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4 brachles Komm, Liebste, schau' mir in die Augen, und sag' mir dann ehrlich, ob du darin Falschheit entdecken kannst. Oh, wie wenig kennst du mich doch! Schon als ich dich zum ersten Male sah, war es um mich geschehen. Tag und Nacht verfolgte mich dein lieb reizendes Bild, und nach und nach wurde es mir nur zu klar, daß ich dir fürs Leben verfallen war, vatz ich nicht mehr von dir lasten kann. Darum, Christa, mein Liebstes, will ich auch morgen schon zu deinem Vater gehen, und ihn bitten, daß er uns seinen Segen gibt. Dann bist du bald meine süße, herzige Frau." Christa hatte in zärtlichster Abbitte, aufs tiefste von den Borten innigster, reiner Mannesliebe erschüttert, den bl-ndeN Lockenkopf an Matthias Brechts Brust geborgen. .Matthias, verzeih', ich wußte nicht, was ich sagte, als sich mir die häßlichen Worte auf die Lippen drängten", flüsterte sie leise. .Es ist fa auch zuviel des Glücks, das mir, dem armen Mädel, widerfährt." »Du bist nicht arm, Christa; deine Schönheit, deine Anmut und deine reine Seel« gelten mir mehr als ein großes Vermögen. Laß also die törichten Gedanken und sei so restlos glücklich, wie ich eL bin." .Das will ich, Liebster, ich hab' dich ja so grenzenlos lieb", hauchte sie glücklich, und drückte sich noch fester an seine Brust. Lange standen fi» so, in höchster Seligkeit versunken. Matthias Brecht küßte seine kleine Braut immer und immer wieder, und bestaunte sie wie ein Gotteswunder. Still wanderten sie dann am User des Sees entlang, der schon ganz im Schatten des einbrechenden Abend dunkels lag, zum Bahnhof. .Liebst du deine Heimat sehr?" fragte Matthias Brecht unterwegs unvermittelt. Christa sah, wie auS einem schönen Traum erwachend, fragend zu ihm auf. .Ja", antwortete sie dann zögernd, noch immer er staunt. .Würdest du aber auch mit mir in die Fremde gehen, wett fort, ins Ausland?" „Mit dir, mein Liebster, wohin du willst, und fei eS bis ans Ende der Welt!" .So schlimm wird es ja gerade nicht, Neiner Liebling. Immerhin könnte es sein, daß wir monatelang in Aegyp ten oder in der Türkei leben müßten. Ich erwarte täglich eine Berufung auf einen Auslandposten. Dies war auch der Grund, weshalb ich meine Werbung um dich hinaus- zögerte. Ich hätte wohl auch heute nicht gesprochen, wenn mir nicht an diesem herrlichen Frühlingsabend die Zunge mit dem Herzen durchgegangen wäre; wollte ich doch die nächste Zukunst erst sicher und geklärt vor mir liegen sehen. Run aber, da ich weiß, daß du mir überallhin folgen wirst, ist alles gut." , Christa nickte nur stumm, und preßte fest seine feine, schlanke Rechte. Wie männlich und schön er doch ausschaut", dachte sie in stolzem Glück, seine schlanke gerade Figur mit scheuen Blicken streifend, um sie dann mit andächtiger Verwunde- rung auf seinen vornehmen, scharfgeschnittenen, durch- geistigten Gefichtszügen ruhen ,u lassen. Ihre Augenpaare tauchten dabei in. uberquellender Liebe tief ineinander. Matthias Brecht riß sie noch einmal mit beinahe wildem Ungestüm in seine Arme; dann aber eilten sie zum Bahnhof. AIS sie den Bahnsteig betraten, brauste der Borortzug gerade in die Nein« Halle. Die überfüllten Abteile verhinderten die Liebenden an jedem weiteren Gespräch. Christa Wald hatte ihren Verlobten gebeten, den Weg vom Bahnhof heute allein zurücklegen zu dürfen. Sie fürchtete, womöglich mit ihrem Vater, der doch auch eine darti« gemacht hatte, zusammenzutreffen. Da sie aber dem mtm, strengen Mann die Bekanntschaft mit dem jungen G««hnen bisher ängstlich verheimlicht hatte, wollte sie ihm erst heute abend allein das Geständnis ihres heißen Herzensgeheimnisses machen. Ein zufälliges Zusammen- treffen hätte nur einen Schatten aus die reine, große Liebe geworfen, und den Vater zu Schmähreden Veranlassung gegeben. Mit einem stillen Händedruck und einem letzten innigen Blick schieden die beiden Liebenden voneinander. Da Christa Wald am zweiten Feiertag bis zum Abend Dienst hatte, vereinbarten sie, daß Matthias Brecht erst zum Abend zu ihrem Vater kommen sollte. „Morgen, meine kleine Braut", flüsterte Doktor Brecht noch einmal zum Abschied. .Morgen", erwiderte Christa, selig lächelnd, und in ihrer Stimme schwang ein kaum verhaltener Glücksjubel. Dann eilte sie schnell und leichtfüßig davon. Sonst hätte Christa Wald wegen ihres späten Nach- Hause-kommens den Zorn des Paters gefürchtet. Heute aber kümmerten sie solche Sorgen nicht. Leichten Fußes, ein kleines Lied aus den Lippen, stieg sie die vielen Stufen zum vierten Stockwerk empor. Zu ihrem Erstaunen erwartete sie der Vater, der be reits zurückgekehrt war, und der ihr Kommen gehört haben mußte, schon an der Flurtür. „Woher kommst du so spät?" fragte er mit grollender Stimme, ihr den Weg vertretend. „Von Wannsee, Vater; ich habe eine Partie gemacht. Es war so schön heute. Verzeih' daher die Verspätung", entgegnete Christa, etwas unsicher, aber ruhig. Sie wußte, daß das Geständnis ihrer Liebe nicht ganz ohne Zornes- ausbrüche seitens des Vaters abgehen würde. „Mit wem warst du dort, wenn ich fragen darf?" klang es rauh zurück. „Mit Doktor Matthias Brecht, einem Herrn, den ich gelegentlich eines Ausflugs kennenlernte", entgegnete Christa ruhig. „Dein Glück, daß du wenigstens bei all deiner Scham losigkeit, dich mit fremden Herren bis in die Nacht draußen herumzutreiben, noch die Wahrheit sprichst!" schrie der alte Mann, mit geballten Fäusten hart vor sie hintretend. Christa zuckte zusammen. Der Vater wußte also bereits alles. Nur Olga konnte es ihm berichtet haben. Das sah ihr ähnlich. „Vater, höre mich an", bat Christa, mit bitte-d erhobe nen Händen aus ihn zutretend. „Ich habe wohl unrecht getan, dir die Bekanntschaft mit Doktor Brecht zu verheim- lichen; aber schmähe mich deshalb nicht. Matthias Brecht ist ein Ehrenmann. Er hat mir heute seine Liebe ge- standen, die ich herzlich erwidere. Wir lieben uns und haben uns verlobt. Schon morgen abend kommt er, dich um deinen Segen zu bitten." Ein dröhnendes höhnisches Auflachen des Alten war vorerst die ganze Antwort, dann schlug er mit geballter Faust in sinnloser Wut auf den Tisch, daß das daraus, stehende Geschirr klirrend durcheinander sprang. „Was, was saselst du da, du — du —!" Seine Stimme überschlug sich, und er packle Christa sest an den Schultern. „Vater, lieber Vater", flehte das Mädchen jetzt, dem Weinen nahe. „Ich habe die Wahrheit gesagt. Er ist kein Betrüger, er liebt mich und begehrt mich zur Frau. Ich habe ja zuerst das große Glück selbst nicht zu fassen ver- macht. Vater, rede dich nicht in so maßlosen, ungerechten Zorn. Beschimpfe mich nicht, die ich nichts Unrechtes tat, als der Stimme meines Herzens zu folgen. Matthias wird morgen kommen, warte also bis dahin ab und schmähe mich nicht länger!" „Ha, ha, ha, ha, ha, daß ich nicht über dieses wahn- witzige dumme Gewäsch lache. Ein vornehmer Herr und du, die Tochter eines Arbeiters. Bist du denn wirklich so naiv, an die Schwüre eines solchen Mannes zu glauben? — Kannst du wirklich annehmen, daß ein Vornehmer es mit unsereinem ehrlich meint? Du und die Frau eines Gelehrten, eines Doktors." (rrorttetmna kvlat.)