die Leute immer, wenn es am unpassendsten ist. Wenn man alle Hände voll zu tun hat... Schicken Sie ihn mal 'rein, Müller! Aber ich bitte mir aus, daß er es kurz macht.* Lienhart hörte alles durch die geöffnete Tür, und die Hoffnung ans Erfolg dieses Ganges schwand merklich. Aber er täuschte sich. Der Wachtmeister hörte ihn so ruhig an, daß er sich fast gar ein Kitzchen wunderte, und als der Meister geendet hatte, lächelte er. Lienhart sah sofort, daß es kein wohlwollendes Lächeln war. „Sonst noch was?* fragte der Mann kalt. „Wissen Sie, lieber Herr, da hätten wir viel zu tun, wenn wir allen Mädels nachlaufen müßten, die mal durchgehen. Das können Sie von der Polizei wirtlich nicht mit Recht ver langen. Man tut ja das Menschenmöglichste; aber was Sie uns zumute«, ist stark!* Er schüttelte den Kopf in Verwunderung über die Naivität des Schneidermeisters. -"BW« Lienhart kam es beinahe schon selbst so vor, alS hätte /r etwas Dummes gemacht. „Aber die beiden Fremde«? Der Fanutti und der andere mit dem schweren Ramen? Es ist doch nicht erlaubt, daß sie sich gegenseitig um- bringen!* Wieder lächelte der Wachtmeister mit überlegenem Mit leid. „Können Sie sagen, daß etwas passiert ist? Können Sie es sagen?... Kommen Sie wieder hierher, Herr Lienhart, wenn Sie sagen können, daß etwas passiert ist, und der Wachtmeister Eberspächer ist am Platze!... Sind das Leute! Das sind Leute!* In kurzer Zeit stand Lienhart auf der Straße und überlegte sich, was nun zu tun sei. Er schlug aufs Gerate wohl seinen Weg durch einige Seitengassen ein. Der Stadtteil, in dem er sich jetzt befand, wurde immer düsterer, geringer und unansehnlicher. Die schmucklosen, häßlichen - Häuser und Häuschen standen eng aneinander. Schmutzige Kinder spielten auf dem holprigen Pflaster der Gäßchen, unter den Türen der armseligen Lädchen standen Trödler, Milch- und Gemüsehändlerinnen. Auf einmal fiel ihm ein großes, rotes, an den Fenstern eines schmalen, bureau artigen Zimmers angeklebtes Plakat in die Augen. Der riesenhafte Rumpf eines ManneS war darauf ab gebildet, aus dessen Augen Strahlenbüschel schossen. Er hielt eine Laterne in die Höhe, die gleichfalls mit mächtigem Strahl das nächtliche Dunkel zu durchdringen schien. „Privatdetektiv-Institut Prometheus Gesellschaft mit beschränkter Haftung* stand darunter in handgroßen Lettern. Sodann wurde mit etwas kleinerer Schrift die segenbringende Tätigkeit dieses Instituts klargelegt nebst den vielfachen Vorzügen, welche es vor anderen Einrichtungen ähnlicher Art zu verzeichnen hatte: Ermittlung verschwundener Personen oder solcher, die sich verborgen halten. Auffindung von Zeugen. Ueberwachung verdächtiger Personen. Spezialität: Erforschung dunkler, unaufgeklärter An gelegenheiten!!! Wer ratlos ist, wende sich an Prometheus! Wo die Hilfe der Polizei versagt, wende man sich an Prometheus!! Wer die Spur verloren hat, wende sich an Prome theus! I! Prometheus ist flink, schnell und gewandt! Schonendste Behandlung von Famt- l i e n a n g e l e g e n h e i t e n. Reell, solid, billig, leistungsfähig» Oberster Grundsatz: Schnelle Hilfe ist die beste Hilfe! IW. Man hüte sich vor anderen Instituten, die mit schwindelhaften Anpreisungen um sich werfen und bei großen Kostenberechnungen geringe Erfolge bringen. Prometheus hat Verbindungen mit den höchsten Be hörden, mit sämtlichen größeren Städten des In- und Auslands. Reell, solid, billig, leistungsfähig, prompt!!! Das ist mein Mann, sagte sich Lienhart, und er betrat, ohne zu zögern, den Laden. Seinem Charakter entsprechend, war die innere Ein- richtung des Geschäftsraums von einer rührenden Einfach heit. In der Mitte stand ein kleiner Ladentisch, der früher vielleicht einmal einen Oelfarbenanstrich besessen hatte. Ein Stehpult von der gleichen Farbe stand an der Wand des Zimmers, das mit eng aneinander geklebten Prome- theusplakaten vollständig austapeziert war. Den einzigen Stuhl des Lokals an der Seite des Laden tisches nahm ein junger Mann ein. Er hatte den Hut auf dem Kopfe, rauchte und war in einem anregenden Ge spräch mit einem anderen jungen Manne begriffen, der, mit den Händen in den Hosentaschen, in naMMger