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Beilage zur Weiheritz-Jeitung Nr. 14 Donnerstag, am 17. Januar 1929 95. Jahrgang Chronik -es Tages. ! — Reichspräsident von Hindenburg nahm den Utrai des Reichskanzlers entgegen und empfing den deutschen Gei sandten in Luxemburg, Mertens. — Das Reichskabinett setzte am Mittwoch die Haus, haltsberatun^en^sort^^^^ Severing gab den Gewerkschaft ten Erläuterungen über die Auslegung seines Schieds spruchs für die Eisenindustrie. — Die englische Zeitschrift „Review of Reviews" ver öffentlichte eine geheime Flottendenkschrift des deutsche» Reichswehrministers. — Schncestütme, die über große Teile Deutschlands gingen, haben stellenweise große Verkehrsstörungen ver ursacht. > — Auf dem Ü. Pommerschen Reitertag in Stetti» wurde der Olympiasieger Freiherr v. Langen zum Ehren mitglied der Pommerschen Reitervereine ernannt. — Die Hamburger Phosgengeschädigten sind mit ihre» Ersatzansprüchen abgewiesen worden. — In München ist der bekannte Turnführer Kom merzienrat Franz Paul Lang im Alter von 70 Jahre» gestorben. — In der Nähe von Hongkong ist das chinesisch« Schiss „Hsin Wah" untergegangen. 380 Passagiere solle» ertrunken sein. Kellogg-Pakt bestätigt. Der im Sommer in Paris unterzeichnete Kriegs- ächtungspakt ist nunmehr von dem Senat der Ver einigten Staaten von Nordamerika bestätigt worden. Damit erlangt der Vertrag für Amerika Rechtskraft. Ein Senator stimmte gegen die Bestätigung — um seinem Mißtrauen gegen die englische FlottenpolitU Ausdruck zu geben —, alle übrigen dafür. Die Widersacher des Kriegsächtungspaktes, die von dem Vertrag die Preisgabe des Rechtes auf Selbst verteidigung befürchten, konnten dadurch gewon nen werden, daß vor der Abstimmung der Bericht erstatter des Auswärtigen Ausschusses ausdrücklich er klärte, nach der Auffassung des Senats seien die Ver einigten Staaten auch nach der Inkraftsetzung des Paktes durchaus berechtigt, einen Verteidigungskries zu führen. Wenn man will, kann man darin also eine Art Vorbehalt sehen. Unter Selbstverteidigung wird ausdrücklich auch jede Handlung erwähnt, die unter Anwendung der Monroe-Doktrin, nach der eine Einmischung fremder Mächte in amerikanische Verhältnisse unzu lässig ist, vorgenommen werden müßte. Während der amerikanische Senat den Kellogg- Pakt bestätigte und damit das Vertragswerk rettete, debattierte der französische Senat über „die wahr« Bedeutung des Kellogg-Paktes".. Der Senator Lemery beklagte sich darüber, daß der amerikanische Senat gleichzeitig mit dem Kriegsächtungspakt auch eine Vor lage auf die Tagesordnung setzte, die den Bau von fünfzehn Schlachtschiffen vorsieht. Nun, wer selbst im Glashause sitzt, hat keinen Anlaß, mit Steinen zu werfen. Schließlich haben es die Franzosen und Eng länder doch fertig gebracht, in der gleichen Stunde, in der sie mit Washington über die Verfemung des Krieges verhandelten, untereinander eine Verständi gung über die Flotten-Aufrüstung anzubahnen! Auf die Angriffe Lemerys warf sich Briand zum Verteidiger des Kriegsächtungspaktes auf. Er meinte, der Herr Senator bringe die Dinge etwas durcheinander. Es treffe nich^zu, daß der Pakt den Völkerbund geschwächt habe ulid drohe, ihn aus dem Sattel zu heben. Die Bedeutung der Kriegsächtung sei moralischer Natur. Die Unterzeichner des Ver trages würden das Urteil der Welt fürchten und deshalb das Schwert in der Scheide lassen. Als Beispiel für die guten Wirkungen der Kriegsächtungs-Aktion glaubte Briand den Konflikt am Paraguay anfllhren zu können. Er führte aus, es sei ein Fortschritt, wenn ein Mann durch ern Telegramm von seinem Hotelzimmer aus einen Konflikt aufhalten könne, der am anderen Ende der Welt ausge-rochen sei. Wenn Lemery befürchte, di« im Zusammenhang mit dem Kellogg-Pakt unternom mene russische Friedensoffensive werde den Ausgangspunkt einer gegen den Völkerbund gerich teten „Abrüstungsdemagogie" bilden, sei er im Irrtum. Wenn der russische Vorschlag nicht eine List sei, dann stelle er eine Huldigung dar —, und damit war Briand der beifälligen Aufnahme seiner Rede gewiß! ytach der Bestätigung des Kriegsächtungspaktes durch den amerikanischen Senat und Briands freund lichen Empfehlungsworten werden nun auch die anderen Mächte nicht mehr lange mit der Inkraftsetzung des Vertragswerkes zögern. Die europäischen Regierungen hüten sich alle vor Unfreundlichkeiten gegen die grüßte Geldmacht der Welt. Praktischen Nutzen haben die Völker von der Welle der Kriegsächtungen aber erst dann, wenn neue Mög hkeiten für friedliche Ausein andersetzungen geschaffen und wenn die Krieasur- sachen beseitigt werden. dieser Hinsicht wird aber »iemand große Erwartungen hegen. Wenn in den letzten Tagen der polnische Außenminister Zaleskr den Satz prägen konnte, Beruhigung werde im Osten erst dann einkehren, wenn Deutschland einsehe, daß eine Revision der Grenze aus friedlichem Wege un möglich ist, dann zeigt das mit aller Deutlicykett, vie sehr heute dem wirklichen Frieden der Weg noch , »erbaut ist. . Wenn man den Krieg ächten will, muß man auch »as preisgeben, was die Gewalt geschaffen hat und vas nur durch brutale Gewalt aufrecht erhalten werden , lann! l Verrat -er Flotten-Denkschrift. kin ungeheuerlicher Skandal! — Das Ge heimdokument des Reichswehrministers in England veröffentlicht! » Die in Loudon erscheinet«: Zeitschrift „Review »f Reviews",, die de» früheren Chefredaktenr der „Ti- neS" Wiikham Steed zum Herausgeber hat, veröffimt- licht de« Wortlaut der Flotten-Deukschrift des deutschen lleichswehrministers Groener. Die Denkschrift ist im Sommer dem Reichskabinett vom Reichswehrminister »orgelest worden, um die Notwendigkeit des Baues »es Panzerkreuzer W darzutun. Sie wurde nur in venigen Exemplaren hergestellt. Die Weiterleitung der Denkschrift an den Reichstag wnrde seinerzeit ausdrück lich abgelehnt mit den» Hinweis, das Material des keichSwehrministers könne im Interesse der Lanves- »erteidigung nicht der Oeffentlichkcit übergebe»» werde«. Wem» jetzt eine englische Zeitschrift die Denkschrift in ihren» Wortlaut veröffentlichen kann, stellt das einen ungeheuren Skandal dar. Das Reichswehrministerium ;at eine strenge Untersuchung angeordnct. Wie wir in Ergänzung dieser Meldung erfahren, »eckt sich die englische Veröffentlichung ziemlich wört lich mit der deutschen Denkschrift. Die Untersuchung, vie ein derartiger Vertrauensbruch möglich war, ist uoch im Gange. Da die einzelnen Exemplare der Denk schrift numeriert waren, wird die Aufklärung darüber, ruf welchem Wege die Denkschrift in englische Hände geraten ist, nicht lange auf sich warten lassen. Außer )en Kabinettsmitgliedern ist das Geheimdokument übri- ;ens einigen Länderregierungen sowie einigen Reichs- agsabgeordneten auf Wunsch zugestellt worden. Fest- zestellt werden mutz jedoch, daß der Inhalt der Denk- lchrift weit weniger Aufsehen erregt, als die Tat- äche, daß die Denkschrift in das Ausland geraten lonnte. Wenn der Reichswehrminister die Notwen- »igkeit deutscher Selbstverteidigung!-- träfte unterstreicht, so liegt darin ganz gewiß nichts Arges, weil tatsächlich der Appetit auf deutsches Land roch nicht erloschen ist und die Fauststreiche aus Fiume, Wilna und Memel gezeigt haben, welche Folgen die Unfähigkeit zur Abwehr haben kann. * Der Inhalt der Denkschrift. Lie Aufgabe» der deutschen Flotte. — Die Notwendig keit deutscher Verteidigungskräfte. Nach den englischen Veröffentlichungen beschäftigt sich das Geheimdokument des Reichswehrministers ein- »ehend mit den Aufgaben der deutschen Flotte. Die Denkschrift geht davon aus, daß das Vorhandensein Üner straff organisierten deutschen Verteidigungsmacht Mein schon eine gewisse Sicherung gegen die An griffe aus deutsches Land bedeutet. Der polnische Hun ger nach deutschem Gebiet in Ostpreußen und Ober- jchlesien sei bekannt. „Würden", so heißt es wörtlich, »die Polen nicht geradezu nach Ostpreußen hinein gelockt werden, falls sie nicht länger befürchten müßten, Ihren Weg durch eine Berteidigungsmacht versperrt »u finde«?" Die deutschen Streitkräfte können nach der Flotten- »enkschrift Verwendung finden gegen Land raub, der oiederum von Polen aus für möglich gehalten wird, md für den Schutz der deutschen Neutralität wäh rend eines Konfliktes zwischen ausländischen Mächten. Da der Versailler Vertrag die Stärke der deutschen Armee begrenzt habe, könnte sie nur durch die Stär- üng der Kampfkraft der Flotte vermehrt werden. Pan- jerschiffe wären den alten Linienschiffen überlegen und geeignet, die baltische Küste vollkommen zu beherrschen, a selbst die Ueberlegenheit der großen russischen Kampf- chiffe zu neutralisieren. Parker Gilberts Zukunft, verlockende Angebote. — Große Bankhäuser stellen »em Neparationsagenten ein Bier-Millionen-Jahres- einkommen in Aussicht! . Ein Journalist, der den Gerüchten über den be- »orstehenden Rücktritt des Generalagenten für die deut- chen Reparationszahlungen auf den Grund gehen oollte, wandte sich zu diesem Zweck direkt an Parker tzilbert. Als der Journalist auf die Rücktrittsgerüchte i» sprechen kam, erklärte Parker Gilbert: „Das ist »as erstemal, daß ich davon höre". Also sind die Rücktrittsgerüchte falsch? Keines- vegs! Wahrscheinlich soll der bevorstehende Rücktritt »ur nicht schon jetzt in aller Form öffentlich bestätigt verden. In New Uork jedenfalls rechnet man nach vie vor mit einem baldigen Ausscheiden Parker Gil- »erts. Angeblich deshalb, weil der Posten des Re- »arationsagcnten nach der Herbeiführung einer End- Äsung an Bedeutung erheblich einbüßen wird. Wir änd der Meinung, daß die Einrichtung eines Repa- rattonsagenten durch die Endlösung überhaupt über- .lüssig wird, glauben aber nicht, daß dieser Fall so x»ld gegeben sein wird. Wenn Parker Gilbert trotzdem amtsmiide ist, liegt »as vielleicht daran, daß seine Tätigkeit als Repa rationsagent die amerikanischen Banken für ihn ein genommen hat. Es verlautet nämlich, daß die amerika- «ischen Banken, in erster Linie Morgan, Parker Gil» »ert verlockende Angebote gemacht haben. Während >r heute für die Kontrolle und Ueberführnng der »eutschen Tribute in das Ausland jährlich die statt lich« Summe von 200 000 Mark — ein Vielfaches wn dem was der Reichspräsident oder was die Reichs- Minister für ihr verantwortungsvolles Amt erhalte« - vereinnahmt, könnte er aber durch de« Eintritts in große amerikanische Banken jährlich vier Millionen Mark verbuchen! Wir verzeichnen also eine Differenz, dis — auch für amerikanische Verhältnisse — sehr verlockend ist. Morgan will Swen Young Vorschläge«. Ms Vorsitzenden der Sachverstäudigen-Kouferenz imi Februar: — Washington, 17. Januar. Man erwartet hie« am Dienstag den Besuch des englischen Botschafters im Staatsdepartement zur offiziellen Unterbreitung der Vorschläge, Morgan und Owen Uoung in den Sach- oerständigenautzschutz zu berufen. Der Botschafter wird vann nach New York fahren, um Morgan und Uoung persönlich einzuladen. Wie verlautet, beabsichtigt Mor gan, Owen Uoung als Konferenzvorsitzenden vorzu- schlagen, um so dem Wunsche der europäischen Mächte ! mtgegenzukommen. Schnee über Deutschland. Die Folge»» des Schneesturms. — Erheblich« Verkehrs» s störuugeu. Ein heftiger Schneesturm hat weite Teile des > Deutschen Reiches heimgesucht. Das Unwetter ist zu- rückzuführcn aus den Vorübergang eines sehr starken Tiefdruckgebiets, das sich an der norwegischen Küste gebildet hatte. An der deutschen und dänischen Küste herrschten Windstärken von sieben bis zehn, desgleichen an der schwedischen Küste. Der Sturm führte un gewöhnlich reiche Schneemengen mit sich. Wie aus Schwerin gemeldet wird, wurden in Meck lenburg zahlreich« Straßen und Eisenbahngleise vom Schnee verweht. Schon am Dienstag trafen viele Züge mit Verspätungen ein. Am Mittwoch früh m«ßte der erste Zug, der zwischen Wismar und Schwerin verkehrt, »usfalsen. Die D-Züge vo« Warnemünde «ach Berlin . aud Hamburg hatte« Verspätungen von einer Stunde, j Die Fähre von Gjedser kam mit 30 Minuten Verspä- j iung in Warnemünde an. IN der Bützower Gegend «ar die Lichtversorgung mehrere Stunden unterbrochen. Nach einer Meldung aus Harmover hat der starke Schneefall besonders zwischen Köln und Hamm nicht unerheblichk Störungen hervorgerusen. Alle Züge j kamen mit etwa einstündiger Verspätung in Hamm an. ! Aehnlich lauten die Meldungen aus Mitteldeutsch- ! land, aus Schlesien, aus dem ganzen Schwarzwald und »er Rheinebene. Rach den Angaben des Berliner Wetterbüros wird letzt eine Beruhigung des Wetters eintreten. Stärkere Schneefälle dürften nnr noch in den Bergen auftreten. Die Temperaturen werden aber unter Null bleiben. Denkschrift über das Schlichtungswesen. Zu dem Problem des Schlichtungswesens, das im Anschluß an den Konflikt in der Eisenindustrie lebhaft rrörtert worden ist, nimmt jetzt Reichsarbeitsminister Vissell in einer Abhandlung Stellung. Der Minister tündigt die Vorlegung einer Denkschrift an den Reichs ag an, erklärt aber schon jetzt im Gegensatz zu vielen Mitten der letzten Zeit eine gesetzliche Neuordnung »es Schlichtungswesens als nicht notwendig. ! Die deutsche Finanzpolitik. ! Hilferding-Red« im Ausschuß. — Die Anforderungen j »er Ressorts und die Abstriche des Reichsfiuauzmi«i- j steriums. Der Haushaltsausschutz des Reichstages setzte am Mittwoch die Beratung des Personaletats für 1929 fort. Reichsfinanzminister Dr. Hilferding ging dabei u. a. auch auf den gegenwärtig dem Reichskabinett vorliegenden Gesamthaushattsplan für 1929 kurz ein. Der Minister führte aus, bei Bewilligung der Aufor- »erungen der einzelnen Ministerien würde sich der Fehlbetrag sogar auf 88« Millionen Mark belaufen haben! Das Reichsfinanzministerium habe jedoch Ab striche vorgenommen und dadurch erreicht, daß heute vurch neue Steuern nur noch ein Fehlbetrag von 350 Millionen Mark gedeckt zu werden brauche. Gegen sie Erörterung der Reparationsfrage im Haushalts- russchuß äußerte der Minister unter dem Hinweis, zunächst müsse der Auswärtige Ausschuß zu Worte kom men, Bedenken. Einberufung des Auswärtigen Ausschusses beantragt. — Berlin, 17. Januar. Namens der deutschnatio- aalen Reichstagsfraktion beantragte Graf Westarp spä testens im Laufe der nächsten Woche zur Besprechung oer Reparationsfragen alsbald eine Sitzung des AuS- värtigen Ausschusses einzuberufen, in der die Vor bereitung der Reparationsverhandlungen und die Stel lungnahme der Regierung zu dem Jahresbericht des Reparationsagenten erörtert »verden soll. Er bean tragte ferner für den finanzpolitischen Teil der Re- parationssrage eine weitere gemeinsame Sitzung des Auswärtigen und des Haushaltsausschusses in Erwä gung zu ziehen. Preis auf Aman Allahs Kopf! Die Kämpfe in Afghanistan gehen weiter. Di« Re bellen wollen de« neue,» König nicht anerkennen.' Die Kämpfe in Afghanistan sind durch die Ab vankuna Aman Ullaks noch nickt »um Stillstand ae-