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Beilage zur Wettzerty Wellung -— - 7irrMW»Wi ir-ii I>I7-—^ r^i^^im^U'11'71^—- »-M- - Nr. 135 Donnerstag, am 13. Juni 1929 95. Jahrgang Lhrontt des Tages. - Der Völkerbundsrat will am heutigen Donnerstag zu ven Ausschußverhandlungen über die Mmderheitensrag« Stellung nehmen. — Der Reichstag hat den Etat des Innenministeriums nach den AusschuMeschwssen angenommen. — Der Verein deutscher Eisen- Und Stahlindustrien« hielt in Berlin seine Jahreshauptversammlung ab. — Generaldirektor ColSmann ist von der Leitung des „Luftschiffbau Zeppelin" zurückgetreten. — Bei einer Kessolerplosion in einer Zigarrenspitzen- fabrik in Egelsdors (Thüringen) wurde ein Arbeiter geiöte! und zwei schwer verletzt. — Der Posträuber und Mörder Wilhelm Werner, dei im Dezember vorigen Jahres den Raudüberfall auf di« Stationskasse in Kulmbach verübt und den Fahrdienstleitei in Neuenmarkt erschossen hat, wurde vom Schwurgericht Bay reuth zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. — Die schwedischen Ozeanflieger sind zum dritten Ma! nach Island zurückgekehrt. Die Olive» vo» Locarno. -Sie sind reif und müssen gegessen werden". - — Madrid, 13. Juni. Die etwa einstündige Unterredung des deutscher Neichsaußenministers Dr. Stresemann mit Briand, du allerdings erst stattfand, nachdem sie längst überfäl lig war, bildet den Gegenstand eingehender Erörte rungen. Da die Minister selbst Stillschweigen bewahre, und wesentliches über den Verlauf ihrer Unterredung nicht bekunden, ist man aus Andeutungen angewiesen Daß Briand und Stresemann „laufende An gelegenheiten" erörtert haben, zieht niemand in Zwei sel. Und ebenso wird niemand bestreiten wollen, das gegenwärtig die Folgen der Reparations-Konferenz die wichtigsten schwebenden Angelegenheiten bilden Der Vertreter der französischen Nachrichtenagentur Havas spricht denn auch davon, Stresemann uni Briand seien übereingekommen, zu „gegebener Zeit' und im Einvernehmen mit allen Mächten praktisch, Schlußfolgerungen aus dem Ergebnis der Pariser Ro Parations-Konserenz zu ziehen". > Aehnliches bekundet Pertinax im „Echo de Paris" Nur, daß er mehr in Gleichnissen redet: schreibt ei doch, die Oliven von Locarno seien nun reil und müßten gegessen werden. Scheinbar sind sie et aber auch jetzt noch nicht. Sauerwein, der den „Mo tin" bedient und wiederholt gut unterrichtet war, faß! nämlich das „Gebot der Stunde" so aus, daß bit zum 1. August folgende Akte vollzogen werden müs sen: die Bestätigung des Reparationsguta-chtens uni der Schuldenabkommen; die Einberufung der poli tischen Konferenz; die Räumung des Rheinlandes uni die Einsetzung einer Schlichtungs- und Vergleichs- kommission! Man kann also wieder einmal feststellen, daß dii Bestrebungen, das Rheinland nach der Räumung mi! einem Kontrollsystem zu beglücken, in Frankreick noch nicht erloschen sind. Das muß die weiteren Ver handlungen natürlich überaus erschweren, kann Deutsch land sich doch zu neuen Kontrollzugeständnissen nich verstehen. Daß auch das amtliche Frankreich nach wie voi mit dem Kontrollgedanken spielt, geht daraus hervor daß Briand zu Beginn der Ratstagung einer Begeg nung mit Dr. Stresemann offensichtlich auswich uni durch die Presse die Oeffentlichkeit dahin unterrichte» ließ, in Madrid könne höchstens über formelle Fra gen, Ort und Datum der politischen Konferenz, ge sprochen werden. Durch diese Einschränkung seine: Verhandlungsbereitschaft prallte Briand offenbar Zed gewinnen und vermeiden, seine Karten zu früh auf decken zu müssen. Die Oliven von Locarno bedürfen also anschei nend noch einer starken Dosis Sonnenschein, damit sn reif werden. In der Minderheitenfrage, die den Gegen stand der offiziellen Ratsverhandlungen bildet, Hai sich die Lage etwas gebessert. Die Verhandlungen des Ratskomitees sind zum Abschluß gelangt, und ani heutigen Donnerstag tritt der Rat zusammen, um in öffentlicher Sitzung seinerseits Stellung zu nehme» Das Ergebnis der ausgedehnten Verhandlungen im Ratsausschuß ist wenig befriedigend. Es ist zwar gelungen, die gegenwärtig in Geltung befindlichen Be stimmungen über das Verfahren in Minderheiten beschwerden technisch zu verbessern, doch entsprechen di« erreichten Erfolge nicht den von der deutschen Dele gation erstrebten Zielen. Deutschland hat weder di« Vertagung der Angelegenheit bezw. die Einholung eines Gutachtens aus dem Haag durchsetzen, noch seine Forderungen: Dauerschutz für die Minderheiten und Einsetzung eines Ueberwachungsausschusses, verwirk lichen können. Wie uns aus den Kreisen der deutschen Delega tion mitgeteilt wird, sollen die Protokolle der Sit zungen des Ratskomitees und der Bericht des Dreier- ausschusses sämtlichen Mitgliedstaaten des Völkerbun des zugesandt werden, so daß die grundsätzlichen Fra gen des Minderheitenschutzes nach wie vor offen sind und es Deutschland in der Hand hat, zu gegebener Zeit die Minderheitenfrage abermals aufzurollen. Die Haltung der deutschen Delegatton in der heutigen Ratssitzung hängt von dem Inhalt der vor den anderen Delegierten angekündigten Erklärungen ab. Sollte die Annahme der Verbesserungsvorschläg« von einzelnen Delegattonen mit der Annahme des Londoner Berichts gleichgesetzt werden — gegen der Deutschland protestiert — dann wird Deutschland seine Zustimmung zu den VerbessemlngsvorsWgen zu rückziehen und damit die Sabotage des Minderheiten« schütze s vereiteln. Wie die Verhandlungen über das Recht der Min« derheiten nun auch ausgehen mögen, der Kampf hqt erst begonnen, und er wird in Madrid nicht zum Abschluß kommen. Verabschiedung des JnnenetaLs. Rach den «nsschußbeschlüssen. - Erklärungen Hil- ferdingS über die Reichsanleihe. — Berlin, den 12. Juni 1929. Der Reichstag führte heute die zweite Lesung des Haushalts des Reichsinnenministeriums zum Ab schluß und stimmte dann dem Etat in der ihm von den Ausschüssen gegebenen Form zu. Der Rest dei Sitzung war in der Hauptsache der Beratung des Haushalts des Postministeriums gewidmet. Während der Plenarsitzung wandte sich der Haus haltsausschuß dem letzten Terl des Etats zu: dem HaushaltsgeseH. Par. 6 der Vorlage, der eine Aw leiheermächttgung für die Lufthansa enthält, wurd« zurückgestellt, weil die Formulierung dieses Paragra phen Widerstand gefunden hat. Vor der Vertagung des Ausschusses nahm noch Reichsfinanzminister Dr, Hilferding das Wort, um Anfragen über di« Retchsanleihe zu beantworten. Der Minister erklärte, die Banken hätten ihm einen guten Erfolg der Anleihe in Aussicht gestellt. Uebrigens sei es ihm nur durch ' die Auflegung der Anleihe möglich gewesen, einen Bankenkrevit zu erlangen. Diese Hauptfunktion hab« die Anleihe erfüllt; darüber hinaus erleichtere sie die Ultimoschwicrigkeiten. Die Plenarsitzung. Abg. Dr. Kahl (D. Vp.) wandte sich gegen die Kritik an der Tätigkeit der Notgemeinschaft. Abg. Frau Neuhaus (Ztr.- forderte die Vorlegung eines Bewahrungsgesetzes. Abg. Hörnle (Komm.) beantragte Erziehungsbeihilfen für Arbeiterkinder. Abg. Dr. Wendhausen (Christl.-Nat. Bau ernp.) erklärte, der Stahlhelm sei die einzig wahre Volks gemeinschaft in Deutschland. Abg. Leow (Konnn.) prote stierte gegen das Verbot des Rotfrontkämpfexbundes. Abg. Petzold (Wirtschp.) trat für die Einführung eines Volks trauertages ein. Abg. Dr. Moses (Soz.) wollte das Kon trollrecht über di« Notgemeinschaft gewahrt wissen. Wg. Berndt (Dntl.) erklärte, der Stahlhelm hab« in München festgestellt, daß er gegen Umsturz und Gewaltanwendung sei. Abg. LanoSberg (Soz.) forderte die Deutschnationalen aus, mit dem Vorwurf des Landesverrats gegen die Sozial demokraten vorsichtiger zu sein. Damit schloß die Aussprache. In der Abstimmung Warde der Etat in der Ausschuß fassuna angenommen. Ferner fanden zahlreiche Entschließun gen Annahme, so z. B. die deutschnationale Entschließung, durch gesetzgeberisch« Maßnahmen den Entartungen aus dem Gebiete der litekarischen Erzeugnisse und des Theaters wirksam zu begegnen. Genehmigt wurde auch, eine Nach prüfung zu veranlassen, ob die Politische und religiöse Neutralität des Rundfunks sichcrgestellt sei. Abgclchnt wurde die Entschließung, den 28. Juni als Tag der zehn jährigen Wiederkehr der Unterzeichnung des Versailler Ver trages in allen Schulen als Reichstrauertag auszugestalten, ebenso die Entschließung, siche^ustellen, daß der Abhaltung von Reichsgründnngsfeiern am 18. Januar keinerlei Hinder nis bereitet wird. , Unter den abgelehnten Anträgen befinden sich der demokratische Antrag aus Vorlegung eines Reichs- ! Wahlgesetzes, sowie die kommunistischen Entschließungen, ! die eine völlige Trennung von Kirche und Staat, ! die Ungültigkeitserklärung des bayerischen und ein ! Verbot des preußischen Konkordats fordern. Die For- ! derung auf Vorlegung eines Ministerpensionsgesetzes ist vom Reichstag gebilligt worden. — Die Miß- ! trauensanträge gegen den Reichsinnenminjster Severing wurden gegen die Stimmen der Deutsch nationalen, der Nationalsozialisten, der Christlich-Na tionalen Bauernpartei und der Kommunisten abgelehnt Der demokratische Antrag auf Aufhebung der Län- dergcsändtschaften wurde mit den Stimmen der Demo- j kraten, Sozialdemokraten, Kommunisten und Wirt- : schaftspartei angenommen. Dringliche Sozialreformen. - Eine Entschließung der Reichsanstalt für Arbeits losenversicherung. ! Der Verwaltungsrat der Reichsanstalt für Ar- ! beitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung beschäf- - tigte sich mit der Finanzlage der Anstalt und nahw : Kenntnis davon, daß die Einnahmen in dem am 31, - März abgelaufenen Geschäftsjahr 868 Millionen Marl betrugen und die Ausgaben 1064 Millionen Mark, Der Fehlbetrag wurde durch Darlehen beim Reich« gedeckt, die gegenwärtig den Betrag von 275 Mill Mark erreicht haben. Zum Schluß der Beratungen ; wurde folgende Entschließung angenommen: ? „Die finanzielle Lage der Reichsanstalt für Ar beitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zeigt, das; das Beitragsaufkomme» und die Leistungen de« Reichsanstalt jedenfalls zur Zeit nicht miteinander im ! Einklang stehen. Der BerwaltungSrat der Reichs anstalt fordert deshalb mit allem Nachdruck, da- ; Reichsregierung und Reichstag unverzüglich gesetz- geberische Maßnahme» treffen, die geeignet sind, das finanzielle Gleichgewicht der Reichsanstalt wieder her zustellen. Damit sich die zu treffenden Maßnahmen noch rechtzeitig auswirken können, hält es der Ber- waltungsrat für unbedingt erforderlich, daß de, Reichstag die notwendigen Sanierungsgesetze nach An- hörnng des BerwaltungSratS. der Reichsanstalt nock m dieser Session, nicht etwa erst in einer HsrbßtagnW ^^Wie mitgeteilt wird, ist die Entschließung HÄ VerwaltungsrateS nicht so aufzufassen, als habe M Reichsanstalt mit ihrer Erklärung einer Erhöhung der Beiträge^das Wort reden wollen. Politische Rundschau. >- , — Berlin, de« ls. Juni t«s. - — Der Gemeinde ausschrch d«s Preußischen Landtags WM die erste Beratung des Entwurfs über die kommun« Neugliederung des rheinisch-Westfälischen MtdustriegebietS bis zum 21. Juni beenden. — Die Wiesbadener Kriminalpolizei verhaftete zwei Personen, die im Verdacht des Landesverrats stehen. * r: Arbeitsgemeinschaft der Konfessionen für deck Fri«S»em Die aus religiöser Grundlage aufgebauteck deutschen Organisationen zur Förderung des Frie« densgedankens und der Verständigung, der „Friedens« bund Deutscher Katholiken', die evangelische „Deut^ sche Vereinigung des Weltbundes für international«! Freundschaftsarbeit der Kirchen" und der .ZüdisM Friedensbund", haben sich zu einer „ArbeilLgemeiW schäft der Konfessionen für den Frieden" zusammen« geschlossen. :: Der Strafrechtsausschutz des Reichstags hat ick seiner letzten Sitzung den Grundsatz, daß Abtreibung auch im neuen Strafgesetzbuch strafbar sein soft, mit 14 gegen 12 Stimmen bejaht. Mit gleichem Stim« menverhältnis wurde für die Strafbarkeit des Ver^ suches entschieden. Mit 17 Stimmen wurde die Bor« schrift aufrechterhalten, daß das Gericht „kn besonder- leichten Fällen" von Strafe absehen könne. Rundschau im Auslande. ; In Uebereinstimmung mit den Richtlinien der fascht stischen Bevölkernrmspölitik ist den italienischen Offiziere» vis Verheiratung schon vor dem 25. Lebensjahre gestattet nwrden. ! Ministerpräsident Macdonald hat sich für 10 Tags nach seiner schottischen Heimatstadt Losfimouth begehen. ; General Sir Bryan Mahon, der 1915 di« alliiert« Saloniki-Armee führte, liegt in einem Dubliner Sanato rium im Sterben. «Steuersenkung durch Tributersparniffe! Im Hauptausschuß des Preußischen Landtags er klärte Ministerialdirektor Hog als Vertreter des Fi- nanzministcrs, die von dem Pariser Abkpmmen zu erhoffenden Ersparnisse müßten in erster Linie vm> wandt werden, um den Reichshaushalt und die Kas senlage des Reiches zu sanieren. Danach sei aber das dringlichste eine Senkung der Steuern. Der Ansschutz nahm darauf einen Antrag an, in dem das Staatsministerium ersucht wird, rechtzeitig bei der ReichSregicrung dahin zu wirken, das; die etwaige Sen kung der Reparationslasten zu einer Senkung de» Rcalsteuer» benutzt werde. Englische Manöver am Rhein? Aufsehenerregende Meldungen de» „Manchester Guardian". „Manchester Guardian", ein angesehenes libera« les Blatt Englands, veröffentlicht heute die aufsehen erregende Meldung, das britische Oberkommando treff« König Fuad Gast Berlins. Der Empfang im Rathaus. — Eintragung in das Goldene Buch. König Fuad von Aegypten war am Mittwoch Gast der Reichshauptstadt, die ihm im Sitzungssaals der Stadtverordneten einen feierlichen Empfang be reitet hatte. Nach musikalischen Darbietungen und Ge-> sangsvorträgen hielt Oberbürgermeister Dr. Böß die Begrüßungsansprache. König Fuad dankte, nahm dis ihm als Ehrengabe überreichte Mappe mit kunstvol len Radierungen in Empfang und trug sich dann in das Goldene Buch der Reichshauptstadt ein. Bet der Kranzniederlegung im Zeug- Haus trug König Fuad die dunkelblaue ägyptische tzeldmarschallsuniform mit dem grünen Ordensband; Reichspräsident von Hindenburg hatte die Uniform des Generalfeldmarschalls angelegt. Während der Gedenk feier war im Lichthofe des Zeughauses eine Ehren-- kompagnie ausgestellt worden, die die Feldzeichen des alten deutschen Heeres mit sich führte. Bei dem von König Fuad zu Ehren der deutschen Gefallenen nie dergelegten Kranz handelt es sich um einen riesigen Lorbeerkranz mit weißen Lilien und mit einer grün weißen Schleife, die die Inschrift trägt: „Fuad R. 1929". Das militärische Schauspiel im Zeughaus hatte wiederum eine große Menschenmenge angslockt, die dem Reichspräsidenten und König Fuad Huldigungen dar, brachte. Die Spionage-Affäre Kalont. k Im Prager Senat gab Ministerpräsidenr UdrzaSk Auskunft über die Spionageaffäre des verhafteten General- stabSoffiziers Falout. Er behauptete, Fawut habe für Deutschland Spionage getrieben und sich selbst der Nach richtenabteilung des ReichswehrmtnisteriumS angeboten. Das Material habe sich Falout ausschließlich in der operativen Abteilung des Generalstabes verschafft. Verlobung beS englische» Kronprinzen? ! In englischen Gesellschaftskreisen spricht man von der Möglichkeit einer baldigen Verlobung des Prinzen von Wales mit der Prinzessin Ingrid von Schweden.