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Der ^>2^ Koman von Karl ftatae Lop>i>8kt d/ VIsrIIn keucktvanxer, Nellie s. 6. S. 1. Kapitel. Der Zug, der Fred Bronnen zu einem ungeheuren Kamps hinaustragen sollte zur Küste von Nordfrankreich, suhr 3.14 Uhr. Vereinzelt schlug es jetzt erst die dritte Nachtstunde. Frau von Gagern war vom Mädchen nicht geweckt worden und hätte die Abreise des Schwimmers beinahe verschlafen. — Das Auto stob in höchster Ge schwindigkeit über den schlafenden Asphalt und hielt nach wenigen Minuten vorm Portal des Hauptbahnhofes. Frau von Gagern sprang die wenigen Stufen hinauf, durch die Sperre, auf den Bahnsteig — und sah gerade noch unwirklich lautlos den langen, schwarzen Zug körper aus der Bahnhofshalle gleiten. Aus einem geöff neten Fenster winkte es Grüße zum Abschied. Als Gegen- gruß wehten zahlreiche Tücher in die ungewisse Helle, die sich vor der Halle auszubreiten begann. Der letzte Wagen verschwand um eine jähe Biegung, die die Gleise dicht hinter der Bahnhofshalle machten. Die Tücher der Zurückgebliebenen auf dem Bahnsteig sanken erschlafft. Die dem Zuge Abschiedsgrütze nachgesandt hatten, ge hörten zueinander. Ein Trupp von acht, neun Personen, die trotz der ungewöhnlichen Zeit von 3 Uhr morgens dem Abreisendest das Geleit gegeben hatten — fast alles Herren, Sportleute, meist mittleren Alters. Nur eine junge Dame war unter ihnen. Sie stand am weitesten vorn, am nächsten der beginnenden Helle. Sie hatte leicht gerötete Augen und führte ihr Tuch, das am lebhaftesten dem davonziehenden Zuge Grütze nachgesandt, an dte Augen. Abseits, hinter dem Fahrtrichtungsanzeiger halb ver steckt, stand Frau von Gagern. Sie war womöglich noch erregter als die junge Darye. In ihren Augen glomm Glut, und brennendes Verlangen sehnte sich mit dem Zuge in die Ferne. Sie wurde von den anderen nicht bemerkt,' und um von ihnen nicht bemerkt zu werden, ging sie noch vor dem Trotz rasch vom Bahnsteig in die Leere ihres Heims in der Rhein-Allee zurück Wie unbedeutend schien Hannelore Hinz, die Braut Fred Bronnens, gegen die elegante Frau! Zwar besaß sie ein feines Profil; allein jetzt, wie sie nachdenklich und beklommen neben den Herren stand, wirkte sie, zumal in dem ungewissen Dämmerlicht der starren Bahnhofshalle, bedeutungslos und nüchtern. Sie war die bis noch vor kurzem vielbegehrtc Schönheit des Vereins, die Tochter eines einst bekannten und gefeierten Sportmannes, der für Deutschlands Farben in zahlreichen Ländern gekämpft hatte. So schien es natürlich, daß sich der Tochter Zu neigung nur einem Kämpfer der Größe ihres Vaters zu wenden konnte. Dieser künstige Große war Fred Bron nen, den der Zug jetzt hinaustrug zu einem Kampf von Riesenausmaßen! Man wandte sich den Treppen des Bahnsteiges zu. Euggeschart um Fräulein Hin; stiea man trevvab. Hannelore Hinz schritt zwischen den Herren dahin. Die starre Nachdenklichkeit verlor sich. Mehr vor sich hin, als zu den anderen, sprach sie im hallenden Bahnsteigtunnel: „Ich glaube sest, daß es ihm gelingt!" „Ja, ja, ja", pflichtete man ihr bei. — In dieser Stunde des Abschiedes, wo das schwere Wagnis den ersten An fang nahm, hatte man keine Bedenken und Zweifel! Zu fest hafteten in aller Erinnerung die Schwierigkeiten, die es gekostet hatte, den tollkühn scheinenden Plan Fred Bronnens so weit zur Durchführung zu bringen, daß der künftige deutsche Meister die Reise antreten konnte. Die Damen des Vereins, an ihrer Spitze Hannelore Hinz, waren in der Stadt von Haus zu Haus gegangen, um sür den tollkühnen Plan in klingender Münze Anteil zu erwecken. Wochenlang hatten sie die Bemühungen fort gesetzt, um schließlich rund 2000 Mark — eine klägliche Summe sür die große Aufgabe — aufzubringen. Nun würde es sich zeigen Vor dem Bahnhof ging man nach wenigen fküMUen Worten auseinander. Der neue Tag rückte auf. Fahles Licht fiel auf die übernächtigen Gesichter. Man sprach ganz hohl und gab einander schwer, wie unter Zwang, die Hand zum Abschied. Die Schritte verklangen. Es hallte weit durch die stillen Straßenschächte, die sonst vom brausenden Großstadtlärm erfüllt waren. Hannelore Hinz stand abwartend, fast unschlüssig, Der Zeiger der noch erleuchteten Bahnhofsuhr war eben auf einhalb vier Uhr gerückt. Sie stand in ihrem stolzen, freien Wuchs und der herrlichen Blondheit ihres offen getragenen Haares auf der einsam aus glitzerndem Asphalt aufragenden kleinen Verkehrsinsel. „Darf ich mit Ihnen den kleinen Umweg durch die Ferdinandstraße machen?" drang da in ihre Unschlüssig- keit die Frage eines jungen Mannes. Er war als einziger von dem Schwarm Herren übriggeblieben. Er gerade von allen. Ewald Henschel, der am hart näckigsten um sie geworben, am ausdauerndsten heute noch in ihrer Nähe blieb „Sie wohnen doch drüben in der Neustadt, soviel ich weiß —" Ewald Henschel machte eine abwehrende Bewegung. „Es lohnt doch nicht mehr, nach Hause zu gehen und zu schlafen. Der Morgen ist göttlich. — Man muß die Feste feiern, wie sie fallen!" Ewald Henschel war kaum vierundzwanzig, sehr hübsch, fast jungenhaft, mit gepflegten Manieren, sicherem Auftreten. Nur wenn er den Mund öffnete und seine Zitate einflocht in eine in ihrem Tonfall ohnehin ge zierte Sprechweise, dann wirkte er nicht mehr als guter, lieber Junge, als der er, zumal in seinen Sportkreisen, geschätzt wurde, sondern bekam etwas Geckenhaftes, Un männliches. Hannelore Hinz wandte sich unschlüssig zum Gehen. Die Begleitung des jungen Mannes war ihr nicht lieb. Allein Henschel blieb an ihrer Seite. Er sah sie prüfend, unter zusammengekniffenen Lippen, leicht besangen und doch voll Trotz an. Nach einigen Schritten seufzte er verhalten und sprach langsam und betont: „Ja, so ist das Leben! Es vertesltchje «Mrd oereckt!"