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Pfingsten ist da! Wad murmelst du, munterer Duell, Nud springst über Moos und Steine Freu' dich nicht so alleine, Last es mich wissen, Gesell? Wad duftest du, Blümlein, so liev ' Und deckest der Erde Narben > Mit bnntcn Sonnenfarben, Sag, was dich dazu trieb? Welch Wunder hast du verspürt, Du Böglcin ans nickenden Zweigen D« könntest mir doch zeigen, Weshalb'Vein Herz jubiliert? Da rieseu von fern und »ah , All, die den Frager trafen: „Du Tor hast den Frühling verschlafen, Wach auf, den« Pfiugsten ist da!" S.B. Die tausend Zungen Gottes. Galiläa ist ein armes Bergland. Dort liegt, fern dem Treiben der großen Welt, das kleine Städtchen Nazareth, der Wohnort der frommen, schlichten Hand werkersfamilie Jesu. Aus dieser stillen Umgebung heraus entwickelte sich die Wirksamkeit des Herrn Jesus Christus, des Erlösers der Menschheit, des Sohnes Gottes. Ist es nicht Wunders genug, daß ein in ein samer Krippe geborenes Wesen für Jahrtausende, ja für die Ewigkeit die Seelen der Menschen erschütterte? Und dieses Wunder geschah ohne Gewalt der Waffen, nur durch die Macht des Geistes. Die messianische Hoffnung der Juden hatte ein göttliches Strafgericht erwartet» hoffte, daß der messia nische König die feindlichen Weltmächte in einem gewal tigen Kampfe vernichten würde, um dann mit der Auf richtung der Gvttesherrschaft die Erde zu erneuern und ein goldenes, paradiesisches Zeitalter heraufzuführen. Nichts von alledem geschah, nur der menschgewordene Sohn Gottes gab der Menschheit das unerhörte Bei spiel eines reinen sündenfreien Lebenswandels, bis zum unschuldigen Opfertod am Kreuze, gab das Bei spiel höchster Menschenliebe. In jenen trauererfüllten Stunden, da man Jesus begrub, da selbst seine Jünger verzagten, wurde in die Seele der Menschheit das Samenkorn gelegt, das zu Pfingsten herrlich aufging und den heiligen Geist Gottes den Menschen offenbarte. Seit der babylonischen Sprachverwirrung leben die Völker nebeneinander und verstehen sich nicht, denn jedes formt seine Gefühle und Gedanken in anderen Lauten. So bilden die verschiedenen Sprachen Grenzen, die der Blasse den geistigen Austausch zwischen den Völkern fast unmög lich machen. Dennoch geschah es einmal, daß diese Sprachgren zen niedergerissen wurden, daß eine Stimme in tausend Zungen redete. Das war der Tag des Pfingstwundcrs, an dem die Jünger des Herrn vom Geiste Gottes erfüllt wurden. Damals sprach Gott selbst aus ihrer Seele, und wo auch immer echte Ergriffenheit nur ein Stam meln zu formen vermag, wird es von allen Menschen verstanden werden, denn größer als die Gewalt der Waffen ist die Kraft des Geistes. Tausende haben dieses Wunder der Ausgießung des heiligen Geistes in Jerusalem erlebt, sahen die begeisterte von Gottes Wort berauschte Schar der Jünger, und der erwachende Bekennermut der ersten Christen, die Urgewalt der reinen Wahrheit brachte der Geistcsfrühling der Mensch heit, das göttliche Losungswort der Liebe, und weil der Geist der Liebe sprach, sprach er in tausend Zungen, denn Liebe braucht der Worte nicht, ein heiliger Atem zug vermag eine Welt voll Liebe zu tragen. Wer sein Herz der göttlichen Liebe öffnet, dem wird das Wun der der tausend Zungen klar, denn Gottes Liebe gilt aller Kreatur. An der ganzen Schöpfung vollzieht sich immer wieder jenes ungeheure Pfingsterlebnis. Schien nicht der kaum vergangene Winter alle Lebenskeime in der Natur vernichtet zu haben? Und heute grünt der einst frostversteinerte Boden, treibt Blumen und Blüten ohne Zahl. Ueberall jubelt die Natur, erfüllt vom Hauch der Liebe, vom Geiste Gottes. Freilich gibt es viele, die erklären dies alles, erfor schen die Gesetze des Lebens, den Lauf der Gestirne, rechnen und berechnen alles und jedes. Wo ihre Be rechnungen aufhören und sich im philosophischen Dunkel verlieren, da streift der Mensch erst den Saum des Gött lichen. Tritt der Mensch aber mit frommen Gefühlen , den Schöpfungswundern entgegen, dann wird jede ' Blume, jedes Lied, jede Kreatur zu ihm sprechen, dann ! fühlt er erschüttert, daß durch das Pfingstwunder, durch das Frühlingswunder Gottes, die unermeßliche Schöpfung in tausend Zungen täglich den Geist Gottes ausschüttet. ? Damals, als dieses Wunder in Jerusalem geschah, , da gingen manche vorüber, die da spottend von den Jüngern meinten: „Sie sind voll süßen Weins". Auch ! heute gibt es viele, die gewaltige Erschütterungen des Gefühls nicht begreifen, die im Materialismus er starrt, zu Gottesleugnern wurden. Für diese mögen die Pfingsttage sich nicht von den anderen unterscheiden. Wer aber zu Pfingsten durch die Natur mit offener Seele wandert, dem erklingt immer wieder die tausend stimmige Symphonie der Frühlingsfreudc, wie ein ein- ' ziger himmlischer Choral, wie die tausend Zungen Got- . tes. In diesen Stimmen finden wir die WachSNuns- kräfte für die Seele. Darum macht uns das Pfingst fest so froh, weil wir überall den Odem Gottes spü ren, wie cs ein Volkslied in schlichter Tiefe auS- drückt: r - „Kein Hälmlein wächst auf Erden, Ler Himmel Hal's betaut, Und kann kein Blümlein werden, Lie Sonne hät's erschaut. Wenn du auch tief beklommen In Waldesnacht allein: Einst wird von Gott dir kommen, Dein Tau und Sonnenschein! ^mmer wieder predigt das Pfingstfest diese Gewiß heit für die Seele der Menschen. Darum, o B-e.pchen- herz, össue deine Seele, laß die Freude des Frühlings, den Pfingstjubel cinströmen! Wer den tausend Zun gen Gottes willig Gehör schenkt, für den stirb, die Wcltangst, für den ist Nacht und Wintersaat nur Uebcrgang, denn noch niemals log der Frühlings- glanbe, die urewige Segenskraft des Pfingstwunders. Jörg Beßler-Gera. Ein rm^warteter PfingfiMst. , Von Elfriede v. Neuhaus. (Nachdruck verboten.) i Zwei junge Männer hatten sich zusammengefun- - den und zogen, auf der Suem: nach Arbeit, den Rhein entlang. Jupp Burgen, ein lustiger Rheinländer, war Stubenmaler, und Theo Steinkamp, ein grüblerisch ver anlagter Sohn der roten Erde, Kunstschreiner. Eine tüchtige Strecke waren sie bereits gewandert, halten : sich recht und schlecht durchgeschlagen, ihren schmalen i Verdienst, den sic gelegentlich erarbeiten konnten, redlich j miteinander geteilt und auch an manchen Tagen zu- ' sammen gehungert. Landeinwärts über Nürnberg und - München gelangten sie in die Bayrischen Alpen. Hier j gingen ihnen die Schönheiten der Bcrgwelt auf, > und für ihr Leben blieben die gewaltigen Eindrücke ! in ihrem Herzen haften. Doch nirgendwo konnten sie ! länger verweilen, die Aushilfsarbeit dauerte immer nur < drei, vier Tage und dann mußten sie weitcrziehcn. i Bei Nacht und Nebel erreichten sie Mittenwalde, über- s schritten die österreichische Grenze und hielten sich nun auf Innsbruck zu. In einein kleinen Gasthaus an der Landstraße traf > es sich, daß Bicmer, der Besitzer, für beide Arbeit hatte, I und als sie beendet war, sprach er seine Zufrieden heit über ihr Werk aus. Jupp Burgen, der Stuben- ! malcr, könnte wohl bei seinem Vetter in Innsbruck > weitcrbcschäftigt werden, meinte er wohlwollend, er würde ihm eine Empfehlung mitgeben. Theo Stein- : kamp, dem Kunstschreiner, nannte er eine Vcrmitt- , i lungsadresse für Kunsthandwerker und bot ihm an, ! solange in seinem Hause zu bleiben, bis eine Antwort eingctroffen sei, solange könnte er ihm ja noch mit leichten Arbeiten zur Hand gehen.. Theo begleitete seinen Freund noch ein Stück - wegauf, dann nahmen sie Abschied voneinander mit dem ' Versprechen, von Zeit zu Zeit briefliche Mitteilungen auszutauschen, um sich nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Sinnend, etwas bekümmert und wenig hoffnungs voll kam Theo Steinkamp zum Gasthaus zurück, als ihm die vierzehnjährige Poldi, die Tochter Biewers, entgegengelaufen kam und ihm mit vor Freude ge röteten Wangen zurief, er solle sofort zum Vater in die Gaststube kommen, ein Fremder sei inzwischen eingetroffen, der etwas mit ihm zu verhandeln habe. Es klang wie eine Wundermär und war doch nur eine seltsame Fügung: ein deutsch-amerikanischer Geschäfts mann, der von einer Reise in die Heimat übers Meer zurückkchrte und drüben einen tüchtigen Schreiner gut verwenden konnte, erklärte sich bereit, wenn der Gast- Hausbesitzer die Bürgschaft für deu jungen Mann über nehmen würde, ihn gleich mitzunehmen. Herr Biemer hatte soviel Vertrauen zu Theos Kunst und noch mehr zu seinem ehrlichen Charakter, daß er bereit war, sich mit einer nicht geringen Summe Geldes für den Kunstschreiner einzusetzen. Noch den gleichen Abend nahm der Amerikaner ihn mit sich. — Zwei Jahre mochten vergangen sein, als über Biemer ein Unglück nach dem anderen hercinbrach. Zuerst erkrankte die Frau, und viel Geld wanderte zum Arzt und in die Apotheke, dann, in dem gleichen Sommer, vernichtete ein Unwetter die Ernte seiner Fel ber, und im Herbst gingen ihm zahlreiche Rinder und Kühe ein. Ta mußte er eine Hypothek aufnehmen, und die Sorgen mehrten sich von Tag zu Tag. Sein einziger Trost war sein fleißiges Töchterchen Poldi, das schlank und dunkeläugig zu einem anmutigen Mädchen heran wuchs und durch ihre frohgemute Hilfe manchen Kum mer von seiner nachdenklichen Stirn fortscheuchte. Nur wenn Poldi sich in ihrer Schlafkammer unbeobachtet wußte, wischte sie sich heiße Tränen aus den Augen und schlief öfters schwerseufzend ein; denn ihr Leben war fortan ohne Jugendfreuden, nie ging sie, wie ihre Altersgenossinnen, zum Tanze, nie lachte sie im Scherz und Uebermut, weil das Leid um die Eltern neben ihr einherschritt. Aber es war da eine Freude, die dann und wann in das Gasthaus seinen Einzug hielt: wen» aus der Nähe und Ferne Briefe eintrafen, von Jupp Bur gen, dem es in Innsbruck leidlich gut ging, und von Theo Steinkamp, der in Amerika Glück hatte und im Begriff war, ein reicher Mann zu werden. Dann lachte Herr Biemer wohl leise vor sich hin und sprach freudig: „Dem gönne ich es, Theo ist fleißig, klug und gut — cr hat es verdient". An solchen'Tagen fühlte sich auch Poldi freier und gleichsam heiterer, weil das Lachen des Vaters in ihren: Herzen einen warmen Widcrklang fand. Plötzlich starb der Kaufmann, der auf dem Gast haus die Hypothek bewilligt hatte, und seine Erben verlangten nach vorschriftsmäßiger Kündigung die Aus zahlung der hohen Summe. Biemer hatte das Geld nicht zur Verfügung, und er ging einen vergeblichen Weg nach dem andern, es herbcizuschaffen. Wieder hatte der Frühling seinen Einzug ge halten; cS mar im Mai, warm schien die Sonne, die Vögel sangen mit solcher Begeisterung, als wüßten sie nicht wohin mit ihrer Freude und Seligkeit, aus Schritt und Tritt zeigte sich das neuerwachte Leben in der Natur, der Flieder blühte und duftete, und über den Gartenzauu wiegte sich eine hochgestielte, rot glühende Pfingstrose im spielende:: Winde. Nur noch ein paar Tage, und das Pfingstfest war da. Poldi putzte das Haus, steckte vor den blanken Fenstern frische Gardinen auf, und während ihre ge wandten Finger emsig hantierten, fiel eine heiße Träne auf ihre Hand. — Im Garten, von der warmen Sonne überflutet, stand der Krankenfahrstuhl mit der Mutter, die sich langsam zu erholen begann; der Vater aber, der in der letzten Zeit merklich gealtert war, hatte sich zum Vetter in der Stadt aufgemacht, um ihn als letzten, der noch in Betracht kam, zu bitten, ihm das nötige Darlehen in Höhe der nun fälligen Hypothek zu gewähren: sollte auch dieser Weg vergebens sein, dann sah er sich gezwungen, das geliebte Anwesen, ans dem er soviele Jahre hindurch mühevoll geschafft hatte, zu verkaufen. Der Gedanke an all diese Dinge preßte Poldi das Herz zusammen. Würde die Mutter das überleben können? — „Poldi! — bist du das wirklich?" schreckte eine bekannte Stimme sic aus ihren traurigen Gedanken auf, und ein junger Mann in Hellem Reiseanzug, der sie schon seit geraumer Weile von der Türschwelle aus beobachtet hatte, trat mit ausgestreckten Händen lachend auf sie zu, Ueberraschung und Verlegenheit röteten ihr schma les Gesicht, als sie stammelte: ,Herr Steinkamp — Sie — ist es möglich? —" „Ja, liebe, kleine Poldi! — ich bin es leibhaftig; die Sehnsucht zur Heimat hat mich herübergelockt, und mein erster Besuch sollte euch gelten, denn nie habe ich drüben auch nur einen Augenblick vergessen, wie gut ihr damals zu dem armen Handwerksburschen gewesen seid . . . aber daß du inzwischen so stattlich und fraulich heranwachsen würdest, Poldi, hätte ich mir kaum vor stellen können." Er blickte ihr vielsagend und frohlächelnd in die Augen. Ein Schein holden Glücks verschönte ihr Jungmäd chengesicht. Da war einer gekommen, der die größte Not von ihnen abwenden würde, einer, zu dem sre das stärkste Vertrauen hegte — ein unerwarteter, doch herzlich willkommener Pfingstgast, dem ihr Herz heim- : lich in Liebe entgegenschlug. Noch nie hatte das Gasthaus an der Landstraße auf Innsbruck zu so glückliche Menschen vereint ge sehen, wie in diesem Jahr zu Pfingsten.