Volltext Seite (XML)
„Wissen Sie, lieber Hoofft, wenn Sie so ein rassiges Weibsbild wären, wie die eine da oben — die links — zu sein scheint, dann ging es in» Heidi hier vorwärts * Darauf wußte Hoofft nichts zu sagen. Er stieß einen schweren, bekümmerten Seufzer aus, ließ ab von seiner gewichtigen Uhrkette und wandte sich dem steigenden Wasser zu. „Die Flut! — Probieren Sie bei der Flut — be sonders das Ans-Land-kommen!" Fred Bronnen warf noch einen Blick auf die beiden Frauengestalten, die ihm himmlische Erscheinungen dünk- tcn, und die in diese Einöde geschickt schienen, um ihn zu erfreuen. Dann ging er auf das Kommando Theodor Hooffts ins Wasser. Das Ufer fiel an dieser Stelle ziemlich steil ab. Nach kaum einem Dutzend Schritten verlor man bereits den Grund unter den Füßen. Der Schwimmer kämpfte mit dem steigenden Wasser und suchte über die heranpeitschenden Wellen hinweg zukommen. Er hatte sich darin bereits eine gewisse Ge wandtheit angeeignet und kam beim geschickten Parieren der Wellenkämme langsam, aber doch merklich vorwärts. Theodor Hoofft war auf ein angeschwemmtes Balken stück gestiegen und beobachtete von diesem etwas erhöhten Standpunkt aus die Bewegungen des Schwimmers. Das gemietete Motorboot schaukelte, festgemacht, dicht vor ihm. Plötzlich stießen die beiden Damen auf der Düne ver eint einen Schreckensruf aus. Die eine kam aufgeregt di? Düne herabgclaufen und stürzte auf Theodor Hoofft zu, der verwundert von seinem Balkenstück sprang. Wie ein Wasserfall ergossen sich auf Englisch Fragen über den verdutzten alten Herrn: Was mit dem Schwim mer sei. Er sei untergegangen. Ob er wieder hochkäme. Er habe sich zu weit gewagt. Ob es nicht ratsam sei, daß man ihn mit dem Motorboot begleite Theodor Hoofft trat einen Schritt zurück — da ihm die junge, gefährlich schöne Dame sehr dicht bei den Fragen auf den Leib gerückt war — und entgegnete kühl, nicht unhöflich: „Er geht nicht unter!" Er sagte dies auf Deutsch, verbesserte sich aber gleich und entschuldigte sich auf Englisch. „Ah, Deutscher sehr gut!" rief auf Deutsch die junge Dame. „Da bleibe ich hier und beobachte, wie Sie schwimmen! — Schwimmen Sie auch durch den Kanal? — Ich darf doch bleiben und beobachten? — Oh, bitte!" Theodor Hoofft machte ein sehr entschlossenes Gesicht und versetzte, nur ganz wenig verwirrt bei dem süßen Blick der Amerikanerin — die sie unzweifelhaft war: „Ich kann es Ihnen natürlich nicht verbieten, wenn Sie sich da oben in den Dünen nicdcrlassen, meine Damen — aber " „Wir dürfen auch ab und zu hier herunter zu Ihnen kommen?" Theodor Hoofft sah sich bei der Verständnislosigkeit der begeisterten jungen Dame genötigt, deutlich zu werden und erklärte: „Ich würde Sie bitten, weder dies noch das zu tun!" Ein großer, verwunderter Blick der jungen Dame traf ihn. Sie wandte sich kurz, ärgerlich ab und schritt der Be gleiterin entgegen, die in diesem Augenblick ängstlich die Düne hcrabgeklettert kam und durch den fußhohen Sand stieg. „Er ist eben wieder aufgetaucht, Miß Blank!" zwit- fchcrte sie. Beide Damen waren jung, sehr elegant und hübsch. Die nach Herrn Hooffts Meinung reichlich aufdringliche Miß Blank schien die Herrin, die andere ihre Gesell schafterin zu sein. Was die Damen miteinander sprachen, war nicht zu verstehen für Theodor Hoofft. Es war ihm auch gleich gültig. Ihm lag nur daran, daß sie verschwunden waren, wenn Fred Bronnen aus dem Wasser stieg. Voll Besorgnis erinnerte er sich des Schwimmers, trat zum Boot, warf den Motor an und preschte knatternd auf das Wasser hinaus, über hohe Wellenkämme mit weißem Schaumrand hinweg. Fred Bronnen war reichlich erschöpft. Er hatte die Brandung überwunden und kämpfte nun auf dem Rück wege mit ihr. Sie warf ihn immer wieder zurück. Hoofft feuerte ihn an. Doch Bronnens Kampfgeist war erlahmt. Er rief nach dem Boot. Hoofft steuerte gn die Seite des Schwimmers und nahm ihn ins Boot auf. Fred Bronnen schüttelte sich. Er war stark mitgenom men. Sein Körper war fast rot, die Haut stellenweise rissig. „Wir müssen besser einfetten", meinte Hoofft besorgt. „So wird es nichts. — Es ist eben an alles Mögliche da bei zu denken!" Er machte ein Sorgengesicht. Fred Bronnen lachte. Er blickte hinüber zur Küste. „Nanu — die Damen sind ja fort!" Das paßte schlecht zu der Besorgnis Hooffts. Der alte Herr wurde rot vor Aerger und schalt: „Als ob das wichtig wäre! Schämen Sie sich! Sie haben eine leibhaftige Braut zu Hause, die möglicherweise jeden Augenblick an Sie denkt!" „Ich habe sie aber nicht hier und Deutschland ist weit!" Ta sah er die beiden Hellen Kleider und die großen Strohhüte dicht am Strande. Er frohlockte. Noch bevor das Boot hielt, sprang er heraus, plantschte durch daS Wasser und gab sich verwundert und erschrocken, als er die beiden Damen vor sich im Sande stehen sah. Er verneigte sich halb. Es reizte ihn nach der An strengung. Eine wilde Lust nach irgendeiner netten Toll heit ergriff ihn. Tagelang war er nun nur mit dem alten, ein wenig trockenen, oft querulierenden Theodor Hoofft zusammen und nun standen da, gewissermaßen als Belohnung seiner heutigen, anstrengenden Kämpfe, die beiden hübschen jungen Damen in brennender Erwartung und Begeisterung. „Sind Sie der Kanalschwimmer?" fragte melodiös Miß Blank, die Amerikanerin. _ „Gewiß, meine Dame." ' „Deutscher?" . - Fred Bronnen nannte seinen Namen. „Wird es gelingen? — Es ist eine sehr schwere Auf gabe, hat man mir gesagt!" „Es wird gelingen!" versicherte Fred Bronnen halb belustigt, halb ernsthaft-zuversichtlich. Die junge Dame plauderte vollkommen unbefangen weiter, während ihre Gesellschafterin ein mißbilligendes Gesicht schnitt und geflissentlich über die mangelhafte Be kleidung des Schwimmers hinwegzusehen versuchte. Die Miß dagegen betrachtete die gute, muskulöse, ebenmäßige Gestalt des Sportsmannes mit dem naiven, bewundernden Interesse, das nur wirklich ernste Menschen aufzubringen vermögen. Dabei war Miß Blank noch auffallend jung. Sie stand etwa zwischen Backfisch und großer Dame und machte bald den Eindruck einer solchen, bald den eines reifen, über ihre Jahre entwickelten Jungmädchens. „Oh", plauderte sie unbefangen, „da hinten sind noch andere Schwimmer, die es auch auf den Kanal abgesehen haben. Aber sic sind sehr unhöflich. Man hat uns fort- gcwiesen; obwohl wir nichts wollten, als den Vor bereitungen aus reiner Sportbegeisterung zuzusehen!' „Das ist unsere Konkurrenz", lachte Fred Bronnen, „man hat cs mit mir vor ein paar Tagen ebenso ge- macht!" „Wo wohnen Sie?" erkundigte sich Miß Blank. Fred Bronnen nannte den Gasthof in dem Dörfchen hinter der Düne, in der Nähe des großen Leuchtturmes von Gris Nez. ... . . '