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An sich war das Konzert für die Fastentage in Wien geschrieben worden, doch wissen wir nicht, ob es Mozart dort selbst gespielt hat. Tatsache ist, daß — vom Meister selbst interpretiert — im April 1789 eine Aufführung in Dresden stattfand, und zwar am Hof. Es ist gut möglich, daß Mozart für diese Aufführung die Partitur durch Pauken und Trompeten ergänzte. Aus Gründen der Orchestervirtuosität? Wir wissen es nicht. In den ersten beiden Sätzen läßt sich das Virtuose nicht von der Musik trennen: Hier haben wir jenen selbstverständlichen Einklang von Technik und Musik, wie er nach Mozart immer mehr verschwinden sollte. Heiter, durchsonnt, von Zügen eines freisinnigen Humors überglänzt, wird das Kon zert durch ein virtuoses Allegretto beschlossen, das jedoch nie einseitig auf die technische Bravour des Solisten ausgerichtet ist. Das Allegretto ist in erster Linie Musik, die sich dem Kunstwerk unterordnet. Für die innige Ver bindung von solistischer Brillanz und menschlich tiefempfundener Musik scheint uns das Klavierkonzert D-Dur ein bezeichnendes Beispiel zu sein. Die Reihe der großen Klaviervirtuosen beginnt (die „Clavecinisten“ nicht mitgerechnet) mit Dussek und Clementi. Ein erster Höhepunkt wurde mit Carl Maria von Weber erreicht. Die nachfolgenden Virtuosen Herz, Hünten, Kalkbrenner und Thalberg werden von Moser treffend als „Salonlöwen“ be zeichnet (der Name sagt alles!), während er bei Liszt und Busoni wieder von „schöpferischer Technik“ spricht. Groß ist die Zahl jener Komponisten, die mehr oder weniger virtuos ihre eigenen Werke am Flügel interpretierten. Von Beethoven über Schubert, die beiden Schumanns, Chopin und Brahms führt der Weg bis hin zu Reger, Pfitzner und Hermann Reutter. Das 20. Jahrhundert umfaßt eine Fülle, ja, eine verwirrende Überfülle glanzvoller Pianistennamen: Noch spielen die Klassiker, die Senioren, Wilhelm Backhaus und Elly Ney an der Spitze, selten nur noch der greise Edwin Fischer und unvermindert jung geblieben Wilhelm Kempff. Die mitt lere Generation drängt ungeduldig nach vorn: Carl Seemann wird von der Jugend herzlich verehrt, Roloff und Puchelt genießen ihr vollstes Vertrauen, und auch unter den „Jüngsten“ (es scheinen heute in aller Welt Legionen zu sein!) heben sich bereits die ersten Namen leuchtend hervor. Wer wird bleiben, sich durchsetzen? Wer wird das Rennen machen? Der Platz an der Sonne ist nur den ganz Großen Vorbehalten. Der belgische Pianist Alex de Vries ist in Dresden kein Unbekannter mehr: Er spielte bereits des öfteren mit der Philharmonie. Seine Interpretation der Klavierkonzerte von Tschaikowski und Rachmaninow sind uns in guter Erinnerung geblieben. Alex de Vries wurde 1919 geboren, studierte am Flämischen Konservato rium Antwerpen, nicht allein Klavier, sondern auch Kontrapunkt, Fuge und Musikgeschichte. Bereits 1938 errang er die erste internationale Auszeichnung,