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Die Koalitionsverhandlungen. Gemeinsame Beratungen ver Vertreter des Zentrums und der Volkspartei. Die Verhandlungen über die Untermauerung der Regierungskoalition im Reiche sind in ein entscheidendes Stadium getreten. Reichskanzler Müller-Franken batte am Dienstag neue Besprechungen mit den Füh rern der Fraktionen. Nm die Schmierigkeiten zu be heben, die sich bisher hemmend bemerkbar gemacht ha ben, regte der Kanzler an, unter seinem Vorsitz ein« gemeinsame Besprechung der Vertreter des Zentrums und der Deutsche» Bolkspartei abzuhalten. Der Vor sitzende der Zentrumssraktion unterbreitete den Vor schlag des Kanzlers seiner Fraktion und erhielt ihre Zustimmnng. Ueber das sachliche Ergebnis der neuen Bemühun gen ist zur Stunde noch nichts bekannt. Am Dienstag war davon die Rede, daß das Zentrum, das jetzt nur durch den Abg. v. Guckrard im Kabinett vertreten ist, noch weitere zwei Ministerien fordert und dafür die Abgeordneten Dr. Wirth und Dr. Bell als Minister in Vorschlag bringt. Auch die Zwischenlösung gescheitert. Lettin, 5. Februar. Nachdem am Dienstag vormittag in den Besprechungen des Reichskanzlers mit den Führern der deutschen Volkspartei und des Zentrums eine sogenannte Zwischenlösung erörtert worden war, daß vorläufig das Zen trum neben seinem bisherigen Minister im Reichskabinctt noch einen zweiten Ministeroosten erhält und die deutsche Volkspartei im preußischen Kabinett gleichfalls einen Minister sitz bekommt, dieser Gedanke aber keinen Anklang gefunden hatte, fand am Nachmittag eine geineinsame Besprechung des Reichskanzlers mit den Vertretern des Zentrums Kaas und Stegerwald und den Vertretern der deutschen Volkspartei Scholz und Kempkes statt. In dieser Besprechung trug das Zentrum seinen Wunsch vor, zwei weitere Ministerposten im Reichskabinett zu besetzen und zwar, neben dem Verkehrsmi nisterium das Justizministerium und das Ministerium für die Besetzten Gebiete. Gleichzeitig erklärte sich das Zentrum be reit, auf die Zentrumsfraktion des preußischen Landtages ein- zuwirken, dah die deutsche Volkspartei in das preußische Ka binett ausgenommen werde. Ein Zeitpunkt für die Umbil dung des preußischen Kabinetts wurde allerdings nicht an gegeben. Nach der Besprechung trat die Reichstagsfraktion der Deutschen Bolkspartei auf Wunsch des Reichskanzlers so fort zu einer Fraktionssitzung zusammen, in der der Vorschlag des Zentrums einmütig abgelehnt wurde. — Nach weiteren Verhandlungen soll Reichsverkehrsminister o. Guerard (Zen trum) dem Reichskanzler sein Rücktrittsgesuch übermittelt haben. Die Verhandlungen in Preußen. Der Interfraktionelle Ausschuß des Preußischen Landtages trat am Dienstag zu einer Sitzung zu sammen. Ministerpräsident Braun gab eine Dar legung des Standes der Verhandlungen in der Koali tionsfrage und der Besprechungen mit dem Führer der Landtagsfraktion der Deutschen Volkspartei, Ab geordneter Stendel. Die in Aussicht gestellte gemein same Besprechung der Regierungsparteien mit der Deut schen Bolkspartei wird dem,rächst stattfinde». Ein be stimmter Zeitpunkt ist noch nicht festgelegt. Inzwischen werden die Verhandlungen weitergesührt. Der strenge Winter. s Der Kaiser-Wilhelm-Kanal blockiert. Der Kaiser-Wilhelm-Kanal ist infolge der Eisver- ' hältnisse für Schiffe bis zu 500 Brnttoregistertonnen - sowie für Ballastschiffe mit geringem Tiefgang blockiert, i Viele Schiffe der verschiedensten Nationalitäten sitzen im Eise fest. Die Kanalbehörde hat beim Reichsver kehrsministerium Kriegsschiffe für den Eisbrecherdienst ! im Kanal angefordert. ! Die Eisschwierigkeiten auf dem Rhein. Die Rheinschiffahrt von Rotterdam nach Straß burg ist völlig eingestellt. Obwohl der Verkehr bei Rotterdam noch möglich ist, gehen die Schiffe nicht flußaufwärts, da sie ihr Ziel doch nicht erreichen können. Schiffsunfall infolge der Bereisung. In der Einfahrt des Oeresund ist ein Dampfer aus Esbjerg nördlich von Helsingborg auf Grund ge laufen. Der Unfall ist darauf zurückzuführen, daß ein onst in der Nähe der Unfallstelle stationiertes Feuer- 'chisf infolge der Vereisung, ähnlich wie zahlreiche an dere Feuerschiffe in den dänischen Küstengewässern, zurückgezogen werden mußte. Im übrigen ist die Eisbildung in den dänischen Gewässern nun so weit vorgeschritten, daß selbst große Dampfer festsitzen. Nur noch der nördliche Teil des Kattegatt ist eisfrei. Im südlichen Teil des Kattegatt und rm Sund von Gjedser setzt schwere Eisbildung ein. Auch der Kieme Belt ist nunmehr vereist und nördlich »on Assens nur noch für größere Dampfer fahrbar. Zehn Fischkutter eingefroreu. Große Besorgnis herrscht in Tromsö über das Schicksal der Besatzung von zehn Fischkuttern, die seit nner Woche rm Malanger Fjord eingefroren sind. Man hatte ursprünglich gehofft, die Kutter durch einen Mo torkutter freizubekommen, was jedoch nicht gelungen ist. Jeder der eingefrorenen Kutter hat acht bis zwölf Mann an Bord. Man befürchtet, daß beim Einsetzen eines Sturmes das Eis einbrechen und die Kutter zermalmen wird. Der Sturm auf vem Schwarzen Meer Auf dem Schwarzen Meer hält der Sturm mit un veränderter Heftigkeit an. Ein englischer Dampfer wurde schwer beschädigt. Der Schiffsverkehr liegt voll kommen lahm. Der nordwestliche Teil des Meeres ist zugefroren. In der ganzen Krim herrscht eine noch nie dagewesene Kälte. Der Eisenbahnverkehr mußte wegen der Kälte und der ungeheuren Schneemassen kingestellt werden. Aus dem Wirtschaftsleben. Ei» Schiedsspruch bei der Leipziger Straßenbahn. In -er Streikbewegung des technischen Personals der Großen Leipziger Straßenbahn wurde vorn, schlichter folgender Schiedsspruch gefällt: Die Stundenlöhne des technischen Personals der Leipziger Straßenbahnen werden vom 1. April um 5 Pfennig und vom 1. Oktober um weitere 2 Pfennig erhöht. Diese Abmachungen gelten bis 31. März 1930". Die Arbeitnehmer werden zu diesem Schiedsspruch Stellung nehmen. Ihre Forderungen gehen auf Er höhung der Stundenlöhne um 13 Pfennig. Ein Schlichter für den Lohnstreit in der sächsisch thüringischen Textilindnstrie. Der Neichsarbeitsminister hat den Schlichter für Mitteldeutschland, Ministerialrat Dr. Hauschild, in Erfurt, beauftragt, in dem Lohnstreit in dem Bereiche der sächsisch-thüringischen Webereien Fühlung mit den Parteien zu nehmen. Mittelstandskundgebnng in Glauchau. Im Glauchauer Stadttheater fand bei überaus starker Beteiligung eine vom Glauchauer Bezirks ausschuß für Handwerk, Handel und Gewerbe ein berufene Mittelstandskundgebung statt, die von Ver tretern der gesamten Mittelstands-Verbände und -Vereinigungen der Amthauptmannschaft Glauchau besucht war. Zum Schluß der Tagung wurde von den rund tausend Teilnehmern eine Entschließung an genommen, die Schutz des Handwerks und Gewerbes gegen die großkapitalistischen Konzerne und Trusts, gegen Warenhäuser und Konsumvereine, Abbau der Regiebetriebe des Reiches, der Länder und Gemeinden fordert nnd sich gegen jede Absicht der Verelendung der deutschen Mittelschichten wendet und aus steuer lichem Gebiete u. a. verlangt: Revision der für das deutsche Volk untragbaren Reparationslasten nnter Anpassung an die Leistungsfähigkeit: grundlegende Vereinfachung des Steuersystems nnd Verbilligung der sich ständig tenrer gestaltenden Finanzverwaltung; baldigste Regelung des Finanzausgleichs unter Ein- führung des Zuschlagsrechtes zur Einkommen-, Körperschaftsstcuer an Länder nnd Gemeinden nnter Aufrechterhaltung der Steuerhoheit der Länder und unter Ablehnung eines überspannten Zentralismus. Evangelischer Sachsentag in Mißen. Aufruf der Verbände. Eine große Zahl von Verbänden, die sich am Evangelischen Sachsentage in Meißen beteiligen, er- lassen folgenden gemeinsamen Aufruf: Am 5. Mai dieses Jahres wollen sich alle evangeli schen Verbände unseres sächsischen Vaterlandes zu einem Evangelischen Sachsentag im 1000jährigen Meißen treffen. So verschiedenartig die Arbeits gebiete der einzelnen evangelischen Verbände sind, ob sie unter dem Gedanken der Inneren und Aeußeren Mission, der Förderung des Protestantismus im Jn- unö Auslande, der sozialen Frage, der Jugendpflege, der Erzichnngs- und Schulfrage u. a. stehen — der Evangelische Sachsentag einigt sie alle, geführt voü ihrem Landesbischof, nnter dem einen Gedanken: „Das Evangelium und wir!" So wird die Vielgestaltigkeit evangelischen Lebens in der Einigung unter das Evangelium zum Ausdruck kommen. Damit entbieten die evangelischen Vereinigungen unseres engeren Vaterlandes der Stadt Meißen zu ihrer kommenden Jahrtausendfeier Glückwunsch und Gruß! An alle evangelischen Männer nnd Frauen aber ergeht der Ruf: Sammelt euch am 5. Mai zum Evangelischen Sachsentag in Meißen!" Der „Sftprenßenschrerk" verhaftet? Aufklärung »er Tapiauer Mordtaten? — Ein Ge- Mnvnis del- Schwerverbrechers Otto Kayser. Im Sommer vergangenen Jahres wurde die Pro vinz Ostpreußen durch eine Reihe schwerster Verbrechen lebhaft beunruhigt. Unter anderem wurde bei Tapian ein Ranbübcr- sall verübt, wobei ein Eiscnbahnbeamter erschossen nnd ein zweiter schwer verletzt wurde. Kurze Zeit daraus wurde in der Nähe von Königsberg der Landjäger Kusserow während der Suche nach dem Tapiauer Mör der, wahrscheinlich auch von ihm erschossen. Weiter« Raubiibcrfälle und schwere Einbruchsdicbstähle folgten in großer Zahl, ohne daß es dem großen Aufgebot an Kriminalpolizei, Schutzpolizei und Laudjägerei ge lang, den oder die Täter zu ermitteln. Im Novem ber v. I. wurde dann in der Nähe von Tilsit ein gewisser Otto Kayser verhaftet, dem man zahlreiche Einbrnchsdiebstähle und Uebcrfälle nachweisen konnte. Kayser hat inzwischen über 130 Straftaten zu gegeben, bei denen allerdings niemals ein Mord verübt worden war. Bei erneuten Vernehmungen und nach der Gegenüberstellung mit seinem Vater hqt Kayser, der im Tilsiter Gerichtsgefängnis sitzt, nunmehr am Montag überraschend gestanden, die Morde in Tapiau und an dem Landjäger Kusserow ausgeführt zu haben. Man steht seinem Geständnis zunächst skeptisch gegenüber, obwohl es durchaus möglich erscheint, daß. Kayser die Morde tatsächlich begangen hat. MW in Aoi. Unbarmherziger Winter — unbarmherzige Menschen. Auch der, der aus grundsätzlichen Erwägungen heraus ein Gegner jeder Wildfütterung ist, muß in diesem harten, grausamen Winter einsehen, daß man nach dieser -Hinsicht unter keinen Bedingungen negative Grundsätze haben darf, denn Heuer kommt das Wild einfach in keinem Revier ohne Fütterungen und Schüttungen durch den unbarmherzigen Winter. Es ist so furchtbar leicht, zu sagen: Was nicht kräs- tig genug ist, diese schwere Zeit zu überstehen, mag in . Gottes Namen eingehen: das ist Kroppzeug, darf sich nickt vererben: ant daß es umkomint! Fn normalen I Wintern mögen bie Anhänger dieser Theorie im Recht sein, wenn — das Revier auch im Winter die natür liche Aesung zu bieten imstande ist. Aber auch in diesen Revieren kommen in solcher Wintersnot auch statte Stücke um, weil die gefrorene hohe Schneedecke ein Plätzen unmöglich macht, weil der glassplitterscharsc Harsch der Schneekruste dem Wild die Fesseln wun-- schneidet, so daß unsere Lieblinge vor Schmerz un- Müdigkeit in der Schweißfährte, die die Wunden ver- Ursachen, liegen bleiben und qualvoll verenden. Beweise: Aus dem Erzgebirge wird geschrie ben: „Durch den vielen Schnee in unseren erzgebirgj- schen Wäldern ist das arme Wild dem Hungertobe preisgcgeben, wenn es von den Förstern und Privat- Jagdpächtern nicht genügend gefüttert wird. Schnelle Hilfe tut not!" Und aus dem Vogtlande kommt u. a. folgende Kunde: „Die Not des Wildes macht sich infolge des hohen Schnees besonders in den vogtländischen Wal, düngen bemerkbar. Schlimm steht es um das Reh. wild. Häufig finden Sportler und Spaziergänger Rehe im Schnee liegen, die so ermattet sind, daß sie sich nicht von der Stelle bewegen. Innerhalb weniger Tage sind sieben Rehe verendet bezw. halb verhungert aufgefundcn worden". Im oberen Vogtlande liegen die Dinge ähnlich. Aus allen Gegenden werden eingegangene Rehe und Hasen gemeldet, und ermattete Stücke, die barmherzige Menschen ins Forsthaus tragen, wo sie mitunter sich erholen, manchmal aber trotz bester Pflege eingchen, weil sie schon zu sehr abgekommen sind. Der Winter zeigt also, daß wir füttern müssen, und zwar rechtzeitig, damit sich das Wild noch in den „guten" Tagen daran gewöhnt. Jetzt ist's vielfach schon zu spät, weil das Wild die Futterstellen nicht mehr findet. Um das zu erleichtern, muß der Schnee pflug her, der die Wege zu ihnen freimacht und dem Wilde den Wechsel zu Aesungs- und Futterplätzen zwangsläufig zeigt. Die deutsche Jägerei ist so stolz auf ihren blanken Ehrenschild. Hütet euch, liebe Weidgenossen, daß ihr ihn nicht befleckt! „Wild in Not" schreit es durch den Wald. Das bedeutet Alarm. Angetreten zur Fütterung! Und angetreten zum Jagdschutz! Die Not treibt bas Wild in die Nähe der menschlichen Behausungen, wo man es meistens nicht füttert, sondern mit dm grausamsten, gemeinsten Marterinstrument, der Schlinge,, wegfängt. Schärfste Wachsamkeit ist Jäger pflicht! H. D. Der gefiederte Jagdhund. Bo» der Falk»erei, dem deutsche» Falkenorden uni von Bcizvögeln. Wie ein Stück aus dem Mittelalter kommt einen zunächst die Koje vor, in der auf der „Grünen Woche' in Berlin die Falknerei gezeigt wird. Aber das, was man dort sieht, ist kein Mittelalter, ist vielmehr ein gutes, liebes Stück neueren deutschen Wcidwerkes, das, aus alter Zeit ausgegraben, neu erstanden und ver vollkommnet worden ist. Was ist Beizjagd, was Falknerei? Sie bedeute« schlichtweg die Benutzung von Raubvögeln zur Jagd. Ihre Anfänge gehen bis ins graue Altertum zurück! schon auf assyrischen und babylonischen Bildwerke« finden sich derartige Darstellungen. Ihre höchste Blüt« erlebte die Beizjagd an den Fürstenhöfen des Mittel alters. Jeder noch so kleine Standesherr unterhielt ein zahlreiches Falknerpersonal und eine möglichst groß« Anzahl von Edelfalken zur Reiherbeize. Für gut« Jagdfalken wurden ganz horrende Preise bezahlt, uni ein edler Jagdfalke war das beliebteste Geschenk der regierenden Fürsten untereinander. Die beliebtesten und höchstbezahlten „Terzel" waren isländische Wanderfalken von möglichst weißer Farbe; aber auch der südliche Sakker oder Würge falke kam als Geschenk der orientalischen Fürsten häu fig nach Europa. In der nachfolgenden Zeit halt« dann die Vervollkommnung von Fang und Jagd methoden einen Niedergang der Falknerei verursacht, so daß sie fast vollkommen in Vergessenheit geriet. Erst in allerneuester Zeit wurde dieser vergessen« Zweig des deutschen Weidwerkes durch die Initiativ« und den Opfermut einiger Naturfreunde unter de« Jägern neu belebt, ihre Bemühungen führten zur Gründung des Deutschen Falkenordens, dessen Be streben die Wiederbelebung und Pflege der Beizjagd und der Schutz unserer seltenen einheimischen Raub vögel ist. Einer der bekanntesten Falkner ist Hcr> Professor Thicnemann. der bekannte verdienstvolle Lei-