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FZMT am Nordpol. Äulturroman von Karl.August v. Laff-rt. —» » »-f-, . ,E> ».> V <44. Fortsetzung.) Sechstes Kapitel. Telegramm des französischen Botschafters in London an den Minister des Äußern in Paris (chiffriert). Die englische Negierung säht mir durch Lord Brat, lord ihr aufrichtiges Bedauern über den unerhörten über, pll auf unsere Luftslotte in Nova Thule aussprechen. Ge- lade in der jetzigen Situation halte England es für seine Pflicht, dem alten Kampfgenoffen ruhmreicher Siege die inverbrüchliche Treue zu bewahren. Desgleichen sprach Lord Bratford sein Bedauern und seine Mißbilligung »arüber aus, daß ein unverantwortlicher Teil der eng. Aschen Presse in wenig freundlicher Weise die Vorfälle in kova Thule bespreche. Um allen Gerüchten über eine be- vorstehende oder bereits erfolgte Spannung zwischen Eng- land und Frankreich entgegenzutreten, bittet die Negierung Englands um die Erlaubnis, mit zwei Linienschiffs- und kinem Flottengeschwader der ruhmreichen französischen Flotte in Brest einen Besuch abstatten zu dürfen. Sie er hofft von der Wiederaufnahme der unvergeßlichen Kriegs, erinnerungen eine weitere Festigung der gegenseitigen engen Bande beider Flotten und glaubt auf diese Weise am besten allen übelwollenden Preffestimmen zu be- gegnen. Dieses ist der Inhalt von Lord Bratfords Mit- teilungen. Ich persönlich neige dazu, den englischen Besuch zu begrüßen, da er unsere Machtstellung moralisch sehr stärken wird. Im Grunde ist natürlich das englische Be- dauern über unseren Unfall in Nova Thule voll versteckter Schadenfreude. Immerhin scheint es im Interesse der englischen Politik zu liegen, die Fäden zu Frankreich nicht abreiben zu lassen. Für den englischen Flottenbesuch in Brest wurde der 22. Mai in Aussicht genommen. Ich rate dazu, unsere g«. kamte Flotte, soweit sie verfügbar ist, dorthin zu beordern. Besonders die große Zahl unserer neuen Unterseeboote wird ihren Eindruck nicht verfehlen. Der Botschafter Frankreichs. Der französische Minister des Äußern war nicht mit nach Brest zur Begrüßung des englischen Geschwaders ge. fahren, sondern überließ dieses Vergnügen dem gern und viel redenden Präsidenten der Republik. Er saß in seinem behaglich eingerichteten Arbeits zimmer am Quai d'Orsay, dessen Fenster auf die Place de la Concorde hinausgingen. Der Kriegsminister, aus. nahmsweise einmal wieder ein General und kein Advokat, War gerade zur Rücksprache erschienen. „Also gegen Nova Thule ist augenblicklich nichts aus- gurichten?" fragte der Minister. „Wir müffen erst das Geheimnis der neuen Kampf. preger yerausverommen,- meinte der General. „Das ! wird nur eine Frage der Zeit sein. Mit Geld ist alles zu machen. Und dann kann uns das neue Gold- oder viel- mehr Platinland nicht entgehen." „Und unterdessen halten wir uns an Deutschland schadlos." „Es ist nur dort nicht mehr viel zu holen," meinte der General. „Aber noch genug zu zerstören," sagte der Minister. ! „In diesem Jahrhundert darf Deutschland nicht wieder ! auf die Beine kommen." „Was wird der Völkerbund zu dem Hilfeschrei der ' deutschen Negierung sagen?" ! „Nichts werden sie sagen, sonst drohen wir mit dem , Austritt. Dann fliegt die ganze Sache auf." „Wie wird der englische Flottenbesnch verlaufen?" „Mit dem gewöhnlichen Klimbim. Offizielle, ziemlich blödsinnige Reden, an deren Wirkung kein Mensch glaubt, als der Redner selber. Hurrageschrei und besoffene Fest lichkeiten. Und zum Schluß allgemeine Ernüchterung." I „Was kommt denn für uns dabei heraus?" „Prestigegewinn und englische Orden. Sonst nicht > viel. Immerhin sieht die Welt, daß auch das stolze Albion vor uns kriecht," sagte der Minister. „Ganz meine Ansicht. Die Kerls werden allmählich zu unverschämt. Aber zuvor müffen wir Deutschland so klein machen, daß es froh ist, uns iu einem Kriege gegen England unterstützen zu dürfen." „Das wird nicht leicht sein." „Was Napolen fertigbrachte, muß auch uns gelingen." Das Telephon läutete an. Der Minister ergriff den Hörer. „Wer ist da? — Ab, Sie sind's, Gerard! — Ja, ich selber. — Na, dann berichten Sie mal!" , Mehrere Minuten hörte er befriedigt zu, dann hängt« , er ab und sagte: „Gerard telephoniert auf unserer besonderen Leitung aus Brest. Alles in schönster Ordnung. Erst redete der englische Admiral und dann unser Präsident. Selbstver- stündlich den gewöhnlichen Mist. Wir werden die Rede drucken lassen, um sie in allen Gemeinden Frankreichs an- zuschlagen. Jetzt sind sie bereits beim Frühstück auf dem „Jnvicible". Hoffentlich betrinkt sich der gute Präsident nicht, bevor auch die Engländer voll sind. Sonst verrät er ihnen noch, daß er sie eigenüich alle aus den Grund des Meeres wünscht." i Ein Ministerialrat stürzte aufgeregt herein und rief: „Äußerst wichtiges Telegramm, vom Eiffelturm über- , mittelt!" - Er reichte es dem Minister. Dieser las laut: ; „AndieRegierungFrankreichs. Im gleichen Augenblick, wo die englische und die sran- § zöfische Flotte zu freundschaftlicher Begrüßung vereinigt ' sind, erlaubt sich Frankreich einen eklatanten Bruch des Friedensvertrages von Versailles, der geeignet ist, nicht nur neue Unruhe über die Wett zu verbreiten, sondern auch Englands Interessen aufs schwerste schädigt." - Der Minister hielt inne „Hallo! Sind die Leute verrückt geworden?" rief er aus. Dann las er aufgeregt weiter: „Eine große französische Armee rüstet sich, in das ohnmächtige Deutschland einzusallen, das in keiner Weise dazu herausgefordert hat. Der durchsichtige Grund dieses Unternehmens kann nur darin bestehen, sich eine una». greifbare Stellung im Herzen Europas zu verschaffen. England darf eine derartige Verschiebung des europäischen Gleichgewichts, die eine Wiederkehr der napoleonischen Wettmachtsträume bedeutet, nicht zugeben. Da Frankreich «her bisher alle ähnlichen Proteste unbeachtet ließ oder Mt leeren Worten abspeiste, so steht England sich diesmal M die Lage versetzt, ein greifbares Pfand für die sried- When Absichten Frankreichs verlangen zu müffen. Als pW derartiges wirksames Pfand kommt der augenblicklich kn Hafen von Brest versammelte Teil der französischen Motte in Betracht." Weiter vermochte der Minister zunächst nicht zu lesen, Indern mußte erst mal nach Lust schnappen. Schließlich , „Was soll das heißen?" ! „Grobe Mystifikation!" sagte der General ruhig. »Wahrscheinlich ein deutsches Machwerk." „Dieser Ansicht war ich anfangs auch," warf der Mi- Mtcrialrat ein. „Ich fragte daher nochmals bei der Eiffel- Mstou an, die mir bestätigte, daß es sich um einen offi- MÄen englischen Funkspruch haudle." Der Minister ergriff aufs neue das Telegramm und Das fieberhaft: „Wir stellen somit an die Negierung von Frankreich ras formelle Ersuchen, unseren Wünschen nachzukomme» «nÄ dadurch ihre friedlichen Absichten zu beweisen. An- sernfälls nrüssen wir annehmen, daß Frankreich neue krie- Mffche Pläne verfolgt, die geeignet sind, de« Frieden der ganzen Welt aufs schwerste zu gefährden. Da Frankreich bereits begonnen hat, fünf seiner Ar-- p»ekoH>s zu mobilisieren, und da wir andererseits nicht «Wetzen können, daß seine Flotte sich ebenfalls in Kriegs- berettschaft versetzt, so sieht sich die Negierung England» ^nötigt, die Beantwortung ihrer Forderung binnen drei Kunden verlangen zu müffen. Wir hoffen, daß Frankreich den Weg der Mäßigung, ^ud des Friedens wählen wird, der allem zu einer end- ystttigen Versöhnung der Völker führen kann. Die Regierung von Großbritannien." „Ausgeschloffen!" rief der General, sobald der Mi nister geendet hatte. „Solche Sprache würde England niemals wagen." Der Minister ergriff schnell entschlossen de« Höre« und rief Brest an. „Hier Gerard," tönte es zurück. „Ich wünsche drin gend den Herrn Minister zu sprechen." „Bin selber da. Was ist los?" „Unerhörtes Ereignis," antwortete Gerard. „Eng lisches Ultimatum, das —" „Haben wir eben hier bekommen." unterbrach der Mi nister. „Was macht der Präsident?^ (Fortsehung folgt.)