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8 s s « 2. S o VOI^ kü^x Ovkiki - «VOI^ —Q^LL_ copvnM ky LlLrtln kizuckUvLngsr, NsIIe (SsLle, Ein freudiger Zug glitt über Effingers Gesicht. „Wird ein guter Geschäftsmann, was sag' ich, ist ein guter Ge schäftsmann, der Joseph." Er hatte aber nicht länger Zeit, seiner Befriedigung über die Gelehrigkeit seines künftigen Buchhalters Aus druck zu verleihen, denn dieser öffnete schon die Tür und meldete mit respektvoller Stimme und einer großartigen Handbewegung: „Der Herr Lienhart", woraus er sich höflich wieder zurückzog, vermutlich des ersehnten Früh stücks wegen. August Essinger war erstaunt, als er seinen Mieter er blickte. Es war auch in der Tat auffallend, wie sich Lien hart in der kurzen Spanne Zeit verändert hatte. Nicht gerade vollständig zu seinem Vorteil. Er hatte den guten Nock abgezogen, einen Kragen und eine prächtige gras grüne Krawatte um, aus den Aermeln fielen aufdringlich ein Paar leicht zerknitterte Manschetten hervor. Da er aber im übrigen seine Arbeitskleidung anbehalten hatte, sah die obere Hälfte des Menschen sonntäglich, die untere werktäglich aus, was nicht den besten Eindruck machte. Vian hätte ihn für einen Bruder von der Landstraße halten können, dem eine mitleidige Seele einen gut- erhaltcnen Rock schenkte. Am auffallendsten aber war der neue Gesichtsausdruck des Meisters. Ein gewisser hoch mütiger Stolz war nicht zu verleugnen, der im Wettstreit zu liegen schien mit dem angeborenen oder vom Leben an- crzogenen bescheidenen Ernst und braver Rechtschaffenheit. Eine merkliche Verlegenheit aber harmonierte wenig mit der herausfordernden Haltung des Mannes. „Guten Morgen, Herr Essinger", sagte er mit tönender Stimme. Man sah deutlich sein Bestreben, dem An- gsredeten zu zeigen, daß sie nunmehr auf gleicher gesell schaftlicher Stufe ständen. „GutenMorgen.FrauEffinger!" setzte er hinzu, als er die unförmige Gestalt im Lehnstuhl erblickte. Mit großer Gewandtheit half Effinger seinem Mieter über die erste Verlegenheit hinweg, indem er, redlich unterstützt von seiner Frau, mit großem Wortreichtum seine Freude über das Glück aussprach, das dem Herrn Lienhart zuteil geworden. „Hat diesmal den richtigen Mann getroffen, den ganz richtigen Mann!" beteuerte er. „Weil cs ein fleißiger, braver und rechtschaffener Mann ist. Freilich ist der Herr Lienhart auch ein kluger Mann. — Thusnelda, hab' ich's nicht schon manchmal gesagt? Was sag' ich, hab' ich's nicht schon häufig gesagt? Ist es wahr oder ist es nicht wahr, Thusnelda?" Selbstverständlich mußte Frau Thusnelda der Wahr heit die Ehre geben. Lienhart nahm mit Vergnügen die dargereichten Glück wünsche entgegen und atmete mit vollen Zügen den ge spendeten Weihrauch ein, und seine Haltung wurde zusehends stolzer, sein Gesicht noch hochmütiger und ein- fälliger. Mit ungeschickten, gezierten Worten setzte er end lich seinem Hausherrn den Wunsch auseinander, mit ihm in Geschäftsbeziehungen zu treten. Dabei sah er wiederum etwas verlegen hinüber zu Frau Thusnelda, denn er fühlte ihre Augen neugierig und durchdringend auf sich ruhen. „Ich verstehe, ich verstehe, Herr Lienhart", sagt« Effinger. „Sie wünschen mich allein zu sprechen. Wenn ich Si« bitten dars, mit mir herüberzukommen in mein Kontor." Und er öffnete höflich die Tür und nötigte seinen wohl habenden Klienten, vor ihm das Zimmer zu verlaffen. „Sie haben den Vortritt, Herr Lienhart!" Meister Lienhart wußte die Ehre zu würdigen, immer mehr sah er ein, daß er nunmehr ein vornehmer Herr war. Als sie zu dem außerhalb der Wohnung gelegenen Kontor kamen, ließ er sich schon nicht mehr bitten, etn- zutreten. Es war doch selbstverständlich, daß ihm Effinger alle Ehre erwies, denn jetzt war doch der Hausherr der jenige, dem er zu verdienen gab. Das Kontor des Bankiers Effinger war ein sehr be scheidener Raum, frei von jedem überflüssigen Luxus. Es standen darin ein einfacher Schreibtisch, ein altes Steh pult und einige schlechte Polsterftühle mit durch gescheuertem Swffüberzug, aus dem an manchen Stellen die Halme des Seegrases herausstachen. An den Wänden hingen als Dekoration einige gelbe und weiße Eisenbahn fahrpläne der amtlichen Ausgabe und edle besonders interessante Bekanntmachung vom Liegenfchastsmarkt. Nur ein Gegenstand war in dem Zimmer, der geeignet war, imponierend zu wirken und der auch Lienharts Augen mit zauberhafter Macht auf sich zog, ein sehr solider, feuer- und diebessicherer Kaffenschrank von respektabler Größe. „Wollen Sie Platz nehmen, Herr Lienhart", nötigte Effinger. Der Schneidermeister war wieder bedeutend kleiner geworden und fah fast aus wie seinerzeit, nach seiner Krankheit, als er Effinger die Mitteilung zu machen ge zwungen war, er müsse diesmal mit dem Mietzins im Rückstand bleiben. Da er aber den reichen Hausherrn seine respektvolle Haltung bewahren sah, rückte er Mit seinem Anliegen heraus. Seine Rede war etwas gewunden und umständlich, aber schließlich kam er doch zum Ziel. Kurz und gut. Meister Lienhart wollte Geld haben. Es ist fatal, wenn man ein ganz hübsches Vermögen in Händen hat und kein bißchen Geld. Ganz unverantwort lich war es nach Lienharts Ansicht, die Lotteriegewinne nicht sofort auszubezahlen. Es ist doch das gute Recht des Gewinners, daß er sein Geld sofort erhält, er muß das Los auch sogleich bezahlen. Aber der Staat, natürlich der Staat! „Ihm pressiert's gar nicht, wenn er bezahlen muß!" Effinger gab seinem Besucher selbstverständlich recht, er konnte dies ohne jeden Nachteil für sein Geschäft ris kieren. Aber er machte doch ein bedenkliches Gesicht, als er Lienharts Wunsch hörte. Dies war ihm zur Gewohn heit geworden, die ihre Früchte trug, denn je bedenklicher sein Gesicht aussah, um so williger zahlte der Geldsuchende höhere Zinsen. „Sie gestatten doch, Herr Lienhart, daß ich mir das schöne, das sehr schöne Los besehe? Wissen Sie, Herr Lienhart, ich habe natürlich nicht den geringsten Zweifel, aber ein Geschäftsmann mutz vorsichtig und umsichtig sein, sonst ist er kein Geschäftsmann. Sie verstehen mich, Herr Lienhart!" Lienhart verstand. Er griff in seine Rocktasche und zog aus einem abgegriffenen Mäppchen das kostbare Papier, so vorsichtig, als wäre es das feinste Spinnengewebe. Einen Augenblick zögerte seine Sand, als er es seinem