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Der Schneeflöckchen Weihnachtserlebnis. Ein Märchen von LoniLauxmann-Kinzelmann. Frau Holle schüttelte wieder einmal Ihr Wolkenbekt, und zwar so gründlich, daß all die feinen Flaumfederchen hoch in die Luft wirbelten, sich vom Winoe hin- und herpnsten liehen und dann zur Erde niedersanken. „Was werden wir nun wohl alles Schönes zu sehen bekommen?" meinten die Schneeflocken. „Langweilig war's fa da oben!" Und es dauerte auch gar nicht lange, da hatte die Erde schon eine dünne, weiße Decke, und die Bäume hatten ein Mäntelchen und die Hausdächer und der Gartenzaun ein warmes Käppchen. Und Immer noch rieselten die Federchen vom Himmel, als wollten sie gar nicht aufhören und alles rings in Schnee hüllen. In den Häusern waren die Lampen schon erloschen, denn es war Nacht, und wenn da Schnee kommt, ist es am allerschönslenl Wachen die Kinder am Morgen auf und schauen aus dem Fenster, dann jubeln sie auf, schlagen die Hände zusammen und freuen sich, denn dann glbt's ja Schlittenbahn, Schneeballwerfen und Schneemannbauen. Aber jetzt schliefen sie noch alle in den warmen Bettchen und träum ten. Die einen von Weihnachten und den schönen Sachen, die da auf dem Gabentisch liegen sollten, die anderen von der Schule und den Spielge fährten, einige waren sogar mit dem Sandmännchen auf einer Reise in fremden Ländern. Ja, fa, was man sich alles zusammenkräumen kann, besonders vor Weihnachten. Im Garten unterhielten sich unterdessen leise die Schneeflöckchen. „Weißt du schon, übermorgen ist Weihnachten!" sagte eine große Schnee flocke, die oben auf dem Brunnenschwengel lag. „Uebermorgen ist Weihnachten!" Und die andere nickte. „2a endlich, übermorgen, ich kann's eigent lich gar nicht erwarten." Und die alle, dicke Pumpe, die ordentlich stolz auf Ihre weiße Pelz kappe war, meinte: „Wir werden viel zu sehen bekommen." Die versilberten Spitzen des Garkengilters konnte man gar nicht mehr erkennen, sie blitzten eben nicht mehr, well sie eine weiße Schnee- mühe übergestülpt hakten und sich sehr vornehm vorkamen. Sogar die Gartenlaube, die immer wunder überlegen getan, sah gar nicht anders aus als die andern, nur daß ihr Pelzmantel größer und reicher war, und daß sie schon bedenklich schwankte, wenn man sie nur ein bißchen fest anfaßte. Am schönsten waren eigentlich die Tannen: es schien, als hätten sie ihre Aeste breit und gerade gestreckt, nur damit die Schneeflocken sie auch alle finden sollten. Nun standen sie ganz still und feierlich und sahen aus, als seien sie überzuckert und warteten auf Weihnachten. In den Draht des Hühnerhauses hakten sich auch ein paar Flöckchen festgesetzt, sie meinten, da bekämen sie vielleicht doch mehr zu sehen, als wenn sie sich zu den andern auf den Hof legten. Recht hatten sie ja, wenn es In der Höhe auch ein wenig lustiger und unbequemer war, sie liefen wenigstens nicht Gefahr, am andern Tag von flinken Füßen zer treten zu werden. Aber jetzt war es noch Nacht. All« die kleinen, geschwätzigen Flaumdingerchen waren mitten im Plauschen, da kam ein ganz feines Klingen durch die Lust. Da wurde es im Carlen auf einmal still. Die alle Gartenlaube, die noch einmal aufgestöhnt halte — denn das fand sie. sehr würdig, und sic wollte doch immer ein bißchen die alte Dame herauskehren — schwieg erschrocken. —