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(Nachdruck verboten) ber ich will es, Pachen!" Ediths Augen blitzten förmlich. In nervöser Erregung sprühte sie ihren Vater an. „Warum willst Du dem in Not ge ratenen Herrn von Brandt nicht gefällig .sein?" ... Sie sprach hastig, aufgeregt krankhaft... „Ich bitte Dich, mir diesen Wunsch zu erfüllen. Ich habe das bestimmte Bedürfnis, Herrn von Brandt zu helfen.. Burmann schien ratlos. Mit bestürzter Miene blickte er seine Hausdame an. Und als diese unter einem ironischen Mundzucken die Schultern hob und damit jede Einmischung ablehnte — warum hatte er vorhin ihre Kenntnisse über die Brandts in seiner bekannten, sie verletzenden Art ignoriert —, suchte er Renatens Augen und fand sie zu Boden gerichtet. Aber die schöne reine Stirn schien von Unmut beschattet. Oder war es Verlegenheit? Vielleicht auch Besorgnis... Ja, man mußte über Edith besorgt sein. Ihr eigen- sinnige» Aufbegehren und Fordern entsprang sicher dem krankhaften Zustande ihrer Nerven. So töricht forderten eben nur Kranke oder Kinder. Und da sie den Kinder- schuhen mit ihren fast zwanzig Jahren doch wirklich ent wachsen war, mußte man den Grund für ihr eigentüm liches Gebaren in gestörten Neroenfunktionen suchen. Solchen Leuten durfte man nicht mit striktem Wider spruch kommen; denn das verschlimmerte den Zustand. Burmann hatte sich so weit besonnen, daß er sich zu einem freundlichen Lächeln hinfand und beruhigend sagte: „Aber Herr von Brandt ist Dir doch völlig fremd, liebes Kindl Wie kann da das dringende Bedürfnis — wie Du sagst — in Dir vorhanden sein, ihm zu helfen?- Ediths Augen waren wie in einer Verzückung starr las Leere gerichtet. Uebernatürlich groß blickten sie. „Es ist eben so!" sagte sie, als spräche sie zu sich selbst „Ich spüre einen Zwang in mir, dem ich nicht wider stehen kann. Seitdem ich von diesem Manne weiß, nun auch seine Notlage kenne, wogt es in meiner Seele wie — wie ^oll ich sagen — ich möchte sagen: wie treibende Flut. Wie die unaufhaltsame Flut des wiederkehrenden Meeres... Und ich muß mich ihr unterordnen wie einem unabänderlichen Gesetz ..." „Mein Gott, sie sieht aus wie eine Wahnsinnige," dachte Frau Wessel in Angst und krampfte die Hände in einander. Und Renate legte ihre kühle Rechte besorgt auf die zuckenden, nervös im Schoß tastenden Hände der Freundin. Tdithl" sagte sie leise. Zuk I^esfelvöräe Roman von Fritz Gantzer. (5. Fortsetzung.) Da sah sie die Sprechende lächelnd an und nickte ihr zu. Der starre Ausdruck war verschwunden. Aufatmend lehnte sie sich zurück. Und nun glitt wieder die alte Müdigkeit wie ein dunkelnder Schatten über ibre Züge. Burmann, erschrocken und für eine Weile nicht Herr seines Entscheidens, hatte nunmehr in Hast einen vor läufigen Entschluß gefaßt. Er lehnte sich zu Edith über den Tisch und sagte; „Höre, Kind, —Du Edith, hörst Du?" Sie fah abwesend in sein Gesicht und nickte. Nun fuhr er fort: „Also, weißt Du, das Depeschieren müssen wir lassen. Sonst gibt das Mißverständnisse, da mein Brief unter wegs ist. Aber ich will morgen an Herrn von Brandt ' schreiben und ihm mitteilen, daß ich ihn in den nächsten Tagen zwecks Besichtigung Hesselvördes besuchen würde. Ist es Dir recht so?" „Morgen? Schreibe doch heute noch! Dann treffen beide Briefe gleichzeitig ein. „Heute habe ich keine Zeit mehr. Gleich nach Tisch muß ich zu einer Sitzung des Aufsichtsrats der »Dresdner Bank. In Wirklichkeit wollte er Zeit gewinnen. Er hoffte, daß Edith am nächsten Tage ihre .fixe Idee, wie er ihren Wunsch im stillen nannte, nicht weiter verfolgen und anderer Gesinnung sein würde. Sie gab sich mit seinem Einwande zufrieden und sagte: „Nun, dann gut, also morgen. Aber bestimmt, Pal Ich nehme Dich beim Wort." Frau Wessel fand das Verhalten Burmanns unver antwortlich. Wie konnte man dieser marottenhaften Edith so weit nachgeben I Sie war davon überzeugt, daß ent schiedener Widerstand weit eher eine Berechtigung gehabt hätte. Sie,.Edith, wurde ja immer launenhafter, immer unberechenbarer. Schon jetzt tyrannisierte sie ihre Um gebung in einer geradezu fürchterlichen Weise. Wohin sollte das führen? Am Abend sprach sie in diesem Sinne zu Burmann. „Lieber Georg Wilhelm," sagte sie zuletzt, „tun Sie mir den Gefallen und treten Sie Edith mit mehr Energie entgegen I Ich sehe ja, daß ihre Nerven nicht völlig in Ordnung sind, aber — mein Gott — wer hat denn heut zutage einwandfrei gesunde Nerven? Kein Mensch. Ich selbst leide auch. Was sollte denn werden, wenn da jeder seiner Laune die Zügel schießen lassen wollte! Ich halte es für viel richtiger, wenn Edith eine Weile in ein Sanatorium geht. Aber mit diesem Hesselvörde l? Da» ist ja ..." Sie brach erschöpft ab und seufzte. > „Nun, wie ist es?" forschte Burmann stirnrunzelnd. Er liebte es nicht, wenn ihn seine Hausdame zu bestimmen suchte. Er konnte sie deswegen fast hassen. Und gewöhn- s