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L)a wurde Wir. Eduard Blank ernst, erhob sich und redete in väterlicher Weise, entschieden, eindringlich und überzeugend der Tochter die Idee aus, den Schwimmer nach Amerika in verärgerte Verhältnisse zu bringen und ihn hier zu „machen". Er brachte so viel Gründe, die sich dagegen aussprachen, daß Miß Maud Blank das Köpfchen hängen ließ und ver sprach, über die Sache nicht mehr zu sprechen und nicht mehr nachzudenken. „Uebrigens wirst du dich mit Mr. William Miller in diesen Tagen verloben " So kam es, daß man nichts mehr von Miß Blank hörte und Fred Bronnen von ihrer sportbegeisterten Unter stützung nichts mehr sah. — Daß Miß Blank ein Detektivbureau beauftragt hatte, den Fall Hoofft ganz geheim zu erforschen, und daß bald darauf täglich an ihre Adresse lange Kabeltelegramme aus Holland gingen, das wußte niemand außer Miß Bagen- stecher und dem Absender der Telegramme, Mac Allan, einem der tüchtigsten Detektive von Boston. Der amerikanische Detektiv pirschte sich über Knocke- sur-mer nach Holland hinüber, graste die Zeeland-Jnseln und -Halbinseln ab, fand in dem farbenfrohen Städtchen Middelburg eine Spur und verfolgte sie über das lär mende Rotterdam nach dem exklusiven Haag, bis hinaus nach dem feudalen Seebad Scheveningen. Im Kurhaus zu Scheveningen stieg er ab. Seit dieser Stunde gingen die langen Kabeltelegramme von der Küste Hollands nach Boston über den großen Teich. Der Amerikaner war groß, breit, mit gefurchtem, häß lichem Gesicht. Den Amerikaner verleugnete er weder in Bewegungen, noch in Sprache und Auftreten. Er faß bei den Mahlzeiten allein an einem Tisch im Speisesaal. Er hatte daraus bestanden, einen Fensterplatz zu bekommen, den man sonst nicht gern einzelnen Gästen überließ. Am Nebentisch saß einander, stets im gedämpften, leb- haften Gespräch, das Ehepaar aus Basel gegenüber. Ihm am nächsten der Amerikaner. Die Augen Mac Allans gingen über den Tisch kühl hinweg. Dagegen bezeigten die Ohren die Neigung, nach dem Nebentische sich zu entwickeln, und recht viel verwend bare Brocken des Gesprächs aufzufangen. Wie das Paar am Nebentisch, so war auch Mac Allan überaus bettscheu. Er pflegte selten vor ein Uhr nachts die Hotelhalle zu durchschreiten und kam merkwürdiger weise immer kurz vor oder nach den Baslern. Den Mund tat er im Kurhaus und auch anderwärts selten auf. Er fragte nichts. Er beobachtete nur. Was er beobachtete, das ging unverzüglich per Kabel an die ungeduldig harrende Auftraggeberin über das große Wasser nach Boston. „Das Verhältnis zwischen dem angeblichen Paar ist nur äußerlich innig, was nicht nur die getrennten Zim mer beweisen", berichtete er kurzangebunden und diplomatisch. Ein andermal: „Die Vorsichtsmaßnavme, pch als Ehepaar aus zugeben, erweist sich unzweifelhaft als gut. Das Paar fühlt sich vollkommen sicher. Die harte Nachtarbeit am Meer zeigt, daß es nichts als ein Zweckbund ist." Mac Allan wußte es seiner Auftraggeberin anscheinend recht zu machen, denn sie rief ihn nicht zurück, als sie erfuhr, daß Fred Bronnen gerettet war aber daß an der Rettung eine Frau Anteil hatte, mit der er sich in Scheveningen verbarg. W i e Mac Allan das Verhältnis seiner Auftraggeberin darstellte, das hatte Beruhigendes, Interessantes und Ge heimnisvolles zugleich. „Die Entfremdung zwischen dem Paar macht ent scheidende Fortschritte. Die Gespräche bei den Mahl zeiten, bei denen stets die Pläne vorherrschen, sind verstummt. Gestern nacht ist der Schwimmer das erste Mal allein zu seinem nächtlichen Training ausgegangen und blieb die ganze Nacht fern. Er scheint die Frau unzweifelhaft satt zu haben und sehnt sich danach, von ihr freizukommen." Dieses Kabeltelegramm stimmte Mac Allan besonders freudig. Wenn sich äußerlich bei ihm auch nicht viel von dieser Freude zeigte. Am nächsten Tage wußte er zu berichten: „Das Verhältnis zwischen dem Paar hat sich zwar gegen gestern gebessert. Aber die Spannung besteht weiter und scheint Fortschritte zu machen, die zum Bruch führt. Man braucht nur an die Feststellung der Unschuld Fred Bronnens zu denken, die in die Nähe gerückt scheint. Heute ist hier ein Hoteldieb festgenommen, der mir einen Besuch abzustatten gedachte. Er kam an den Falschen. Ich habe ihm heimgeleuchtet. Er sitzt fest und ist stark verdächtigt, in Dünkirchen die Hand im Spiele gehabt zu haben. Die phlegmatischen Holländer sind nicht darauf gekommen. Aber ich habe ihnen uneigen nützig den Tip gegeben. Es war ganz leicht. Die Zeitungen werden darüber schreiben!" Dies war das längste Kabeltelegramm Mac Allans und kostete ein hübsches Stück Geld, das Mr. Eduard Blank in Boston schmerzen würde, wüßte er davon. — Doch warum sollte er von allem erfahren, was die selbständig erzogene Tochter trieb? 15. Kapitel. Kommissar Briand war in Scheveningen eingetroffen. Er entschloß sich, im Kurhaus Wohnung zu nehmen, und zog in das luxuriöse Haus ein. Er besaß eines der billigeren Zimmer, die auf den großen kreisrunden Platz vorm Kurhaus hinausgingen und für solche Gäste bestimmt waren, die das Rauschen des Meeres nicht vertrugen. Bei Kommissar Briand hatte cs andere Gründe. Die billigen Gäste beachtete das Per sonal und die übrigen Gäste nicht! Das wollte Kommissar Briand. Eigentlich hätte er ja gleich nach der — noch bevor stehenden — Vernehmung des verhafteten Hoteldiebes, der im Haag in Gewahrsam war, Holland wieder ver lassen können und das Kurhaus Scheveningen überhaupt nicht mit seinem Besuch zu beehren brauchen. Allein den Kommissar interessierte das Scheveninger Kurhaus. Er richtete sich in ihm ein, als wollte er für mehr als flüchtige Nachtstunden in dem behaglichen, eleganten Hause ver weilen. Die Kurliste des Weltbades hatte ihn an das Kurhaus gewiesen. Ein Paar interessierte ihn hier. Er kannte es noch nicht. Er wußte nur die Namen. Er hatte von dem Paar in den Zeitungen gelesen. Von waghalsigen Schwimmunterneymungen in der See- badcanstalt des vorsichtig geleiteten Wcltbadcs. Die wag halsigen Schwimmkünste hatten zur Folge, daß der toll kühne Schwimmer (über den zahlreiche Zeitungen des In- und Auslandes interessiert berichteten) des Bades verwiesen worden war. Dieser Schwimmer schien nach Ansicht Kommissar Briands immerhin bemerkenswert, und cs konnte nicht schaden, wenn er ihn gelegentlich seines Besuches Hollands genauer betrachtete. Lange vor Beginn des Diners begab sich Kommissar Briand in den Speiscsaal nnd wußte cs trotz des Sträu bens des steifen zugeknöpften obersten Obers dnrch- zusetzen, daß ihm im eleganten, Hellen Restaurationssaal, dessen Riescnfcnster auf das Meer hinausgingcn, ein Platz dicht neben dem Basler Ehepaar reserviert wurde. Als sich der weite, festliche Saal und der anstoßende zwangvollcrc Speiscsaal zu füllen begann, saß Kommissar Briand bereits au seinem Platz. Mac Allan schielte grün äugig, mit verkniffenem Gesicht, zu dem Konkurrenten hin, den er mit weit vorspringender Berufsnase sogleich zu wittern schien.