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Dienstag, am 2t. Mai 1929 95. Jahrgang Nr. 118 «erläge Mr Wettzerch Fettung Chronik des Tages. — RetchsverkehrSminister Dr. Steaerwald hat der fran zösischen Regierung telegraphisch den Dank der Reichsregie rung für die Hilfsleistung bet der Notlandung des „Graf Zeppelin" ausgesprochen. — Die Verhandlungen über das preußische Konkordat sind noch nicht zum Abschluß gebracht. — Reichsbankpräsident Dr. Schacht ist während der Pfingstfeiertage in Paris geblieben, die übrigen deutschen Sachverständigen weilten die Feiertage über in Deutschland. — Die nächste Vollsitzung der Pariser Sachverständl- aen-Konferenz wird nicht vor Dienstag nachmittag oder Mittwoch einberufen werden. — Gegen den Berliner Berichterstatter der Moskauer „Prawda" ist ein Ausweisungsbefehl ergangen. — In Berlin hat ein zweieinhalbjähriger Knabe sein einjähriges Schwesterchen in der Badewanne ertränkt. — In Dortmund ist man einer großen Paßfälscher bande auf die Spur gekommen. — In Warnemünde hat ein deutsches Seeflugzeug die bisherige Geschwindigkeitswelthöchstleistung über 100 Kilometer mit 500 Kilo Zuladung, die bisher von Ame rika gehalten wurde, um 23 Kilometer überboten. — Der ehemalig« Hilfsgendarm Dujardin wurde vom Schwurgericht in Insterburg von der Anklage des Mordes -ruf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Aktive Bodenwirtschaft. Bodenpolitik in unseren kleine» Städten. In der Nachkriegszeit haben der Erwerb und oie Wiederabgabe von Boden, insbesondere zu Zwecken des Wohnungsbaues, durch unsere Gemeindeverwal tungen einen sehr bedeutenden Umfang angenommen. An dieser Bewegung haben sich indes nicht nur große Städte, sondern auch zahlreiche mittlere und kleinere Gemeinden beteiligt. Nach Mitteilungen, die Bürger meister Nohl, Lennep, in einer Abhandlung im Rahmen eines im vorigen Jahre erschienenen großen Sammel werkes „Der Wohnungsbau in Deutschland nach dem Weltkriege" auf Grund einer besonderen Erhebung über die Städte von 10 000 bis 50 000 Einwohner gemacht hat, haben 177 dieser Städte seit 1919 zu sammen 1666 Hektar Siedlungsgelände zur Verfügung gestellt, und da diese Städte, wie Nokl hinzufügt, am Anfang dieser Periode vielfach nicht in ausreichendem Umfange über geeignetes Siedlungsgelände verfügten, so haben offenbar in großem Umfange Grundbesitz erwerbungen stattgefunden. Auch sonst liegen einige Mitteilungen vor, aus denen sich auf eine aktive Boden wirtschaft auch in vielen kleinen Gemeinden in der Nachkriegszeit schließen läßt. Allerdings hat diese ganze Bewegung offenbar keineswegs alle kleineren Gemeinden erfaßt oder wenigstens in größerem Um fange erfaßt, sondern es handelt sich nur um einen Bruchteil, aber wahrscheinlich doch um einen recht an sehnlichen Bruchteil. Bei einer solchen Massenerscheinung ist es ja immer sehr schwer, zuverlässig über die Wirkungen zu urteilen, aber im großen und ganzen dürften die Wir kungen dieser aktiven Bodenwirtschaft in den kleinen Gemeinden doch recht günstig gewesen sein: man wird annehmen dürfen, daß die Bautätigkeit durch sie wesentlich gefördert worden ist und daß diese Boden- Wirtschaft im allgemeinen auch in der Richtung der Erzielung billiger Preise gewirkt hat. Eine Anzahl recht eindrucksvoller Zeugnisse über die günstigen Wir kungen einer solchen aktiven Bodenwirtschaft in den kleineren Gemeinden ist in den Antworten enthalten, die auf eine Umfrage des Reichsstädtebun des im vorigen Herbst über Grundstückspolitik er folgt sind. Leider hat nur ein sehr kleiner Teil der Mitgliedsstädtc des Reichsstädtebundes diese Umfrage beantwortet, so daß sich allgemeine Schlüsse daraus kaum ziehen lassen, aber die angegebenen Einzelheiten sind zum Teil doch sehr bemerkenswert. So schrieb eine kleine märkische Stadt in ihrer Antwort u. a.: „Zur Förderung der Bautätigkeit tritt die Stadt gemeinde von dem ihr zur Verfügung stehenden Bau land Baustellen zu einem niedrigen Preise ab . . . Diese niedrigen Preise haben zur Belebung der Bau tätigkeit erheblich beigetragen." Aehnlich sagt eine kleine Stadt in Ostpreußen: „Ohne die Beschaffung und Abgabe billigen Siedlungslandes durch die Stadl wäre die Bautätigkeit hier sehr gering gewesen." Ein« kleine Stadt in Hannover weist auf ihren bedeutenden Grundbesitz und die Ueberlassung von Grundstücken aus diesem zu Bauzwecken zu niedrigen Preisen hin und schreibt in diesem Zusammenhang: „Diese Boden- »olitik hat wesentlich zur Besiedelung der Stadt bei- ;etragen, zumal wir in fast allen Fällen den Grund- tückspreis als Hypothek gegen 6V-Prozentige Verzin. ung haben eintragen lassen." Endlich schreibt ein« n Schleswig-Holstein gelegene kleine Stadt: „Bet um tnd deswegen besonders niedrige Boden- und Grund- tückspreise zu verzeichnen, weil wir Bauland reich lich zum Durchschnittssatz von je 1 Mark je Quadrat meter anbieten können. Wir haben im Jahre 1919 dom . . . 65 Hektar zum Preise von 70 Pfg. je Quadratmeter erworben, außerdem später noch je nach Gelegenheit und Möglichkeit Ankäufe getätigt. Aus diese Weise ist uns das mttgetetlte Resultat möglich, während z. B. in unserer Nachbarschaft (folgt der Preise von 3 bis 4 Mark je Quadratmeter, teilweise noch höher, von der Stadt gefordert werden müssen und auch sonst gang und gäbe sind. „.Nun wird man ja freilich aus dem Vorstehenden nicht den Schluß ziehen dürfen, daß so günstige Er folge überall und unter allen Umständen zu erzielen sein werden; es wird vielmehr immer auf die Ftnanz- kraft der Gemeinde, die Möglichkeit billigen Erwerbs, die Zahlung», und Derzinsungsbedingungen und die ganzen wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse in Der Gemeinde ankommen. Auch drohen der städtischen Bodenwirtschaft zukünftig doch erhebliche Schwierig keiten und Gefahren durch Steigen der Ankaufspreise, durch die ungünstigen allgemeinen wirtschaftlichen Ver hältnisse der betreffenden Gemeinwesen und mit der Zeit auch durch die so außerordentliche Verringerung der Geburtenziffern sowie selbstverständlich durch di« auslaufenden Zinsensummen für das erworbene Land. Aber bei Anwendung der nötigen Vorsicht, Besonnen heit und Geschicklichkeit wird doch auch in Zukunft eine solche positive Bodenwirtschaft in den kleinen Gemeinden vielfach sehr gute Ergebnisse erzielen kön nen. K. v. M. Die Minderheiten-Denkschrift. Bier Grundsätze der Reichsregierung. — Sin» und Tragweite der Garantiepflicht des Völkerbundes. Die Denkschrift der Reichsregierung in der Min derheitenfrage ist jetzt der Oeffentlichkeit übergeben worden. Das Schriftstück legt eingehend die Auffas sung der deutschen Regierung über die Pflichten dar, die sich für den Völkerbund aus der Garantie für die Bestimmungen zum Schutze der Minderheiten er geben. Bekanntlich ist die deutsche Auffassung vorn deutschen Außenminister Dr. Stresemann bereits in der Märztagung des Völkerbundes dargelegt worden. Diese Darlegungen gingen davon aus, daß in der Ent wicklung der Völkerbundstätigkeit der Zeitpunkt ge- kommen ist, um ^ie bisherige Behandlung des Minderheiten- Problems rückblickend z» überprüfen, und an Hand der gemachten Erfahrungen zu ent scheiden, ob sich die berufenen Instanzen des Völker bundes bei der Verfolgung dieser Aufgabe aus dem richtigen Weg befinden, oder ob es angebracht ist, in der einen oder anderen Beziehung neue Beschlüsse zu fassen. In diesem Sinne hat der deutsche Vertreter di« bisherige Praxis des Völkerbundes und ihre Ergeb nisse einer kritischen Betrachtung unterzogen und ist dabei zu folgenden Schlußfolgerungen gelangt! Es sei einmal erforderlich, sorgfältig die Mög lichkeiten durchzuprüfen, die für eine Besserung de« formale» Verfahrens bei der Behandlung von Pe titionen der Minderheiten gegeben sind. Dabei muss« insbesondere in Aussicht genommen werden, die bis her bei der Vorprüfung solcher Petitionen geübte Aus schaltung gewisser Nationen durch ihre Heranziehung zu ersetzen. Es müsse ferner geprüft werden, in wel cher Weise der Völkerbund seiner Garantieverpflich tung außerhalb des Gebietes der Petitionen zu ge- «iigen hat. Endlich sei es wichtig, eine ausdrücklich« Klärung der grundsätzliche«« Frage herbeizuführen, wi« der Sin«« und die Tragweite der Garantiepflicht des Völkerbundes zu verstehe» ist. Diese vier Grundsätze werden in der Denk schrift der Reichsregierung eingehend begründet und erklärt. Wie die Denkschrift selbst feststellt, verfolg; die Denkschrift den Zweck, unter Berücksichtigung der von anderer Seite in der Märztagung abgegebenen Er klärungen, diese Grundsätze „zu erläutern und zu er gänzen". Politische Rundschau. — Berlin, den 21. Mai 1929. ! — Tas w ü r t t e m b e r g i s ch e Kultusministerium Hal anacsrdnet, daß am 28. Juni in sämtlichen Schulen auf di« Bedeutung und die Folgen des Versailler Vertrages hinge wiesen und gegen die Kriegsschuldlilge Stellung genommen i wird. « — In Mecklenburg-Schwerin haben di« ! Deutschnationalen, die Deutsche Volkspartei, die Wirtschafts- - Partei, die Völkischen -und die Landvolkpartei für die ; kommenden Landtagswahlen eine einheitliche Liste auf- - gestellt. j — Anläßlich des 60. Geburtstages des ehemaliger ' bayerischen Kronprinzen Rupprecht hat in Berchtes gaden ein großer Fackelzug der vaterländischen Verein« stattgcfundcn. » :: Pfingstreisen der deutsche»« Sachverständige». Die Mehrzahl der deutschen Vertreter in der PaÄser Sachverstandigenkonferenz weilte über die Feiertage in Deutschland. Dr. Bögler hatte sich bereits am Freitag nach Dortmund begeben. Geheimrat Kastl ; und Dr. Melchior verbrachten die Feiertage in Berlin ! bezw. Hamburg. Dr. Schacht war in Paris geblie- ! ben. Am heutigen Dienstag sind wieder sämtliche Mitglieder der deutschen Abordnung in Paris vev-- > sammelt. Die nächste Vollsitzung der Sachverständigen- konserenz wird frühestens zu Dienstag nachmittag oder . Mittwoch einberusen werden. § :: Ei» russischer Jonrnalift ausgewiesen. Der Berliner Polizeipräsident hat gegen den Berliner Be richterstatter der Moskauer „Prawda" einen Auswei sungsbefehl erlassen. Diese Maßnahme ist darauf zu-, rückzuführen, daß der russische Journalist sich während der Maiunruhen in Berlin durch eine tendenziöse Be richterstattung hervorgetan und gegen das Verhalten der Polizei Stellung genommen hat. Der Bericht erstatter hat gegen diese Maßnahme Beschwerde ein gelegt, so daß sich das Oberprastdium im Einver nehmen mit der Reichsregterung mit der Angelegen heit weiter beschäftigen wird. * :: Der deutsch-türkische Schiedsvertrag unter zeichnet. In Angora fand die Unterzeichnung des deutsch-türkischen Schiedsgerichts- und BergleichSver« trags statt. Auf Grund des neuen Vertrages werden in Zukunft auch Streiffälle mit der Türkei, die aui diplomatischem Wege nicht zu regeln sind, sofern fi- die Souveränttätsrechte nicht berühren, einem Schied-« gerichts- und Vergleichsverfahren unterworfen. Rundschau im Auslande. i Die Außenminister der Kleinen Entente hielten am Pfingstmontag in Belgrad ein« Konferenz ab. Weltkraftkonferenz in Barcelona * In Barcelona wurde dis Sondertagung der Welt- kraftkonferenz eröffnet, welche der Gesamtausnutzuna der Wasserkräfte gewidmet ist. Di« Konferenz ist von 32 Staa ten beschickt, die durch etwa 100 Delegierte vertreten find. Zu den Tagungen liegen etwa SO Vorträge vor, die etwa zur Hälfte aus Ländern außerhalb Spaniens stammen und unter denen sich auch vier aus Deutschland namhafte Fach leute des Wasserbaues und der Wasserkrastnutzung befinden. Der Taena-Arieastreit beendet. Erfolgreiche Vermittlung Hoovers. Der seit dem Salpeterkriege der achtziger Jahre schwebende Streit um das Tacna-Arica-Gebiet am Stil len Ozean, in dem die Vereinigten Staaten wiederholt vergeblich vermittelt hatten, ist jetzt auf Anregung des Präsidenten Hoover durch direkte Verhandlungen zwi schen Peru und Chile endlich beigelegt worden. Auf Grund dieses Abkommens behält Chile Arica, während Taena an Peru kommt. Die beiden Provin zen werden getrennt durch eine Grenzlinie, die nörd lich der Eisenbahn Arica—La Paz verlänst. Chile be hält den Hafen von Arica, wird jedoch Peru an der Bucht von Arica einen Anlegekai und ein Zollhans so wie ferner eine Station an der Eisenbahn Taena— Arica gewähren. Außerdem wird Chile an Pern S Millionen Dollar zahlen. Der Wunsch Boliviens nach einem Korridor zum Stillen Ozean ist also bei der Losung der Tacna— Arica-Frage nicht erfüllt worden. Das Preußen-Konkordat. Die Verhandlungen gehe» weiter. — Fühlungnahm« mit den Parteien. Wie der „Amtliche Preußische Pressedienst" mit teilt, geben die Blättermeldungen über den Abschluß des preußischen Konkordates Anlaß zu der Erklä rung, daß alle Kombinationen über den normaleri Abschluß oder Nichtabschluß verfrüht sind. Die Ver handlungen gehen weiter. Grundsätzlich scheint also eine Einigung erzielt zu sein, eine Paraphierung des Textes hat da gegen noch nicht stattgefunden. Aller Voraussicht nach wird der Gegenstand etwa in drei bis vier Wochen den Preußischen Staatsrat beschäftigen. Zuvor wird sich Ministerpräsident Braun mit den Parteien des Landtags in Verbindung setzen, um zu ermitteln, ob sich im Landtag für das Konkordat die erforderliche Mehrheit finden wird. Veber den Inhalt des Konkordats teilt de, „Demokratische Zeitungsdienst" mit, daß die preu ßische Regierung sich damit einverstanden erklärte, daß »eben Köln Breslau und Paderborn Erzbistümer wer den. Das bisherige Kollegialstift in Aachen werde in ei»« Bistum umgewandelt werden. Außerdem soll ein Bistum Berlin ne,« geschaffen werden. Die Reu- griindnng eines Bistums Berlin sei vo»« der Kuri« mit den« Hinweis darauf, daß über 5VVW« Katho lik«»« i» Berlin leben, gewünscht worden. Die Admini- stratnr Schneidemühl werde in eine Delegatur um gewandelt. Die früher geäußerte,« Wünsche auf Schaf fung von neuen Bistümer» in Essen, Kammin Gpom- mern) und Altona seien fallengelasse» worden. Der Konkordatsentwurf enthalte weiter Bestim mungen über die Wahl der Bischöfe und über di« Zusammenlegung der Domkapitel. Außerdem sei in dein Entwurf die finanzielle Auseinandersetzung zwi schen dem Staat und der katholischen Kirche geregelt. Von besonderer Bedeutung für die parlamen tarische Behandlung und für das Schicksal des Kon kordats im Preußischen Landtag sei die Tatsache, daß sich in dem vorliegenden Entwurf kein Wort über die Schule finde. Auch ein Hinweis auf dis Schulbestimmungen der Weimarer Verfassung sei in dem vorliegenden Entwurf nicht enthalten. Deutsches Volkstum. 48. Jahrcstagung des B. D. A. i» Kiel. Kiel stand in den Pfingsttagen im Zeichen der 48. Jahrcstagung des Vereins für das Deutschtum im Ausland, die ihren offiziellen Anfang mit einer Hauptausschußsitzung im Kollegiensaal des Rathauses nahm. Ihr ging eine Frauentagung voraus, die grundsätzliche Referate über die Ausgaba der deutschen Frau im Ausland als Stütze deut schen Volkstums brachte. Anläßlich seiner Tagung hat der B. D. A. einen! Aufruf erlassen, in dem das deutsche Volk auf die drohen« den Gefahren für das deutsche Volkstum in den ab« getretenen Gebieten eindringlich hingewiesen wird. Insbesondere macht der Aufruf aus di« Vernichtung! der deutschen Schulen im Ausland« aufmerksam. Ge<- linge den fremden Völkern diese Vernichtung, so sek das Deutschtum in diesen Gebieten rettungslos dein» Untergang? geweiht. Am Schluß fordert der Aus«