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und küßte ihr zum Abschied schnell noch einmal den roten, jugendfrischen Mund. Dann sprang das Auto wieder an, während Christa hastig im Portal des Postamts ver- , schwand. * « * Es mochte gegen vier Uhr sein, als Christa Wald, tod müde von der Anstrengung des Nachtdienstes, daheim an langte. Vorsichtig schloß sie die Wohnungstür aus, um nie manden im Schlafe zu stören, doch im gleichen Moment Wurde die Zimmertür aufgerissen, und Emil Wald stand mit erhobener Lampe vor ihr und leuchtete ihr in das jäh > . erschreckte Gesicht. „Ah, mich hast du Wohl jetzt nicht gerade erwartet!" rief er aus. „So sieht das schlechte Gewissen aus. Woher kommst du so spät in der Nacht?" „Vom Amt, Vater, woher sonst?" kam es halb ängstlich, halb erstaunt von Christas Lippen. „Ich hatte doch Hanna Weiß gebeten, dir mitzuteilen, daß ich eine kranke Kollegin vertreten müßte. Hat sie es dir nicht ausgerichtet, war sie gestern abend nicht hier?" „Infame Lügnerin!" schrie da der alte Mann, indem er seine Tochter wütend zurückstietz. „Sieh einer an, wie fein das Mädel zu lügen versteht, wenn es ein allzu lange aus gedehntes Stelldichein zu vertuschen gibt. Aber warte, mein Sind, du kennst meine Androhung, mein Wort ist un widerruflich. Mein Haus bleibt dir von nun an für immer »erschlossen. Geh' nur ruhig wieder dahin, von wo du gerade erst gekommen bist. Du bist meine Tochter nicht mehr. Daß du mir einmal so danken würdest, hätte ich nie geglaubt. Ich habe dich geliebt wie mein eigenes Kind. Aber das Blut deiner Mutter regt sich in dir, sie konnte die Tingeltangelprinzeß auch nicht abstreisen." „Allmächtiger Gott, Vater!" ries Christa in tödlicher Angst aus. „Weshalb glaubst du mir nicht mehr? Ich kann es mir nicht denken, daß die Hanna Weitz nicht bei dir ge wesen sein sollte!" In diesem Moment tat sich die Schlafzimmertür aus und Olga Wald, nur notdürftig bekleidet, trat zu den Streitenden. Der Blick, mit dem sie Christa streifte, bedeutete nichts Gutes, und ließ die Aermste an allen Gliedern erschauern. „Ich kann nicht dulden, daß du den Vater so schändlich anlügst, es litt mich nicht mehr in meinem Bett", sagte sie mit messerscharser Stimme. „Olga, was ist mit dir vorgegangen? Warum hassest du mich auf einmal so sehr?!" rief Christa traurig aus. „Ich habe nicht gelogen." Ein spöttisches Auflachen der anderen war die Antwort. „Vater", sagte dann Olga höhnisch, „srage doch einmal unsere Prinzessin, was sie mit ihrem feinen Verehrer schon gestern abend gegen sechs Uhr am Kurfürstendamm zu suchen hatte, und wohin die beiden dann im Auto gefahren sind." Christa machte eine hilflos erschreckte Bewegung. So hatte sie sich also nicht getäuscht, als sie die Stief schwester im Straßengewühl zu bemerken glaubte. Großer Gott, nun würde ihr der Vater allerdings schwerlich noch Glauben schenken. „Ha!, steh selbst, Vater!" rief Olga frohlockend aus, da der fein vorbereitete Schlag so gut getroffen hatte, „siehst du es, Vater, wie sie erschrocken ist? Freilich, mich hat sie nicht im Straßengewühl beachtet, sie war ja auch viel zu sehr damit beschästigt, dem Herrn Doktor recht tief in die schönen Verführeraugen zu blicken. Glaubst du es, Vater, daß die Post mitten in der Dienstzeit Freistunden für Liebespaare gibt?" Der alte Wald hatte sich die Worte seiner Tochter stumm augehört. Sein Gesicht verzerrte sich dabei zu immer größerer Wut, und die breite Brust arbeitete wild vor ver haltenem Primm schweren Atemzügen. „Hinaus für immer!" keuchte er mit fast erstickter .Stimme. .Linaus mit dir. oder es sei denn, du könntest mir aus der Stelle beweisen, daß deine Schwester nicht die Wahrheit gesagt hat!" Bleich und vor grenzenloser Verzweiflung an allen Gliedern zitternd, stand Christa vor dem Vater. Was sollte sie jetzt tun, was ihm antworten? Nie würde ihr der alte Mann glauben. Es war ja auch alles viel zu verwickelt und zu schwer zu erklären, als daß der aufgeregte Mann daraus gehört hätte. Noch immer starrte Christa mit fest zusammengebissenen Lippen vor sich zu Boden. „Dein Schweigen sagt mir genug; geh' mir aus den Augen!" klang es da an ihr Ohr, während der Vater die Flurtür weit ösfnete. „Geh'", sagte er mit eisiger Be tonung. ' „Vater!" schrie Christa in höchster Verzweiflung. „Schicke Olga ins Zimmer, ich will dir alles erzählen. Habe Erbarmen, ich bin nicht schuldig. Gewiß, ich habe Matthias Brecht zufällig getroffen, da ich die Ruhepause, die ich vor Beginn des Nachtdienstes hatte, zu einem Spaziergang benutzte. Doktor Brecht brachte mich dann im Auto zum Amt, da wir uns etwas verspätet hatten. Ich spreche die volle Wahrheit, und Doktor Brecht, der am Mittag zu dir kommen will, wird sie dir bestätigen. Glaube mir doch, und stoße mich nicht von dir." Ha, ha, also mit dem Doktor kommst du mir aufs neue, er will schon wieder einmal kommen? Das kannst du je mand anderem erzählen, mein Kind, ich habe von diesem Märchen übergenug. Doch höre mich an: ich stelle dich jetzt vor die Wahl. Gestern abend hat Fritz Kraft mit mir ge- sprachen und mir gestanden, daß er dich liebt und zur Frau haben möchte. Nimmst du diesen Antrag an, so soll alles beim alten bleiben. Bestehst du indessen auf diesem würdi- gen, höchst zweifelhaften Ehrenmann, so sind wir aus immer geschiedene Leute. Nun wähle zwischen ihm und deinem Vater." Christas Blondkops war bei des Vaters Worten schwer auf die Brust gesunken. Tränen umflorten ihren Blick, als sie ihn jetzt mit flehen dem Ausdruck noch einmal zu dem alten Manne erhob. „Vater, ist das dein letztes Wort?" fragte sie mit beben der Stimme. „Mein letztes", klang die dumpfe Antwort. Da wandte sich Christa Wald langsam, und ging mit müden Schritten zur Tür. Hinter ihr ertönte das bittere Auflachen des alten Mannes, der ihr in den langen Jahren ein guter Vater ge wesen war. Sie aber konnte nicht anders handeln. Der Vater hatte es nicht anders gewollt. Die Liebe zu Matthias Brecht war stärker; sie mußte das Vaterhaus verlassen, ehe sie den geliebten Mann verlor. Die Tür war ins Schloß gefallen. Christa sah sich noch um, und schritt langsam die Treppe hinab. Unten sank sie, leise aufschluchzend, auf die Treppen stufen nieder. So fand sie der alte Portier des Hauses, der Punkt fünf Uhr die Haustür aufschloß. Der alte, gutmütige Mann fragte nicht lange, und nahm sie mit in seine Wohnung. Christa folgte ihm willenlos, sie kannte den alten Wen delin von Kindesbeinen an, und er war schon oft der Ver traute ihrer Kinderschmerzen gewesen. Also schüttete sie dem alten Manne auch heute ihr über volles Herz aus. Gotthold Wendelin schüttelte wohl ab und zu bedächtig den Kopf, als wenn er nicht so recht an die Ehrlichkeit des Doktors glauben könne; in dieser Hinsicht gingen seine An sichten mit denen des alten Wald überein. Aber freilich, es gab auch Ausnahmen, und Christa Wald war ja ein be sonders hübsches Mädchen. Weshalb also sollte sich nicht auch ein Reicher für sie interessieren? „Bleiben Sie vorläufig ruhig hier bei mir, Fräulein Christa", saate er dann autmütia. .ick werde Ihnen jetzt