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-ich vor kurzem mit meinem Schwager Emst Kahnert ge sprochen und es ihm klar und deutlich gesagt. Und ich weil heute, daß diese abendliche Unterredung belauscht wurde Am nächsten Morgen bemerkte ich fremde Fußspuren vor den Fenstern." „Haben Sie Vorsichtsmaßregeln getroffen, daß sich dies nicht wieder ereignen kann?" ,, . „Iwan weiß alles, und Sie dürfen überzeugt sein, daß er ständig wie der Fuchs auf der Lauer liegt." „Er gefällt mir nich," sagte Steltzner, -er Wirt zu den drei Raben, zu seiner Frau, und er meinte damit den neuen Be sitzer des . Grundhofes, der in der Gaststube mitten unter der Bauem saß und sie mit Schnaps traktierte. Christian Tomme hieß er und war ein großer vierschröti ger Herr mit hochmütigen Zügen. Er hatte eine Art, herab- lassend zu sprechen, die unangenehm war. Die Wirkung de« Schnapses aber hob diesen Eindruck jetzt auf. „Sagen Sie mal, verehrter Herr Gkhler, was ist 'n das für 'n Herr, der die sogenannte Hexenburg bewohnt? Hab'« gestern mal gesehen, auch gegrüßt. Wir sind ja schließlich beinahe Nachbarn. Er hat mir aber kaum gedankt. Ist wohl nich 'n Hiesiger? Sind doch sonst alle so nett hier. Prost meine Herren!" Die Bauern zwinkerten sich zu. Gehler, ein alter Kerl von knapp sechzig Jahren, dei einem Maler das herrlichste Modell zu einem Bilde „Di, leibhaftige Bosheit" gewesen wäre, öffnete seinen zahnlose« Mund und sagte kopfnickend: „Der ..der Hartmann? Nee, nee, das is keen Hiesiger! Der ts mal von irgendwoher gekommen und hat sich ins warme Nest geheiratet. Wie ei dem Corts die Braut weggeschnappt hat . . , Polterabent feierten sie schon . . - nee, nee, das war 'ne Sünd uni Schänd! Hat der Corts gesagt: ne ganz große Hochzch gibt- in Haßlitz! Das ganze Dorf war eingeladn und in alle Lo kale sollt's Freibier geben Und da kommt der Hartman« un macht alles zu Wasser. Das vergeb ich 'n nie. Nee, nee. alles was recht is! Kommt der landfremde Mensch unt heirat die reiche Marthe, die dann noch die Erbschaft macht/ Der Besitzer des Grundhofes hatte anscheinend interessier! zugehört. „Unglaublich, mein lieber Gehler, was da passiert ist! Na, da bin ich 'n anderer Kerl. Ich schnappe keine reiche Partie weg. Nee, nee, auf Ehrenwort, das gibt's nicht. Herr Wirt, weil wir so gemütlich beisammen sitzen...noch 'ne Lage." Der alte Gehler, der sich selbst kaum ein Gläschen Schnap- leistete, strahlte über das runzliche Gesicht. Seine Kinnlad, wackelte vor Aufregung. Das war doch mal 'n Kerl, der neue Bauer! „Ja, ja," nahm der Alte wieder das Wort, „die Frau vor dem Hartmann, die hat doch 'ne Riesenerbschast gemacht Mer sagt doch über dreimal hunderttausend Märkersch. Da; hat er gewußt... der Hartmann. Ich glaub, der is au- Amerika gekomm. Das is 'n Erbschleicher! Un jetzt. . . da is die Frau krank. Ich wer mir nich wundern, wen« sie balde tot is. Da hat er dann das ganze Sündengeld. Nee, ne«, das mit der Krankheit, das geht nich mit richt'gen Din gen zu. Der Corts meint's auch. Die letzte Mitteilung brachte starte Aufregung unter db Zuhörer. Steltzner, dem Wirt kribbelte es in den Fingern. Er stand unbeirrt zu Hartmann. Am liebsten hätte er den alten Ver leumder hinausgeworfen. „Der Corts sagt's auch?" fragte der Meyer-Gottlieb er regt. „Jal Vorgestern, da saß er doch mit'm Tierarzt zusammen. Da hat er gemeent, mit richtigen Dingen geht das nicht zu. Sie haben ihnja auch nicht geholt. Ist so 'ne Sache, die nich stimmt. Die Marthe war immer gesund, un nu ist sie mit'm Male gelähmt, daß sie schon wochenlang festttegt. Der Hartmann, der Lump, der wart nur, bis die Marthe ge storben is, un dann heirat er die Konkubine, die er sich ins Haus genomm hat, die Russin. Das muß ja 'n raffiniertes Weibsstück sein!" Der Bauer vom Grundhof schüttelte den Kop». „Das ist ja furchtbar! Da müßte man doch was tun, damit sich die Gerichtsbehörden der Sache annehmen, ehe das arme Weib tot ist." Der aufgeregte Chorus stimmte ihm zu. „Ich kenn ja das alles nicht so wie Sie, meine Herren, und kann da nichts tun. Aber Sie sollten mal einen Bries an das Gericht^jn Wolkenburg schreiben, daß man sich der Sache annimmt und die Frau in ein Krankenhaus bringt." Die Aussprache über Hartmann ging weiter, und jeder wußte sein Teilchen Gift auf den Mann zu spritzen. Ties eingewurzelt war der Haß gegen den Fremden. ' Karl Hagemann und zwei Holzfahrer waren eingetreten und tranken am Schanktisch einen Schnaps. Sie hörten, wie man über Hartmann Herzog. Hagemann, in dem es kochte, sah seine beiden Kameraden an. Die nickten. Hagemann trat an den großen runden Tisch und schlug mit der Faust auf den Tisch. Stille trat für einen Augenblick ein. „Der Hartmann is mein Freund!" sagte Karl energisch. „Wer noch mal sein Schandmaul über ihn auftut, der kriegt's mich uns zu tun!" Das wirkte. Keiner der Bauern wollte es mit den Holz fuhrleuten zu tun haben. > Nur der Bauer vom Grundhof muckte auf. „Was fäll! Ihnen ein, sich in unsere Unterhaltung zu mischen? Ich ver- bitt mir das!" sagte er großschnauzig. „Verbitten könn' Sie sich's schon," entgegnete Karl ruhig. „Aber wenn Sie noch 'n Mechtes Wort über den anständig sten Kerl vom Dorf sagen, dann hau ich Ihn eins auf die Schnauze, daß Ihn das Reden vergeht!" Die Holzfuhrleute tranken aus und verließen das Haus Als sie fort waren, ging es erregt weiter. „Herr Wirt," rief der Grundhofbauer mit schnarrender Stimme, „verkehren bei Ihnen viele solcher Flegel?" Steltzner trat an den Tisch. „Die Flegel . . . sind anständige Menschen, und ich wünscht, ich hätte mehr von ihnen als Gäste, als so ne Schar von Giftmischern wie Ihr alle zusammen seid!" Nun kam es selbstverständlich zu heftigen Auseinander setzungen. Steltzner trat energisch für Hartmann ein und sagte den Verleumdern nicht gerade Liebenswürdigkeiten Das Ende vom Lied war, daß Christian Tomme zahlte und die Bauern einlud, zum anderen Wirt mit ihm zu gehen. * * Am gleichen Abend setzte sich der alte Gehler hin unt ! schrieb im Schweiße seines Angesichts einen Brief an das Gericht in Wolkenburg. Mit harten, ungelenken Züge« schrieb er: „Das Gericht soll aufpassen auf Hartmann iv Haßlitz. Er ist ein Fremder im Dorfe und er hat sich Marche Holgers geheiratet, weil sie eine große amerikanisch« Erbschaft hat gemacht. Hunderttausend Taler oder noch 1 mehr wohl. Die Frau ist krank und das geht nicht mit rich- § tigen Dingen zu. Die Frau ist gelähmt und alle wissen daß sie krepieren soll. Hartmann hat dann das ganze Geld Er hat schon ein Weibstück im Haus. Eine Russin oder st was. Mit der hält er es, wo doch die Frau feftliegt. Dar Gericht soll sich mal drum kümmern. Ein Haßlitzer." Er sandte das anonyme Schreiben noch am Abend mit j der Post nach Wolkenburg ab. I Dann rieb er sich befriedigt die dürren Hände * * Hartmann machte seinen gewohnten Spaziergang durch den Wald. Seine Gedanken waren bei Karner. Unruhe war in seinem Herzen. Der müde Klang der Stimme Karners lag iu seinem Ohr. Ja, Feodora Tomary hatte recht. Karner drohte unter der Last seiner Aufgabe zufammenzubrechen. Jost fühlte, daß es ihn zu dem großen Manne hinzog. daß ihn die gewaltige Aufgabe lockte. Zum ersten Mal« bedrückte ihn die Stille, der Friede der Hexenburg. Er hatte keine Augen mehr für die Blütenpracht sein« Gartens. Den Duft der Rosen, der ihn anfangs so berauscht« spürte er kaum mehr. „Wladimir Rostoff," war eine Stimme in ihm, „du suchtest den Frieden und fandest den Haß eines ganzen Dorfes. Dr suchtest das Glück in der Einsamkeit, im beschaulichen Lebe« an der Seite deines schönen Weibes gekettet, und du bip nicht der Mann, der dauernd in der Stille leben kann. D» gehörst hinaus ins Leben und vor eine Aufgabe gestellt dann erst werden die Kräfte deiner Seele rege." Und müde und gequält antwortete Hartmann der Stimme: „Ja, ja, es ist so, aber ich liebe sie, die einst gesund und statt an meiner Seite ging und die das Schicksal jetzt hingestreck! hat. Ich kann nicht in die Welt, denn das Leid und da« Weh, das mein Weib trägt, es ist in mir und ich trage er mit." Er schrak empor aus seinem Sinnen. Ein Mann kam den Waldweg gegangen. Jost erkannt« ihn mit einem Blick. Es war Welling, der Vertrauensmani der englischen Regierung. Jost setzte seinen Weg fort. Als er an Welling herangekommen war. blieb er stehe« und grüßte. Der Mann dankte und wollte an ihm vorbei- Aber Jost sagte: „Wie geht es Ihnen, Mr. Welling?" ... (TorbsetzllAg folgt.)