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's 8 8 dS^ Maren Ein Geschehnis aus dem Seebeben. Von Heinz E'Mouts. lNachtreck »krittln) Der Jager und der Butirnklüvrr klapperte» Md schkngr« I einen Augenblick, wie große Möwen, wenn sie vom Schuß getroffen aus der Luft herabsinken; dann rauschten sie klirrend au den Stagen nieder. Unter taktmätzigcm Singen geite man die Fock unv holte das dreieckige Toppsegel nieder. Dana ging Jan Stirksen, der Halbmann, hinaus auf den Klüver» laum, die Stagscgel zu beschlagen, und die anderen stiegen in den Vortopp, um auch dorten Lie Arbeit deS Segelbeigens zu vollenden. - Als dann alles fertig war, gingen sie wieder nach dem Noof. Cs war ja Sonntag, und an solchen ruht alle nicht notwendige Arbeit an Bord. Vorerst aber sahen sie gewohnheitsmäßig hinaus sauf die Wasser: mit spähendem Blick. Der war scharf, wie der der Sturmvögel und Möwen. * Das Meer, die gewaltige Scheibe, War nun völlig schwarz geworden. Weiße Streifen leuchteten darauf gar UUheimW u^L es sah aus, wie eine ungeheure Schabracke. „Dat gibt wat hüt nacht," sagte man. Und man sagte es ganz ruhig. Dann spann man das unterbrochene Garn weiter.' Erst aber hatte mau die im Laufe der Reis« zu kÄzea schwarzen Stummeln gewordenen Kalkpfeifen angezündet, und deren Nauch quoll in dünnen blauen Säulen in die Höhe, Lallte sich über den Kopsen der Erzähler zu einer dichten Molke, lroch träge in die Kojen, mit den geblümten Kissen- bdzügen, sie mit einem durchdringenden Labaksgeruch« schwängernd. Der, welchen sie Hinnerk genannt hatten, ging während» dessen mit großen Schritten bei dem Kompaß auf und nieder. Er war der Bestmann der „Vier Gebrüder", und Jürgen Spill, r hatte ihm die Wache übertragen. Er hielt die buntgestrickte Tellermütze in der Hand. Die frische Brise wühlte in seinem leicht gelockten Haar. „Hier butten iS dat doch am aller'cheunsten," sagte er Vor sich hin und richtete den Blick ins Weite. Das war bis zum Horizont bereits ein einzige- weißeS Gewimmel, wie wenn Tausende von schneeigen Hengsten in einer ungeheuren Arena sich drängten. l/ Ja oie See, die liebte er. Ihr würde er treu ergeben H bleiben, bis ins hohe Alter. Sie war ihm eine treue Amme gewesen in seinen Jugeudjahrcn, sie hatte ihn in Schlaf gesungen und gewiegt, sie war die Grundlage geworden, auf der sich sein ganzes Dasein aufbaute. „Du schallst mau srien, Hinnerk," sagte plötzlich ganz unvermittelt Ler am Rade stehende Matrose. „Ecu groter Kerl von 28 Johr un keene Fru! Wat schollt denn de DeernS denken von di?" Hinnerk lachte. Aber sein Maat möge man zufrieden sein. Er habe schon gewählt. Die weite See, das sei sein« Fran, und die werde es bleiben, bis zu seinem Ende. Die schien die Worte des jungen Seemanns zu verstehen. Mit einem kühnen Satz sprang sie in diesem Augenblick mitten auf das Vordeck, daß die „Vier Gebrüder" in ihren Gruudfeiun erbebten, fegte nach achtern, zu weißem Gischt zerstäubt und hüllte den Bestmann in einen Sprühnebel ein, als wollte sie ihn kosend umfangen. „Ahn," hieß es da bei denen im Noof. „RaßmuS kiekt öwer dci Reling. Treckt you man Oeltüg an." Da suchte man die schweren, in der laugen Zeit deS schönen Wetters grau und hart gewordenen Stiefel hervor; plump wie holländische Torskähne. Und man legte die Rüstung an, zum Kamvf gegen das feindliche Element: Len aus starker Leinwand geschneiderten und gewachsten Oelanzug, der Lie massigen Glieder umhüllte, blank und glänzend wie Haifisch haut. lieber den Kops aber stülpte mau Len Südwester; eine Art Helm aus geleertem Linnen mit langem Nackenschirm. Und alle sahen nun sehr grotesk aus. Die See draußen aber gebärdete sich immer ungestümer. Ganze Wassermasscn schleuderte sie an das Deck, und da« Holzwerk, die Kojen, die Spinde und die VerkleidiM der Wände ächzten und stöhnten. § 2- H Einige Kabellängen von Südcrfehn entfernt, im Schutze träumerischer Kiefern, lag daö bescheidene Häuschen, in welches Lieber Ler Nordsee lag ein blasses Licht; blaß und farblos, wie das der Laterne, die über der Tür zu Baas Hausens Heuerkontor hängt. Es fiel wie die Reflexe einer toten Sonne auf alle Gegen- stände, das Auge vermochte kaum zu erkennen, was wohl daS Meer sein mochte. Es sah aus, wie der blinde Spiegel unten in der Kajüte der .Vier Gebrüder'. Das war ein kleiner Schuner. Dick und plump sah der in der Ruhe aus, mit seinen massigen Gliedern und seinen falzzerfreffenen Planke». Aber wenn eine frische Brise stand und .Jan vom Moor' und alle die kleinen holländischen Kähne unter dichtgerefften Segeln lagen, da fand er seine richtige Schnelligkeit wieder, wie die Möwen, die der Wind erweckt. An dem Tage, da meine Geschichte einsetzt, standen die .Vier Gebrüder' auf der Höhe von Wangeroog, auf der Reise von Schweden nach Antwerpen begriffen. Langsam schaukelte daS Fahrzeug in der leichten Dünung, fast ohne von der Stelle zu kommen, immer dieselbe Klage ansstoßend, die so eintönig klang, wie das Lied, das aus dem an Deck befindlichen Ausbau drang, der den Matrosen als Wohnung diente. Dort drinnen saßen um einen massigen Tisch vier junge Männer, und ihr Lied, das sie sangen, war bald wie daS Stöhnen und Knarren der Läufer in den Blöcken und das Raunen des Windes in der Takelage, bald klang es wie das Rasseln von MarSschotenketten und daS Brausen und Blasen des Windes. Man war schon bei der fünfzehnten Strophe angelangt, aber noch immer sangen die vier unentwegt Weiler: Ein Lebewohl dem schönen Landleben, den jungen Mädchen, den vollen Flaschen, aber mich dem treulosen Heuerbaas, dem Landhat, der den Löwenanteil an der letzten Abrechnung in der Tasche hatte. Schließlich aber stellte der, welcher die Sänger auf der geliebten Harmonika begleitet hatte, sein Instrument beiseite und meinte, nun sei es wohl genug. Nun wolle man mal ein vernünftiges Garn spinnen. Und nicht lange dauerte es, La floß ihre Rede munter fort. DaS hättet ihr mal hören sollen. Wo sie Hineingriffen in das Gewimmel ihrer Erinnerungen, da gewann alles frisches Leben und plastische Form. Roh zwar und unfertig, wie ein GalionSbild, daS noch der vollendenden Hand des Meisters harrt, aber kräftig, massig und wahr; wie das Seevolk selbst, wie seine Sitten, seine Sprache. Sie wogen ihre Worte nicht nach Gramm und Milli gramm, wie Hein Massen in Bremerhaven seinen schlechten Labak, wenn er ihn den Matrosen anschwindelte: derb und knochig polterten ihre Witze über den Tisch. Wie wenn Fischcr- lente breitbeinig über ihr Sturmdeck stampfen, in Oelzcug und Südwester und in schweren Stieseln. Sie waren zuletzt auf einen zu sprechen gekommen, den sie Hinnerk nannten. „Ob hei wohl friecn werd, wenn wi uo HnS hin kamt," sagte Jo'chen Blind, ein wahrer Hüne von Gestalt. „Hci iS all 28 Johr un es ward Tid sor em." .Hei mag keene mehr,' lachte Jan Stirlscn, der Halb- mann, .se smit em sick jo alle an dcn Hals un do hct hei jum öwer kregen.' „Du schienst jo all bannig klank mit dine lv Johr," mißbilligte Karl Brekwold die Liede deS Ucbermüligen. „Du schallst man leiwer en beeten beelcr oppasscn, dal du endlich mol in dine seemännische Arbeit fast warst." „Kam an Teck, nehm de ScnS wcg," rief es in diesem Augenblick draußen. „ES givt ne stije Bris." Es war Jürgen Spilker, der Führer der „Vier Gebrüder". Da eilten die in dem Roof — so nennt man die Wohnung der Matrosen auf Segelschiffen — an Deck, dem hcrauf- ziehenden Unwetter zu wehren und alles überflüssige Tnch zu bcraen.