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Nr. 131 Sonnabend, am 8. Juni 1S2S 98. Jahrgang /ur/terr iäirAev ».ux 8e»-cmi-i.cir:Kcm UXI2S-2S S0dii.ic^7 2csci.i.5ci-i^7 ^.6. Sagdbekanntschaft. „Hab' ich Sie nicht schon mal wo getroffen? „ „Jawohl, bei der letzten Treibjagd in den Ober« schenket." Ler Entfernte. „Kennen Sic nicht den jungen Mann dort!" „Ja, ein entfernter Verwandter." „Ast das nicht Ihr Neffe?" „Gewesen. Ich habe ihn aus meinem Haus worfen!" Polizeigericht. „Der Angeklagte behauptet, völlig nüchtern ge« wesen zu sein, Herr Polizeitnspektor." „Er war völlig betrunken. Wäre er nüchtern ge« wesen, so hätte er erkannt, daß er betrunken war." Rofengeflüster. „Wir künden den Menschen die Glückszeit an, die goldene Zeit zu lieben, die immer noch zaubrisch die Herzen umspann» daß Nebel und Wolken zerstieben. Duft hauchen wir süß in den Alltag hinein; und hagelt auch manchmal ein Wetter darein: Wir blühen!" „Und hat der Winter uns eingedeckt, und müssen wir Lasten tragen, — wir wissen, datz wieder ein Lenzruf weckt zu neuen und goldenen Tagen. Dann treiben wir starken und jungen Saft, der Frühling und Wonnen und Wunder schafft —- und blühen!" Sollten nicht Menschen wie Rosen sein, die Wurzeln ins Erdreich graben? Wagmutig in Sturmnacht und Sonnenschein die Freude am Leben haben? Einstehen für Herrgott und Heimatrecht, bodenständig und wurzelecht — und blühen? — Eugen Stangen. Die Parfümerie der Tierwelt. Von M. A. von Lütgendorff. In Südamerika lebt ein Marder, der etwa so groß wie unser Iltis ist. Er ist ein hübsches Tier mit glänzend schwarzem Fell, über das sich zwei leuch, tend weiße Rückcnstreifen hinziehen, und mit einem weichhaarigen, schwarzbuschigcn Schwanz. Wer als Neuling so ein Tier zum erstenmal sieht und ihm zu Leibe gehen will, weil sich der zierliche Räuber etwa in den Hof geschlichen hat, versteht zunächst gar nicht, warum man ihn auf einmcK mit Gewalt zu- rückreißt und ruft: „Um Gotteswillen, kommen Sie dem Tiere nicht nahe, es ist ein Zorrino!" Läßt man sich aber nicht zurückhalten, so merkt man nur zu bald die Ursache des Schreckens. Während der somgrelt seiner Haare nach Baslers Messungen etwa zwischen der einer sehr kleinen in Südchina einhei mischen Stute und der des Ochsen. Messungen, die an Vögeln vorgenommen wurden, haben gezeigt, datz die Federkiele der Vögel weitaus fester in der Haut sitzen rls die Haare gleichgroßer Säugetiere. Bei Enten mußte eine Zugkraft von 60 Gramm, bet Hühnern 79 Gramm, beim Wasserreiher und Hahn sogar 90 Gramm mgewendet werden, um die Federn aus der Laut zu reißen. DLe Stadt der Tuchweber. Kottbus, die Pforte zum Spreeivald. Kottbus, die tausendjährige, die Stadt der Tuch-« Weber, steht als Eingangspforte zu dem weit über die Grenzen unseres Vaterlandes bekannten Spreewald mit üo?x 63 000 Einivühnern unter den Städten der gewerSei^schett Riederlausitz an erster Stelle. Das schmucke Städtchen hat den Vorzug einer ganz Vorzüge lichen Berkehrslage; nur zwei Stunden von der Reichshauptstadt entfernt. In erster Linie verdankt die Stadt ihre nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Bedeutung der einheimischen Tuchindustrie. Auch die Lcinenindustrie hat sich in KottbuS und Umgebung, ganz besonders im Spreewald, festgesetzt. Seit dem Jahre 1910 beherbergt die Stadt auch die Vereinigte Smyrna-Teppich-Fabrtken Aktien-Gesell- schaft, die rund 1000 Arbeiter beschäftigt. Außer handgeknüpften Teppichen werden hier eine ganze Reihe hochwertiger mechanischer Tcppichqualitäten hergestellt. Mechanische Knüpfstühle, die interessantesten Schöp fungen der Textilindustrie, ersetzen hier die Arbeit von Menschenhand. Ein guter Kunde der in Kott bus hergestellten Teppiche ist Amerika. Reichsbahn und Norddeutscher Lloyd decken hier ebenfalls einen großen Teil ihres Bedarfs. Die Eisenindustrie, die Holzindustrie, das Bau gewerbe, das graphische Gewerbe und die Papier industrie haben an Bedeutung gewonnen. Einen voll ständigen Tuchsabrikationsbetrieb stellt auch die höhere Fachschule für Textilindustrie dar, die in der Lage ist, im Eigenbctrieb'nadelfertige Tuche von der Wolle ab herzustellen. In dieser Fachschule wurde übrigens zum ersten Male das „Shrinkverfahren", das für die Ausrüstung der Stoffe umwälzend werden kann, prak tisch durchgeführt. Durch dieses Verfahren, das in der gesamten Textilwirtschaft großes Aussehen erregt hat, soll den Tuchen derjenige Charakter verliehen werden, der den englischen Waren noch vielfach den Vorzug gibt. ' Auch die Spezialitäten dieser aufstrebenden Stadt sollen nicht vergessen werden, „Kottbuser Korn", fer ner „Kottbuser Weißbier" und. „Kottbuser Baum kuchen" sind weit bis über die Grenzen der Nteder- lausitz bekannt. Als wichtiger Marktort verfügt Kott bus über ein reiches Netz von Zugangsstraßen. Kott bus mit seinen zahlreichen Industrieanlagen, seinen vielen Fabriken macht jedoch absolut nicht den Ein druck einer Fabrikstadt, sondern weist eher den Cha rakter einer Gartenstadt auf. Das Stadttheater, das im vorigen Jahr sein 20 jähriges Bestehen feiern konnte, hält Vergleichen mit großstädtischen Theatern unbedingt stand. Eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges stellt der an das Stadtgebiet anstoßende Branitzer Park dar. Fürst Pückler, einer der größten Gartenkünstler, hat hier ein paradiesisches Landschaftsbild mit schönen Schmuckanlagen geschaffen. Fürst Pückler hat im Branitzer Park eine mit Rasen bedeckte große Erd- Pyramide schaffen lassen, die er für sich als Ruhe stätte bestimmte. Dieses Grabmal liegt in der Mitte eines großen Teiches. Ihm gegenüber steht eine Stu fenpyramide, deren Spitze ein eisenumgittertes Grab- mal mit dem Koranspruch: „Gräber sind die Berg spitzen einer fernen schöneren Welt" trägt. Der Le gende nach liegt hier die ägyptische Geliebte des Fürsten. Seit langen Jahren schon gilt Kottbus wegen seiner günstigen Berkehrslage und wegen seiner vor teilhaften Unterkunft für Spreewaldbesucher als eines der Haupteinfallstore in die Naturpracht des Spree waldes. Auf . ausgedehnten Fußwanderungen und Kahnfahrten können Ausflügler die Schönheiten des Sprcewaldes kennenlernen. Die Festigkeit -er Haarwurzeln. Wann reißen Haare bei Mensch und Lier? Sowohl beim Menschen wie beim Tier stecken die Haare mit ganz verschiedener Festigkeit in der Haut. So zeigten z. B. frühere Untersuchungen, daß das Menschenhaar am Kopf bei einer durchschnittlichen Zug kraft von 30 Gramm abreißt, am Unterschenkel bei 50 Gramm und am Unterarm sich bei 20 Gramm Zugkraft ablöst. Nun hat neuerdings der Forscher Basler auch die Wurzelfestigkeit von Tierhaaren untersucht und zwar mit Hilfe eines sehr sinnreich konstruierten Ap parates, der durch Federspannung die Widerstandskraft des mit einer Pinzette ausgerissenen Haares, genau nach Grammen bemessen, anzeigt. Hierbei ist festgestellt morden, daß bet vielen Tieren die Haare so locker litzen, daß ein Zug von weniger als einem Gramm genügt, um sie auszureißen. Zu diesen Tieren gehörte das Kaninchen mit einer Zugkraft von 0,29 Gramm, das Meerschweinchen mit 0,43 Gramm, sowie die Katze, deren Haare schon durch einen Zug von 0,89 Gramm ausgezogen werden konnten. Etwas fester sitzen die Haare beim Hund' 112,7 Gramm) und der Ziege (14,6 Gramm), noch fester aber bei der Stute (20 Gramm) und beim ochsen, dessen Haare erst bet einem Zug von 76,7' Gramm aus der Haut rissen. Es ergibt sich hieraus vor allem ein unverkenn barer Zusammenhang zwischen der Größe jedes Tieres und der Festigkeit seiner Haarwurzeln; beim größeren Tier sind die Haare viel fester eingewurzelt, als bet kleineren. Gleichzeitig hat man auch die Beobachtung gemacht, daß die Haare wildlebender Tiere, wie z. B. die des Wildschweines besonders fest, jedenfalls viel kester sitzen als die Haare gleich großer Haustiere. ... Was den Menschen angcht, so steht die Wurzel- Zorrino schnell davonhuscht, verbreitet sich ein gräß« kicher Geruch, der wochenlang nicht verschwindet und besonders dann lange anhält, wenn das Tier in einem geschlossenen Raum eingedrungen war. Hatte der Neu« ling gar das Pech, selbst von dem feinen Strahl getroffen zu werden, den das geängstigte Tier ihm entgegenspritzte, so hat er eine Lehre empfangen, dio er nie im Leben vergißt. Denn nun muß er sich vor den Menschen zurückziehen, sich waschen und im« mer wieder waschen und seine Kleider ausräuchern oder schwefeln, um wenigstens den schlimmsten Geruch los« zuwerden. Die Natur hat dem kleinen Zorrino im den Drüsen, die den Stinksaft erzeugen, eine Waffe ge« geben, die oft wirksamer als ein starkes Gebiß und kräftige Muskeln ist. Der Mensch flieht ihn und ebenso gehen ihm die meisten Tiere aus dem Weg; denn er kann seinen Saft auch noch aus einer Ent« fernung von mehreren Metern sicher ans Ziel spritzen, Vom südamerikanischen Stinktier erzählt man sich so« gar, daß die Reisenden von dem Geruch aus dem Schlaf erwachen, wenn ein nächtlich wanderndes Stink« tier, erschreckt von einem dahersausenden Eisenbahn« zug, seinen Säst gegen die Waggons spritzt. Mit einer ähnlichen Waffe ist auch der nord« amerikanische Skunks versehen, dessen prächtiges Fell« werk früher viel weniger ausgenutzt werden konnte, weil es nur in den seltensten Fällen gelang, das Tier zu töten, ohne daß es sich durch Ausspritzen seine« Stinksaftes zu wehren versucht hätte. War das aber einmal geschehen, so war der Pelz wertlos, weil der furchtbare Geruch nicht mehr wegzubringen war. Heuts tötet man den Skunks gewöhnlich elektrisch. Mam lockt das Tier an eine Mutterstelle, die mit einer elektrischen Batterie verbunden ist; sobald der Skunk« den Platz betritt, trifft ihn ein starker elektrischer Schlag, und ehe er Zeit hatte, seine Waffe zu gebrau« chen, ist er getötet. Es gibt übrigens Kleintiere, denen ähnliche Waf« fest ebenfalls zur Verfügung stehen; die Wanzen. Un« vorstellbar, wie ein Tier von der Größe eines Mar« verÄ riechen müßte, hätte es Mengen von Riechstoffen zur Verfügung, die soviel größer wären, wie seine Körpergröße die der kleinen Wanze übertrifft. Dev Gernch unserer Baum- und Beerenwanzen, den wohl jeder kennt, ist aber noch harmlos im Vergleich zu, den Gerüchen, die eine im Malaiischen Archipel ein« heimische Blattwanz« (Leptoeorisa acuta) erzeugt, kvenn sie sich in Gefahr glaubt und ihre Stinkdrü« sen öffnet. Eine einzige solche Wanze ist imstande, die Luft in einem Umfang von mehreren Quadrat« Metern gründlich zu verpesten, und wer gerade in der Nähe weilt, ist zur schleunigen Flucht gezwungen. Närrische Geisteshelden. Das Genie ist von nicht wenig Gelehrten für elne der vielen Formen des Irrsinns erklärt worden, »nd in der Tat haben sich zahlreiche tiefe Denker durch Bekundung von ganz sonderbaren Launen und Eigenschaften wie Geisteskranke gebärdet. Bön Lenau und dem französischen Dichter Mon- ieSauien erzählt man, daß sie dem Boden ihrer Arbeitszimmer die Spur ihres Fußes einstampften, indem sie ibn fortwährend fieberhaft bewegten, wäh rend sie an ihren Werken arbeiteten. Napoleon litt unaufhörlich an Krämpfen in der rechten Schulter und in den Lippen, wozu sich, wenn er stark erregt var, noch Wadenkrämpfe gesellten. Ampere war uur imstande, seine Gedanken zu ordnen, wenn er auf- und abging. Keineswegs selten sind die Fälle, in denen gerade Vorkommnisse, die meistens eine Geistesstörung zur Folge haben, ein durchaus gewöhnliches Wesen in nnen genialen Menschen umwandeln. So war der bedeutende Musiker Gretry zuerst ein einfacher Kan tor und wurde merkwürdigerweise zum großen Kom- oonisten, nachdem ihm ein schwerer Balken aus den Kops gefallen war. Von Einern jungen Dänen, der in seiner Jugend halb blödsinnig gewesen war, wird in einem Werk der Fachliteratur erzählt, daß er erst große Geistesgaben zeigte, als er, mit oem Kopfe nach unten, von einer Leiter heruntergestürzt war. Allge- ' mein bekannt ist die Geistesschärfe der Buckligen, eine Erscheinung, die einmal mit der Krümmung der Herz- pulsader erklärt wurde, wodurch dem Gehirn eine grö ßere Blutmenge zugeführt werde. Auf diese Weise zeigt es sich mehr ooer weniger, daß das Genie von pathologischen Zuständen des Körpexs abhängig ist. Der geniale Komponist Haydn betrachtete sein i berühmtes Werk „Die Schöpfung" als die Wirkung i einer geheimnisvollen, ihm zuteil gewordenen Gnade. ! „Wenn meine Arbeit nicht vorrückte," so erzählte er, „zog ich mich in mein Betzimmer zurück, sprach ein - Ave Maria, und sofort war meine Arbeitsfähigkeit wieder da." Goethe pflegte nicht selten zu sagen, daß den Dichtern eine gewisse Reizbarkeit des Gehirns not wendig sei, uno daß er selbst vieles dichtete, während er sich in einem, dem Somnambulismus ähnlichen Zustand befand. ; Klopstock gesteht offen, daß ihm viele Gedan ken zu seinem Messias im Traum gekommen seien. Im Traume auch entwarf Voltaire den Plan zu einem der Gesänge seiner Henriade, erfand Sardini eine neue Theorie für die Blasinstrumente, dichtete von Seckendorf sein wunderbares Lied auf die Phanta sie. Newton und Czedano haben im Traume verschiedene mathematische Fragen gelöst. Lafon taine soll seine Fabel von dem Taubenvaar träu« mend gedichtet haben.