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Beilage zur Wecheritz-Zettung Nr. 290 Dienstag, am 14. Dezember ^926 92. Jahrgang Königin Maria von Rumänien, 1 Weihnachten und die Technik. Die Segnungen und Errungenschaften der Technik in allen Ehren! Jedermann begrüßt sie und freut sichj ihrer. Es scheint aber doch, als ob durch sie, namentlich wenn wir an das Weihnachtsfest denken, so manches von dem verloren geht, was wir Beseelung und be sonderen Reiz zu nennen pflegen. Seit langem schon erfolgt die Herstellung von Konfekt, von Lebkuchen usw. rein fabrikmäßig. Viele Familien lassen sich diese Sachen, deren Verfertigung ehedem mit zu den schönsten Reizen der Adventszett zählte, fix und fertig ins Haus liefern, eine Veräußer lichung, durch die der Zauber der Adventswochen be stimmt nicht gewonnen hat. Auch des Christbaums bemächtigt sich die Technik immer mehr. Die elek nommen werden. Dem werden wir am sichersten vv» beugen, wenn wir uns die Schätze und den Frieden eine» zufriedenen, stillvergnügten Familienlebens zu wahrt ren wissen, dann werden uns, aller Neuzeit zum Trotzt die unvergleichlichen Stimmungswerte der Heiligers Weihnacht auch erhalten bleiben. Scherz und Ernst. tk. Ein originelles Weihnachtsmahl. Zu den größp, ten Festlichkeiten der Universität Oxford gehört dash weihnachtliche Eberkopf-Essen. Mit einer goldenen^ Krone, vergoldeten Stechpalmenzweigen und Misteln, Lorbeer und Rosmarin geschmückt, wird von drei Män nern der riesige Kopf eines Ebers in den Speisesaal!' der Studenten getragen, während Trompeter feierliche Fanfaren dazu blasen. Dieses Eberkopfessen stellt zwei fellos den Ueberrest eines jener altheidnischen Festge lage dar, wie sie bei den Germanen zur Julzeit üb lich waren. In Oxford selbst aber erzählt man sich vom Ursvrung des Brauches eine hübsche Geschichte. Es war vor etwa vierhundert Jahren, als ein Student,, über seinen Studien grübelnd und ganz in Gedanken versunken, durch einen Wald bei Oxford wandelte. Auf einmal aber raste ein Eber auf ihn zu und wollte ihn mit weit aufgespcrrtem Rachen annehmen. Den armen Studenten Packte großer Schrecken, zumal er keine Waffe bei sich hatte. Aber etwas trug er gleich wohl bei sich: die große Ausgabe des Aristoteles. Was tat er? Mit einem kühnen Wurf und dem lauten Ruf: „Das ist Griechisch!" warf er das Buch dem Eber in den Rachen und richtig: Das Griechische konnte das Tier nicht zu sich nehmen, sondern erstickte jäm merlich an der schweren Lektüre. Zu Ehren dieser wunderbaren Rettung wird, so heißt es, seitdem das Cberkopf-Mahl gefeiert, wie denn auch die Büste des Aristoteles, des eigentlichen Retters, beim festlichen Mahl niemals fehlen darf. tk. Amerika hat nur noch wenige Jahre Pe» troleum. Einem Bericht zufolge, den im Auftrage des amerikanischen Präsidenten Coolidge eine Studienkom mission fertiggestellt hat, werden im Jahre 1933 die Petroleumquellen der Vereinigten Staaten vollkommen erschöpft sein. Aus Stadt und Land. * * Schröder inszeniert neue Ue-erraschung-n. Wie man aus Magdeburg berichtet, scheint die an Ueber- raschungen bisher sicherlich nicht arme Affäre des Raub mörders Schröder nochmals eine Ueberraschung zu brin gen. Dem Vernehmen nach will Schröder wieder ein- mal nicht zu seinen früheren Geständnissen stehen. Er erklärte neuerdings, daß verschiedene seiner Angaben her der Gerichtsverhandlung nicht zutreffen, da es ihm lediglich darauf angekommen sei, gewisse Personen zu decken. Vor allem sei es sein Bestreben gewesen, verhängnisvollen Weiterungen, die sich für seine Braut, die Hilde Goetze, ergeben könnten, vorzubeugen. Auf Grund dieser neuen Angaben Schröders wird jetzt die Frage geprüft werden, ob und inwieweit diesen neuen Behauptungen des zum Tode verurteilten Raubmör ders eine Glaubwürdigkeit zukommt. " Ter verschwundene Materialwarenhäiwlcr. Vor sechs Jahren verschwand auf höchst geheimnisvolle Art ein Magdeburger Materialwarenhändler. In letz ter Zeit nun verdichteten sich immer mehr die Gerüchte, daß der Vermißte umgebracht und vergraben worden sei. Darauf ließ jetzt die Kriminalpolizei umfang reiche Nachgrabungen vornehmen, die jedoch zu keiner lei Erfolg führten. Bier Tänzerinnen verbrannt. Aus unbekann ter Ursache brach in dem vornehmsten Variete-Theater Roms ein Brand aus, der das Theater völlig ein äscherte. Vier Tänzerinnen kamen in den Flammen um. Unter ihnen befindet sich auch eine Deutsche na mens Lydia Maknik. * vcaa> einer Meldung aus Fulda stürzte unweit Aueckers ein Doppeldecker, der eine Uebungsfahrt nahm, ab. Der Apparat wurde völlig zerstört. Der FühW» kam ohne Verletzungen davon. * Vom Eilzug Bremen—Hannover wurden bei Seeh» drei Nottenarbeiter überfahren und zermalmt. * Eine Feuersbrunst verursachte in Vancouver (Bri- tisch-Columbia) in den „Percival Buildings" einen auf 250 000 Dollar geschätzten Schaden. Elf Handelshäuser sind beschädigt worden. Durch eigene Hand. Roman von B. Coronv. —j IS. Fvrst^m» „Ich hoffe, daß der Tag kommen wird, an welchem ' Sie Ihr Mißtrauen und die mir heute zugefügte Be leidigung bitter bereuen!" rief Herr v. d. Heyden, in dessen bleichem Antlitz nur die zornblitzenden Augen zu leben schienen. „Ich habe Sie aufrichtig verehrt — ich liebe Carola über alle Begriffe. Jetzt soll mein ganzes Streben darauf gerichtet sein, den elenden Buben, der meine Ehre so mit Schmutz beworfen hat, ! zu entlarven!" „Bis Ihnen das gelungen ist, bitte ich Sie, mein Haus zu meiden und keinen Versuch zu machen, sich meiner Tochter zu nähern." ' „Zweifelt denn auch Carola an mir?" i „Ob sic zweifelt oder nicht — das kann an meinem Verbot nichts ändern. Aber was die eigenen Augen sehen, das vermag selbst das zärtlichste Herz nicht hin- wegzuleugnen!" „Ich weiß genug!" preßte Günter zwischen den Zähnen hervor. „Ich werde meine ganze Willenskraft auf eine einzige Aufgabe konzentrieren. Wenn mir auch das Glück verloren gegangen ist — meine Ehre will und werde ich retten und zurückgewinnen!" Frau von Doppelhof antwortete mit keiner Silbe. Sie sah Günter nur an mit einem Mick, der zu sagen schien: „Geh fort, auf immer — geh aus meinem Hause — und aus meinem Leben!" Die Tür fiel hinter ihm zu. Seine Schritte verhallten auf der Treppe. Bald darauf vernahm man die Hufschläge der Pferde, die in gestrecktem Galopp davonsprcngten. Noch lange blieb Frau von Doppelhof regungslos stehen. In ihrem Innern tobte ein heftiger Sturm. War sie ungerecht gewesen? Konnten die Dinge denn wirklich anders liegen, als sic infolge ihrer Ent deckung annehmen mußte? Was bedeutete dieses wehe, bange Gefühl, das ihr förmlich die Brust zu sammenschnürte? „Nein, nein, nein!" rief die alte Dame plötzlich laut aus. „Ich habe recht gehandelt! Ich durste nicht schwach werden! Um meines Kindes willen durfte ich nicht anders handeln! Ein kurzer Schmerz ist besser als lange Nttn: — so sagte Dr. Hagen, nnd ich muß ihm beipflichten." Langsam, zögernd, wie jemand, der vor einer ! schweren Entscheidung — vor etwas, das er kommen ! sechstes Kapitel. " In unbeschreiblicher Erregung langte Günter aus Brachwitz an und setzte sofort seinen Oheim von allem m Kenntnis. Der alte Oberst a. D. von Brachwitz schlug mit -er geballten Faust auf den Tisch und rief mit einer Stimme, die wie Donnergrollen durch den Saal klang: „Eine Kranke, eine fast Sterbende beraubt! Das ist ja ein Schurkenstreich sondergleichen!" „Dessen du mich jedenfalls nicht für fähig hältst!" „Nein, wahrlich nicht, Günter. Aber dieser ent ehrende Verdacht darf nicht länger auf meinem Neffen lasten. Da muß Licht in die Sache! Ich selbst werde einen tüchtigen Geheimpolizisten mit den Nachforschun gen betrauen. Die Wahrheit soll an den Tag kommen!" „Es fehlen nur leider alle Anhaltspunkte, Onkel. Vergebens suche ich den rettenden Faden, der mich aus diesem Labyrinth führen könnte." „Weidner wird ihn hoffentlich zu finden wissen. Seit wann vermissest du den Knopf mit der Gemme?" „Ich glaube, seit Carolas Geburtstag gefeiert wurde — ich kann es aber nicht bestimmt behaupten. Vielleicht ist mir der Knopf auch früher oder später ab handen gekommen." „So eine verwünschte Unordnung! Freilich, ein Mensch, der bis über die Ohren verliebt ist, findet es nicht der Mühe wert, sich um den Verlust eines wert vollen Familienandenkens zu bekümmern. Hättest du es getan, und hättest du davon gesprochen, dann lägen die Dinge jetzt wesentlich anders. Na, daran ist nichts mehr zu ändern." „Leider — nein!" „Daß der Schlüssel zu meinem alten Schreibtisch, in dem schon seit Jahren nur ganz unwichtige Papiere, wie Einladungen, Ansichtskarten usw. liegen, nicht ab gezogen worden ist und auch an jenem Unglückstag darin steckte, dessen bin ich gewiß. Ob dieser Schlüssel zu dem Schloß des Schreibtisches in Kroneck paßt, weiß ich nicht, das aber steht fest, daß er nicht von Brachwitz wegkam. Ich bewahre in einer der Schubladen — der Bequemlichkeit wegen — meinen türkischen Tabak, die Zigarettenmaschinc und das Zigarcttenpapier aus, kann nur mittels des Schlüssels aufziehen und würde diesen, da ich ein starker Raucher bin, sofort vermißt haben, wenn cr gefehlt hätte. Die Kassette kann nur ein Hausgenosse der Damen gestohlen haben, und zwar muß cs einer gewesen sein, der gut Bescheid weiß." „Das glaube ich auch." (Fortsetzung folgt.) 1 Mitteldeutscher Rundfunk. Mittwoch, 15. Dezember. 4.30—6.00: Nachmittagskonzett. 4- 6.00-6.15: MorsekursuS 4- 6.15—6.30: Arbeitsmarktbericht des SSchs. Laudesarbeits- amtes^ 4° 6.30—7.00: Deutsche Welle, Berlin. 4- 7.00—8.00: Vortrage. 4- 8.15: Weihnachtskonzert. Mttwirkende: Ein Streichorchester. Leitung: Theodor Blumer. 1. Francesco Manfredini: Concerto grosso zu Weihnachten für Streich, orchester und Klavier. 2. Alte Weihnachtslieder. 3. Arcangelo Orelli (1653—1713): Concerto grosso, Nr. 8, zum Weihnachts- abend (1712) für Streichorchester mit Soli und Klavier. 4- 10.30: Kunkpranger: Funkbrettl. steyt und voch nicht sehen möchte — zurückbebt, ging sie zu ihrer Tochter, allerlei nichtige Vorwände suchend, um den Moment des Eintritts hinauszuschieben. Bald hemmte sie den Fuß, weil ein kleiner Riß im Laufteppich war, bald bemerkte sie ein winziges Spinnennetz, das doch eigentlich entfernt werden mußte. Aber endlich stand die zagende Frau doch vor -er Tür, hinter der ihr über alles geliebtes Kind einer Nachricht harrte, die entweder jubelndes Glück oder namenlosen Jammer bringen mußte. Da flog diese Tür auf und Carola erschien in dem Rahmen derselben. „Er hat sich gerechtfertigt, Mama? Nicht wahr? Alles ist zur Zufriedenheit aufgeklärt?" fragten die farblosen Lippen. „Nein, mein Kind, er konnte es leider nicht. Ver giß den Ehrlosen — komm, weine deinen Schmerz an meiner Brust aus." Ein markerschütternder Schrei gellte durch das kleine trauliche Gemach — Carola taumelte zurück, wie von einer Eisenfaust getroffen. „Kind, Kind, so fasse dich doch. Die Arme der Mutter sind dir geöffnet. Wohl dem, der in seinem Schmerz an ein treues Herz flüchten kann. Du bist jung und wirst überwinden. Lange Jahre des Glückes werden dir noch beschicken sein. Für dich hat ja die Jugend mit allen ihren Freuden erst begonnen. Günter ist wahrhaftig nicht wert, daß du ihm auch nur eine Träne nachweinst. Ich danke Gott, daß er dich vor einem traurigen Schicksal bewahrte, indem er mir noch rechtzeitig die Augen öffnete." „Ich bin jetzt keinem Trost zugänglich, Mutter. Und käme ein Engel vom Himmel herab, mich zu trösten, ich würde kaum auf seine Worte hören", er widerte das junge Mädchen. „Das Furchtbare, Unbe greifliche ist zu jäh über mich hereingestürmt. Nur die eine Wohltat erweise mir jetzt, Mutter: laß mich allein! Was jetzt in meiner Seele tobt — dieses wilde Weh, diese Scham nnd Verzweiflung muß ich mit eigener Kraft Niederkämpfen. Da kann mir niemand helfen. Geh jetzt, Mnttcr, geh. Wenn wir uns Wieder sehen, werde ich ruhiger sein. Aber jetzt gönne mir die Einsamkeit, die ja auch ein tödlich verwundetes Tier aufsncht. Ich bitte, ich beschwöre dich — geh!" „Gott helfe dir, mein armes Kind! lind Gott Helse mir, die nur in ihrem Kinde lebt!" sagte die alte Fran tief erschüttert. Ans der Schwelle wandte sie sich noch einmal nm und breitete wie segnend die Hände ans, während ihre Lippen sich wie im stummen Gebet bewegten. irische Beleuchtung des Tannenbaums nimmt von Jahr zu Jahr zu. Die Kerzen, die durch ihr wirkliches Feuer den Christbaum so traulich belebten und eine wohlige Wärme ausstrahltcn, gelten der modernen Zeit fast als überholt. Mit der neuen Mode ist selbstverständlich auch das Anzünden der Kerzen in Wegfall gekommen, das ehedem am Heiligen Abend zu einem so feierlichen und weihevollen Akt wurde und alle Herzen in seligstem Frohlocken aufjauchzen ließ. Zweifellos hat die elek trische Tannenbaumbeleuchtung auch ihre gute Seite. Die Gefahr von Christbaumbränden, die bisher in keiner Jahreschronik fehlten und oft sogar schlimme Folgen nach sich zogen, ist damit ein für allemal ge bannt. Auch die Technik der Spielwarenindustrie hat vieles von der Phantasie geraubt, die früher das Kind so glücklich machte. Technisch wirklich vollkommene Spielsachen brauchen noch lange keine seelenvolle Spiel sachen zu sein. Sie sind es vielfach überhaupt nicht. Ein einfaches Püppchen und eine primitive Puppenstube hat srüher unsere Jugend entschieden glücklicher ge macht, als so manches komplizierte Spielzeug, das die moderne Technik schuf und bei dem sich das kindliche Gemüt zuguterletzt langweilt. Daz« kommt, daß früher der Vater, die Mutter oder die älteren Geschwister häufig selber einen Teil der Spielsachen herstellten . und schon dadurch die rechte Beseelung schufen, die heute so manchem neuzeitlichen Weihnachtsspielzeug« vollständig fehlt. ! Gerade weil die Technik immer stärker in den « Zauber der Vorweihnachtszeit und des Festes selber eindrinat, müssen wir darauf sehen, daß uns schltetz- Uch nicht auch noch die letzten Reste von dem, was die «IG» und Seligkeit des Christfestes ausmacht, ge- ,