Volltext Seite (XML)
Beilage zur Meitzeritz-Zeilung Nr. 69 Freitag, am 2g Mürz 1929 95. Jahrgang Chronik des Tages. — Reichspräsident v. Hindenburg hat telegrowhisth seine Glückwünsche zur Vermählung des norwegrschen Kram Prinzen ausgesprochen. — Der Reichstag vertagte sich in seiner gestrige» Sitzung bis nach Ostern. — Die Führer der landwirtschaftlichen Spitzenden bände haben dem Reichspräsidenten und der Reichsregie rung Notforderungen der Landwirtschaft überreicht. — Der französische Marschall Foch, der im Alter von 78 Jahren gestorben ist, soll am Triumphbogen aufge bahrt und dann auf Staatskosten beigesetzt werden. ! — In Berlin wurde die „Danzig-Ausstellung" en öffnet. — In Berlin ist das Fernsehen beweglicher Bilder gelungen. — Auf der Unterelbe behindert immer noch eine dicht« Nebelwand dis Schiffahrt. Der Seeschiffsverkehr ruht voll kommen. — Der Untersuchungsrichter hat gegen den Grafen Christian Friedrich zu Stolberg-Wernigerode die Vorunter suchung wegen vorsätzlicher Tötung, begangen an seinem Vater, eingeleitet. — In London fertigte im Eishockehspiel der Berliner Schlittschuhklub die englische Nationalmannschaft überlegen mit 5:0 ab. Marschall Foch 1'. Marschall Foch war ein großer Soldat und ein unerbittlicher Feind Deutschlands. Rit terlichkeit gegen den unterlegenen Feind kannte Foch in der Stunde des Waffenstillstandes nicht. Harther zig, hochmütig und voller Verblendung diktierte er die Bedingungen. Ob Foch auch der große Feldherr war, als den ihn die Franzosen ausgegeben haben, soll jetzt nicht untersucht werden. Foch wurde am 2. Oktober 1851 in Tarbes an der spanischen Grenze geboren. Seine Vorfahren waren als Wollhändler zu Wohlstand gekommen; sein Vater hatte mit der Familientradition gebrochen, indem er die Beamtenlaufbahn einschlug und Hauptsteuer- cinnehmer wurde; den zweiten Bruch führte Foch herbei. Nach dem Besuch des Jesuitenkollegiums in St. Etienne widmete sich Foch der militärischen Lauf bahn. Der Eintritt in die Armee erfolgte 1870. In dem Zeugnis, das er von der Schule mitgenommen hatte, befand sich der Satz: „Ausgesprochene Bega bung für Geometrie; hat das Zeug für einen Poly- techniker." Foch glaubte, seine Kenntnisse bei de« Artillerie an den Mann bringen zu können; 1870 hatte er dazu jedoch keine Gelegenheit. Ms der Krieg zu Ende war, saß er noch immer im Ausbildungs depot. Sein Aufstieg begann 1894, als er als Haupt mann in den Generalstab berufen wurde. Von 1896 bis 1901 lehrte er Strategie an der Kriegsakademie; >1910-11 entwarf er mit dem englischen General Wil son die militärischen Operationspläne, die ein ^Zusammenwirken der englischen, französischen und bel gischen (!) Armee gegen Deutschland sicherstellen sollten. Bei der militärischen Vorbereitung des Weltkriegs hat Foch eine entscheidende Rolle gespielt. Er stellte Lie engste Verbindung mit dem englischen Generalstab her, nahm durch die Teilnahme an den russischen Ma- növern mit der Zarenarmee Fühlung und traf mit den alliierten Generälen Abmachungen, die den Mini stern in London nicht mehr viel Bewegungsfreiheit ließen. Wilson sah schon 1910 in Foch den kom menden Mann. „Merken Sie sich meine Worte, Sir Latham," äußerte er, als er diesem Foch vorstellte, „dieser famose Kerl wird einmal die Verbündeten Armeen führen, wenn der große Krieg kommt." Als dann der große Krieg da war, komman dierte Foch das 20. Armeekorps in Nancy, die so genannte Elitetruppe des französischen Grenzschutzes. Bei dem Rückzug an die Marne zeichneten sich die Fochschen Divisionen durch hartnäckigsten Widerstand aus. Als Foch darauf die Leitung der neugebildeten 9. Armee übernahm, brachten die deutschen Truppen gerade dieser Armee die schlimmsten Niederlagen bei! 1918 wurde aus dem Armeeführer Foch der Gene ralissimus der Alliierten. Joffre, Nivelle und Pötain waren gescheitert. Die deutsche Infanterie stieß hin ter der Feuerwalze der Artillerie abermals zur Marne vor, bei Amiens drohte die alliierte Front zu zer brechen. In diesem kritischen Augenblick übernahm Foch den Oberbefehl über die Gesamtheit der alliier ten Heere. Er hatte Glück! Materialmangel brachte den deutschen Vormarsch zum Stocken, so daß die Einbruchsstellen eingedämmt werden konnten. Eine der ersten Maßnahmen Fochs war die Bildung einer starken Reservearmee, die er auch in kritischen Stunden nicht in Anspruch nahm, und mit der er dann nach der Julioffensive aus dem Walde von Billers Cotteretes gegen die Flanke der deutschen Armee vor stieß. Die Rammstüße gegen die deutsche Front wurden immer erbitterter. Die Theorie Fochs war, den Sieg dadurch zu erringen, daß die eigenen Truppen in einem bestimmten Moment und an einer bestimmten Stelle das Uebergewicht erhielten. Noch zu Lebzeiten waren Foch große Ehrungen dargebracht worden; England und andere Länder ver- »ehen ihm den Marschalltitel, überschütteten ihn mit Ehrenzeichen. Und doch drängt sich immer wieder die Frage auf, was wäre aus Foch und seiner Strate gie geworden, wenn Deutschland nicht seine Kraft er schöpft hätte, während die Alliierten durch Amerika über unerschöpfliche Reserven an Menschen und Ma terial verfügten? Die Trümpfe, die FoL in den Marschall Foch f. Händen Hatte, hatte» die deutsche» Heerführer 1918 längst nicht mehr! Wohl aber hat Hindenburg im Osten unter weit ungünstigere» Umstände» erheblich größere militärische Erfolge erzielt, nämlich die voll ständige Aufrollung der feindliche» Front und die Vernichtung der feindlichen Armeen! Die Entwaffnung Deutschlands ist noch nicht einmal so sehr das Werk des Marschalls Foch. Fochs Entwurf wollte »ns noch eine» Generalstab belassen, schwere Artillerie, die einjährige Dienstzeit und ein stehendes Heer von 200 000 Man». Gescheitert ist dieser Entwurf an dem Widerstand Englands. Als dann die deutsche Entwaffnung Tatsache geworden war, gab es jedoch niemanden, der kleinlicher und schika nöser die Entwaffnung überwachte, als Foch. Und schließlich wollen wir nicht vergessen, daß die schlimmste Grausamkeit der Nachkriegszeit, der Einbruch in das Ruhrgebiet, gegen den Willen Fochs nicht er folgt wäre. Von dem Politiker Foch wollen wir schweigen, die von ihm progagierte Abtrennung des Rhein land es war ein derart wahnwitziges Ziel, daß selbst der Tiger Clömenceau diese Forderung offiziell nicht Vorbringen wollte. Daß Foch einer der heftigsten Gegner der Rheinlandräumung war, ist bekannt, und ebenso, daß die französischen Militärbündnisse mit Polen, Belgien, Rumänien und der Tschechoslowakei im wesentlichen ein Werk Fochs sind. Einheitsprogramm der Landwirte Forderungen zur Behebung der Notlage. — Der Kanz- , ler sott Berhandlnnge» eröffnen. — Berlin, den 22. März. ! Die Führer der landwirtschaftlichen Spitzenver bände, Brandes, Schiele, Hermes und Fehr, haben der Reichsregierung und dem Reichspräsidenten nunmehr das angekündigte gemeinsame Programm der deutschen Landwirtschaft überreicht. In einem ge meinsamen Schreiben an den Reichskanzler betonen die Führer der Verbände, angesichts der unerträglich gewordenen Not der Landwirtschaft sei die schleunige Durchführung der in dem Programm vargeschlagenen Maßnahmen unerläßlich. Der Reichskanzler wird ge beten, die Führer der landwirtschaftlichen Spitzen verbände noch in dieser Woche zur Besprechung des Programms zu empfangen. Das Hilfsprogramm. In dem Hilfsprogramm der Landwirtschaft wird zunächst auf die Lage der Landwirtschaft hingewiesen und festgestellt, daß die Betriebsverluste trotz aller Einsparungen und aller Selbsthilfeversuche an dauerten. Die Gesamtverschuldung der Landwirtschaft überschreite im einzelnen das Höchstmaß der Trag fähigkeit. Der wirtschaftliche Niedergang habe zu einer schweren Notlage des Bauernstandes geführt, die viel fach schon die Zeichen einer Verelendung in sich trage. Zwar habe die deutsche Landwirtschaft, aller Schwierigkeiten und Rückschläge ungeachtet, bis heutc durch sorgsame Bestellung des deutschen Grund und Bodens, Wiederaufbau des Viehbestandes und andere Maßnahmen eine nicht unerhebliche Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung bewirkt, aber die Aus dehnung der Qualitätserzcugung, die allein die Möglichkeit für eine rentable Wirtschaft wieder Her stellen könne, erfordere sehr erhebliche geldliche Auf wendungen. Dcutschlaub sei heute vor die schicksalsschwere Ent scheidungsfrage gestellt, ob cs sich eine lebensfähig« LandwirtschaU nnd damit die sichere Grundlage fü, einen aufnahmefähigen dcntschen Binnenmarkt er. halten, oder ob es die Ernährung seiner Bevölkerung und den Absatz seiner gewerblichen Erzeugnisse von der Bereitwilligkeit des Auslandes abhängig machen wolle. Mit aller Eindringlichkeit müsse erklärt werden, das; eine nachdrückliche Berstärkung des landwirtschaft liche» Zollschutzes im ganzen die entscheidende Borans, setznng für den Erfolg der Selbsthilfe und damit fü, die Neberwindnua der gegenwärtigen Agrarkrise bilde Verstärkter Zollschutz und stabilere Preise. Zur allgemeinen Wirtschaftspolitik wird in dem Hilfsprogramm ausgeführt, die Einfuhr ausländi scher Agrarprodukte dürfe nur der Ergänzung der deutschen landwirtschaftlichen Produktion dienen Demgemäß sei ein Erlaß reichsgesetzllcher Gundlagen nötig für die Schaffung zentraler Einrichtungen zu« Regelung der Einfuhr der landwirtschaftlichen Haupts Produkte, und zwar mit der Ausgabe, die ruinösen Wirs kungen der Weltmarktpreisschwankungen auf die deuH schen Preise auszuschalten und stabile Preise im In lands zu sichern. Die Handelsverträge seien auf die? ser Grundlage auszugestalten, die bevorzugte BehandS lung ausländischer Agrarerzeugnisse bei der Umsatz» steuer zu beseitigen. Beim Getreide müsse zur Sicherstellung eine« auskömmlichen Preisbildung ein Reichsgesetz erlassen werden, daß die Getreidepreise mit der allgemeinen Lebenshaltungsrichtzahl in Einklang bringe und Vitz auf der Landwirtschaft liegenden besondere« Lasten beq kücksichtige. Für das der Regelung unterliegende Aus« landsgetreide müsse ein Preis festgesetzt werden, dep dem Qualitätsunterschiede zwischen Inlands- u«Ä Auslandsgetreide entspreche. Die Festsetzung d<p Grundpreise solle einem Reichsgetreiderat Übertrages, werden, dem Vertreter der beteiligte» WirtschaftsgruA pe» und der Berbraucherschaft a»gehören müßten. Im übrigen fordert das Hilfsprogramm noch dip Erhöhung der Fleischzölle auf den autonomen Satz von 45 M-, Anpassung der Lebcudviehzölle, AuK Hebung der Vorzugszölle für Speck und Schmalz; Er höhung der Zölle für Eier und Milchwirtschaft liche Produkte, Vorlegung eines Reichsmilchgesetzes) Erhöhung des Frühkartoffelzolls und Ausdehnung VW zum 10. September, sowie eine Erhöhung der in ländischen Zuckerpreise von 21,— auf 23,— Mark) Vorschläge zur Steuerpolitik. In der Steuerpolitik wird eine Senkung Lei Real st euern und der sonstigen öffentlichen Lastet gefordert, sowie eine einfache und einheitliche Gefläh tnng des landwirtschaftlichen SteuerwefenS. Zn du Kreditpolitik wird eine engere Zusammenarbeit del zentralen landwirtschaftlichen Kreditinstitute, sowie Erl Weiterung und schnellere Durchführung der Umschul dung und Verlängerung der von öffentlicher Hand ge gebenen Kredite verlangt. In der Siedlungspoli tik wird eine verstärkte Ansetzung von iMUernsöh- nen, Pächtern, Heuern und Landarbeitern durch Sied» lung sowie zur Verfügungstellung der hierzu notwen digen Staatskredite gefordert. Hilfe für Ostpreußen. Gesetzliche Maßnahmen zur Sichersten««- der oW preußischcn Wirtschaft. Das Reichskabinett hat den gesetzgebenden Köm perschasten einen Gesetzentwurf des Reichsernährungsl Ministers Dietrich zugehen lassen, der Ostpreußen wirst schaftliche Hilfe bringen soll. Der Gesetzentwurf ist in einer gemeinsamen Sitzung des Reichskabinetts und der zuständigen preußischen Staatsminister eilst stimmig verabschiedet worden. Reichspräsident v» Hindenburg, der in dieser Sitzung den Vorsitz führte, brachte seine Anerkennung über die mit diesem Gesetzentwurf geleistete Arbeit zum Ausdruck und bet tonte, die Durchführung der Maßnahmen würde Osst Preußen eine wertvolle und wirksame Hilfe bringery Wie amtlich mitgeteilt wird, enthält der Gesetz« entwarf eine Fülle von Bestimmungo» znr Sicherung der landwirtschaftliche,» Gittererzeugung «nd znr Stiist zung der mit der Landwirtschaft verflochtenen Wirst schäft in der von dem übrigen Reichsgebiet ab geschnürte,» Provinz Ostpreußen. Die Bestimmungen des Gesetzentwurfs beziehen sich im einzelnen anf di« unbedingt erforderliche Lastenscnknng, die Neusied lunge,» und Anliegersiedlnngcn, eine umfassende Kre dithilfe nnd die Kredit- und Gr»ndstiicksregulier««g. Alle diese Maßnahme» im Zusammenhang mit den seit längerer Zeit im Gange befindlichen sonstige« Ast tionen des Reiches nnd Preußens sotten der beson deren Notlage der -stpreußischen Landwirtschaft mit aller Möglichkeit steuern. Die erforderlichen namhaften Mittel sollen noch im Rahmen des Reichshaushatts- planes 1929 flüssig gemacht werde,». Mit der Ausführung der nach diesem Gesetz nö tigen Maßnahmen des Landankaufs und der Grund stücks- und Kreditregulierungen wurde die preußische Landesregierung beauftragt. Ein von der preußischen Landesregierung zu diesem Zweck zu bestellender Kom missar wird ,m Einvernehmen mit der Reichsregieruna ernannt werden. Er erhält -eine Weisungen von der Landesregierung im Benehmen mit der Neichsreglerung. Politische Rundschau. — Berlin, den 22. März 1929. ' - Notaemeinschaft der deutschen Wissenschaft trat im Rerchstagsgebäude zu einer Sitzung zusammen. * :: Der Auswärtige Ausschuß des Reichstags ver handelte den Gesetzentwurf über die deutsch-litauischen Verträge und Abkommen und stimmte den Vereinba rungen zu. :: Die Franzose» fürchte« Luftgewehre. In meh reren Orten des besetzten Gebietes wurden durch fran zösischen Gendarmen Haussuchungen nach Luftgeweh ren abgehalten und mehrere Luftgewehre beschlagnahmt. Begründet wurde diese Maßnahme damit, daß et« Verein ein unangemeldetes Preisschießen abgehalten habe. . Rundschau im Auslande. * In Sofia kam es vor dem Parlament zu heftigen Zusammenstößen zwffAn Studenten und der Polizei; eit wurden etwa 100 Schüsse abgegeben.