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BeUage zur WeitzenyZettung Sonnabend, am 20. November 1926 Nr. 270 92. Jahrgang Am Ruheplatz der Toten. , Gedanken zum Totensonntag. Ein Tag des ganzen langen Jahres ist der Erinne rung der Toten geweiht, nur ein einziger Tag. Sind wir nicht ein undankbares, ein pietätloses Geschlecht, daß wir nur einen Tag übrig haben, für die, die mit uns gelebt, mit uns geliebt, mit uns gelitten haben und uns vorauseiltcn in das stille Jenseits, das auch wir — wer weiß wie bald! — betreten werden? Als sie von uns gingen, in düsteren Stunden, in trauerumflor ten Tagen, als der Schatten ihrer lieben Gestalt, gleich sam noch aus Erden weilte, während sie selbst in eine höhere Welt schon eingegangen waren, da war es uns, als sollte jeder künftige Tag ein Gcdächtnistag, jeder künftige Sonntag ein Totensonntag für unser Herz sein, i Aber es kam die Stunde, wo wir den schwarzen Flor von unserm Aermel abstreiften, wo wir uns wieder in ein Hellers Gewand kleideten, es kam ein Monat, da wir das stille Grab nicht mehr besucht hatten, und aus dem einen Monat wurde bald ein Jahr, ein ganzes langes Jahr; das lebendige Leben hat uns am Arm genommen und uns in das Alltagsgetricbe zurück- geführt, uns nlit Sorgen, Mühen, Plänen, Hoffnungen, Enttäuschungen überschüttet, bis wir dann nur mit leiser Wehmut noch der Heimgegangenen gedachten, als der fernen, ganz fernen Lieben. So ist der Welt Lauf, so ist es uns selbst ergangen, so wird es den lieben Menschen ergehen, die einst um uns weinen und nach uns im Geiste die Arme aus- strccken werden. Sollten wir nun heute zu den Gräbern hinausgchen und uns des undankbaren Vergessens an- klagcn? Sicherlich nicht. Gott hat die Welt der Leben den und der Toten durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt. Er hat nicht gewollt, daß die Hände der Verstorbenen noch in unser irdisches Leben Hinein griffen, noch daß wir Irdischen in das Reich der Ver klärten eingreifen können. Es giebt keine tiefere Kluft, als die zwischen den Toten und den Lebenden, und ein Wahnwitz und Fre vel ist es, die Geister jener Welt auf die Kampfplätze dieser Welt gleichsam mit List und Gewalt wieder zurückzurufen. Wir sollen vielmehr diese heilige Ord nung ehren. Das Jenseits verlangt die Seelen ganz, aber auch dieses unser Leben auf Erden beansprucht den ganzen Menschen. Unsere ganze Kraft gehört den Aufgaben, die Gott in dieser Welt uns auferlegr. Die Heimgegangenen sind an ein neues Werk gestellt, wir stehen an dem unseren. Es wäre darum wider die Pflicht, wollten wir unser Herz immerdar teilen zwi schen Toten und Lebenden. So oft die Sehnsucht mit linder Hand unsere Seele streichelt und uns zu Tränen rühren möchte, so wollen wir zu uns sprechen: O, ich vergesse euch nicht, die ihr nun droben seid, und euer Bild soll aufrichtend und anfeuernd immerdar in mei nem Herzen weilen; aber heiliger als das weiche Gefühl ist die harte Pflicht. Und solange Gott mich auf dieser irdischen Werkstatt arbeiten heißt, muß mein Wille und meine Kraft, mein Denken und Tun, fest zusammen- qerafft, dieser täglichen Pflicht gehören. Nicht weich- inütig zerfließen soll unser Wille, sondern hart werden wie Stahl soll er. Nicht Träumer dürfen wir sein, die in süßem WchmutSschmerze die Steine des Friedhofs mit ihren Tränen benetzen, sondern „Mitarbeiter Gottes", tatbcreite Männer und Frauen, die die Pflug schar der Arbeit nicht aus der Hand lassen. Und gewiß, dann handeln wir am besten im Sinne derer, dis bin übergegangen sind, die uns voranzogen auf der großen Heerstraße, die vom irdischen Leben in die Ewigkeit führt. Nicht durch Tränen, sondern durch Taten wollen wir die Unvergeßlichen ehren, ob der Grabstein schon verwittert ist, oder ob die ersten frischen Kränze erst welken wollen. Gerade beim Anschauen des Toten wird uns der Wert des uns vergönnten, des uns anvertrautcn Lebens doppelt fühlbar. Nutzen wir es rastlos, weihen wir es durch Taten; dies wird die beste Vorbereitung für die große Ruhe sein, die uns allen ! bestimmt ist. Aus Stadt und Land. Bubikopf mit — Scchstagc-Rcnncn. In Ber- § lin wurde kürzlich von einer großen Haarkünstlerin ein Modeabend veranstaltet, und zwar unter dem - Schlagwort „Bubikopfphantasien". Die Phantasie scheint hier denn auch tatsächlich alle bisherigen Rekorde ! in den Schatten gestellt zu haben, denn es war unter , anderem ein Bubikopf zu sehen, der — das „Sechs- ! tagerennen" darstcllte. Eingebaut in welliges Rot er- j schien die Rennbahn, erschien eine Tafel, auf der man f zur näheren Erläuterung dieser Jules-Verne-Jdec das j Wort „Sechstagerennen" lesen konnte. Man weiß tat- ! sächlich nicht mehr, ob die Phantasie unserer Tage eine i Schraube zu viel oder eine Schraube zu wenig hat. > Tic Rache eines Entlassenen. In den Bureaus ! der Berliner Elektrizitätswerke A.-G. (Bewag) am ! Schifsbauerdamm ist eine entsetzliche Bluttat verübt i worden. Ein 26jährigcr Angestellter, dem vor einigen ! Tagen gekündigt worden war, erschien im Bureau ! und verlangte eine Unterredung mit dem Direktor j Kuntzmann. Als der Angestellte in das Zimmer des , Direktors geführt wurde, gab er, nachdem er Kuntz- i mann schwer beschimpft hatte, einen Revolverschuß auf j den Direktor ab. Der Schuß ging jedoch fehl. Der j Personalchef der Werke, Max Neßler, hingegen, der dem - Wüterich die Waffe zu entreißen suchte, wurde dabei § von zwei Kugeln so schwer in die Brust getroffen, daß er bereits auf dem Transport zum Krnnkenhause ver- i schied. Der Täter flüchtete, stellte sich aber später ' selber der Polizei. ** Wie man Gläubiger vertröstet. Vor wenigen ! Tagen machte ein Druckcreibesitzer aus Charlotten burg der Kriminalpolizei die Mitteilung, daß Ein- ! NHI tech. Bür», Dippoldiswalde M?» 8 Schuhgohe 110/11. Tel 73. neu und gebraucht, Umtausch, Farbbänder und Ersatzteile für alle Systeme. Jegliche Reparaturen vismpt und gewissenhaft. 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Die Wette wurde von ihm auch gewonnen, aber bald stellten sich starke Ma genschmerzen ein, der Unbedachte mußte ins Kranken haus geschafft werden, wo er den Folgen der unsinni gen Wette erlag. Erstickungstod durch eine elektrische Sonne. In Neumühlen-Dietrichsdorf bei Kiel fand ein junger Mann dadurch den Tod, daß die elektrische Sonne, di« er in seinem Zimmer eingeschaltet hatte, der Luft zuviel Sauerstoff entzog. Die Wiederbelebungsversuche verliefen erfolglos. Schweres Novemvcrgewitter über Rügen. Ein schweres, von Hagel und Wolkenbrüchen begleitetes Gewitter ist über das südliche Rügen hinweggegangen. Jin Kreidewerk Plukkow zündete der Blitz und äscherte ein Zweifamilienhaus ein. Ein Mann erlitt durch den Blitz eine Lähmung. Die Eröffnung eines internationale» Krast- vcrkchrsarchives hat jetzt in Hamburg stattgefunden. Das Archiv, das sich auf die Arbeitsgruppen Personen kraftwagen, Nutzkraftwagen, Krafträder, Traktoren, Elektromobile, Flugzeuge und Motorboote erstreckt, die wiederum in Unterabteilungen Industrie, Handel, Ge werbe, Verkehr und Technik eingeteilt sind, soll die Zentrale für alle Fragen des internationalen Kraftver kehrs sein. In dem Institut wird das aus amtlichen Quellen sowie von zahlreichen eigenen Mitarbeitern stammende Material über die genannten Jndustrie- gruppen und Wirtschaftsabteilungen bearbeitet. Das Institut betrachtet als seine Hauptaufgaben die Kon junkturforschung und die Schaffung von Umsatzgele genheit. Tragischer Abschluß einer Hochzeitsreise. Einen jähen Tod erlitt ein junges Ehepaar in Köln, das von der Hochzeitsreise zu ückgekehrt war. Die beiden hatten vergessen, den Gas., hn am Badeofen zu schlie ßen und wurden durch die ansströmenden Gase erstickt. Als die Haushälterin am Abend mit der brennenden Lampe das Badezimmer betrat, erfolgte eine Explosion, die einen Deckeneinsturz zur F'' hatte. Die Haus hälterin, deren Kleider in l Flammen standen, erlitt schwere Brandwunden, sie dem Kranken hause zugcführt werden muht.. " Große Nuterschlcifc i» Goch? Infolge Anord nung der Clever Staatsanwaltschaft sind in Goch (Rhein) unter dem Verdacht, Erweröslosengelder nicht bestimmungsgemäß verwandt zu haben, der erste Bei geordnete und der Stadireutmeister in Untersuchungs haft gesetzt worden. Die Verhafteten sollen im Jahre 1924 Reichsgclder von etwa 200 000 Mark, die für die Erwerb loscnfürsvrge bestimmt waren, nicht ihrem eigentlichen weck zu^ "t haben. Vermutlich durch Brnuvstiflung brach in Alt- heim (Baden) in der Scheune eines Landwirtes Feuer aus, das mit rasender Geschwindigkeit um sich griff und in kurzer Zeit drei Wohnhäuser und elf Scheunen ein äscherte. Zahlreiches Vieh, große Erntevorräte, so wie Mobiliar sind dem Brande anhcimgefallen. - Reue Schiff-Verluste ans rem Atlantik. Zwanzig Schiffe werden, einer Londoner Meldung zufolge, von Lloyds Schiffburcau als überfällig gemeldet. Es wird vermutet, daß sie bei den letzten Stürmen auf dem Atlantischen Ozcan gescheitert sind. Kleine Nachrichten. * In der letzten Berliner Stadtvcrorducleuversamm- luna fand vor Eintritt in die Tagesordnung die feierliche Einführung der vier neugewählten Stadträte statt, nach dem die Bestätigung durch den Oberprnsidenten schon vor einigen Tagen erfolgt war. Wie Amerika die Ehanfscnre verwarnt. """ In New Uork ist jetzt an eitler besonders verkehrs reichen Stelle obiges Warnungssignal errichtet wor den, das in deutscher Uebersetzung folgende Inschrift trägt: „Zum Andenken an 665 Personen, die von rücksichtslosen Autolenkern seit dem 1. Januar 1926 m New Uork getötet wurden."