ZUR EINFÜHRUNG Ouvertüre (= „Eröffnung“) ist das französische Wort für das musika lische Vorspiel zu einem dramatischen Bühnenwerk, beispielsweise Ouvertüre für eine Oper (Freischütz-Ouvertüre), Ouvertüre für eine Ope rette (Fledermaus-Ouvertüre), Ouvertüre für die musikalische Rahmung eines Schauspiels (Egmont-Ouvertüre). Gern wird auch der erste Satz einer Orchester-Suite als Ouvertüre, schließlich die ganze Suite als Ouver türe benannt. Und oft wird auch ein einsätziges Stück für Orchester — möglichst mit erzählendem Inhalt — im Konzertsaal als Ouvertüre be zeichnet: Hebriden-Ouvertüre, Meeresstille und glückliche Fahrt von Mendelssohn usw. Die Redeutung des Wortes Ouvertüre ist heute viel fältig. Beethoven hat mehrere Ouvertüren geschrieben. Abgesehen von seinen Leonore-Ouvertüren (vier verschiedene Vorspiele zu seiner Oper Leonore, die er später „Fidelio“ nannte), hat er auch Ouvertüren zu dramatischen Werken der Sprechbühne komponiert, so zu Collins Drama „Coriolan“, zum „König Stephan“ außerdem die Ouvertüren zu Kotzebues „Die Ruinen von Athen“ und schließlich zu Goethes „Egmont“. Die Ouvertüre seit der klassischen Zeit versucht die im nachfolgenden Drama auftreten den ernsten und fröhlichen, tragischen und heiteren Charaktere und Situa tionen musikalisch-sinfonisch zusammenzufassen. Beethoven gibt in seiner Egmont-Ouvertüre alles Geschehen des Goethe-Dramas im Lapi darstil wieder— natürlich in seiner, in Beethovens Sprache! Sein Egmont ist nicht der zärtliche Liebhaber des Klärchens, der beim kosenden Ge plauder alle Sorgen der Politik leichtsinnig vergißt. Beethovens Egmont ist die Personifizierung des leidenden, unterdrückten Volkes. Sein Tod ist mehr als der Tod eines einzelnen. Er ist der Tod aller freiheitlich Gesinn ten. Beethovens Egmontfigur fehlen alle individuellen Züge. Sie ist das heroische Symbol der durch brutale Gewalt geknebelten Menschheit überhaupt, die — äußerlich besiegt — im Tode von einer strahlenden Glorie gekrönt wird. Verglichen mit den mehr als hundert Sinfonien Haydns, mit den mehr als vierzig des früh verstorbenen Mozarts, erscheint Beethovens Sinfonie werk, neun Sinfonien an der Zahl, sehr bescheiden. Gleiche Unterschiede ergeben sich im Hinblick auf die Entstehungszeiten der Werke: Mozart schrieb seine letzten drei bedeutendsten Sinfonien (Es-Dur, g-Moll, Jupitersinfonie) innerhalb eines Vierteljahres, für den an der Grenze der Sechziger stehenden Haydn genügten nur wenige Jahre zur Komposition seiner zwölf berühmten Londoner Sinfonien. Diese Schnelligkeit des Entwurfs und der Ausführung ist bei Beethoven unmöglich. Mozart und Haydn schrieben mehr oder weniger für Liebhaberkreise, für eine bevor zugte Kaste verständnisvoller Musikfreunde, teils ernsthaft erhebende Sinfonien, teils heiter unterhaltende Kassationen (Abschiedsmusiken),