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Beilage zur Weitzeriy-Heilung Nr. 28 Sonnabend, am 2. Februar 1929 95. Jahrgang ', - Chronik des Tages. — Reichskanzler Müller erstattete dem Reichspräsiden- m einen Bericht über den Stand der KoalittonSverhand- mgen. — Am heutigen Sonnabend wird ReichSautzenminister )r. Stresemann bet der Beratung des KriegSächtungspoktes m Reichstag das Wort nehmen. — Am Montag vollendet Professor Junkers, der Grün er und Leiter der Junkers-Werke in Dessau, seinen 70. Ge- urtstag. — Die amerikanischen Reparations-Sachverständigen )wen Doung und Morgan werden am 7. Februar in Paris rwartet. — Ueber ganz Deutschland ist eine starke Kältewelle ereingebrochen. Der Freitag war der bisher kälteste Dag äeseS Winters. » — Im Sonnenburger Zuchthaus-Prozeß war die höchste strafe vier Monate Gefängnis. — In Metz fuhr ein Automobil auf dem Komödien- ,latz in die Volksmenge und verletzte 20 Personen, darunter nehrere schwer. — In der Nähe von Fusan ist der chinesische Damvser „Ljao" mit 38 Mann Besatzung gesunken. — In Sao Paulo in Brasilien hat eine Ueberschwem- mungskatastrophe unabsehbaren Schaden angerichtet. Von Woche z« Woche. Randbemerkungen zur Zeitgeschichte. S Der Spanier kommt in der Politik nicht ohne „Pronunciamentos" aus; d. s. Kundgebungen gegen die Regierung, die in Spanien die Eigentümlich keit haben, aus persönlichen Gegensätzen zu entstehen, und die sich regelmäßig zu einem Militärputsch auswachsen. So war cs früher, als das Parlament das große Wort führte, und so ist es noch heute, wo Primo de Rivera Ministerpräsident mit diktatori schen Machtbefugnissen ist. Uebrigens ist Primo de Rivera im September 1923 selbst nur durch ein Pro-- nunciamento zur Macht gelangt, wie einige Jahrzehnte früher das heute regierende Königshaus durch ein Pro- nunciamento in den Besitz der Krone kam. Der letzte NU . -sch scheint eine größere Bedeu tung zu haben, als es anfangs den Anschein hatte. Wahrscheinlich handelt es sich um eine groß angelegte Verschwörung, die Primo de Riveras Sturz herbei- geführt haben würde, wenn sie nicht ganz programm widrig in den Anfängen gescheitert wäre. Die Ar tilleristen in Ciudad Real sind zu vor eilig gewesen! Sie haben nicht warten können, bis der unter falschem Namen in Spanien gelandete frühere Ministerpräsident, General Jose Sanchez Guerra da» Zeichen zum Losschlagen gab, und sollen so das Scheitern der Aktion verschuldet haben. So kam es, daß Madrid der Welt gleichzeitig mit -er Nachricht von der geplanten Verschwörung auch von der Niederschlagung des Putsches Mitteilung machen konnte. Ob Guerra von der Polizei gestellt worden ist — wie man es in Madrid behauptet — oder ob er sich selbst gestellt hat, ist gleichgültig. Die Ver schwörung ist vereitelt; die Standgerichte walten! Viel leicht verwandelt Primo de Rivera die Todesurteile, die gefällt worden sind, in Freiheitsstrafen: der spa nische Diktator liebt kein Blutvergießen! Noch nicht erloschen ist auch die Gärung in Rußland, das gegenwärtig gerade die Sowjets wählt. Die Opposition, von der in den letzten Jahren via Rede war, hat längst die Waffen gestreckt, nur Trotzki ist in Alma Ata an der chinesischen Grenze fest ge blieben. Seinen Anhängern wurde er darob zum Mär tyrer. War man in Moskau schon unzufrieden, als Radek in einem Brief an den kommunistischen Dik tator Stalin schrieb, er könne es nicht mehr mit an sehen, wie „das Schwert der Oktoberrevolution", Trotzki, von der Malaria zerfressen werde, so neigte man im Kreml erst recht zum Einschreiten, als die Anhänger Trotzkis immer schärfer gegen den Kurs der jetzigen kommunistischen Parteiführung Stellung nahmen. Nun soll Trotzki am 24. Februar von Sibirien in das Ausland abgeschoben werden; zunächst nach der Türkei, und dann vielleicht nach Deutschland. In Moskau bekämpft man Trotzki, weil er alles auf die Weltrevolution einstellen will, also einem noch schärferen Linkskurs das Wort redet, während Moskau mit dem festgefahrenen Karren der Weltrevolution nichts mehr anzufangen weiß und bestrebt ist, mit bürger lichen Mächten zusammenzuarbeiten. Wenn Stalin Trotzki in das Ausland läßt, ergibt sich die Frage, ob der Kremel nicht fürchtet, dadurch Trotzki zu Störungen der Moskauer Kreise Gelegenheit zu geben. Oder ist Trotzki ein todkranker Mann, dem man nur gestattet, im Auslande zu sterben? Die „große Politik" in Europa ruht gegenwärtig. Man kann nichts Rechtes anfangen, weil die Sach- oerständigenkonfercnz zur Lösung der Repa- ikationsfrage bevorsteht und von dem Ausgang dieser Konferenz alles abhängt. Politik ist aber nicht nur eine Angelegenheit der Weltanschauung und des guten Willens, die Regierungen müssen bei ihren Maßnahmen vielmehr auch auf die finanziellen Verhältnisse Rück sicht nehmen. Und unsere finanziellen Verhältnisse hängen nun einmal mehr als es gut ist von der Höhe der Tributsummen ab, die wir als Reparationen in das Ausland abzuführen haben. Darin liegt die große Bedeutung der in Paris beginnenden Reparationsver handlungen für Deutschland! Ueber den voraussichtlichen Ausgang der Kon ferenz sich den Kopf zu zerbrechen, hat keinen Zweck. Die amerikanischen Sachverständigen Owen Doung und Morgan, die am Freitag an Bord des franzö sischen Dampfers „Aquitania" die Reise nach Paris ongetreten haben und die am ebesten etwas kaaen konnten, sind schweigsame Leute. Jedenfalls wird man gut tun, sich aus eine mehrwöchige Konferenz einzu richten, di« zu Gerüchten, dramatischen Austritten und Krisen reichlich Gelegenheit bieten wird. Erfolgreiche Arbeit können die Sachverständigen übrigens nur dann leisten, wenn sie die Dinge nehmen wie sie sind und Vorschläge ausarbeiten, die Deutschland freiwillig annehmen kann. Im anderen Falle war der große Aufwand vergebens. Kampf der Kriegsschuldlüge! Kuü»geb««gen der deutschen Kriegervereiue. — Drei Millionen ehemalige Soldaten protestieren. Am Sonnabend und Sonntag veranstalteten die dem Reichskriegerbund Kyffhäuser angeschlossenen Kriegervereine mit ihren drei Millionen Mtgltedern in allen Teilen des Reiches Kundgebungen gegen die Kriegsschuldlüge. Dabet gelangte eine Proklamation des Bundesvorstandes zur Verlesung, in der es u. a. heißt: Zum zehnten Male jährt sich am 28. Juni der Lag, an dem Deutschland gezwungen wurde, das Frie- »ensdiktat von Versailles zu unterzeichne«. Ein Tag schmerzlichster Erinnerung für uns, die wir mit Einsatz aller «nserer Kraft vier Jahre gerungen hatten, dies Unheil, dies furchtbare Schicksal, von unserem deutschen Vaterland abzuwehren. Was der Waffenstillstand vor bereitete, vollendete das Friedensdiktat. Wertvolle Teile »entschen Landes im Osten, Norden und Westen wur den Deutschland entrissen. Immer noch stehen fremde Soldaten im Rheinland und in der Pfalz. Die 440 Artikel des Diktates ziehen das staatliche und wirtschaft liche Leben des deutschen Volkes, ziehen jeden Deut schen auf das schwerste iu Mitleidenschaft. Jahr für Jahr strömen in Gestalt der Reparationen die Früchte deutscher Arbeit ins Ausland, wird der deutschen Wirt schaft, dem deutschen Bolksvermöge» Blut entzogen. Das besiegte Frankreich wurde 1871 zu Friedens- l Verhandlungen zugelassen. Deutschland wurden die Be stimmungen des Friedens diktiert. Die Härte der Bedingungen ist beispiellos in ! der Weltgeschichte. I Dazu fügte man in den Vertrag noch Bestimmungen ein, die lediglich den Zweck verfolgten, dem deutschen Volk seine Ehre zu nehmen. Richter, die zugleich Partei waren, fällten den Urteilsspruch. Sie klagten ohne den Angeklagten zur Verteidigung zuzulassen. Dem deutschen Heer werden die unmenschlichsten Grau- sammkeiten vorgeworfen. - Uns deutsche Soldaten treffen diese Vorwürfe be sonders. Unser Ehrenpräsident, Reichspräsident Gene- calfeldmarschall von Hindenburg» hat es bei der Einweihung des Tannenbergdenkmals in unser aller Kamen und im Andenken an die Gefallenen bezeugt: »Die Anklage, »atz Deutschland schul» sei an »iesem trößteu aller Kriege, weifen wir. weist »aS deutsche Volk UMM WM beginnt Donnerstag, 7. Februar, abends >/-8 Uhr im Gasthof Höckendorf Gründliche fachmännische Ausbildung bis zu den neuesten Tanzen Werte Anmeldung vor Beginn daselbst erbeten N« Damen >/-8 Uhr — Herren um 9 Uhr Um zahlreiche Teilnahme bitten Ernst Pöthig und Sohn Mitglieder d. Landesverbandes Sächsischer Tanzlehrer k« «Neu seine« Schichte« einmütig zurück." Auch der erst« Reichspräsident Friedrich E b ert hat am 3. August 1S34 feierlich erklärt, daß das deutsche Volk mir zur Verteidigung seiner Grenzen in den Krieg gqogen ist. In den vergangenen zehn Jahren Hal der Kamp? legen die Kriegsschuldlüge nicht geruht. Unablässig »oben deutsche Wissenschaftler an der Widerlegung der rlnklage gearbeitet. Zu ihnen gesellten sich iu den Län dern der Neutralen, in Amerika, in England, iu Jta- üen und selbst in Frankreich hervorragende Historiker, kluf das bereitwilligste hat die deutsche Regierung »er Forschung ihre Archive geöffnet. Die geheimsten Akte« sind der Welt vor gelegt worden! ber moralische Erfolg dieses Vorgehens tvar groß, ftrkch die fremden Regierungen mußten sich zur Oesf- rung ihrer Archive entschließen. In seinem soeben er- Ichienenen Buch stellt der amerikanische Professor Fay !est: „Das Urteil des Versailler Vertrages, daß Deutsch land und seine Verbündeten allein verantwortlich sind, nüssen wir fallen lassen. Es war ein dem Besiegten- »om Sieger unter dem Einfluß der Kriegspsychose,^ »er Verelendung, »er Unwissenheit, des Hasses und der propagandistischen Wahnvorstellungen abgepreßteS Ein geständnis. ES wir» allgemein von den besten Histori kern aller Länder anerkannt, daß es nicht mehr znj halten und zu verteidigen ist." Dieses Bekenntnis beweist, wie viele andere ähn liche, daß die Anklage des Artikel 231 außer Kraft gesetzt werden muß. Die Kriegsschuldlüge ist Her zensangelegenheit des ganzen deutschen Volkes insbesondere für uns Soldaten. Wir wissen wohl, daß die Reichsregierung vieles getan hat. Wir wissen auch, baß ihr in vielem die Hände gebunden sind. Sie mutz aber dem Willen der weitesten Kreise des deutschen Rolkes auf Befreiung von der Anehre Rechnung tragen. Ihre Bemühungen mutz das ganze deutsche Volk untcrMtzen. vis zum 28. Juni mutz es sich i« der Forderung zusammengefunden habe«: Fort mit der Kriegsschuldlüge! Der Weg für die Wahrheit mutz freigemacht werde«. Kür ihn mutz der Artikel 231 autzer Kraft gesetzt werde«. Wir deutschen Krie- gervereine müssen dazu beitrage«, daß dieser Wille, der in allen Schichten des »e«tsche« Bolles lebt, bis »um 28. Jnni 1S2S offenkundig in Erscheinung tritt. Der 28. J«m mutz den Weg z« der Wahrheit freimachen! Hindenburg empfängt Müller. Reichspräsident v. Hindenburg empfing am Frei tag den Reichskanzler Müller-Franken und nahm einen Bericht über den Stand der Koalitionsverhandlungen entgegen. Wie verlautet, waren sich Reichspräsident «nd Reichskanzler darüber einig, datz mit Rücksicht ans die bevorstehende SachverstSndigenkonferenz unter alle« Umstände« «i«e «e«e Krise vermiße« werde» mutz. Im Anschluß an den Bortrag beim Reichspräsi denten hatte der Kanzler eine Unterredung mit dem Vorsitzenden der volksparteilichen Fraktion Dr. Scholz und den Zentrumsführern Dr. Kaas und Steger wald. Während das Zentrum die Untermauerung der Re- gierungskoalition ohne Rücksicht auf die Verhandlungen in Preußen betreibt, macht die Deutsche Volk-Partei thre Stellungnahme zur Umbildung der Reichsregierung von der Aufnahme der volksparteilichen Landtagsfrak- tion in die preußische Regierungskoalition abhängig. Unter diesen Umständen werden auch die inzwischen wieder aufgenommenen Verhandlungen im Landtag auf die Entwicklung der Koalitionsbemühunaen im Reiche von Einfluß sein. Brau» verhandelt mit den Parteien. — Berli«, 2. Februar. Der pre«tzische Minister. Präsident Braun hatte gestern mit Vertreter« »eS Zeu» trumS, »er Demokrat«« ««» »er Sozial»e«okrate« eine Besprechung über »ie Erweiterung »er preußische» RegierungSkoalition. An »en Verhandlungen «ahme» je zwei Vertreter »er genannten Fraktionen teil. Dippoldiswalde: Oberkorplah Nr. 147, Wilhelm Gottschalk, Schmiedeberg: Altenberger Str., Auguste verw. Pretzsch ne r. Produktenbörse zu Dresden, am 2 Fe ruar 1929. — Preise in Reichsmark. Weizen, Inländ. . 21,60-22.10 Ro» gen, neuer . 2> ,90—21,40 Fnttergerste 2!,>0—22,50 Eommerfterste.sächl 23,50 24.80 Sommergerste,schles 24.50 25,50 Kaser, inl-nblicher 2 ,50 22,l0 Man», La Plaia . 23,3 --23,50 Mai», Clvquamin 27,00-28,00 Ro, le« ... . 14,50-15,50 Trocken chnitzel . 15,20- 15,t»0 Zuck >!chvltzel. . 22,^—'3,<0 Karloss.lslock.n . 2 ,0t)- 22,20 , Futtermehl. . . 18,50-19,50 Dresdner Marken: Weizenkle!« . . 14,80—15,20 Roggenklcie . . I4,b0—15,80 Keller-Auszug . 41,00— 42,50 Bdckermunbmebl. 35,l>0—3b 50 Weizennachmehl . 19,50—20,50 J>l.WeIzkNM ,0°/° 3-,03-32,00 RopgenmrhtOI bO"/o 32 0 —33,00 Na^genmehl I 70 V» 31,l 0—32,00 Noggennachmetzl. 2,00-21,00 Konflikt Preußens mit Bayern? Als Folge einer Pressebesprechnng. — PreutzenS Ver treter in München nach Berli« ber«fe«. Der bayerische Ministerpräsident Dr. Held empfing in München einige Pressevertreter zu einer vertrau lichen Besprechung über die in Berlin geführten Ver handlungen des Reiches mit den Ländern. Bei dieser Gelegenheit soll Ministerpräsident Dr. Held nach der Darstellung der „Münchener Telegrammzei- tung" schwerste Angriffe gegen Preußen erhoben «nd Preußen beschuldigt haben, Bayern durch die Klage keim StaatSgerichtshof um seinen Biersteueranteil ge bracht und die Erfüllung der StaatSverträge über die Lerreichlichung der Eisenbahnen sabotiert zu haben. Die Quintessenz seiner Ausführungen soll der bayerische Ministerpräsident in den Satz zusammengefaht haben: „Unser Gegner ist Preußen". Anf Grun» »ieser Darstellung hat »er Preußische Ministerpräsident ve« preutzischen Gesandten in Mün chen, Dent, -nr mün»lichen Berichterstattung nach ver- k« brorvert. Gesandter Dent ist am Freitag i« verlin eingetroffen. ES ist anzunehme«, »atz »er pre«tzischo Ministerpräsident Braun im Lanfe »eS heutige« So««- »bendS i« irge«v einer Form zn »er Angelegenheit Stellung nehmen wir». Eine dem bayerische» Ministerpräsidenten Dr. Held nahestehende Korrespondenz bemerkt zu der Vervffent-