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i« Mit -«wandter Zunge redet« Feldern auf Hilde ein, und sie hörte ihm zu. Wütend war sie auf ihn, und die Botschaft, die er ihr durch einen kleinen Jungen gesandt hatte, hatte sie erschreckt. Aber niemand hatte den Zettel gesehen, den der Kleine ihr zugesteckt hatte. Ein Boten junge, der mit allerlei Aufträgen zum Krugwirt und in verschiedene Häuser geschickt wurde. Ein Junge, der wahr scheinlich schon manchen Liebesbrief der verschiedenen Dienstmädchen besorgt hatte, der diese Art von Botschaften ganz natürlich fand, besonders, wenn er einige Groschen dabei verdiente. Hilde ärgerte sich über Felderns Unverschämtheit und fand ihn dann doch manchmal unterhaltsam. Sie lang weilte sich manchmal. Feldern brachte Großstadtluft in ihr Dasein, wußte allerlei Klatsch aus der Umgebung von unbekannten Leuten, aber man hörte doch zu. Als er ging, nahm er kopfschüttelnd einen Zehnmarkschein mit. „Kindchen, das ist ein Sandkorn. Sie müssen sehen, daß er zu einem Berge wird. Lutz soll recht gute Geschäfte machen, wie ich im Krug hörte. Er hat Kälber verkauft und einen feinen kleinen Schafbock. Sie sagen von ihm, daß er sich fabelhaft verändert hätte. Das kommt Wohl von der glücklichen Ehe. Sehen Sie zu, daß Sie ihm einige Scheine wegnehmen. Eine so kluge Dame wie Sie wird doch Mittel und Wege finden! Auf Wiedersehen und gute Besserung mit der Migräne! Leiden Sie^iur öfters daran!" Er war gegangen. Hilde konnte die leere Weinflasche noch beseitigen, da hörte sie die Stimme der Herrlich, die von einem Besuch in Groß-Fritzenhagen znrückkehrte. Die Haushälterin hatte allerlei Bekanntschaften in der Um gebung und Sonntags ging sie gern aus einige Stunden aus. Aber sie kam immer rechtzeitig wieder und Lutz rühmte ihre Zuverlässigkeit. Mit ihr beredete Lutz alles; seine Frau wußte nicht, daß er Geld einnahm und sein Vieh verkaufte. Hilde nahm sich vor, einmal bei ihm genau nachzusehen, wo er seinen Mammon verwahrte. * * * Der Frühling war da. Einmal war eS noch grau und unfreundlich, dann besann sich die Natur auf ihre Pflicht. Die Wiesen schimmerten im saftigsten Grün, und hinter den Hecken der Landstraße sprangen Zicklein und anderes Jungvieh herum. Florinde versuchte ihren Sommersitz in der Ulme. Er war jetzt ganz zurechtgezimmert, und wenn die Sonne schien, konnte man wundervoll dort sitzen. Die Ulme besann sich noch, ob sie alle ihre Blätter Herausstrecken sollte, aber sie hatte schon ein ganzes Teil an den Aesten hängen, und Florinde erklärte sehr bald, immer hier sitzen zu wollen. Während sie die kleine Treppe vom Baume herunter kletterte, meinte sie, Leontine unter ihm stehen zu sehen und rief ihr diesen Entschluß zu, aber dann war es Doktor Glauber, der sie etwas brummig begrüßte. „Woher kommen Sie denn? Fühlen Sie sich noch so jung, daß Sie in die Bäume steigen?" „Mit der Jugend kann ich keinen Staat mehr machen!" erwiderte Florinde. „Dieser Baumsitz ist für alte Leute bestimmt. Sie dürfen auch t?nmal hinaufsteigen!" „Danke! Ich habe Plätze genug in meinem Garten!" Florinde blieb neben ihm stehen und zeigte auf die Kirche. „Sehen Sie, wie nett die alte Kirche im Frühling aus sieht! Mitten in den Linden liegt sie, und ihr altes Ge mäuer ist etwas aufgefrischt worden! Im Gotteshaus selbst sind gleichfalls einige Auffrischungen gemacht wor den. Ich habe schon Ihrer Helga gesagt, sie sollte einige Studien vom Innern der Kirche malen. In Aquarell, das macht sich immer so gut." -Helga hat besseres zu tun, als die Farben zu ver- klecksen!" erwiderte Glauber. „Sie muß auf meinen Haus stand achten «nd auf den Gartens „Auch auf den «arten? »aS finde ich hart. Er scheint sehr unordentlich zu sein!^ „Was wissen Sie davon?" „Leontine und ich sind neulich an Ihrem Besitz vor übergegangen. Er liegt doch nicht sehr weit von Groß- Fritzenhagen und auch an der Landstraße. Sie sollten mal einen tüchtigen Gärtner nehmen, der manches ausrodet. Dann könnte der Garten sehr schön werden!" „Mein Garten geht Sie gar nichts an!" lautete die un höfliche Entgegnung, und Florentine lachte. „Nein, er geht mich nichts an! Leben Sie Wohl, Herr Doktor, ich muß nach Hause!" Sie wandte sich zum Gehen, aber Glauber begleitete sie. „Was tun Sie eigentlich den ganzen Tag?" erkundigte er sich. „Wir arbeiten für Geld! Dabei haben wir die reizendste Hauswirtin, die es gibt. Frau von Lörrach ist eine sehr gute Frau." „Sie hat einen dummen Sohn, der eine wahnsinnige Heirat gemacht hat!" „Er ist nicht dumm! Aber töricht gehandelt hat er wohl. Ach, Herr Doktor, wenn alle Menschen klug han delten, dann wäre die Welt anders. Ob aber besser? Ich Weitz es nicht!" Florinde ging in den kleinen Vorgarten des Hauses, das man Friedheim nannte. Sie nickte dem Doktor zu und war dann im Hause verschwunden. Er stand vor dem Gitter und sah ihr nach. Wenn er nicht dumm gewesen wäre, hieße Florinde seit vielen Jahren Frau Doktor Glauber, und er wäre nicht allein. Sie war alt geworden, hatte weiße Haare bekommen und einen leicht gebeugten Rücken — doch ihre Stimme klang frisch, und er hätte gern länger mit ihr gesprochen. Sie aber schien kein Verlangen zu haben, sich mit ihm zu unterhalten. „Denke, Leontine, Max Glauber hat mit mir geredet und mich bis zum Hause gebracht. Zuerst war er grob wie Bohnenstroh, allmählich wurde er besser, aber dann ver abschiedete ich mich", berichtete Florinde. „Du darfst dich nicht mit ihm einlassen!" sagte die ältere Schwester streng. „Ich tue es auch nicht. Aber er tut mir doch leid!" „Diesem Manne gegenüber darf man nicht sentimental sein. Er hat dich schlecht behandelt und dir auch die Mög lichkeit genommen, Hans Streckenbach zu heiraten, der dich so gern wollte!" „Ach, den Hans hält' ich nie genommen. Wir wollen aber nicht mehr von alten Geschichten reden, Leo. Alte Jungfern machen sich oft lächerlich mit abgestandenen Liebesgeschichten, die ihnen kein Mensch glaubt!" „Du hast recht, Florinde. Es gibt interessantere Dinge, sogar für uns." Die Schwestern redeten über ihre Handarbeiten und wurden heiter dabei. Das Glaubersche Haus lag in einem großen, recht wüsten Garten. Als Glauber jetzt in die Gartentür trat, sah er sich scharf um. Der Rasen war ungepflegt; hier und dort wuchsen einige blühende Sträucher, und die Bäume streckten dürre Zweige in die Lust, die lange ab geschnitten sein mutzten. Als Glauber ins HauS trat und seiner Nichte begegnete, schalt er heftig. Wie konnte sie den Garten so verkümmern lassen! Gab es in der Gegend hier keinen Gärtner, der den Garten in Ordnung halten konnte? Helga verteidigte sich. „Lieber Onkel, ich habe dich öfters gefragt, ob wir nicht etwas für den Garten tun sollten. Du hast immer gesagt, dazu hättest du kein Geld!" „Besorge einen Gärtner und höre, was ich sage!"