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tanzen. lKorlkeLuna kolat.1 geschossen, das Monokel nachlässig eingeklemmt, mit näseln der Stimme um einen Tanz bittend. Frau Ilona war nicht zum Tanzen ausgelegt, sie wollte nein sagen, danken, aber da sah sie vieler Blicke auf sich gerichtet, und ersparte dem Bittenden das unangenehme Gefühl einer Niederlage. Leicht flog sie dann im Arm des Tänzers dahin, der in seinem breiten, österreichischen Dialekt fade Anekdötchen auskramte. Sie vermochte nur mühsam ein höfliches Lächeln auf ihr Gesicht zu zwingen und bemerkte dabei, wie er im Vorübertanzen einer rotblonden, etwas üppigen Dame zunlckte. «Seine Frau", dachte sie im stillen. Gerade da war der Tanz zu Ende und er führte sie, ohne zu fragen, zum Tisch dieser Frau, und bat um ihre GesellsMft. Ilona Takats nahm an. Es war schließlich einerlei, wo sie saß. Sie erfuhr sehr bald, daß ihr Tänzer ein Kaufmann aus Triest war, der nach Kairo reiste. Er nannte sich Joseph Meierhofer und rief seine Frau Röschen. Und doch paßte das alles nicht zu diesem Ehepaar. Ilona Takats fühlte sich von der Nähe der beiden un angenehm berührt und abgestotzen, und ahnte, daß sich hinter diesen beiden Menschen etwas verbarg, was sie mit einem angenommenen, gutbürgerlichen Namen zu ver decken suchten. Trotzdem, man geriet ins Gespräch. Ilona TakLts, stets tanzlustig, wenn eine Fiedel spielte, ward bald eine ge suchte und begehrte Tänzerin. Sie flog von einem Arm in den anderen. Ihr Beispiel steckte an. Man sagte später, daß nie eine ausgelassenere Fröhlichkeit geherrscht hatte als in dieser Nacht. Die Atmosphäre wurde trotz der guten Ventilation drückend; von außen drang ab und zu das Heulen des Sturms, der eine Gewitternacht ankündigte. Drinnen im Tanzsaal achtete man nicht auf das, was da draußen vor sich ging; man überließ es denen, die das Schiff zu betreuen und in sicheren Hafen zu führen hatten. Das Stampfen der Maschinen vernahmen sie wohl alle gewohnheitsmäßig, gleich dem Schlag ekles Herzens. Man weiß, daß es da ist, und wird es erst gewahr, wenn es plötzlich stillzustehen droht. Die Stunden verrannen, die Uhr zeigte auf Mitternacht. „Tanzen wir noch einmal, meine schöne Gnädigste", bat jetzt Meierhofer, und nahm den Arm Ilona Takats' Diese folgte ihm etwas ermüdet. Die Musik spielte gerade einen flotten Black Bottom. Da, mitten im Tanz, zerriß ein schriller Mißton der Geige die Harmonie des Tanzes! Irgend etwas war geschehen! Bleich sah man sich an und wußte, daß die Ursache des Ganzen ein donnerähnliches Getöse, ein harter Schlag ge wesen war, der den Schiffsrumpf wie von einem Erdbeben erzittern ließ. Ihm folgte ein häßliches, quitschendes Kreischen, dann ein lautes Summen und Heulen. „O Gott, was ist das!" stieß Ilona Takäts hervor, krampfhaft den Arm ihres Tänzers umklammernd. Dieser stand mit bleichem, verzerrtem Gesicht und stierte nach der Tür des Saales, an der jetzt eilige Gestalten selt sam wirr durcheinander hasteten. „Ein Unwetter?" fragte Ilona Takats ängstlich. „Nein", stammelte Meierhofer. Sein näselnder Ton war mit einem Schlage verschwunden, und das Monokel zerschellte im nächsten Moment am Boden. Da, ein Mann eilte durch den Saal, rief dem ersten Geiger etwas zu, der seltsam blaß gegen den Flügel lehnte. Man sah, daß der sich daraufhin plötzlich zu- sammenriß. Im nächsten Augenblick erklang, als sei alles nur ein toller Spuk gewesen, der unterbrochene Black Bottom wieder durch den Raum. Die Musik beruhigte die ängst lichen Frager, ja, einige begannen von neuem zu 2s »Ist es diese Meldung, die Sie so bedrückt?" fragte sie hastig. »Ja", entgegnete der Matrose schlicht. „Christa Wald war meine Jugendgespielin, und wenn sie gewollt hätte, dann wäre alles anders gekommen. Mich hätte es dann nicht ins ferne Land getrieben, und auch sie säße jetzt ge mütlich und warm als mein junges Weibchen daheim in Berlin." »Dann — dann sind Sie am Ende gar Fritz Kraft, von dem mir Christa Wald auf der Fahrt von Prag nach Triest so viel Gutes und Rührendes erzählte!" ries Frau Ilona aus. „Fritz Kraft ist mein Name", entgegnete der Mann er staunt. Ilona TakLts berichtete ihm nun alles, was sie von Christa Wald wußte. Schwer hatte sich der junge Manu auf die Brüstung an der Reling gelehnt und hörte ihr mit finsterem Gesicht zu. »Hätte mich damals der Hinrich Steffenson nicht mit- geschleppt, als ich Christa in den Triester Straßen im Auto an mir vorüberfahren sah, so wäre ich ihr vielleicht in einem zweiten Auto gefolgt. Wer konnte aber wissen, daß sie gerade da in ihr Verderben fuhr", stieß Fritz Kraft jetzt erregt hervor. „Sie haben Christa Wald gesehen; mein Gott, wann und wo?!" rief Frau Ilona hastig aus. „Es war am Übend zuvor, ehe die.Margarete' in See stach, gnädige Frau. Am nächsten Tage berichteten bereits die Zeitungen von ihrem Verschwinden. Ich habe mir das Blatt aufgehoben." »Aber, mein Gott, weshalb machten Sie nicht sofort über Ihre Beobachtungen Angaben bei der Polizei?" »Weil ich die Zeitung erst abends an Bord zu lesen be kam, just nachdem die .Margarete' von Anker gegangen war." Ilona AakLIs schwieg, und Fritz Kraft rückte verlegen an seiner Mütze. „Mein Dienst beginnt, gnädige Frau", sagte er, „aber, wenn die gnädige Frau morgen um dieselbe Zeit an Deck kommen wollte, dann wäre ich sehr dankbar. Ich muß mich aussprechen, ich verwinde es, glaube ich, nie, wenn der Christa wirklich Schlimmes widerfahren wäre." »Ich werde kommen, Fritz Kraft", sagte Ilona TakLts gerührt, und reichte ihm fest die Hand. Ilona TakLts hatte die Begegnung mit dem schlichten, einfachen Menschen, der sich im stummen Leid um das ge liebte Mädchen verzehrte, obwohl es einem anderen ge- hörte, so sehr bewegt, daß sie es als unmöglich empfand, so früh schon ihre Kabine aufzusuchen. Zum ersten Male verlangte es sie heute nach Unter haltung, Zerstreuung, nach Menschen. Daher ging sie langsam dem großen Gesellschaftssaal zu, aus dem ihr gedämpfte Jazzmusik entgegenklang. Man tanzte dort unten. Frau Ilona schritt die Stufen zu den Salons hinab. Ueberall saßen und standen die Passagiere plaudernd und lachend in Gruppen beisammen. Man sah auf, als die schöne Frau erschien; man hatte vielleicht im stillen bereits ihre Zurückgezogenheit bedauert. Ilona TakLts sah nicht rechts, nicht links, und nahm an einem kleinen, unbesetzten Tischchen in nächster Nähe des etwas erhöhten kleinen Orchesters Platz. Hier ließ sie sich in den weichen, tiefen Sessel gleiten, und bestellte beim herbeieilenden Steward ein Glas Sekt. Sie brauchte etwas, das ihre in den letzten Tagen arg angespannten Nerven aufpeitschte und zugleich auch wieder beruhigte; und jetzt dachte sie auch plötzlich an ihren Mann, zu dem sie ja nun nach langer Zeit der Trennung reiste. Cr, der dreißig Jahre älter war als sie, der sie auf Händen trug und ihr dennoch nicht die junge berauschende Liebe ersetzen konnte, von der sie so oft träumte. Da setzte die Musik zu einem langsamen Boston ein, und por Uona TakLts verneigte sich ein Herr, lang auf