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Me -er Wittd ging eS die vielen Stufen hinauf, so -ätz ihm der junge Man» kauy zu folgen vermochte. Obe» sah er auf den ersten Blick die Grundlosigkeit seiner Angst, sah aber auch, daß eine zweite Gefahr um so größer war. Er vernahm die letzten Worte seiner Frau. »Halt da!* sagte er also. „So weit sind wir noch nicht! Ich bin auch noch da, Herr Fanuttil... Und kurz und gut, mein Schwiegersohn steht hier!* Er deutete auf UiSztgeth, der hinter ihm eingetreten war. Run gab es ein tolles Durcheinander, einen äußerst be wegten Auftritt. Mutter Lienhart verfocht ihr Recht mit ebenso großer Zungenfertigkeit und Standhaftigkeit, als der Meister donnerte und wetterte. Herr Küchlein suchte zu beschwichtigen, und seine emp findsame Frau rang die Hände. „Ach, du lieber Gott! Ach, du lieber Gott!* sagte sie ein um das andere Mal. Madame Hellborn aber kreischte laut auf vor Ver gnügen, und klatschte die Hände zusammen. „Na, so was. Zwei Schwiegersöhne auf einmal! Wie sich die Grete aber freuen wird!* Die früheren Freunde P»d jetzigen Gegner maßen sich mit finsteren Wicken. „Sie werden zurücktreten, Herr Uiszigeth*, sagte der Italiener. „Ich habe zuerst das Jawort der Mutter er halten.* „Im Gegenteil, Sie werden zurücktreten müssen, Herr von Fasutti*, erwiderte der andere. „Ich habe des Vaters Einwilligung. Bei allen Kulturvölkern der Welt ist die Stimme des Vaters ausschlaggebend.* „Nur keinen Streit! Ich bitte Sie, nur keinen Streit!* jammerte der Spezerelenhändler. Mutter Lienhart wandte sich an ihren Schützling. „Seien Sie ganz zufrieden! Lasten Sie sich nicht bange machen! WaS ich sage, das geschieht. Dafür bin ich da!* „Kümmern Sie sich nicht um daS Weibergeschwätz*, er munterte Lienhart. „Richt bloß bei allen Kulturvölkern, auch im ganzen deutschen Reich ist es so, daß der Vater daS Wort hat.* Uiszigeth fühlte die Notwendigkeit, der Szene ein Ende zu machen. „Herr von Fanutti*, sagte er, „Sie werden mir folgen. Da keiner von uns beiden freiwillig zurücktritt, gibt eS für Männer von Ehre nur eine Mög lichkeit.* „Ich verstehe, Herr Uiszigeth, und ich gebe Ihnen recht. Mag die Waffe entscheiden.* ES entstand eine feierliche Stille. Die Lienharts und die Küchleins waren zu Tode erschrocken, und sogar Madame Hellborn hatte ein unbehagliches Gesühl im Magen. Bevor sie sich faßten, zogen sich die beiden Kämpfer mit einer ernsten Verbeugung zur Tür zurück. Uiszigeth ging als erster, in finsterem Schweigen. Fanutti war und blieb der romantischere. „Wenn ich falle*, sagte er zu Mutter Lienhart mit bedeutungsvollem Blick, „so überbringen Sie ihr meine letzten Grüße.* Darauf entfernte er sich eilig. Erst nach geraumer Weile kam Mutter Lienhart zu sich. „Um GotteS willen, halte sie doch auf, Lienhart! Die beiden bringen sich um * Der Schneidermeister schien unschlüssig; aber er war sichtlich erbleicht. „Es wird nicht so gefährlich sein*, tröstete er; aber man sah ihm an, daß er selbst nicht überzeugt war. „DaS wird eine böse Sache!* jammerte der Spezereien- händler. „Erst gestern habe ich von einem Duell in der Zeitung gelesen, in dem sich beide tot geschossen haben.* Bei diesen Worten fuhr Madame Hellborn von ihrem Stuhl auf. „Herrje! Und die beiden haben ja ihre Miete «och nicht bezahlt!* Im Nu sie zur Tür hinaus. Man hörte sie die Treppe hinunterspringen. Aber es dauerte keine Minute, so kam sie keuchend wieder herauf. „Sie sind nicht unten*, klagte sie. „Sie. sind beide schon fort... Die kommen nicht wieder! Nun ist die ganze Miete auch noch hin.* „Was soll man nur tun, was soll man nur tun?* sagte Lienhart völlig ratlos. „Man muß es der Polizei anzeigen*, riet Küchlein. Aber Frau Hellborn wußte noch etwas Besseres. Sie zeigte ihre praktische Veranlagung. „Die Grete kann doch nur einen heiraten*, sagte sie. „Sie soll sich entscheiden, welchen von beiden sie nehmen will. Dann wird der andere doch freiwillig zurücktreten.* „Sie haben recht, zweifellos recht*, riefen Herr und Frau Küchlein, wie aus einem Munde. Mutter Lienhart hatte schwache Hoffnung auf eine glückliche Lösung des Konflikts. Aber der Ertrinkende greift nach dem Strohhalm. Den Versuch konnte man ja machen. So schnell sie die Beine trugen, watschelte sie hin über zu Gretes Zimmer, und die Zurückgebliebenen horchten mit düsterer Ahnung auf ihr fortgesetztes Pochen. Es war ganz still geworden, und alle vier saßen herum, als wäre ihnen nicht wohl, oder als sollten sie soeben ein Staatsexamen ablegen. Mutter Lienharts Klopfen erschien erfolglos, ebenso ihre bittenden und flehenden Worte. Schließlich hörte man sie mit dem Schlüssel am Schloß probieren. Das schien endlich zu wirken; denn die Tür ging auf, und sie betrat das Zimmerchen. Aber es dauerte gar nicht lange, so kam sie zurück, mindestens so schnell, als sie hinübergegangen war. „Die Grete ist durchgegangen!* sagte sie mit hohler Stimme. „Wa... Was?* Der Schneidermeister hatte Mühe, das Wörtchen herauszubringen. „Ich glaubte, sie hätte den Riegel vorgeschoben, und klopfte und klopfte, und weil sie keine Antwort gab, drehte ich schließlich den Schlüssel herum. Da ging die Tür auf, und ich bemerkte, daß sie gar nicht von innen verschlossen war. Und wie ich hineinkam, war die Grete durch gegangen!* Sie brach in Tränen aus. „Bombenelement!* brach Lienhart los, der durch seine Heftigkeit die eigene Unruhe zu verbergen suchte. „Hör' mit dem Heulen auf; sie wird schon wiederkommen. Viel leicht hat sie bloß mal ihre Freundin ausgesucht.* „Nein, o nein!' jammerte Mutter Lienhart. „Sie hat sich ja ganz umgezogen, vom Kops bis zu den Füßen.* Die Küchleins wußten gar nicht, was sie ansangen sollten, und drückten ihr Mitgefühl nur durch verschiedene tiefe Seufzer aus. Madame Hellborn wischte sich mit dem Finger die Augen. „Ach, Gott, es war solch ein liebes, nettes Mädchen!* Lienhart stand aus, wie in einem plötzlichen Entschluß, und ging mit festem Schritt hinüber in die Kammer seiner Tochter. Aber auch er kehrte bald zurück, und man sah ihm die Bestürzung deutlich an. Sein volles Gesicht hatte jetzt entschieden einen nicht sehr geistreichen Ausdruck. Mit den Fingerspitzen trug er einen kleinen Zettel, auf »em einige Worte standen * ,Da, dal* stieß er hervor. Mutter Lienhart war zu aufgeregt; darum nahm ihm Frau Hellborn das Papier ab. Sie las mit theatralischem Pathos die Worte: „Den Fanutti nehme ich nicht und den Uiszigeth zweimal nicht!!! Ich gehe. Auf Wiedersehen!* Wiederum wischte sie sich die Augen. Mutter Lienhart jammerte stärker. „Mein einziges Kind! Mein einziges Kind!* „Ich bin froh, daß sie die einzige ist', warf Lienhart rauh ein. „Wenn ich noch mehr solche Racker hätte, läge ich längst unter der Eroe Das ist doch ein Malefizmädel! Es kommt aber alles nur von deinen dummen Heirats plänen.* (Fortsetzung folgt.) i