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Beilage zur WeitzertyZeUung 92. Jahrgang Mittwoch, am 10. November 1926 Nr. 262 ; lonischen Verschwörer fortzusetzen und dte beschloss > nahmten Dokumente zu übersetzen. Danach soll Gari baldi, der bis dahin als „Gast" bei der politischen Po ¬ lizei bleibt, erneut vernommen werden. Dieser Plan ist jedoch durch das Vorgehen dq» .ösischen Behörden nicht zur Ausführung gekommM NN urnr. ssm und Sa. käs »v WZ, gt. 8ü, «in«: Pfd. S-7Y, Ml, rren istrrt reu igel- 64 >«8 . dgl. sinter. >. dgl. M bl, lärsrn, Tl«r«. bischer 'gsam, linder, i«. « und ichten. n Ge. preise. französischen Behörden nicht zur Ausführung gerommM Im übrigen gab Garibaldi noch zu, auch mit OVeM Macia verhandelt zu haben. 26,M, Kar- «ll.'v tatser- hmehl M«n- 70°/o) mark Niehl sden. mfrei »ens- Ein« italienische Aeußernug. Während Mussolini trotz der andauernden 'orderung der französischen Presse, sich zu äußern, 0Ä c für das Treiben Garibaldis verantwortlich 0deP .intergangen sei, noch immer schweigt, wird jetzt auS Rom eine Mitteilung der Polizei verbreitet, in der es heißt: „Die italienische Polizei hatte von mehreren Setten aus Frankreich Mitteilungen erhalten, daß ein gewisser Scivoli, über den damals nichts Näheres bekannt war, nnd der jetzt unter dem Namen Fernand identifiziert ist, nach Italien kommen würde, um ein Attentat aus das Le ben Mussolinis vorzuberetten. Um rascher vorgehen nnd eingehendere Nachrichten über das jenseits der Grenze vor bereitete Komplott erhalten zu können, entsandte die Poli zei den Generalinspektor Lapolla nach Frankreich zu dem ausschließlichen Zweck, in allen ihm bekannten italienischen Kreisen Erkundigungen cinznziehen und sich möglicherweise die Photographie des Scivoli zu beschaffen, damit dte ita lienische Grenzpolizei dessen Einreise leichter verhindern könnte. Zu diesem Zweck war Lapolla genötigt, an Ric- ciotti Garibaldi hcranzutreten, von Sem er wußte, daß er mit Scivoli bekannt war. Er wäre auch an andere Ita liener hcrangetrcten, wenn er nicht gezwungen gewesen wäre, sofort nach Italien zurückzukehrcn. Später traf Lapolla wiederum mit Nieciotti Garibaldi zusammen, um ihm den Paß SeivvliS zurückzugcbench * Auch Maeia gesteht. Konferenzen mit Garibaldi und — Sowjet- ruß land. Nach Pariser Meldungen hat auch der Führer der katatonischen Verschwörung, Oberst Macia, nunmehr eine längere Erklärung abgegeben. Macia bestätigt varin die Richtigkeit de» Behaup tung Garibaldis von einer Besprechung mit ihm. In dieser Unterredung will Maeia Garibaldi von dem ge plante» Handstreich in Katalonien unterrichtet und ihn gefragt haben, ob er auf die Italiener zählen könne, die sich ihm angcschlossen hätten. Garibaldi habe dies bestätigt. Maeia versichert, Geldaltgebote Garibaldis abgelehnt zu haben. Uebrigens habe er nicht nur mit Garibaldi verhandelt, sondern anch mit einem Dele gierten Moskaus Var zehn Monaten eine Unterredung gehabt. T«r Delegierte habe ihm die Unterstützung der Sowjetregierung in Aussicht gestellt. Er fei darauf nach Moskau gefahren. Allem Anschein nach wird die Affäre Garibaldi- Macia noch Rückwirkungen haben. Inzwischen scheint man auch in Spanien unruhig geworden zu sein. Je denfalls sind in Madrid im Zusammenhang mit der katalanischen Verschwörung 60 Verhaftungen vorge nommen worden. Unter den Verhafteten befindet sich auch der Führer der spanischen Republikaner, Alexander Zerroux. Wieder ein Brückeneinsturz. Die Havelbrücke bet Liebenwalde durch Hochwasser zerstört. Durch die starken Niederschläge der letzten Zeit war die obere Havel mit ihren Nebengewässern im Laufe der vorigen Woche ganz beträchtlich ge stiegen. Die Ländereien der oberen Havelgebiete hatten seit längerem bereits eine erhebliche Sättigung durch die Fluten erfahren, sodaß die Niederschläge säst vollkommen abflossen. Infolgedessen stieg unweit Liebenwalde (Kreis Niederbarnim), an .dem Chronik -es Tages. — Bei seiner Vernehmung in Paris hat Garibaldi Auf sehen erregende Geständnisse gemacht. - Die italienische Kammer ist zu einer außcrorbent- licheu Sitzung znsamrnengetreten, um daö Ausnahmegesetz zu ratifizieren. , — Bei den Neuwahlen in Griechenland erlangten die Republikaner gegenüber den Monarchisten eine Mehrheit von 6ö Prozent. „ — Bei einer Unwetterkatastrophe auf den Philippinen sind über ,M Menschen ertrunken und tausende von Häusern cingestttrzt. Die Krise im Faschismus. Es sind noch nicht vierzehn Tage her, da wurde in ganz Italien der vierte Jahrestag des Faschisten marsches auf Rom mit großem Pomp gefeiert. In prahlerischen Worten verkündete Mussolini in seiner Botschaft an das italienische Volk, daß der Faschismus aus der ganzen Linie gesiegt habe und „in voller Sie gessicherheit" den Gedenktag begehen könne. Wie es mit dieser Siegessicherheit der italienischen Faschisten bestellt ist, das haben wir in den letzten Tagen genügend erfahren. Die Jubelhymnen der faschistischen Jahres feier waren noch nicht verklungen, da fiel der Revolver schuh in Bologna. Mit einemmale war die Festesstim mung verschwunden und von dem stolzen Siegesbe wußtsein war nichts mehr zu spüren. Allenthalben setzte ein großes Kesseltreiben der Faschisten gegen die letzten Reste ihrer politischen Gegner ein. Oppositio nelle Zeitungen wurden von Faschisten gestürmt, dis Dru: üen zerstört, politisch anders Denkende miß- hand. und ins Gefängnis geworfen. War schon dieser Wutanbruch des Faschismus kein Beweis für die ge rühmte Siegessicherheit, so zeugen die neuesten Be schlüsse des Großrats der Faschisten, die eine voll ständige Knebelung aller außerhalb des Faschismus stehenden Kreise bedeuten, erst recht nicht von einer großen Siegeszuversicht. In der ganzen Welt haben die neuen Gewaltmaß nahmen der faschistischen Diktatur sofort das größte Aufsehen erregt. Schon seit einiger Zeit mußte man die Entwicklung des Faschismus in Italien mit ziem licher Beunruhigung und Sorge verfolgen, denn es ist nicht abzusehen, wo sie hinftthren und wie sie enden soll. Man gewinnt immer mehr den Eindruck, als ob die faschistische Bewegung im Begriff sei, sich selbst zu überschlagen und sich in Extreme zu verlieren, die den Todeskeim des Ganzen in sich tragen. Ur sprünglich besaß die faschistische Bewegung zweifellos einen gesunden Kern. Es ist wohl verständlich, daß sich in einem Volk mit so heißem Temperament wie dem italienischen schließlich unter der Führung eines entschlossenen, geistig überragenden Mannes der Wille zur nationalen Wiedergeburt durchsetzte und daß dabei auch Formen angewandt wurden, die bei nüchtern den kenden, am Hergebrachten haftenden Leuten Verwun derung und Anstoß erregten. Es kommt eben immer auf die Sache und weniger auf das Aeußerliche an. Das Romantische der Bewegung, die auch Anklänge an die Zeit Garibaldis vor 60 und 50 Jahren trug, wurde noch erhöht durch den eigentümlichen Werdegang Mussolinis. Vom jugendlichen Arbeiter und Sozialisten hat er sich zum starken nationalistischen Führer entwickelt und allmählich Eigenschaften bei sich herausgebildet, die ihn zum Revolutionär in ganz anderem Sinne machten, als man bei uns unter dem Begriff Revolution ver steht. Nun aber scheint es, als ob die Persönlichkeit, in der sich der Gedanke einer Diktatorherrschaft in nie geahntem Grade verkörpert, allmählich zum Werkzeug der von ihm geschaffenen Bewegung geworden ist. Nach außen umkleidet ihn eine Machtfülle, wie man sie selten in der Weltgeschichte gesehen hat. Innerlich ist er wahrscheinlich heute bereits weit unfreier, als er sich selbst zugestehen wird. Ein so kluger weitblickender Mann wie Mussolini muß sich in stillen Stunden selbst sagen, daß eine Be wegung ihren Höhepunkt überschritten hat, die zu Mitteln greift, wie die soeben im Zusammenhang mit dem Namen Garibaldi gemachten Enthüllungen sich darstellen. Wenn nicht nur jegliche selbständige Rege lung im politischen Leben eines großen Volkes unter drückt, wenn sogar die Verbindung mit dem Ausland unterbrochen und die Betätigung von Ausländern im eigenen Lande unter dauernde Polizeiaufsicht gestellt werden sollen, wenn Lockspitzeltum und Polizeiwillkür die uneingeschränkte Oberherrschaft gewinnen, dann er innert das an russische Zustände zur Zeit des Zaris mus wie unter der Sowjetregierung, die auf die Dauer unhaltbar sind und mit Naturnotwendigkeit zum Zu sammenbruch führen müssen. Dem Italiener liegt die Lust an politischen Verschwörungen und Attentaten. Man kann mit großer Sicherheit daraus rechnen, daß der Riesendruck, den die Faschisten jetzt in Anwendung bringen, denjenigen Gegendruck erzeugen wird, der das Ende des Faschismus einmal herbeiführen wird. Politische Rundschau. — Berlin, den 9. November 1926. - - Der neue deutsche Gesandte in Dänemark von Hassel ist in Kopenhagen eingetrosfen und hat die Geschäfte der GesnndNchait übernommen. — Am Jahrestage der Gründung der Sowjetrepubliken »er- anslaltetc die russische Botschaft in Berlin einen Festabend, an dem Diplomaten, Männer des öffentlichen Lebens und Ser deutsche Außenminister teilnahmen. — Unter starker Beteiligung fand in Stuttgart die fei erliche Tradijionsübernahme der früheren Lanbespvlizet der Südsce durch die württembcrgtsche Schutzpolizei statt. Die Uebergabe der Tradition erfolgte durch den letzten In- spektcur der Landespoltzct der Südsce, Major a. D. von Klewitz. Im Anschluß daran sprach Botschafter Dr. Solf über de» kolyntalen Gedanken jiy Nachkriegsdeutschlaud. U Dr. Külz für eine Gesamtlösuna aller Pro bleme. In einer Rede über Reichs- und Wirtschafts fragen in Lübeck betonte Neichsinnenminister Dr. Külz, Deutschlands Aufnahme in den Völkerbund bedeute ein Abrücken von der elenden Lüge der Alleinschuld Deutsch lands am Weltkriege. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, wo eine Gesamtlösung aller Probleme heranrücke. Deutschlands Eingliederung in die europäische und in die Weltwirtschaft werde nur dann Erfolg haben, wenn auch in Deutschland die Wirtschaft sich wieder gefestigt habe. Der Minister beschäftigte sich dann noch mit dem Steuerproblem, das in diesem Jahre kaum gelöst werden könne. Ohne eine Verwaltungsreform sei eine Endlösung überhaupt nicht möglich. Es handele sich daher voreist nur um Zwischenlösungen. :: „Die Selbstverwaltung im neue» Staat." Mit diesem Thema leitete der Essener Oberbürgermeister Bracht das Wintersemester der niederrheinischen Ver- waltnngSakademie ein. Nach einer geschichtlichen Wür digung kritisierte der Redner den Entwurf der dem Landtage vorliegenden Städteordnung, die im wesent lichen die Sondergesetze des Reiches und Preußens seit 1919 umfaßt und dis stärkste Bevormundung der Selbst verwaltung durch die Staatsaufsicht verkörpere. Die in den Denkschriften des Städtetages so oft gerügte Be schränkung der Selbstverwaltung bleibe in vollem Um fange bestehen. Der kommunalen Selbstverwaltung würden unaufhörlich neue Ausgaben aufgebürdet, für deren Deckung aber wenig Sorge getragen werde. Rundschau im Auslande. ) Die „Selbstverwaltung der Bauern" in Dänemark hat zu den Neuwahlen des dänischen Reichstags Stellung genommen und Cornelius Petersen als Kandidaten aufge stellt. t Jean Millot, der französische Beirat der internatio nalen Donaukommission, ist bei einer Schisssbesichtigung in dte Donau gestürzt und ertrunken. t Die Mutter beS bei dem Mussolink-Attentat in Bologna gelynchten 18 jährigen Knaben Zamboni ist wahn- sinnig geworden. t Nach Feststellungen des amerikanischen Hanöelssekre- tärS verhalten sich die jetzigen Löhne in den Bereinigten Staaten zu denen von 1913 wie 238:109. Die deutsch-englischen Jndustrieverhaudluuge». t Während die Vertreter der Organisationen -er deut schen und englischen Industrie bereits Anfang Dezember in London zu gemeinsamen Beratungen über Arbeitsmethoden und Organstationssragen zusammenkommen, ist die Fortset zung der im Rvmsey begonnenen Aussprache erst für An fang April in Aussicht genommen. Dr. Duisberg, der Prä sident des RcichSverbandes der deutschen Industrie, hat die an den Verhandlungen in Rvmsey beteiligten britischen In dustriellen zu diesem Zeitpunkt nach Leverkusen eingeladen. Bet den Verhandlungen im April soll die Frage der wirt schaftlichen Zusammenarbeit der deutschen und englischen Industrie weiter behandelt werden. Nm die Beilegung des Kohlenstreiks. t Aus Grund der Besprechungen mit den Bergarbet- terführern und den Grubenbesitzern hat die englische Regie rung folgende Vorschläge zur Beilegung des Streiks ge macht: Der Grundsatz des Siebenstundentages wird für bas ganze Land ausrechterhalten. Die Löhne werden sich auf einen Siebenstundentag gründen, doch stehe den Bezirken frei, örtliche Abänderungen zu treffen, wenn und wo eS nötig jst. Jeder Bezirk wird einen garantierten Mindest, lohn für die niedrigst bezahlten Arbeiter haben. Endlich soll ein nationales Schiedsgericht alle Fragen behandeln, über die in den Bezirken keine Einigung zustandekommt, und es soll alle VczirkSregelungen vor Inkrafttreten mit einander in Einklang bringen. Konflikt zwischen Belgien und China. t Tie chinesische Negierung in Peking hat den chinesisch belgischen Vertrag von 1868 aufgehoben. In diplomatischen Kreisen sieht man darin ein wichtiges Ereignis. Es wird heroorgchoben, daß die Aufhebung des Vertrages die Hoheitsrechte Belgiens beseitigt, und bgß die Belgier damit in China dieselbe Stellung einnehmcn, wie Oesterreicher, Deutsche und Russen. Belgien bestreitet China das Recht zur Abänderung oder Aufhebung deS Vertrages und wtll den Streitfall dem Internationalen Gerichtshof im Haag unterbreiten. Garibaldis Geständnis. Verbindung mit dem Attentäter Lucetti. — Konferenz mit Oberst Macia. — Spitzel dienste. Die Vernehmung des von den französischen Be hörden in Gewahrsam genommenen faschistischen Spitzels Garibaldi wird in dieser Woche vorläufig zu Ende geführt. Es ist geplant, zunächst das Verhör der kata« SN es Garibaldi hat sein Geständnis von Vernehmung zu Vernehmung erweitern müssen. Er gibt zu, mu Lucetti, der am 11. September in Rom eine Bomb« gegen Mussolini schleuderte, in Verbindung gestand«»' zu haben. Dte Untersuchungsbehörde nimmt an, dM Garibaldi von dem Attentat gewußt und Lucetti viel leicht selbst nach Rom geschickt hat! Sütf eine Frage, warum er das Attentat nicht durch Benachrichtigung des italienischen Konsulats verhütet habe, antwortete Garibaldi, er habe von Lapolla, einem Beamten der römischen Polizei, der mit falschem Paß nach Frank reich gekommen ist, die Weisung erhalten, den italie nischen Behörden keinerlei Informationen zugehen zu lassen. Eine weitere Ueberraschung bildete vas Geständ nis Garibaldis, im Oktober mit den italienischen Po« lizeibeamten Lapolla und Scala eine lauge Unterredur^ gehabt zu haben, in der beschlossen wurde, den Jtg»! «euer Scivoli »ach Italien zu entsende»-. Die Po»! lizeibeamten beabsichtigten, die italienischem Republi kaner nach einem bestimmten Ort z» locken. Gleich zeitig mit dem Einbruch de» Katalonier i» Spant«» sollte dann in Italien ein« antifaschistisch« Bewegung hervorgerufe» werden, «m mit einem Schlage all« Gegner des Faschismus bei einem hochverräterisch«» Unternehme» verhaften z« können! Awsse «HUH ^Zn/rs 9 8