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'Sächsische Politik Interfraktionelle Sitzung dcr bisherigen Regierungs parteien in Sachsen. Unter dem Vorsitz des Fraktionssührers der Deut schen Volkspartei, Dr. Blüher, fand am Dienstag rm Landtag eine interfraktionelle Sitzung der bisheriger Regierungsparteien statt. Es wurde eine Einigung der bisherigen Koalitionspartcien über die Zusammen setzung der Landtagsausschüsse erzielt. Man einigte sich darüber, den bisherigen ersten Vizepräsidenten Dr. Eckardt wieder für seinen Posten vorzuschlagen. Hieran schloß sich eine Aussprache über die Regie rungsbildung, ohne daß Beschlüsse gefaßt wurden. Tie erste Sitzung dcr Dentschnationalen Fraktion. Tie Deutschnationale Fraktion des Landtags hielt vor kurzem ihre erste Sitzung ab. Der Präsident der Girozentrale Dr. Eberle und Prof. Siegert wur- den wieder zum ersten bzw. zweiten Vorsitzenden ge wählt. Zum Schriftführer wurde Studiendirektor Dr. Waaner ernannt. Au- dem Wirtschaftsleben. Gleichbleibcnde Mietpreise anf der Leipziger Messe. Nach einem Beschluß der Schiedsstelle für Metz- fachen, der sich die paritätische Mietausgleichskom- rnission .angeschlossen hat, werden die Mehlokal mieten für die Leipziger Herbstmesse 1929 (25. bis 31. August) die gleichen sein wie zur Frühjahrsmesse dieses Jahres. Im Hinblick auf die allgemeine Wirtschafts lage haben die Metzkaufhausinhaber von vornherein von Anträgen auf Erhöhung der Metzmieten abge sehen. Die Versetzung eines Meßhauses rn eine höhere Mietsklasse durch die Schiedsstelle wurde abgelehnt. Das deutsche Sygienemuseum Ter Glauzpnnkt der Internationalen Hygiene- Ausstellung 1930 in Dresden. Aus dem Gelände der ehemaligen Sekundogenitur ist in den letzten Monaten ein Bau emporgewachsen, der sich würdig an die großen Bauwerke Dresdens reiht: der Bau des Deutschen Hygienemuseums. Bet flüchtiger Betrachtung von außen wirkt das Gebäude oder viel mehr wirken die Gebäudeanlagen noch recht nüchtern. Betritt man aber den im Rohbau fertiggestellten Bau, so wird man überwältigt von der Wucht und Größe dieses monumentalen Werkes. Sein Schöpfer, Prof. Dr. Ing. e. h. Wilhelm Kreis, redet mit den von ihm aufgeschichteten Stein- und Betonmassen eine neuzeit liche, uns schon recht vertraut gewordene Sprache, di« hart ist für unsere ganze Zeit. Schon heute sieht man, welch gewaltige Säle und Hallen die Gebäude bergen, s schon heute steht man staunend vor der genialen Naum- ! gostaltung und Raumeintetlung und ist überrascht von , der Kühnheit der bauschöpferischen Gedanken. Diese Hallen sollen, wie der Direktor des Deut schen Hygienemuseums Dr. med. h. c. e. h. Seiring ge legentlich einer Vorbesichtigung mitteilte, den Mittel punkt der großen Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 bilden. Man hoffe mit dem Bau und seiner Einrichtung bis zur Eröffnung der Hygiene- Ausstellung fertig zu werden. Tie Hygiene-Ausstellung 1930 werbe räumlich weit über den Rahmen der großen Ausstellung Lingners vom Jahre 1911 hinauswachsen. Von den Ausstellungsstücken von 1911 werde man mit Ausnahme des historischen und eth nologischen Materials nur wenig in der neuen Aus stellung vorfinden. Das Hygienemuseum verfüge heute über eigene Werkstätten, die in dem Neubau zu Musterwerkstätten in hygienischer und technischer Hinsicht gestaltet werden sollen. Der Grundgedanke der Ausstellung von 193V sei Volksbelehrung und Volkserziehung. Den Hauvtteil des Museums wird die Gruppe „Der Mensch" in durchaus neuer Form zur Darstellung bringen. Neben dem durchsichtigen Menschen werde auch ein alter Lteb- lingsgedanke Lingners verwirklicht werden, den Men schen als technisches Meisterwerk in neuartiger Form zu zeigen. Anschließen werden sich die Gruppen „Ver erbung und Eugenik", „Die Frau als Gattin und Pros. Dr. Söpfle von der Technischen Hoch« schule berichtete hierauf über die Ausstellung vom Standpunkte der Gesundheitspflege. Endlich gab Prof. Dr. Kreis att der Land eines großen Modells Aufklärungen Wer die raunv liche Einteilung der Hygiene-Ausstellung 1980, die erkennen ließen, daß diese Ausstellung ein Werk zu werden verspricht, zu dem die ganze Kulturwelt mit Ehrfurcht aufschauen wird. Die Ursachen des Grotzfeuers auf dem - Truppenübungsplatz. — Eine Beileidskundgebung. Nach den angestellten Ermittlungen dürste das Feuer, das gleichzeitig an drei verschiedenen Stellen zum Ausbruch gekommen war, unzweifelhaft auf vor sätzliche Brandstiftung zurückzuführen sein. Den Flammen fielen rund 4000 Zentner Heu und Stroh zum Opfer. Bewundernswert waren die Leistungen der Feuerwehren und der Reichswehr insofern, als es ihnen gelang, trotz der gewaltigen Flammen bildung das eine Drittel der langen, durch Brand mauern geteilten Scheune zu erhalten. Der sächsische Militärvereinsbund hat an das Reichswehrministerium in Berlin folgende Bei leidskundgebung gerichtet: s „Erschüttert über das Eisenbahnunglück bei Königsbrück senden wir in kameradschaftlicher Anteil- , nähme der Reichswehr unser herzlichstes Beileid. Auch - diese jungen Kameraden sind für das Vaterland ae- i fallen". I Wird der „Winter"-Prozeß politisch? Neues vom Bcrufungsprozeß gegen den „Betriebs- anivalt". Im Berufungsprozeß gegen den Betriebsanwali Gustav Winter ist man noch nicht über die Vernehmung des Angeklagten Winter hinausgckommen. Es werden alle Schriften verlesen, die für die Durchführung des Prozesses eine Rolle spielen. Im Laufe des Tages stellte die Verteidigung überraschend den Antrag, es möchte der Reichsfinanzminister Dr. Hilferding als Zeuge vernommen werden darüber, daß ein Reichs- lommisfar zur Verhandlung mit der belgischen Re gierung wegen der belgischen Markforderungen ernannt worden sei; weiter soll der Geheimrat Hemmen im Rcichsaußenministerium gehört werden darüber, daß Winter seit zwei Jahren mehrfach die Retchsregterung auf die Notwendigkeit solcher Verhandlungen hinge wiesen habe; das gleiche soll Regierungsrat Praus« im Reichsfinanzministerium bekunden. Im wesentlichen soll durch diese Dirigierung der Beweisaufnahme dem unter Anklage gestellten Vor gehen Winters ein politischer Charakter verliehen werden, so daß unter Umständen die Amnestierung Winters in Betracht käme. Das Gericht ist sich über diesen Antrag noch nicht schlüssig geworden, d-» Staatsanwalt aogelehnt wissen will. Aus Stadt und Land. Jugendliche Messerstecherinnei«. In einer Fe bruarnacht d. I. hatten zwei jugendliche Arbeiterinnen im Alter von 17V- und 18 Jahre«« aus Berlin- Neukölln einen ihnen nahezu unbekannten Mann niedergestochen und dann auf den Wehrlosen mit den Absätzen ihrer Stiefel herumgctreten. Die beiden Messerstecherinnen wurden jetzt vom Schöffengericht wegen gememstyastUcher fqwW« «oepervEtzuüg zt, drei bzw. neun Monaten Gefängnis verurteilt. Eigenartige Wirk««- eines Blitzes. Auf der Feld mark Klein-Rossa« (Altmary schlug ein Bl« in einen Telephonmast, rief auf dem Leitungsdraht weiter, zersplitterte hintereinander vier Masten und lief noch etwa 100 Meter weiter bis zum Stationsgebäude. Hier sprang der Blitz über zur Dachrinne und dann zur Erde. Der Stationsagent, der sich in dem Ge bäude befand, kam mit dem Schrecken davon. lOOjähriges Jubiläum einer Feuerspritze. Der Sprttzenverband Gr.-Berge Grenzheim in der Prig- nitz feierte ein eigenartiges Jubiläum. Die dem Ver band gehörende Feuerspritze war dieser Tage 100 Jahre im Dienste des Feuerlöschwesens. Die alte Spritze ver sieht noch heute ihren Dienst. Interessant war die Mitteilung, daß noch andere Prignitzer Ortsfeuerweh- cen über so alte Spritzen verfügen, die allerdings nur noch aushilfsweise benutzt werden. Selbstmord eines Lansrats. Der Landrat des Kreises Wanzleben (Bez. Magdeburg), Wilhelm Kehling, hat sich nachts in seinem Dienstzimmer er schossen. Landrat Kehling war seit 1922 im Amt und war aus der Arbeiterschaft hervorgegangen. Man nimmt an, daß er infolge Ueberarbeitung krank ge worden und in geistiger Verwirrung seinem Leben ein Ende gemacht hat. Unter dem Verdacht des Kindesmordes wurden die beiden jung verheirateten Brüder Willi und Otto Spal ier aus Bauersheim bei Friedland (Mecklenburg) festgenommen. Sie werden beschuldigt, das einen Mo nat alte Kind des Willi Spaller vorsätzlich mit Rauch erstickt zu haben. Die Tat ist durch die Ehefrau des Willi Spaller aufgedeckt worden. Die beiden Brüder leugnen bisher das Verbrechen hartnäckig. Jungfernfahrt des Rhcindampfers „Mainz". Am Dienstag unternahm der neue Schnelldampfer „Mainz" der Köln-Düsseldorfer Dampfschiffahrtsgesellschaft seine Jungfernfahrt, die von Mainz nach Köln führte. Der Dampfer, der dazu bestimmt ist, zwischen Mainz und Köln Expreß- und Schnellfahrten auszuführen, ist mit allem modernen Komfort, der selbst den verwöhntesten Ansprüchen des reisenden Publikums Rechnung trägt, ausgestattet. Auf der Fahrt wurde der Dampfer an alle«« Rheinstädten und -Dörfern durch Böllerschüsse begrüßt. Die Anwohner des Rhetnstromes umsäumten sicht die User, um dem neuen Dampfer den Will- kommcnsgruß darzubringen. Paris ohne Briefträger. Ein großer Teil der französischen Hauptstadt war am Dienstag ohne Post- bestellung. Die Parole eines 24stündigen Proteststrei kes wurde in einem Maße befolgt, das das Pariser Geschäftsleben stark beeinträchtigt. 33 Briefträger wür ben verhaftet. Außerdem wurde ein kommunistischer Führer verhaftet, der in das Gebäude eines Postamtes eindrang und eine Ansprache an die Briefträger hielt. Typhus auf einem deutschen Dampfer. Von Bord des auf der Heimreise von Südamerika begriffenen deutschen Dampfers „Sierra Cordoba" wird ge meldet, daß 18 Mitglieder der Besatzung wegen Er krankung an typhösem Fieber im Krankenhaus von Lissabon zurückgelassen werden mußten. Passagiere des Dampfers sind nicht erkrankt. Der Dampfer hat seine Heimreise nach Deutschland fortgesetzt. Schweres Explosionsuuglück in Italien. In Spi- li mbergo in Friaul ereignete sich in einem militäri schen Munitionslager eine schwere Explosion. Nicht allen Arbeitern gelang es, sich rechtzeitig durch die Flucht in Sicherheit zu bringen. Zwölf Arbeiter wur-- den getötet, elf schwer oder leicht verletzt. Kleine Nachrichten. * Im Norden Berlins stürzte ein Monteur aus Des sau von einem mit Eisenbahnschienen beladenen Wagen, ge riet unter die Räder und wurde auf der Stelle getütet« * In einem Berliner Hotel erschoß sich ein 59 jährige« Rittergutsbesitzer aus Mellenthin, anscheinend wegen ftna^ zieller Schwierigkeiten. * Am 4. Juni bestand das Kaiserin Auguste Viktorich Haus, Reichsanstalt zur Bekämpfung der Säuglings- uM Kleinkindersterbllchkeit in Charlottenburg, 20 Jahre. - Arnold Merten s Modell Roman von Anna Fink vopxrißkt dx kiLv Luu» Naic, oresäsa-I-Lvdegrist, Lramorstr. LI (2. Fortsetzung) Arnold war von einem, so erschien es Peter wenigstens, geradezu krankhaften Stolz besessen. Er duldete nicht, daß man ihm mit Geld „aushals", von dem er wußte, daß er es nicht wieder zurückzahlen konnte. Lieber wäre er ver hungert, ehe er sich etwas hätte schenken lassen. Man mußte in diesen Dingen mit unglaublicher Zartheit Vorgehen, wenn man ihm helfen wollte, und es war da nur durch einen Trick etwas zu erreichen. Die beiden Freunde hatten sich wieder an ihren Teetlsch gesetzt. Arnold aß jetzt langsam und ganz an den Genuß des Essens hingegeben. Peter rührte gedankenverloren in seiner Tasse herum. Hin und wieder ivars er einen kurzen, beobachtenden Blick auf Arnold. Dieser ivar jedoch so in sein Essen ver tieft, daß er es nicht bemerkte. Nein, Arnold sah nicht gut aus, nicht nur das, man konnte es mit der Angst bekommen, wenn man ihn genau betrachtete. Die dunklen Schatten unter den Augen spräche«« von ruheloser, nächtelanger Arbeit. Dabei hatten die grau blauen Augen einen fast fiebrigen Glanz, — -le Wangen waren abgezehrt wie bei einem Asketen und die schmalen, scingeschmungencn Lippen konnten einen harten, unerbitt lichen Ausdruck haben. Peter hatte auf einmal das Gefühl, als könne der Freund dieses Leben nicht mehr lange durchhalten. „Höre einmal, Arnold" begann er vorsichtig, „Du sprachst doch einmal davon, das; Du eine» Portraitauftrag In Aus sicht hättest und dann war da doch noch jemand, der von Dir ein Grabmal arbeiten lassen wollte. Was ist daraus eigent lich geworden?" Arnold war so beschäftigt mit Kauen, daß er nicht gleich antworten konnte. „Ja, weißt Du, Peter", sagte er dann, „mit bei« Sachen, die man tn Aussicht hat, ist meist nicht viel los. Meistens bleibt's eine mehr oder weniger schöne Aussicht. Nach all den Aussichten, die ich im Leben schon gehabt habe, müßte ich bereits ein reicher Mann sein. So war's auch mit dem Portrait. Es handelte sich, glaub' ich, um Frau Ziernagel, die Frau eines reichen Kaufmannes. Ich hatte schon alles vorbereitet, da ließ sie mir sagen, sie müsse plötzlich mit ihrem Manne zu einer Nachkur nach Aegypten fahren. Wenn sie zurückkehre, würde sie sich freuen, usw. Na, ja, bislang hat sie sich jedenfalls nicht wieder blicken lassen. „Du solltest mal zu ihr Hinsehen und sie daran erinnern. Diese Art Menschen muß man herankriegen", meinte Peter. Arnold lachte kurz auf. „Nein, mein Lieber, das liegt mir nicht. Auch noch hinterherrennen und zehnmal bitten, daß man um Gotteswillen eine Arbeit won mir machen läßt? Wo die alberne Gans sowieswo nichts davon versteht und froh sein sollte, daß ich ihre dämliche Visage in einer anständigen Form wiederbrtnge. Soviel Selbstbewußtsein hab ich immer noch, Peter!" sagte Arnold. „Und wie stand's mit dem Grabmal?" erkundigte sich Peter. „Ach, da sollte ich so ein Halbrelief fabrizieren, — so einen Ztmtcngel mit nach oben verdrehten Augen und über dem Magen gefalteten Händen. Der Betreffende hatte die Vorlage dazu gleich mitgevracht. Weil's gar so rührend und erbaulich anzuschen sei. Und damit ich ja wisse, wie er sicht's denke. Er wollte sich's auch was kosten lassen, ließ er durchblicken. Nun, ich hab ihm glattweg erklärt, solchen Kitsch fetzte ich ihm nicht daher. Daraufhin schnappte er schwer ein und verschwand postwendend!" „Ja. das kann ich mir wohl denken", bestätigte Peter und rang die Hände. „Sv einen grschästSnniüchiigen Men schen wie Dich gibt's aber auch nicht zum zweiten Mal aus' der ganzen Welt." „Soll ich vielleicht solchen Mist schmieren, wie ihn die Leut' haben wollen? Bloß, weil sie das Geld haben und ich ein armer Teufel bin?" fragte Arnold unmutig. Peter schüttelte verzweifelt den Kopf: „Aber steh mal, Arnold, Du brauchst doch das Geld so bitter nötig, — Du könntest doch ein klein wenig aus die Menschen etngehen, nur ein wenig. Für Dich ist es doch nicht so schwer. Du kannst doch für Dich immer so arbeiten wie's Dir gefällt." — „So, Kompromisse soll ich schließen! Nein, dazu ist mir meine Kunst zu heilig, lieber verdiene ich mir mit Holzhacken das Geld", sagte Arnold gereizt. „Ach, es ist schrecklich, sogar Du, mein bester Freund, kommst mir nun auch damit. Begreifst Du denn gar nicht, baß es um das Höchste geht, was es gibt? " „Aber", verteidigte sich Peter schüchtern, „schließlich leben mußt Du Loch auch!" „Jawohl, aber ich will es mit meiner Kunst durchsetze», und wenn das nicht geht, bann will ich lieber verhungern. Zugeständnisse mache ich nicht! " Er war aufgestanden und trat an seine beiden fertigen Arbeiten heran: „Ist das hier nicht wirkliche, reine Kunst?" „Doch, Arnold", kam etwas zögernd Peters Antwort, „aber cs fehlt mir etwas WarmeS, Herzliches darin. Ver zeih, Du weißt, ich kann das nicht so gut auSLrücken." Arnold wollte gerade etwas sehr Bissiges daraus er widern, als es hai^ an die Türe klopfte. Die beiden Freunde sahen sich erstaunt an. „Herein!" sagte Arnold. Die Türe ging auf — — es war der Beamte vom Städtischen Gas- und Elektrizitätswerk. lFvrtsetzung folgt)-