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Beilage zur Weitzeriy-Jeitung Nr. 5 Montag, am 7. Januar 1S2S 95. Jahrgang Chronik -es Tages. - Reichspräsident von Hindenburg nahm den Vo« trag des Reichsministers des Auswärtigen, Dr. Gtrefei ^Mitglieder de» SachverständigenauLschusses fü; die Reparationsverhandlungen sollen in den nächsten Tag«, ernannt werden. — Aus Anlaß des 10 jährigen Bestehens der Repw blik der Wolgadeutschen fanden große Feierlichkeiten statt, — Fn Nürnberg wurde der Vorsitzende der Antro, pojophtschen Gesellschaft in Deutschland, Dr. Karl Unger, von einem Geisteskranken niedergeschossen. — Bet der Explosion einer Sauerstoff-Flasche in ein« Wiener Emaillefabrik wurden 1g Personen verletzt. — Das schwere Automobilunglück bei Lüttich hat 1t Todesopfer gefordert. — In der Nähe von Alexandrow auf Kamschatka solle« 42 Fischer erfroren sein. — Die Zahl der bei den schweren Sturm- und Sturz- fluten an der japanischen Westküste ums Leben gekommene« Personen hat sich auf 150 erhöht. Die Schmutzflut steigt. Wird sie Poincarö zum Rücktritt bewegen? — Parts, den 7. Januar. Am Dienstag tritt die französische Kammer zu ihrer ersten Plenarsitzung im neuen Jahre zusammen Als erste Aufgabe liegt ihr die Erneuerung der B u> reaus ob. Der Kammerpräsident Bouisson dürft, wiedergewählt werden; ein ernsthafter Konkurrent if nicht vorhanden. Die Verteilung der übrigen Poster hängt von der Haltung der Radikalsozialisten ab. Wer, den sie ihren Kampf gegen das jetzige Kabinett Poin- carü verschärft fortsetzen? Die Entscheidung über das Schicksal der von Poiw car6 geführten Regierung der Rechtsparteien wiri nicht lange auf sich warten lassen. Das Kabinett Wil! sich in den nächsten Tagen der Kammer stellen! Au! der Tagesordnung steht eine allgemeine Aussprach, über die Politik der Regierung, bet der die Kammer Farbe bekennen muß. Für den Fall, daß die Re gierungspolitik von einer großen Mehrheit gebilligi wird, will Poinoar6 ein umfangreiches Arbeitspro- gramm vorlegen, das sich jedoch in der Hauptfach, auf iUnerfranzösische Angelegenheiten beschränkt. Poincarü hat Eile! In den letzten Tagen er suchte er die Minister, ihm binnen drei Tagen die Ein- zelheiten der Reformen mitzuteilen, die von den ein zelnen Ministerien in Aussicht genommen sind uni Rückwirkungen auf den Haushalt ausüben könnten Heute, am Montag, gelangte Poinoars in den Besitz der Antworten. Wie sie ausgefallen sind, ist zur Stunde noch nicht bekannt; wohl aber weiß man, daß Poincare auch die Radikalsozialisten für diese Reformen verpflichten will und, wenn ihm das nicht gelingt, abermals die Rücktrittspistole hervorzuholen ge denkt. Die Gründe für die in den letzten Wochen dauern! zu beobachtende Rücktrittsneigung des französischen Ministerpräsidenten sind nicht schwer zu erraten. Poin- carö hat am 11. November, als er sein neues Kabi nett bilpete, auf das falsche Pferd gesetzt. Schließ lich ist es doch kein alltäglicher Vorgang, wenn ein Ministerpräsident mit der Gesamtheit seiner Minister in die Haare gerät. PoincaM ist aber bei dem Streit um die Erhöhung der Abgeordnetenbezüge in dies, Lage gekommen, und er hat zudem noch nachgebÄ müssen. Durch die Skandalaffären der letzten Wochen wird die Amtsmüdigkeit Poincarös noch verstärkt worden ! sein. Poincars hat zwar durch Heine Außenpolitik >vor und nach dem Kriege schwere Verantwortung aus sich geladen, aber persönlich ist er rechtsafsen. Es wird ihm deshalb nicht gleichgültig sein, wenn di« Schmutzflut im Krach der „Gazette du Franc" immer höher spritzt. Die Milltonenschwindlerin Martha Hanau hat ihre Opfer und die von ihr be stochenen Personen genau verzeichnet. Von Zeit zu Zeit rückt sie mit neuen Angaben heraus. Heute heißt es, daß sich unter den mit Schweigegeldern bedachten Personen auch zwei früher«; Ministerpräsidenten be- srnoen! Der Untersuchungsrichter hat sich bisher der Jagd auf Niederwild gewidmet; er hat die Leute erwischt, die durch Zufall oder in dem Bestreben, ihr« kleinen Kapitalien rasch zu verdoppeln, der Hanau in die Finger geraten sind. Die Hauptheldin des Skan dals, die Hanau, hat diesem Akt eine Weile ruhig zu gesehen, nun aber das Bedürfnis empfunden, durch die Preisgabe der „Großen" neue Sensationen herbei zuführen. Sie will dem Untersuchungsrichter die In haber der 61 von der „Gazette du Franc" geführten anonymen Konten nennen! An Stoff zu neuen Ueberraschungen wird es auch danach noch nicht fehlen. Der Konkursverwalter hat 30 Schränke mit Titeln u"d Dokumenten zu prüfen! Bisher hat er aber erst zwei Schränke kontrolliere« können. Man darf also auf neue Enthüllungen ge- spannt sein. Dafür sprechen auch die Bemühungen veS geschiedenen Gattens der Hanau, Lazare Bloch vernommen zu werden. Lazare Bloch befindet sich schon viele Wochen lang in Untersuchungshaft, ohne daß sich der Untersuchungsrichter bisher seiner emnnert hat. Man wird es also Bloch nicht verargen, wenn er sich nun selbst zu Wort« meldet. _ Im Zusammenhang mit dem Krach der Gazett« »am «s nun auch beim „Quoti dien" zu stürmischen Szenen. Der „Quotidten" wurde vor Jahren als Linksblatt gegründet, geriet dann aber in Schwierig keiten und befreite sich daraus dadurch, daß er den jetzi gen Ackerbauminister Hennessy als Großaktionär her einnahm. Hennessy, dem einige ^mge Franzosen im Dezember die Einrichtung seines Ministeriums zertrüm merten, scheint auch mit der „Gazette du Franc" Be ziehungen unterhalten zu haben. Angesichts dieser Zu sammenhänge laufen jetzt die Kleinaktionäre gegen Hennessy, seinen Direktor Dumay und seinen Chef redakteur Bertrand Sturm. Sie verlangen die Ein leitung einer Untersuchung und rufen ihre Mitaktionär« auf, aus dem „Quotidten" wieder ein unabhängiges, ehrliches Blatt zu machen. * Diebe plündern die Wohnung des Gefängnisaufsehers- — Paris, 7. Januar. . Die Wohnung des Ober aufsehers des Gefängnisses,Hon Fresnes, in dem der frühere Finanzminister Klotz und der Chefredakteur der „Gazette du Franc", Audibert, in Haft sitzen, ist von Dieben ausgeplündert worden. Als der Oberaufseher vom Nachtdienst in seine innerhalb des Gefängnisses gelegene Wohnung zurückkehrte, mußte er zu seiner Ueberraschung feststellen, daß seine ganzen Ersparnisse sowie einige Schmucksachen, die seiner verstorbenen Frau gehörten, verschwunden waren. Der Wert der gestohlenen Sachen wird auf etwa 12 000 Franken geschätzt! Die Diebe sind durch das Küchenfenster in die Wohnung eingedrungen. Es sind wahrscheinlich Ge fangene gewesen, die für Bureauarbeiten im Gefängnis verwendet wurden. Hamstert Deutschland Gold? Törichte Behauptungen über Deutschlands Gold reserven! — Eine deutsche Erwiderung. — Wo werd«» Noten in Gold eingelöst? Die englische Zeitung „Daily Telegraph" hat sich die „Feststellung" Parker Gilberts, Deutschland könne zur reinen Goldwährung übergehen und die Reichs banknoten wieder in Gold einlösen, zu Herzen ge nommen. Das Blatt studierte die Ziffern über die Goldbestände der Neichsbank >und verkündet nun unter der großen Ueberschrift: „Deutschland hamstert Gold," die in den Gewölben der Retchsbank vorhandenen Vor räte in barem Golde seien heute doppelt so hoch als vor dem Kriege. Der Berliner Korrespondent der englischen Zei tung, der das „Geheimnis" der deutschen Goldreser ven gelüftet haben will, zeigt durch seine „Sensa tion", daß er finanzpolitische Fragen ohne Erfolg stu diert hat. Er hätte wissen müssen, vatz Deutschland ebenso wie jedes andere Land starke Goldreserven zum Schutze seiner Währung benötigt, nnd er hätte ferner wissen können, »atz die heutigen Ziffern nicht ohne weiteres mit denen der Borkricgsjahre vergleichbar sind. Bor ISIS waren in Deutschland allein Gold, stücke im Betrage von einer Milliarde Mark im Um lauf, heute aber lagert das gesamte gemünzte Gold in den Tresors der Reichsbank. Der „Daily Telegraph" hätte außerdem gut daran getan, vor der Verkündung des Märchens von dem deutschen Goldreichtum zunächst einmal in anderen Ländern Umschau zu halten. Dann würde er gefunden haben, daß die Bank von Frankreich z. B. über einen doppelt so hohen Gowbestand wie die Reichsbank verfügt. Die Sensation des „Daily Telegraph" beweist also wieder einmal, wie irrige Vorstellungen im Auslande teilweise über die deutschen Verhältnisse bestehen. Man unterstreicht jeden deutschen Erfolg kräftig, übersieht aber die Zeichen» die von deutscher Not und deutschem Kampf sprechen. Befremdlich mutet im übrige« auch die Anregung Parker Gilberts selbst an. Denn bisher hat keine der am Kriege beteiligten Mächte di« ge- setzliche Verpflichtung zur Einlösung der Noten in Gow wieder eingesührt. Selbst daS reiche England be schränkt sich darauf, Gowbarren abzugeben, lehnt aber die Einlösung jeder präsentierten Banknote in Gow nach wie vor ab. Wie verlautet, will auch die Reichsregierung noch zu der Frage der Einlösung der Banknoten in Gold Stellung nehmen. Der Sachverständigen-Auss chutz, Paris veröffentlicht die Delegiertenliste. — Die Ein schaltung der ReparationSkommission. Die Londoner Zeitungen veröffentlichen eine halb amtliche Erklärung, in der mitgeteilt wird, England, Frankreich, Italien und Belgien hätten nunmehr endgültig beschlossen, aus formalen Gründen ihr« Sachverständigen für den neuen Reparationsausschuß durch die Reparationskommission ernennen zu lassen. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird hinzugefügt, di« Reparationskommission werde nicht aufgefordert werden, bindende Entscheidungen zu treffen, welch« di« Arbeit der Sachverständigen beeinfluss«» könnten. Die Methode zur Ernennung der amerikanischen Sach verständigen werde in einigen Tagen sestaelegt werden, wenn der volle Bericht des britischen Botschafters in Washington vorliegen werde. In Paris will die Presse bereits sämtliche Mit- glieder des Sachverständigenausschusses für die Lösung der^Reparationsfrage kennen. Sie veröffentlicht sol- Deutschland: Hauptdolegierte: Reichsbankpräsident Schacht und Bankier Melchior; Stellvertreter: Staatssekretär a. T. Bergmann und Generaldirektor Bögler. Frank- retch: Hauptdelegterte: Moreau, Gouverneur der Ban! von Frankreich, und Parmentier: Stellvertreter: Bank- gouvcrneur Rist und Professor Alix. England: Haupt- dclcgicrte: .Sir Stamp, Direktor der Bank von Enaland. unv uorv Revelstore. Jtal > und Alberti oder Benusst. j a. D. Francqut. Japan! und Bankdirektor Aoki. A Jeremias Smith, Mitglied j sion für Ungarn. Die Ernennung der Sachverständigen soll inl Lause der nächsten Tage erfolgen. Ersatzwahlen im Elsaß. Die Kandidaten der «utonomisten Hautz »Md Stürmer« BertrauenSkundgebung für Haegy. Am 13. Januar finden in den elsässischen Städten - Kolmar und Altkirch Ersatzwahlen zur französischen Kammer statt. Die Ersatzwahl wurde notwendig, weil die Kammermandate der Autonomistenführer Dr. / Rickltn und Rosst im Zusammenhang mit dem Kol- marer Prozeß für ungültig erklärt wurden. Die Autonomisten wollen dem Wahltag die Bedeutung eines neuen Protestes gegen die Paristr Gewaltpolitik geben und haben veShalb zwei anbere Opfer »eS Kolmarer Prozesses als Kandidaten aufgestellt. Für Altkirch kandidiert der Redakteur Stürme! und für Kolmar der Buchdruckereihesitzer Hauß, der Sohn des frü heren deutschen Staatssekretärs für Elsaß-Lothringen! - Hautz ist von der mit unserem Zentrum zu verglei- i chenden Elsässischen Volkspartei ausgestellt worden. Da- ! durch wird die Einheitsfront des Heimattreuen Elsaß ; deutlich unterstrichen. Eine Versammlung der Elsässischen Volkspartei ! in Kolmar beschäftigte sich mit den Pariser Angriffen auf den Abbe Haegy, in dem man den Hauptgegner des französischen Kurses erblickt, und nahm folgende Vertrauenskundgebung für Haegy an: ! „Die Vertreter der Elsässischen Volkspartei wenden - ! sich aufs schärfste gegen den lügenhaften und schändlichen Ausreizungsfeldzug, den die Gegner unserer Reli gion und unserer Heimat besonders seit dem verdammungs werten Attentat aus Fachot verfolgen, der sich besonders gegen den Abbe Haegy richtet, der selbst seit langen Jahren unsere Interessen mit Selbstverleugnung und großen An- - strengungen und Opfern verteidigt hat. Die Elsässische ! Volkspartei wünscht und hofft, daß die unersetzliche Kraft i und die außerordentlichen Eigenschaften des Mos noch : lange im christlichen Elsaß erhalten bleiben." , j Der autonomistische Straßburger „Volkswitle" ver- f wahrt sich dagegen, dem Attentäter Benoit die Adresse ! Fachots mitgeteilt zu haben und schreibt: „Schuld an > dem Attentat sind nicht die Autonomisten, denn diese s sind die Verfolgten und Unterdrückten; schuld sind j diejenigen, die zum Komplottprozeß getrieben ; und gehetzt haben. Die Klagen gegen das Reich» Bayern fordert Wiederaufnahme der Zinszahlungen für »st Post- und Bahnentschädigung. In einer Pressebesprechung bestätigte der baye rische Finanzminister Dr. Schmelzle, daß gleich wie Sachsen, Baden und Württemberg auch Bayern Klage beim Staatsgerichtshof wegen der Post- und Bahnent schädigung eingereicht hat, und zwar am 28. Dezember. Die Klage bezwecke die Wiederaufnahme des Zinsen dienstes ab 1. Oktober 1923, dem Zeitpunkt der Ein stellung der Jnflationszinszahlung. Sie gehe von einem Kapitalwert von 152 Millionen bei der Post und von 128 Millionen bei der Bahn aus zu einem Zinsfuß von 4,5 bezw. 4 Proz. ien: Hauptdelegstrst: LMM B«lgi«nt Finanzmtnisteo : Wirtschaftsrat Kango Morl merikar Owen Aoung und der VölkerbundSsinänzkommist Vortrag Löbes in Niga^ Der ReichStagSprästdent fordert Räumung. — Wieviel Reparation«« kann Deutschland zähle«? Der Präsident des Deutschen Reichstags Löbe, der gegenwärtig ein« Rundreise durch die Randstaaten un ternimmt, wurde in Riga von dem lettländischen Staatspräsidenten empfangen. Im weiteren Verlauf« seines Aufenthaltes in Riga sprach "Präsident Löbe in Anwesenheit zahlreicher Mitglieder des lettländischen Ministerkabinetts, sowie des Parlamentspräsidenten über das Thema „Zehn Jahre deutsche Republik". In seinem Vortrag protestierte Löbe gegen di« Verzöge rung der Räumung der Rheinlande, aus die Deutsch land nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich An spruch habe, und forderte weiter eine gerechte Lösung der Reparationsfrage. Er betonte in diesem Zusam menhang, daß der Reparationsagent die Leistungs fähigkeit überschätzt habe. Deutschland könne nur soviel zahlen, als «S au«, führe. Damit Deutschland konkurrenzfähig bleib«, müßten »st Leistungen herabgesetzt werde«. Auf die Anschlutzsrage Deutsch-Oesterreichs ein gehend, forderte Löbe, daß Oesterreich das Recht ge währt werde, sich Deutschland anzuschließen. 32 Millionen für Kleinrentner. Eine neu« «inmalige Beihilst geplant. — Schlecht« Aussichten für das Rentnerversorgungsgesetz. Wie verlautet, soll in den neuen Reichshaus haltsplan als einmalige Beihilfe für Kleinrentner «tu Betrag von 35 Millionen Mark eingesetzt werden. Im vorigen Haushaltsplan waren für diese Zwecke zunächst 25 Millionen, im Notetat aber dann weitere 25 Millionen bewilligt worden. Bei der angespannten Finanzlage des Reiches will man diesmal sofort einen etwas größeren Betrag einsetzen, aber keinerlei Nach forderungen mehr genehmigen. Die Aussichten des von mehreren Parteien bean tragter» R«ntn erversorgungSges«tz«S werden allgemein als ungünstig beurteilt. Man bat im Reicks,