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ttg lag tym oer Ausbau und die Ausbildung der klei nen Wehrmacht ob, die uns der Versailler Frieden ge lassen hat. Dank seiner hervorragenden Organisations fähigkeit ist ihm gelungen, das 100 OM Mann Heer der Reichswehr zu einer militärisch-- brauchbaren Truppe zu machen. Durch die Fernhaltuug jeder politischen Beeinflussung des Heeres machte er die Reichswehr zu einer starken Stütze für den Staat, der ohne diese wert volle Hilfe wohl schwerlich die zahlreichen inneren Krisen der letzten Jahre erfolgreich überstanden hätte. Um so bedauerlicher ist es, daß dieser hervor ragende Reorganisator der deutschen Wehrmacht und um Deutschland hochverdiente Mann, wegen einer Ma növeraffäre von seinem Posten scheiden muß. Aller Wahrscheinlichkeit dürfte er dein Ganzen gar nicht die Bedeutung beigemessen haben, die ihm jetzt von einem Teil der Presse gegeben wird. Der Sohn des früheren Kronprinzen war seinerzeit wie alle preußischen Prin zen. an seinem 10. Geburtstag als Leutnant in die xumee enigcpcüt wvrocu. ist also nach den geben den Bestimmungen Leutnant a. D. Im allgemeinen wird den ehemaligen Offizieren unter gewissen Um ständen gestattet, als Gäste bei der Reichswehr zu er scheinen. Daß eine solche Erlaubnis in diesem Falle von politischer Tragweite sein könnte, ist vielleicht dem sonst so klugen und vorsichtigen General entgangen. Dieses politische Mißgeschick ist dann durch das anfäng liche Dementi des Reichswehrministerinms noch ver größert worden. Nicht nur der Reichspräsident, der sich durch die politischen Umstände zur Genehmigung des Entlassungsgesuches gezwungen sieht, sondern auch weite Kreise des deutschen Volkes bedauern tief das Ausscheiden des Mannes, der sich um Deutschland die größten Verdienste erworben hat. Bots chafter-Empfang. Der Abschied des englischen Botschafters. Der Reichspräsident hat am Freitag den bishe rigen englischen Botschafter Viscount ivAbernon, der England seit 1920 in Berlin vertreten und wäh rend dieser Zeit mannigfaches Verständnis für dis deutschen Nöte und Lebensnotwendigkeiten gezeigt hat, Mr Entgegennahme seines Abberufungsschreibcns empfangen. In seiner Ansprache erwähnte der Botschafter die schwere wirtschaftliche und politische Krisis, die wäh rend dieser Zeit auf Deutschland lastete, und schloß mit den Worten: »Ich verlaffe ein Deutschland, das in Frieben mit seinen Nachbarn lebt, dessen Sicherheit durch den Vertrag von Lo carno verbürgt und dessen Platz unter den Völkern durch einmütige Zustimmung in Genf begründet ist. Dieses Werk ist ebensosehr den unbezwingbaren Eigenschasten des deut schen Volkes wie der weisen staatsmännischen Führung derer zu verdanken, denen eS diese Leitung anvertraut hat." In der Antwort erkannte der Reichspräsident an, daß der scheidende Botschafter sich nicht allein mit der Wiederherstellung der offiziellen Beziehungen b»- gnugr, sondern sich auch bemüht habe, sich tn die Lage « des deutschen Volkes hineinzudenken. „Ihre Mission" >o knhr der Reichspräsident fort, „endet mit einem bedeutungsvollen Abschnitt in der europäischen 4 RachkrieaSqeschichte: Mit dem Inkrafttreten der Locarno- Verträge und mit dem Eintritt Deutlchlands in den Völker» , bnnd hat die aus einen danerhasten europäischen Frieden hin» i zielende Politik einen wichtigen Schritt vorwärts getan. An i dieser Gestaltung haben Sie maßgeblichen Anteil genommen, > der Ihnen nicht vergessen werden wird." : Außerdem empfing der Reichspräsident noch den neuen japanischen Gesandten und den Gesandten .der Republik Bolivia. Letzte Verklärung. — Geschäfte mit doppeltem Boden. — Kaninchenzucht auf Florida. — Merkwürdigkeiten der Zeit. Der Herbst ist tn Deutschland zumeist ein un- froher Geselle. Man hat nicht viel Vertrauen zu ihm, namentlich dann nicht, wenn er schon ein Paar Tage nach seinem Regierungsantritt so tut, als habe er mit den Briketthändlern ein Geheimabkommen. So warS wenigstens tn der letzten Septemberwoche. Inzwischen scheint er sich daran erinnert zu haben, daß die arme Menschheit vom diesjährigen Sommer eigentlich er barmungswürdig bezahlt worden ist und daß ein paar nette Herbstwochen noch mancherlei gutmachen können. Und so leuchtet denn seit Tagen der Herbst in einer Fülle unvergleichlicher, sonnenüberfluteter Far benwunder. Die Tage erscheinen uns noch beinahe wie Vollsommer, ein ganz wenig nur gebückt von der Mühe und Demut des Alters. Noch werden uns, den Enttäuschten, einige, wenige Wochen voll Licht und Gnade wie blanke Taler aus den Tisch gezählt, noch genießen wtr tn vollen Zügen diese wohltuende Milde der Verkärung, bi» vielleicht ganz plötzlich, über Nacht, der mürrische Winter allem ein Ende macht und die schönen, glanzvollen Tage im Dunkel und in der Schwermut versinken. Lana«, harte Wintermonate sind ja schon längst angekündigr, ohne daß sie selbstredend in der prophezeiten Strenge einzutreten brauchen. Wenn man freilich die riesigen Spritmengen zur Grundlage nimmt, mit der die unermüdliche Motor jacht „Inge" tn Gemeinschaft mit dem „Pelikan" be reit» seit langen Monaten die durstigen Kehlen für den kommenden Winter hat versorgen wollen, dann muh der diesjährige Winter freilich über alle Maßen un barmherzig werden. Der Fall der „Inge" bezeugt wieder einmal recht deutlich, daß in Deutschland noch immer mit dem „doppelten Boden" großartige Ge schäfte zu machen find. Si« haben nur einen kleinen Bechensehler, nämlich von wraen Paragraph soundso. ; Da war die Idee de» JuwelenräuberS Spruch deun doch j zehnmal besser, der in Florida eine Kaninchenzüchterei ! aufmachen wollte, — ausgerechnet in Florida, das doch i schon heimgesucht genug ist! Die Idee ist wenigstens nicht strafbar, aber für einen Juwelenräuber doch so i pyramidal, daß sich Spruch kaum noch länger um , den Paragraph 51 zu bemühen braucht. Auch ein Teil des Berliner Publikums scheint da» - von etwas abbekommen zu haben. Bei seiner Ankunft auf dem Alexanderplatzbahnhos sowohl wie bei dem ! Lokaltermin, der vor einigen Tagen tn der Tauentzien- i straß« stattgefunden hat, ist dieser Oberspitzbube von i einem Teile des Publikums mit begeisterten Hoch rufen (!) empfangen worden. Die Menge, die den „Helden" umlagerte, war so riesig, daß der Gummi knüppel zur Anwendung kommen mußte. Oben auf den Bäumen aber saßen die Photographen und Kino- - operateure und eröffneten ein friedliches Maschinen gewehrfeuer auf den Champion des Tages, auf daß ! seine Größe und Herrlichkeit unter allen Umständen . der Nachwelt erhalten bleibe. > Ja, es ist eine merkwürdige, ausgefallene Zeit! i Tausendfältig widerhallt es: „WUsen ist Macht", aber ! von Wissen will man in Wirklichkeit gar nichts mal ! wissen. Daß der englische König den Australienflie- i ger Cobham zum Ritter schlägt, wird jedermann an ! der Ordnung finden, daß man in Amerika aber i einen Mann, der einen anderen halb zutode geboxt j hat, zum Leutnant der Marine macht und obendrein ! noch zum Ehrenbürger von New York ernennt, daS i »scheint des Guten denn doch ein bißchen zu viel zu sein. ? Kürzlich ist in Deutschland ein Mann hinter Schloß und Riegel gesetzt worden, der während eines Box kampfes den Tod seines Gegners verschuldet haben soll. Dieser Boxer hätte im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten mindestens den Admiralsrang und den Ehrenbürgermeistertitel bekommen. Der Zufall wollte es, daß um die gleiche Zeit, da der Meisterboxer Ma-- rineleutnant wurde, ein amerikanischer Ingenieur mit einer Erfindung hervortrat, die den Zusammenstoß von Eisenbahnzügen verhütet, also zum Segen für Millio nen von Menschen wird. Diese aufsehenerregende Tat sache hat die amerikanische Presse mit fünf Zeilen abgetan. Den verdienstvollen Mann oder seine Er findung im Bilde sestzuhalten, das fiel keiner einzigen amerikanischen Zeitung ein. Da» ist nur ein kleiner Ausschnitt au» dieser merkwürdigen Zeit. Das Verwundern gibt man am besten ganz aus, damit man nicht schließlich, wenn vielleicht einmal die Ministerien für Kunst, Wissen und Volksbildung ausgelöst und Ministerialdirektoren für Kazz und Valencia ernannt werden sollten, au» alle» Wollen Mü ... (»^ * Geheimrat Professor Dr. E ragend«, 192L in den Ruhestand Nniversitüt München, ist im 71. il KräpeNn, der hervor- letretene Psychiater d« iebenSjahr« gestorben.