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von MHX VVKL ——VQ« Oop^rizdt d/ LlsrU» keucdtvrw^er, Hall« lSsslei ftnten wartete der Kutscher Pludermann ungeduldig, tntt Sem grimmigsten Gesicht, den lackierten Hut tief in die Stirn gedrückt, was bei ihm stets auf Sturm deutete, unv stampfte, in einen dicken, schweren Mantel gehüllt, mit seinen unförmigen Stiefeln auf dem Bürgersteig umher. Das Gefährt, das Pludermann mitgebracht hatte, war kein Prunkwagen. Da im Westen sich einige Wolken zeigten, hatte er vorsichtigerweise das Dach in die Höhe geschlagen, und das brüchige, runzlige und ungeputzte Leder sah übel aus. Ein Paar alte, traurige Pferde, die ihre durck gestrickte Weitze Hüllen geschützten Ohren hängen lietzen, schienen in Nachdenken über ihr elendes Dasein versunken. Lienhart und Pludermann waren alte Bekannte von der Kneipe „Zum Steinbock" her und standen auf du und du. Aber im ersten Augenblick merkte man nichts von einem Freundschaftsverhältnis zwischen beiden. Mitzmutig sah Lienhart nach dem Wagen, während die Meisterin in stummer Empörung jetzt stehenblieb. Da sie aber an den nächsten Häusern einige Fenster sich öffnen sah und neu gierige Köpfe herausschauten, tröstete sie sich. „Nun wäre es mir aber angenehm, wenn man bald einsteigen würde", meinte Pludermann. „Lange genug habe ich gewartet." „Ich denke", erwiderte Lienhart im gleichen Ton, „ich bezahle es! Warum hast du eigentlich den alten Karren mitgebracht? Ich hab' doch gesagt, du sollst den neuen Wagen nehmen." „Sonst ist dir's gut?" gab der Kutscher grob zur Ant wort. Pludermann war nicht der feinste seiner Zunft. „Bei diesem Wetter? Wo es alle Augenblicke anfangen kann zu regnen? N—n—nein!" Er sagte es so ausdrucksvoll, datz Lienhart vorzog, sich zu fügen. „Aber andere Pferde hättest du wenigstens an spannen können, den Schimmel und den Rappen! Den Pferden schadet doch ein bitzchen Regen nicht! Der Rappe wird nicht abfärben!" „Zu dem Wagen va gehören die Braunen, dam-t basta! Na, wollt ihr einsteigen oder nicht?" Die Lienharts mußten sich also wohl oder übel ent- schlietzen, einzusteigen, wenn sie das Programm einer Aus fahrt durchführen wollten. „Wo sind Friedrich und Hans?" fragte der Meister ver wunden. Einige lebhafte, stotzähnliche Bewegungen im Innern des Wagens, die seinen ganzen schwerfälligen Bau er schütterten und die Befürchtung auskommen lietzen, es werde bald der angestotzene Kopf durch die Lederhülle dringen, gab Antwort auf seine Frage. Sogleich trat aber Pludermann an den Wagen, streckte den borstigen Kopf durch das offene Fenster hinein, und bemerkte sehr deut lich: „Wenn ihr nicht anständig seid, setzt es ein paar Ohrfeigen." Darauf wurde es im Innern ruhig. Mutter Lienhart schämte sich entsetzlich. Im zweiten Stock des Nachbarhauses lächelte jemand veranüat. „Wie kannst du. auch den Wagen bei diesem Grobian bestellen!" tuschelte sie ihrem Gemahl zu. Dann trat sie voll Würde zu dem Kutscher: „Herr Pludermann, bitte schlagen Sie das Dach zurück. Wir wollen nicht dn ge schlossenen Wagen fahren. Das wäre ja noch schöner!" „Fällt mir gar nicht ein. Datz die Polster naß werden!" Das war aber Frau Lienhart doch zuviel. Dann hatte ja die ganze Fahrt nicht den geringsten Sinn, wenn ste niemand sah. „Lienhart", sagte ste ruhig und verächtlich, „Lienhart, wenn du dir das bieten läßt, halte ich dich fiir einen Dumm kopf mein ganzes Leben lang." Aber auch der Meister hatte jetzt genug. „StMgst du das Dach herunter, oder nicht?" Pludermann sah, daß er den Bogen zu straff gespannt hatte. Stillschweigend, aber in gerechtem Zorn begann er, das Verdeck des Wagens zurückzuschlagen, daß Friedrich und Hans, deren vergnügte Gesichter zum Vorschein kamen, die Köpfe duckten. Dann kletterte er mit demselben aus drucksvollen Schweigen schwerfällig auf den Bock mV nahm die Peitsche aus der Halfter. Der Meister hatte schon die Hand aus die Kante deS Wagens gelegt, als er erstaunt inne hielt. Er betrachtete neugierig einen eisernen Griff, der am Boden deS WageuS in die Höhe stand. „Was ist das?" fragte er. Pludermann sah über die Schulter nach ihm zurück. Ein stolzer Zug prägte sich unverkennbar auf seinem roten Gesicht aus. „Das ist mein Patent!" „Was für ein Patent? Nimm eS mir nicht Übel, aber wozu soll denn das gut sein? Da stößt man ja «tt dem Fuße daran." Er faßte prüfend mit der Hand danach. „Nicht anrühren!" schnaubte Pludermann, so daß Lien hart erschrocken die Hand wieder zurückzog. „Meister, das ist die Notleine", erklärte der Geselle, sich einmischend. Verständnislos sah Lienhart zu dem WWmömcker auf. „Ganz richtig!" Er nickte zufrieden. „Wenn vir mal zufällig die Rosse durchgehen und ich werde mal zufällig vom Bocke geschleudert, darf man nur an dem Griff ziehen. Die Pferde sind dann los und der Wagen bleibt stehen. Ist ein famoses Patent! Meinen Fahrgästen biete ich die größtmöglichste Sicherheit." Lienhart sah mißtrauisch das Ding an, und schüttelte den Kopf. „Es ist aber recht unbequem. Man kann ja nicht mal ordentlich die Beine ausstrecken." Pludermann schien zu bereuen, so viel Worte an einen Unwürdigen verschwendet zu haben. „Hüst, hüstöööö!" kommandierte er. Wollte Lienhart nicht ohne die Meisterin Zurückbleiben, so mußte er endlich einsteigen. Vernehmlich klappte er die Tür zu. „Hüstöööö!" rief Pludermann noch einmal. Wer die Pferde schienen noch in tiefes Sinnen versunken; ste rührten sich nicht. Vermutlich waren sie in der Lösung einer schwierigen Gleichung begriffen, und zogen Quadrat oder Kubikwurzeln. „Wartet, ihr Luder!" Pludermann holte kräftig mit der Peitsche aus, und der Wagen setzte sich mit einem plötz lichen Ruck in Bewegung. Gleichzeitig ertönte aber innen ein durchdringender Schrei. Hans, der Lehrling, hielt sich die Backe. „Hu, hu!" heulte er. „Er hat mir ein Auge ausgehauen I Uuuuuh!" Die langgezogenen Töne verloren sich in dM rMWnden Geräusch des Waaens.