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Beilage z«r WeitzerchZeiiung Nr. 120 Montag, am 27.Mai 1929 95.Jahrgangs ÄG Chronik des Tage». * Die deutsche Abordnung in Paris bat den Mtttv- ten erklärt, daß sie alle aber den JEgsAnZaMna». plan htnausgetzenden Forderungen «ndMtig ablehnon müsste — Reichskanzler Hermann Miller weilt mit den sozial demokratischen Mitgliedern d«S Kgbiy?M gus dem sozial, demokxgtischen Parteitag iF Magdeburg. ' 5- Ker Schiedsspruch bet der Reichsbahn sieht Ane Ar« Höhung der Grundlöhne um 3—4 Pfennig je Stunde vor- — In Berlin sand die Eröffnung einer Sonderaus stellung „Arbettssitz und Arbeitstisch" durch den Reichs« arbeitsmtnister Dr. Wissel! statt. — Der international« Gerichtshof im Haag «klärte die Chorzowangelegenhett für erledigt, nachdem zwischen Latsch- land und Polen eine Verständigung erzielt worden ist. — Der griechische Kriegsminister und der französische Gesandte in Athen haben die Erneuerung des Bex träges über die französische Heeres-Kommission vei de« griechi schen Armee auf zwei Jahre unterzeichnet. — In der Altmark und an der holländischen Grenz« haben Waldbränd« riesige Schäden angertchtet. — Der Hochstapler Hartung wurde in Köln zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. — An der portugiesisch-südafrikanischen Grenz« herrscht eine schwere Malariaepidemte. Das deutsche Nein. — Paris, 25. Mai. Die Verhandlungen der deutschen Sachverständigen mit den Vertretern der Gläubigermächte haben auch jetzt noch keinerlei Fortschritte gezeitigt. Immerhin ist ein« gewisse Klärung in der Hinsicht erzielt worden, als die Alliierten ihre wahrhettswidrige Behauptung, daß sie mit ihren letzten Vorschlägen an dem Young schen Zahlungsplan nichts Grundsätzliches geändert hät ten, angesichts des einwandfreien Gegenbeweises der deutschen Delegierten haben fallen lassen müssen. Dabei haben sie sich das wertvolle Geständnis entschlüpfen lassen, daß der Youngsche Zahlungsplan für sie nur dann in Frage käme, wenn die darin für 37 Jahre vorgesehene DurchschntttsjahreSzahlung von 2050 Mil lionen Mark um 52,8 Millionen Mark erhöht werde, und daß es ihnen nur durch diese Mehrzahlung möglich würde, die Ansprüche sämtlicher Gläubiger zu befriedigen. Damit waren die deutschen Delegierten vor eine schwere Entscheidung gestellt. Sie mußten sich darüber klar werden, ob man erneut Nachgiebigkeit zeigen und von dem Grundsätze der deutschen Lei stungsfähigkeit zugunsten der darüber hinausgehenden politischen Forderungen der Tributgläubiger abweichen wollte, oder ob endlich der Augenblick gekommen sei, offen zu sagen: „Bishierherundntchtweiter!" Die deutschen Sachverständigen haben das letzte ge tan. Angesichts der entscheidenden Meinungs verschiedenheit in der Zahlenfrage haben sie am Freitag abend den Gläubigerabordnungen mitgeteilt, daß es für die Deutschen unmöglich sei, über den Young-Plan hinauszugehen, und daß sie eine weitere Erörterung der Höhe der deutschen Jahresraten für zwecklos halten. Auch die zusätzliche Zah lung von 25 Millionen Mar k jährlich zur Auf wertung der nach der Besetzung in Belgien zurück- gelasseuen Markbeträge ist von der deutschen Dele gation nochmals aufs entschiedenste zurückgewtesen worden, mit der Begründung, daß es sich hier um eine rein Politische Forderung handle, die ausschließlich der Kompetenz der beteiligten Regierun gen unterliege. Sie richteten mit dieser Absage gleich zeitig die Aufforderung an die Alliierten, zu den drei Vorbehalten, auf die Deutschland entscheidenden Wert legen müsse, mit Ja oder Nein Stellung zu nehmen. Es handelt sich bet diesen Vorbehalten nm die Hohe des transferungeschühten Teils, das Schicksal bK Reichsbahn und die sogenannte Aufbringungsklausel. Auch der Vorsitzende der Konferenz, Owen Young, hat den Alliierten zu verstehen gegeben, daß er ihre Auslegung des von ihm entworfenen Zahlungsplanes nicht billigen könne, und er hat damit den Standpunkt der deutschen Abordnung gestärkt. Die weitere Entwicklung, wie man sie aus deutscher Seite im Augenblick sieht, stellt sich folgen dermaßen dar: Falls man zu einer Einigung über den Stampschen Schlußbericht kommen sollte, der die deutschen Vorbehalte nach deutschem Wunsch enthält, so würde man diesen Bericht unterschreiben, jedoch die Regelung der Höhe der deutschen Jahresleistungen offen lassen, d. h. den Regierungen zur politischen Klärung «überlassen. Sollte dagegen auch über die Vorbehalte keine Einigung zu erzielen sein, so würde die Kon ferenz mit getrennten Berichten der Alliierten und der Deutschen auseinandergehen. Merkwürdigerweise trägt die Pariser Presse auch jetzt noch eine geflissentlich betonte Zuversicht zur Schau. Die Blätter sind zwar der Meinung, daß noch große Schwierigkeiten zu überwinden seien, glauben aber, daß eine Einigung erzielt werde (?).- Insbe sondere wird behauptet, der Pessimismus der deutschen Abordnung sei künstlich und übertrieben. Das „Jour nal" beschäftigt sich noch einmal mit den einer Ver ständigung im Wege stehenden Fragen und glaubt, daß nur die Frage der in Belgien zurückgelassenen Markbeträge ein unüberbrückbares Hindernis darstel len könnte. Die Frage der Inkraftsetzung des Young- planes sei weniger heikel, da die Gläubiger diese An- aelegenheit den Regierungen überlassen wollten. Auch der MeinungSunterschied hinsichtlich des Zahlung«. Moratoriums erscheine nicht sehr ernst. Die Glliu- biger hätten die Bildung des Komitees der inter nationalen Bank angenommen, da» im Falle einer Krise eine Untersuchuna der Zahlungsfähigkeit vor« fchlagen köpnte. lieber die Frage der Eisenbahn« Hypothek sei ebenfalls keine ernste Aussprache er- j forderlich. Die Gläubigerstaaten hätten zugesagt, daß Deutschland für den Dienst seiner Eisenbahnen bevor rechtete Anleihen bis zu einer Milliarde Mark nominell aüfneyme. Die Möglichkeiten einer Verstän digung seien schr groß (?). Im Gegensatz zu der französischen Presse beur teilen die Londoner Blätter die Aussichten der Konferenz sehr ungünstig. Es wird daraus hin« gewiesen, daß eine Entscheidung in dem Men oder änderest Smtte tn dest nächsten zwei oder drei Tagen erwartet werden könne und im Augenblick ein Zu sammenbruch die größere Wahrscheinlichkeit für sich habe. Von feiten der britischen Gruppe sei für diesen Fall eine Erklärung zu erwarten, in der die britische Haltung vor der Welt gerechtfertigt werde. In maßgebenden Londoner Kreisen lehnt man es jedoch auch heute noch ab, sich ganz nach der pessi mistischen Seite umzustellen. An sich würbe man in London einen Zusammenbruch der Arbeiten ruhig beur teilen. Ob das gleiche bei den übrigen Alliierten der Fall sein würde, bleibt abzuwarten. Die Wahrschein lichkeit ist nicht gering, daß die Vorzüge des Dawes- Planes im Ernstfälle manchen alliierten Nationen wesentlich geringer erscheinen, als dies von Poincarö und anderen Persönlichkeiten in den Augenblicken hin gestellt wurde, in denen die besten Aussichten für eine Endregelung bestanden. Insbesondere vom Stand punkte der Rückzahlungsverpflichtung Frankreichs an die Bereinigten Staaten in Höhe von 400 Millionen ! Dollars, die am 1. August fällig ist, wird von eng- - lischer Seite immer wieder auf die weit stärkeren i Interessen Frankreichs an der Reparationsregelung hingewiesen, als man das in Paris selbst wahr haben Richtigstellung ver Reichsregterung. Lie „Deutsche Zeitung" läßt sich von einem Ge währsmann dahin informieren, daß „auf dunklen Wegen in Paris die Mitteilung gemacht sei, daß die Zahlen des Herrn Schacht (Jahresrate von 1650 Millionen Mark) auch nach der Auffassung der Berliner Regie rung unter der deutschen Leistungsfähigkeit blieben. Das Reichskabinett, das sich natürlich in dieser Frage auch sein Bild gemacht habe, sei zu höheren Ziffern (1800 Millionen) gelangt, als Schacht/ Die „Deutsche Zeitung" fordert Aufklärung über diesen von ihr als infam bezeichneten Vorfall. > Dazu wird amtlich erklärt, daß dieser infame Vor fall eine infame Lüge sei. Ebenso unwahr sei die Behauptung, wonach obengenannte Mitteilungen durch die deutsche Botschaft in Paris erfolgt sein sollen. Die Kolonialarbeit der Frau. AuS der Hauptversammlung des Frauenbundes de« Deutsche» Kolonialgesellschaft. In Hannover hielt anläßlich der großen Ko- .onialtagung der Frauenbund der Kolonialgesellschaft seine 22. Hauptversammlung ab. Der Geschäftsbericht gewährte einen guten Einblick in die wirksame Kolo nialarbeit der Frauen. Die Bundesvorsitzende, Frau H. v. Bredow, . begrüßte die sehr zahlreich erschienenen Teilnehmer. ! Sodann sprach Reichstagsabgeordneter Dr. Külz, der > in überzeugenden Worten den Einwurf widerlegte, der heute den Kolonialverbänden überall entgegentrttt: „Wozu Kolonialarbeit ohne Kolonien?" . > Fräulxjn v. Steinmeister erstattete den Gs- - sckaftsbericht: Der Frauenbund der Deutschen Kolo- - nialgesellschaft konnte trotz der erhöhten Schwiertgkei- ' ten se ne Arbeit noch ausdehnen. In Südwest-Afrika ! wurde eine neues deutsches Schülerheim in Gibson i eingerichtet, die bestehenden Heime in Windhuk, Lü> derttzbucht und Karibik wurden weiterhin unterstützt. Mittel wurden berettgestellt, um auch in Swakopmun! den deutschen Schulkindern ein Heim zu sichern. Vor allem wurde in Ostafrika eine deutsche Schule in Lu- pembe gegründet. Das dazugehörige Schulheim ist in Entstehen begriffen. Der Versand deutscher Bücher und Zeitschriften nach Afrika nimmt ständig zu, unter stützt durch viele große Verlage. Der Frauenbund zählt heute 101 Abteilungen in Deutschland und 14 Abteilungen in Südwestafrika mit insgesamt 16 700 Mitgliedern gegen 13 600 Mitgliedern im Vorjahre. Ueber die Lage der Deutschen in Ostasrika gab Freifrau v. Rechenberg ein klares anschauliches Bild; über das Deutschtum in Südwest berichtete Frau Dr. Körner. Die anschließenden Beratungen befaßten sich mit den einzelnen Arbeitsgebieten des Frauenbundes und deren Ausbau. Es wurde beschlossen, im kommenden Jahr ein deutsches Schulpensionat tn Lupembe zu schaffen. Die Bundesvorsitzcnde Krau v. Bredow schloß die Tagung in der Hoffnung, daß die Arbeit deS Frauen- bundeS auch im folgenden Jahre so viel Hilfe fände, wie bisher, damit der vnnd weiter mit allen Kräften für das Deutschtum in Afrika wirken könnte. * Die Annektionspolitik. Der große Vorstand der Deutschen Kolonialgesell schaft nahm zu der durch da» deutsche Sachverständigen- : gutachten und die Annektionspolitik der Mandatsmächte geschaffenen kolonialpoltttschen Lage Stellung. Er be- grüßte die von den deutschen Sachverständigen in Paris im Einklang mit den Vorschlägen der Deutschen Lo- lontalgesellschaft erhobene Forderung auf Verbreite rung der Wirtschaftsgrundlagen und verurteilte jede» Versuch auf das schärfste, das Gutachten der deut schen Sachverständigen zu sabotieren. Es wurden ent sprechende Entschließungen hinsichtlich der Annektton»« polink der Mandatsmächte in Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika gefaßt. Wetter nahm die Gesellschaft eine Entschließung über die ungehinderte Zulassung von Aerzten der Völkerbundsstaaten in den Mandatsgebieten an. Ge heimer Regierungsrat v. Zastrow, Mitglied im Retchs- betrat für die deutschen Aüslandsschulen, erstattet« Bericht über die kulturpolitischen Arbeiten der Ge sellschaft. Entgegen der systematischen EntdeutschungSpoli- tik der südafrikanischen Regierung in dem Mandatsland Südwest ist die Deutsche Kolonialgesellschaft im Be«. ein mit dem Frauenbund der Deutschen Kolonialgesell» schäft erfolgreich bemüht, die deutschen Kulturinteressen gegenüber: der Mandatsregierung zu vertreten. Polnische Willkür. Pensionslose Entlassung eines deutschen Rektors. Die lange Reihe von polnischen Gewaltmaßnahmall ist um einen neuen brutalen Willkürakt vermehrt worden. Der Vorsitzende des BerbaudeS deutsche« Lehrer in Polen, Rektor Urbanek, der ehemalig« Leiter der Minderheiten-Kna-enschule in Kattowitz, ist durch Ent« scheidnng der Wojewodschaft im Disziplinarwege frist los ohne Pensionsansprüche entlassen worden. Rektor Urbanek wurde bereits im Dezember vorigen Jahre» von seinem Posten dispensiert. Die Maßnahme gegen Rektor Urbanek wurde von polnisch« Sette mit den Geldzuwendungen begründet, die von reichsdeutschen Lehrerverbänden durch den Verband deutscher Lehre« in Polen an Minderheitenschul-Lehrkräste zur Bertei- lung gelangten. Die polnische Presse Witt von »och weiteren Entlassungen deutscher Lehrkräfte wisse«. Die von polnischer Teste angeführten Gründe sind völlig haltlos, da die Geldvertetlung, we gen der die Disziplinierung vorgenommen wurde, in voller Oeffentlichkeit erfolgte und nichts mit amtlichen deutschen Stellen zu tun hat. Der der polnischen Will kür zum Opfer gefallene Rektor Urbanek ist gebürti ger Oberschlesier und viele Jahre mit großem Erfolg als Schulsachmann in seiner Heimat tätig gewesen. Er erfreut sich als Mensch in weitesten Kreisen größter Beliebtheit. Rektor Urbanek logt Berufung ein. Zu der Disziplinierung des verdienten deutschen Schulfachmannes und ersten Vorsitzenden des Ver- bandeS deutscher Lehrer in Polen, Rektor Urbanek, ist poch ergänzend mitzutcilen, daß Urbanek über 28 Jahre im oberschlesischen Schuldienst stand und sich weder zu deutscher Zeit noch während der sieben Jahre währenden polnischen Herrschaft irgend etwas zuschul den kommen ließ. Bon den elf möglichen Disziplinar strafen wählte trotzdem das Disziplinargericht die höchst zulässige Strafe, die Entlassung ohne Pensionsanspruch. Rektor Urbanek hat gegen diese» Urteil sofort Be rufung eingelegt. Wie wird's enden? Die Berliner Auffassung über die Lage in Maui». In Berlin wird an zuständiger Styll« tzMktr „Wenn es zu einem Scheitern der SachvWändigen- verhandlungen in Paris kommen sollte, so liegt da» vor allem daran, daß zwei Fragen in Pari» m den Bordergründ gerückt sind, die mit den Tachverstän- digenverhandlungen eigentlich gar nichts »U MN haben, nämlich die Frage der belgischen MarMthäbyn und die Frage der Verteilung der Jahreszaylungeil unter die Alliierten. Bo» zuständiger Stelle wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich die Auffassung der deutschen Sachverständigen mit der Auffassung do« ReichSregie- rung deckt. Selbstverständlich habe di« Reichsrogierung in keiner Weise de» Sachverständigen irgeiü>welcho schriftlich festgelegten Weisungen nach Paris gesandt. Ferner wird erklärt, daß über dis Rückgabe de» Saargebietes in Paris nicht gesprochen Wörden fei. Die Jndnstrie- und Handelskammer Dortmund beglück wünscht Bögler. Die letzte Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund hat an ihr Mitglied Generaldirektor Dr. Vögler nachstehendes Schreiben gerichtet: Tie Bersammlung hat mit Befriedigung davon Kennt nis genommen, daß Tie durch Ihren Rücktritt vo» der deutschen Vertretung in de« Pariser rributverhandln««» Nar und deutlich zum Ausdruck gebracht haben, daß d« Teutschland zugemutete» Leistungen und Ovstr «in« G«»ze haben, di« zu überschreiten Ehrlichkeit und SelMachtuug verbieten. Wir beglückwünschen Sie zu diesem Entschluß und hoffen, daß er unsere Regierung darin bestärken wird, unertrLglich« und unlösbare Verpflichtungen, di« da» deutsche voll auf Generationen versklaven würden, abzuw-non- Wird das Reisen teurer- Die Reichsbahn zum Schiedsspruch für die Eisen bahner. ckeber die Auswirkung de» Schiedsspruch» für die Reichsbahn wird von feiten der Deutschen Reichsbahn etwa folgendes mitgeteilt: Der Reichsbahn wird eins Lohnerhöhung von durchschnittlich 3,2 Reichspfennig für di« AvhUtMh«