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Donnerstag, am K. Juni 1929 Nr. 129 NeUage zur WettzerG Zettung 95. Jahrgang ChronU -es Tages. — Am HÄctigVn Donnerstag nahm in Madrid di» neue Tagung des Völkerbundsrates ihren Anfang. — Der SHlußbericht der Reparationskonferenz soll am Freitag in Paris unterzeichnet werden. — Der Führer der englischen Arbeiterpartei, Mach» nald. wurde voyl König mit der Bildung einer neuen R«- gieruno beauftragt. ' — Am Freitag werden in Rom di« RattflkationSuv, künden zu den Verträgen -wischen Staat und Kirche äüSgv- tauscht. — Der Berliner Theaterleiter Dr. Reinhard BrucI hat aus Verzweiflung über seine finanzielle Notlage durch Einatmen von Leuchtgas Selbstmord verübt. — Der Landrat des Kreises Wanzleben (Regierung», bezirk Magdeburg) hat Selbstmord begangen. — Der Ausbruch des Vesuvs hat bedrohlichen Charak ter angenommen. — Bei einer Explosion einer oberitalienischen Muni- tions- und Raketenfaorik kamen 13 Arbeiter ums Leben, — Ein italienisches Flugzeuggeschwader von 35 Wasser flugzeugen hat von Tarent aus eine Kreuzfahrt nach Odessa angetreten. — Der japanische Dainpfer „Uae Marn" ist durch Feuer zerstört worden. An Bord befanden sich angeblich 700 Passagiere. Unterzeichnung in Paris. Einberufung einer politischen Konferenz für Julis — Paris, den 6. Juni. Die Neparationskonferenz ist endgültig zu Ende. Das heißt sachlich, der formelle Abschluß wird erst am Freitag erfolgen. Die letzten Verhandlungen erstreckten sich ausschließlich aus die Frage des Er satzes der belgischen Aufwendungen für die Aufwer tung der von den deutschen Truppen hinterlassenen Marknoten. Unterstützt von den Franzosen zeigten fick die Belgier äußerst hartnäckig und bestanden darauf daß diese Frage von der Reparationskonferenz gelöst werde. Das wird nun doch nicht geschehen. Allerdings hat Belgiey seine Halsstarrigkeit erst aufgegeben, als ihm weitgehende Garantien gegeben wurden! Deutschland hat sich zu sofortigen Sonderverhandlun- gen mit Brüssel bereit erklärt und eine Erklärung über die von Belgien befürchteten deutschen Gegen forderungen auf Zurückgabe von Eupen und Mal- medy abgegeben, nach der — französischen Meldungen zufolge — „keinerlei Frage territorialer Natur im Laufe der Verhandlungen aufgeworfen werden darf". Eine weitere Garantie besteht darin, daß der Young, Plan erst nach einem erfolgreichen Abschluß der deutsch- belgischen Sondcrverhandlungen in Kraft treten soll Gestern und heute unterhielten sich die Sach, verständigen über formelle Fragen. Man ist jetzt mi! der Formulierung des Wortlauts des SchlußberichtcS beschäftigt, wobei die deutsche Delegation Wert darauf legt, daß in den Werturteilen über die deutsche Lei stungsfähigkeit und Entwicklungsaussicht sorgfältig zwi- schen den Meinungen der Alliierten und unserer Aus- fassung unterschieden wird. Der Abschluß der Konferenz wird weder Sen sationen noch irgendwelche größeren Feierlichkeiten bringen. Man geht ebenso einfach auseinander, wi< man vor einigen Monaten in Paris zusammengetre- ten ist. Am Sonnabend treten übrigens die Ame rikaner bereits die Heimreise an. Was die Rückwirkungen der Reparations konferenz betrifft, stellt der Young-Plan nur einen Vorschlag dar, den die Regierungen annehmen oder verwerfen können. Deshalb müssen jetzt nach den Sachverständigen noch die Regierungen zu Wort« kommen. Wre es heißt, soll zu diesem Zweck inu Juli eine politische Konferenz in London stattfinden deren Ergebnisse dann wieder den Parlamenten zur Bestätigung vorgelegt werden müssen. Wird der Uoung-Plan in Kraft gesetzt — woran wohl kaum zu zweifeln ist — dann wird Deutschland dadurch für das laufende Jahr, und noch mehr für das nächste Jahr, finanziell erheblich entlastet. Spä ter wird die Lage für uns jedoch wieder bedeutend schlechter werden, mutet uns doch auch der Young- Plan im Durchschnitt Jahreszahlungen von rund zwei Milliarden Mark zu! Und ob derartige Summen dauernd auszubringen sein werden, das steht denn doch sehr in Frage. In Paris betrachtet man jetzt das RcparationSvroblem als endgültig gelöst; in Deutschland können wir diese Hoffnung uscht teilen. Festgestellt muß jedoch werden, daß auch der Young- Plau durch dis in ihn hmeingeflvchtencn Klauseln gcwüsv RevifivusmSglichkeUcn enthält. Am heutigen Donnerstag wird RrichSLußenmini- ster Dr. Stresemann auf der Durchreise nach Madrid Paris berühren. Da oer Minister in Paris mehrere Stun^a Aufenthalt hat, erwartet man, daß Reichsaußenminister Dr.' Stresemann eine Konferenz mit dem deutschen Delegationsführer Dr. Schacht haben wird, die der Unterrichtung über die Formu- lierung des Schlußberichtes dient. Eine Fühlung nahme mit französischen Regierungskretsen ist nicht vorgesehen. Die Börsen haben auf den Ausgang der Pa riser Konferenz mit erheblichen Kursverbesserungen ge antwortet. Dabei muß man sich jedoch stets vor Augen halten, daß die Tendenz an den deutschen Bör sen gegenwärtig weitgehend von den Käufen des Aus landes beherrscht wird. In Deutschland ist man sich in allen Kreisen sehr wohl des Ernstes der Lage be wußt. Eine Reparations-Krise ist vermieden, aber es bedarf aller Anstrengungen, um nicht durch den ge fundenen Ausweg in neue Schwierigkeiten zu geraten. Ueber den Verlauf der Konferenz ist noch manches ' zu sagen. Das gilt auch von den letzten VoMänaert. . Wie kam es, daß die Franzosen mit den Belgiern I durch dick und dünn gingen? Geschah das nur au« j taktischen Erwägungen, oder zeigt dieser Umstand nicht vielmchr, in welchem Maße Paris und Brüssel mit« ! einander verbunden sind? Aus den belgischen Be- - sürchtungen hinsichtlich Eupens und Malme dyS spricht übrigens das böse Gewissen. Man weiß in Brüssel sehr wohl, daß dieses Ländchen deutsch ist und ein Recht darauf hat, mit Deutschland wieder w" einigt zu werden! Hoover beglückwünscht Owen Young. - Washington, 6. Juni. Der Präsident der Vereinigten Staaten, Hoover, hat an Owen Young ein Telegramm nach Paris gesandt, in dem eS heißt! j „Der Abschluß (der Reparationskonferenz) ist der wich- tigste Schritt zur Wiederherstellung des internationalen ; Vertrauens und der internationalen Stabilität." Ratstagung in Madrid. Aussprache über den Minverheitenbericht. - Am Mow ^ag Empfang im Auswärtigen Amt. — Madrid, den 6. Juni. ! Madrid steht im Zeichen der Tagung des Völ- kerbundsrates, die heute ihren Anfang nahm. ES ist das erste Mal, daß der Rat in Spanien tagt. Die Bevölkerung bekundet denn auch vielfach Inter esse für den äußeren Verlaus des Kongresses. Die deutsche Delegation, die augenblicklich von Staats sekretär v. Schubert geführt wird, hat mit der eng lischen Abordnung im Palast-Hotel ihren Sitz. Reichs- äußenminister Dr. Stresemann wird für Ende der Woche erwartet. Heute tagt der Rat zunächst al» Kommission. Zur Debatte steht der Bericht des DreieranSschusses über die Minderheitenfrage. Möglicherweise kommt eS zu einer Vertagung der Beschlußfassung. Infolge deS Kabinettswechsels in England ist eS nämlich fraglich geworden, ob die neue englische Regierung, Cham berlains Spuren folgend, sich den Bericht uneinge schränkt zu eigen machen wird. Am Montag findet im spanischen Auswärtigen Amt ein großer Empfang statt, an dem alle RatS- mitglieder teilnehmen werden. Abgesehen von diesem Empfang sind auch sonst noch größere Veranstaltungen . aus Anlaß der Ratstagung vorgesehen. Rach den Berichten der französischen Journalisten an ihre Blätter soll in Madrid auch über den Ort und den Zeitpunkt der politischen Reparations-Kon ferenz verhandelt werden, ferner erwartet man dl« Behandlung der Räumungsfrage. Eine deutsch« Aktion in der Räumungsangelegenheit ist nicht zn erwarten. Daß es jetzt natürlich mehr denn je zu vor an Gründen für die Aufrechterhaltung der Be setzung fehlt, und daß es für den Abzug der Be satzungstruppen höchste Zeit ist, wird inzwischen wohl auch dem Ausland klar geworden sein. * Der Zwischenfall in Oppeln wird unerörtert bleiben — Warschau, 6. Juni. Die halbamtlich, „Epoka" führt aus, daß die polnische Klage Weger der Vorfälle in Oppeln erst aus der Septembertagunj in Gens zur Sprache kommen werde, da es sich nich! um einen Dringlichkeitsantrag handele. Seitens de, polnischen Abordnung würde kein Versuch gemach, werden, die Klage schon jetzt zur Sprache zu brin gen, da ihre Behandlung im September „aus ver schiedenen Gründen für Polen günstiger erscheine". * k Macdonald sucht Minister. Der Empfang beim König. — Das Programm dei Arbeiterpartei. Der englische König empfing im Krankenzimmei des Schlosses Windsor den Führer der Arbeiterpartei , Macdonald und erteilte ihm offiziell den Auftrag zu, s Neubildung der Regierung. Im Anschluß an der kesuch in Windsor erstattete Macdonald den maß gebenden Organisationen seiner Partei Bericht. Als icher gilt, daß dem neuen Kabinett u. a. auch Lhomas, Snowden, Clynes und Arthur Hen- >erson angehören werden. Ueber das Programm der neuen Regierung be sagt, erklärte Macdonald einem Journalisten, er werde nit aller Kraft eine „praktische Abrüstungs- und Frie- >enspolitik" durchführen. Man solle nicht von Bünd- rissen reden, davon hätten wir genug, notwendig eien Licht, Luft und guter Wille zwischen den Völ kern. Die Beratungen über die interalliierten Schul- )en würden auf neuer Grundlage wieder aufgenom- nen werden. In dieser Angelegenheit wolle er sich rbenso wie in der Abrüstungsfrage unmittelbar mit >em amerikanischen Präsidenten Hoover in Verbin- )ung setzen und in enger Beziehung mit ihm arbeiten. ! Landeskirchen und Konkordat« kin gemeinsamer Schritt beim Staatsministerium. — Gleichzeitiger unv gleichwertiger Vertragsabschluß ge fordert. Im Hinblick auf den bevorstehenden Abschluß der Ilonkordatsverhandlungen zwischen Preußen und der katholischen Kirche haben die evangelischen Landes- ' kirchen Preußens einen gemeinsamen Schritt beim ItaatSministerium unternommen. Sie verweisen auf )en im Herbst geführten Schriftwechsel und erklären rlsdann n. a.: , „Nachdem inzwischen das Staatsministerium zu einer Verständigung mit der Kuri« gelangt ist, sehen wir uns genötigt, von der preußischen Staatsregierung ein« br ummt« Erklärung darüber zu erbitten, ob si« nun nehr bereit ist, di« im Herbst 1927 eingeleiteten und nach einigen Monaten ohne erkennbaren Grund eingestellten Beb- Handlungen wieder aufzunehmen, mit dem Ziel, auch mit den lvangolischen Kirchen zu einer vertragsmäßigen Regelung >u gelangen. Diese Verhandlungen könnten, soweit es an ans liegt, in kürzester Zeit zum Abschluß gebracht werden." Hinsichtlich des Inhalts des noch nicht bekannten Konkordats behalten sich die evangelischen Landes kirchen ihre Stellungnahme vor. Für den Fall des Vertragsabschlusses mit der Kurie wiederholen sie nachdrücklichst die Forderung gleichzeitiger und gleichwertiger, dem Wesen der evan gelischen Kirche entsprechender Verträge. „Die Grundsätze der Parität," so erklären dis preußischen Landeskirchen zum Schluß, „zu denen sich auch das Staatsministerium ausdrücklich bekannt hat« würden in einem entscheidenden Punkt verletzt sein, wenn der katholischen Kirchs für ihre Organisation! und die finanziellen Bedürfnisse ihrer Verwaltung eine vertragsmäßige Garantie gegeben würde, wäh-, cend die evangelischen Kirchen lediglich aus einseiu tig erlassene und deshalb auch der Möglichkeit ein-, seitiger Aenderung unterworfene staatsgesetzliche Be«, stimmungen angewiesen wären. Eine etwaige ErklL» mug grundsätzlicher Bereitwilligkeit, später, nach «er- ,-schiednng des Vertrages mit der Karie, auch mit >en evangelischen Kirchen Verträge abschlietzen zn wol len, würde nicht als Sicherung der Parität angesehen werden können." Kundgebung für die Westmark. Am Nähmen der Hauptversammlung des Vereins Deutscher Zeitungsverloger. Unter zahlreicher Beteiligung wurde in Heidel berg die diesjährige Hauptversammlung des Vereins Deutscher Zeitungsverleger eröffnet. Zum Ort der nächsten Hauptversammlung wurde Bochum bestimmt; 1931 wird die Hauptversammlung in Wien statt- ftnden. Um ihre Sympathien für Deutsch-Oesterreich »um Ausdruck zu bringen, erhoben sich die Versammel ten zu Ehren der österreichischen Delegierten von den! Sitzen. Im weiteren Verlaufe der Tagung, die zahlreiche Vorträge über Fragen des Zeitungswesens brachte, fand in der Heidelberger Stadthalle ein Festessen statt. Der Präsident des Vereins, Kommerzienrat Dr. Krumbhaar, betonte in seiner Ansprache, die Ta gung sei neben ihren anderen Zwecken zugleich eine aationalpolitische Kundgebung in der Westmark des Reiches und für die besetzte bayerische Pfalz. In erster Linie sei heute der Brüder iensetts des großen Kutschen Stromes zu gedenken, die auf noch nicht befreitem Boden leben müssen. Der Bevölkerung, die mtn schon ein Jahrzehnt lang die Schwere frem den Druckes aufrecht und mannhaft ertragen habe und poch ertrage, sei das Gedenken und der Dank des rechtsrheinischen Deutschlands sicher. Der Redner be schäftigte sich dann sehr eingehend mit Heidelberg und leitete über auf Görres, den er als den Schöpfer der modernen deutschen Zeitung feierte. Politische Rundschau. — Berlin, den 6. Juni 1SgS, , — Aus dem WahlkreiSparteitag der Deutschen Demo kratischen Partei der Grenzmark forderte Abg. Fischer ein Steuermoratoriüm oder «inen Steuernachlaß für v«N Osten. -» Der Oberpräsident der Provinz Oberschlesien yat für das polnische Theater von Oberschlesien eine Unterstützung von 5000 Mark gewährt. — Hoffent lich wird nun auch den deutschen Theatern in Ostober schlesien eine Unterstützung zuteil. :: Vortrag Lord Cecils im Reichstag. Der frü here Vertreter Englands im Völkerbund, Lord Cecil, hielt im Reichstag einen Vortrag über die Abrü stungsfrage. Begrüßt durch Reichsminister a. D. Koch-Weser, entwickelte Lord Cecil den ÄorüstungS- gedanken von seinen Anfängen her. Er legte die wirtschaftlichen Gründe dar, die zu einer Abrüstung zwingen, verwarf den Gedanken, daß der Schutz des Friedens eines Wettrüstens bedürfe und schilderte ein dringlich die Vorteile einer allgemeinen vertraglichen Abrüstung. Die bisherigen Leistungen aus diesem Ge biete bezeichnete er als unzureichend. Rundschau im Auslande. ! Der holländische Honorarkonsul van dcr Les ist aus Kowno unter Hinterlassung von bedeutenden Schulden geflüchtet. Sein Mobiliar wird öffentlich versteigert werden. * Nach d«n letzten Nachrichten aus Afghanistan hat Habib Ullah auch Djeflalabad kampflos eingenommen. * Neue Russenverhaftuttgeu in China. ? Der russische Generalkonsul in Mulden, der russische Vizekonsul in Charbin und der russische Direktor der chine sischen Ostbahn sind im Zuge von Soldaten verhaftet und oen chinesischen Behörden übergeben worden. Festprogramm für König Fuad. Vorbereitungen der Reichshauptstadt zum Empfang des ägyptischen Königs. Berlin rüstet zum Empfang des Königs Fuad