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Dresdner Journal : 13.05.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189105134
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18910513
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18910513
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-05
- Tag 1891-05-13
-
Monat
1891-05
-
Jahr
1891
- Titel
- Dresdner Journal : 13.05.1891
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M108. Mittwoch, den 13. Mai, abends. 18S1. Veruxsprvl»: kür vrsiäon viertsIjLkrliet» > H. bO kk., d«l äs» L»i»«rrl. äsattoitvi» vivrt»!- MkrlloN S ül ; »a»»vri»iüd ä«» ctsatteds» Loiotr«, tritt kost- lmä 8towpsI«u«:ktL<e Lmrsliis HulLwsru: 10 ks. LllLUllckI»na»«xvt»üt»rei»r kLr <t«Q L»rm» vmsr ssspLltvveo 2ei1» »teurer Leluitt >0 kL Hüter „Lm^esruiclt" 6iv Astle >V ?t ^tet DrdvUeo- u»ä AtTerrrset» votspr. ^»ksedtL^ Lreckelvenr l'LßUotl wit XosoLtnos 6er 8oou -u k«i »beoäs. korvepreok-ALscillu»«: Kr 12NZ. Dres-nerIWrnal. ^ür die Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Gtto Banck, Professor der ^Literatur- und Kunstgeschichte. A»Ü»I»W« vo» LüULoSlxuo^en »oeirsrter TorrurueeiooLr 6es Ures^ovr ^ournele; L»»d«r« 8-rUn Vt«» I-«ip»lx »e»,l Ur«,l»» »r»ütt»rr ». N.: <0 1'o-ter,- L«rU» V>«» S»»d»r,- ?r»U L«ix«t^-»r»L»kiul ». >1. NLülkea: kert» l.0ückoa L»rlm »r»»Ictiirt ». I-a«-« <t <7o, LsrUo: /nkatr«ten<ja»»t, Lreil»»: L'm»/ S»LL»r«r: C. Lc/>««ter, L»U» ». S.: Larct Os Uer»u»iskderr LSrü^I. Lrpeäitton 6ee vreectoer xourruUe. Orseäeü, Avtozeretr. LV. ksruexrsctr-AveotUuee: lir. 1285. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, den beim Landwirthlchaftlichen Creditvereine im Königreiche Sachsen angestellten Beamten, Kassirer Lange und Secretär Danz daS Albrechtskreuz zu verleihen Nichtamtlicher Teil. geographische und telephonische Bachrichten. " Mons, 12. Mai (W.T. B.) Die Arbeiter der Kohlengruben von Ghlin haben die Arbeit ein gestellt. St. Etienne, 13. Mai. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Eine Abordnung von Bergarbeitern deS ganzen LoirebasfinS beschloß in ihrer gestrigen Lersamm luug, sich mit den Mechanikern und Maschinisten, welche streiken wollen, solidarisch zu erklären und den AuSstand von morgen ad zu beginnen. Wenn dieser Beschluß befolgt wird, so feiern sämtliche Bergwerke des LoiredasfinS. Brüssel, 13. Mai.*) Wie die Zeitung „Der Patriot" meldet, Haden hiesige Streikende vier Reisende, unter ihnen Deutsche, vollständig aus geplündert. In dem Bergwerke „Cspürance" entdeckte ein <4endarmerielieutrnant 32 mit Lunten versehene Dynamitdomben. Lüttich, 12. Mai. (W T B) Die „Soeiötö Cockerill" hat alle Arbeiter, welche in den Streik ring,treten sind, entlassen, weil sie dadurch den Lodnkoatrakt gebrochen Haden; eine Wiederan- nähme derselben soll nur den Bedürfnissen ent sprechend und zu neuen Bedingungen stattfinden Die Hochofengesellschaft in Ougree hat ihre Arbeiter, welche streiken, ohne vorherige Ankündi gung entlassen. Um der Wiederkehr solcher Er eignisse vorzubeugen, stellt die Gesellschaft für die Annahme von Arbeitern sehr strenge Bedingungen. Lüttich, 13. Mai. (Tel d Dresdn Journ) Die hiesige Gendarmerie fand vor der Kohlengrube „Horloz" mehrere Dyuamitpatronen. Geut, 12 Mai. (W. TB) Die hiesigen Schiffsmakler machten sich in einer Unterredung mit den streikeneen Dockarbeitern anheischig, aus ländische Kohlen nur solange in Belgien ein»» führen, als der Streik dauern wird. Eine für die Entladung anderer Waren alS Kohlen den Dockarbritern angebotene Lohnerhöhung haben diese abgelehnt. Como, 12. Mai. (L. T B) Unter den hie sigen Webern ist ein Streik ausgebrochen, welcher an Ausdehnung zunimmt Rom, 13. Mai (Tel. d. Dresdn. Journ) DaS Anwachsen der lombardischen Flüsse ließ infolge des eingetretenen schönen Wetters nach Lissabon, 13. Mai. (Tel. d. DreSdn. Journ) In einigen Tagen werden 1200 Contoö Reis neuer Silbermünzen in Umlauf gebracht; mehrere indu strielle Körperschaften baten Carvalho betreffs der gegenwärtigen Lage um Rat Lissabon, 13. Mai. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Di« Krisis dauert hier fort; die Einwechselung von Roten findet nur unter hohem Abzug statt. Morgen wird ein königliches Dekret einen ZwangS- kurS der Noten anordnen. *) Nachdruck verboten. Kunst und Wissenschaft. K. Hoftheater. — Altstadt. — Am 12. Mai: „Bei frommen Hirten." Oper in einem Aufzuge von Otto Fiebach. — „Sicilianische Bauern ehre." Oper in einem Aufzuge von Pietro Mas cagni. Es entspricht nicht sowohl dem materiellen Nutzen als auch insonderheit dem künstlerischen Ansehen der Dresd ner Hofbühne, daß die Vorführungen der talentvoll ge arbeiteten und zugkräftigen Oper Mascagnis durch Neubesetzung der Santuzza-Rolle von der jeweiligen Disposition der bisherigen Alleinvertreterin dieser Par tie unabhängig gemacht und vor weiteren Unterbrech ungen möglichst sichergestellt worden sind. Frau Wittich, die gestern an Frl. Mattens Platz ge treten war, bot eine im Gesang und Spiel vor zügliche, von selbständiger phantasievoller Auffassung und Empfindung erfüllte Gestaltung der leidenschaftlich fühlenden Santuzza und gewann durch maßvolle Ge- sangSaccenle und durch ihre unruhige, besorgende, aber nicht sofort mit tragischer Schwere einsetzende Haltung in der zweiten Scene eine ungleich eindringlichere Stei gerung dcr Affekte als Frl Malten und der neuliche Gast. Auch im mimischen Ausdruck zeigte die Künst lerin, an deren Gesicht sonst der Wieberschein der Em pfindungen nicht immer haften bleiben will, eine größere und freiere Beweglichkeit. Nur bei dem Zusammen treffen mit Lola und im Duett mit Alfio blieb ihre Gestaltung an Unmittelbarkeit und plastischer Wirkung Lissabon, 13. Mai.*) Gestern abend platzte auf dem Fensterbrett deS Konferenzzimmers im Ministerium eine dorthin gelegte Bombe gerade während der Sitzung deS AinanzkomiteeS. London, 12. Mai. (W. T. B) Wi, daS „Reutersche Bureau" meldet, ist der Großfürst- Thronfolger von Rußland durch den Attentäter am Kopfe verwundet worden. Nach einer Mit- teilung desselben Bureaus aus Washington, deren Quelle die dortige japanische Gesandtschaft ist, hätte daS Attentat in Otsa bei Brewaffee, unge fähr 12 Meilen von Kioto, stattgefunden. St. Petersburg, 12. Mai. (W T B.) Die offiziellen Mitteilungen über die Verwundung de» Großfürsten Thronfolger» stellen fest, daß derselbe am 29. April a. St auf der Reise durch die japanische Stadt Otsa von einem untergeordneten Polizeisoldaten durch einen Säbelhieb am Kopfe vrrwundet wurde. Der Uebelthäter versuchte einen »weiten Hieb zu führen, wurde aber von dem Prinzen Georg von Griechenland mit einem Stocke zu Boden geschlagen. Die Verwundung des Groß fürsten-Thronfolgrr ist leicht und flößt keine Be- sorgnisse ein. Derselbe telegraphierte persönlich in beruhiaendcm Sinne und sprach die Absicht auS, seine Reise fortzusetzen, ohne daS Programm der selben zu ändern. Dresden, 13. Mai. Ein Werk zur Versittlichung des vierten Standes. DaS Verhältnis der Arbeiterwohnungen in unserer Stadt, diese für unsere Zeit so sehr wichtige Frage, hat schon so manchen ernsten Denker beschäftigt. Es ist gut, dabei auch die Blicke über deutsche Grenzen hinaus zu lenken Die Frage ist international und Mühe und Fleiß zu ihrer Lösung sind es auch. Ein kleines Büchlein „Aus der Londoner Armenpflege", eine Übersetzung aus dem Englischen, bringt zu dem großen Thema einen interessanten Beitrag.*) Wir leben in einer merkwürdigen Zeit. DaS Verständnis für das Wesen dcs Christentums ist der großen Masse unserer Tage abhanden gekommen. Ein gut Teil unseres Volkes genießt eben nicht mehr den Segen, in einem christlichen Hause aufzuwachsen, dc. Religionsunterricht in der Schule wird vielfach als ein nebensächlicher Lehrdcgenstand von dec Jugend mit ertragen, der Konfirmationsunterricht hingenommen als ein Übergangsstadium „zum Eintritt in die Welt" und wenn dann diese Art junger Gemeindeglieder die christlichen Formen notdürftig beobachtet, glaubt sie allen Anforderungen zu genügen, welche man von dieser Seite überhaupt an sie stellen könne. In sol chen Zeiten sind uns Charaktere von nöten, die mit ihrer ganzen Persönlichkeit einzutreten vermögen für die Wahrheit ihrer Überzeugung und die, in edler Selbstlosigkeit zum Wohle der Gesamtheit erfolgreich wirkend, Zeugnis ablegen von der Macht dcs Wortes Gottes. Ein solcher Charakter ist Miß Octavia Hill in London und da sie gerade auf einem jetzt viel be sprochenen Gebiete thätig ist, glauben wir doch auf ihr Buch Hinweisen zu sollen, dessen Inhalt nicht so bald von der Zeit überholt wird. Aufsätze von Miß Hill sind durch gewählte Sprache und gewandte Schilderung ausgezeichnet. Tie ver storbene Großherzogin Alice von Hessen hatte sie bei eincm Besuche ihrer englischen Heimat kennen gelernt und hat der deutschen Uebcrsetzung des englischen „Lomes of Ibe Louclvu ?oor" einige Morte vor- *) Octavia Hiv. , AuS dcr Londoner Armenpflege", Wies baden, Verlag von Gremer u. Pseiffer in Stuttgart hinter den von Frl. Malten erreichten Eindrücken um ein gut Teil zurück. Nothburga. Eine Erzählung aus den bayerisch - tirolischen Bergen von Friedrich Dolch 12 (Fortsetzung.) Plötzlich blieb er stehen und lauschte. In den Büschen regte es sich und er vernahm ganz deutlich ein leises Pfeifen, daS nach einig«» Augenblicken von verschiedenen Richtungen her beantwortet wurde. „Teufel", knirschte er, „ich bin umstellt. Heut' iS 's ja g'rad', als ob die Höll' los wär'." Er duckte sich nieder, denn eine dunkle Gestalt schlüpfte aus dem Gebüsche hinter einen Baum und der Verfolgte hörte ganz deut lich das Knacken des aufgezogenen Hahnes an dem Gewehre. „Wer is dort?" rief plötzlich eine rauhe Stimme. „Antwort', oder ich geb' Feuer!" Im näch sten Augenblicke krachte auch schon der Schuß und die Kugel schlug an den Felsblock, hinter welchem der Schwärzer verborgt» war. Als dieser sah, daß er entdeckt war, sprang er auf und war im nächsten Augenblicke wie ein Schatten im Dickicht verschwunden Hinter ihm aber wurde rS lebendig und einige nach geschickte Kugeln sausten dicht an seinem Kopfe vorüber. „Verflucht',, murmelte er, „daSmal iS 's hart am Leben vorbeig'gangen. Und kein Ausweg mehr und kein sicher'S Platzl, wo ich mich verstccken könnt'. Die Trucke»brabenalm is wohl in der Näh' und wenn ich die erreichen könnt', nachher giebt 's vielleicht noch eine Rettung für mich. Aber soll ich der Nothburg in dem Aufzug unter die Aug'n komme»? Wird 's gesetzt. Das Buch zeigt, so sagt sie, wie Miß Hill mit ebensoviel richtigem Takt als aufopfernder Liebe, durch Geduld und standhaftes Beharren bei den ein mal gewonnenen Grundsätzen Freundin ihrer Armen zu werden verstand, ohne deren Liebe durch Almosen zu erkaufen, und ihnen unendliches Gute that, vor allem durch Aufschließung und Entwickelung ihrer eige nen moralischen Hilfsquellen." Was von vornherein an der Darstellung so fesselt, ist die mutige, kraftvolle und doch so einfache Art, wie Miß Hill an die Lösung einer Aufgabe von sehr großer Wichtigkeit herantritt Die N»i der Armen lag ihr am Herzen, sie hatte lange den Plan mit sich herumgetragen, in den Besitz von Häusern zu kommen, um Arme auf Wochenmiete darin aufzunehmen, sie wollte so viel Macht über die Armen gewinnen, daß eS möglich wäre, auf einigen wichtigen sanitären Re formen zu bestehen. Sie gründete nun nicht erst einen Verein mit vielen Kommissionssitzungen und dergleichen mehr, sondern legte den Plan einem begüterten Be kannten, Hrn. RuSkin, vor. Dieser, so schreibt sie, „ging mit Wärme darauf ein, brachte alles nötige Geld auf einmal herbei und nahm die ganze Gefahr des Unternehmens auf sich Er bewies mir indes, daß eS moralisch viel zweckmäßiger wäre, wenn das Unter nehmen sich selbst bezahlen konnte, indem nämlich ein Arbeiter im stände sein müßte, für seine Wohnung zu zahlen. Das angelegte Kapital würde einen ganz auten Zinsertrag geben." Und sie hat die Freude ge habt, wirklich einen guten Zinsertrag zu erreichen. Zunächst wurden 3 Häuser gekauft und ihrer Ver waltung unterstellt und schon nach 1H Jahren konnten 5 Proz. für daS angelegte Kapital ur.d 48 Pfd. Sterl, von diesem selbst zurückgezahlt werden. Später wur den noch 6 Häuser und schließlich noch >1 Häuser in einer der allerverrufensten Straßen Londons gekauft Und was für Häuser waren das! Zwar waren sie gut gebaut, aber in einem schrecklichen Zustand von Schmutz und Vernachlässigung; es wimmelte von Un geziefer, die Tapeten, von Schmutz geschwärzt, hinge» in Fetzen, die Abzugskanäle waren verstopft, die Wasser leitungen in Unordnung. Und das waren »och die besseren; von den anderen hieß cs z. B: „auf einer Treppe stand ein Eimer, um den Regen aufzufangen, der durch das Dach fiel, alle Treppen waren völlig dunkel, alle entbehrten der Geländer, die von Miets> leutea als Brennholz verbraucht worden waren. In einigen Häusirn waren nur noch 6 Scheiben ganz, alle anderen zerbrochen und dcs Windes wegen mit Papier verklebt" Und welche Art Leute in jenen Häusern zu wohnen pflegte, davon giebt die Äußerung eines Ladeninhabtrs in jener Gasse eine charakteristische Darstellung. Als er sah, daß an den Häusern aus- gebessert werden sollte, meinte er nachdenklich: „Ich will Ihnen sagen, wie es damit ist, Fräulein; es wird Sie einen Haufen Geld kosten, diese Wohnungen zn reparieren, und es ist zu nichts gut Die Köpfe der Werber werden im Handumdrehen wieder durch die Stubenthüre getrieben sein, und für solches Volk ist jedes Logis gut genug!" Ermutigend war der Anfang also nicht, aber Miß Hill war tief davon durchdrungen, daß die Dis ziplinierung der ungeheueren Armeubevölkenmg durch persönlichen Einfluß bewirkt werden muß uud daß diese Kraft sie aus einem Gesindel von Armen und Halbarmen in eine Klasse selbständiger Arbeiter um zuwandeln vermag. Und der Weg, den sie einschlug, war ihr auch klar. Sie saßt ihre Grundsätze in zwei Punkte zusammen: erstens strenge Pflichterfüllung der Aufgenommenen ihr gegenüber zu verlangen, wozu vor allem pünktliche Zahlung deS Mietzinses gehört, zwei tens nach Möglichkeit so unwandelbar gerecht und ge duldig zu sein, daß die Arbeiter lernen mußten, der Gewalt, die über ihnen war, zu vertrauen. Sie geht mich auch einlassen nnd mich verstecken? Es kann sein, daß sie mich net im Stich laßt, aber verspielt hab' ich 's nachher ganz bei ihr und Hoffnung darf ich mir keine mehr mach'». Von mir aus," rief er, die Zähne zusammcnbeißend, „jetzt is 's schon, wie 's iS! Jetzt kann ich 's nimmcr ändern und Ausweg bleibt mir sonst keiner, wenn ich mich net fangen lassen will." Wie ein Pfeil schoß cr dahin auf den beschwerlichen Pfaden, die ihm von seinen nächtlichen Jagdfahrten und Streifereien her wohlbekannt waren, und ließ seine Verfolger bald weit hinter sich. Jetzt hatte er die Alm erreicht und im nächsten Augenblicke klopfte er auch schon an das kleine Fenster der Hütte, in welcher Nothburg schlief, und rief leise ihren Namen. „Wer is da? Was giebt 's?" tönte es zurück und gleich darauf wurde das Fruster halb geöffnet „Ich bin 's, der Sternbaner-Toni," flüsterte der Außen stehende. „Die Grenzjäger sind hinter mir her. Ich muß ihnen in die Händ fallen, wenn Du mich net einlaßt und versteckst." Ein unterdrückter Aufschrei ließ sich in der Hütte ver nehmen, aber die Thüre wurde geöffnet und Torn schlüpfte hinein. Halb atemlos sank er aus die Herdbank, wäh rend daS Mädchen in ängstlicher Schnelligkeit die Thüre wieder verschloß und verriegelte. „Red' um GotteSwill'n, was is g'schehn?" rief sie, hastig näher tretend. „Ich hab' die Schütz' gehört — hab'n sie Dir gegolten?" ,La", stammelte der Bursche, „die Grenzjäger haben urrS überfallen und versprengt, Sie sind scharf hinter mir her g'wesen und eS wird viel leicht nit lang dauern, bi» sie kommen und mich auch da suchen. Wenn 's mich aber find:», Nothburg, nachher is 's au» mit mir. Und finden müssen 'S auch vorsichtig dabei zu Werke. In den gekauften Häusern läßt sie anfangs nur Hausflur und Treppen in Stand setzen, sucht dann in jedem Hause die ihr »och irgend zuverlässig erscheinenden Mädchen heraus, welche sie beauftragt, abwechselnd gegen Entgelt die Treppen wöchentlich zu scheuern So gewöhnt sie die Bewohner durch fortgesetzten Anblick der Sauberkeit erst darau, Ordnung überhaupt zu ertragen und erst nach und »ach, je »ach Matzgabe dcr vorhandenen Mittel und der fortschreitenden Befähigung der Leute, bessere Zustände zu schätzen, geht sie an daS AuS- bessern der Wohnungen. Auch setzt sie für jedes Hau» jährlich eine« bestimmten Betrag für Reparaturen auS, bleibt davon übrig, so wird der Rest zu solchen Be quemlichkeiten verwendet, welche die Mieter selbst wünschen. Auf diese Weise liegt es iu deren eigenem Interesse, die Ausgaben für Ausbesserungen so viel wie möglich zu beschlänkem Die Miete zieht sie selbst wöchentlich ein und verfährt sehr streng dabei. Wer nicht pünktlich zahlt, dem wird sofort gekündigt, und sie hat gesunden, daß sie den Leuten selbst damit die größte Wohlthat erweist; die Leute erkannten die Für sorge und Lude auch unter der scheinbaren Härte. Kommen aber schlechte Zeiten, verlieren einzelne die Arbeit, dann sucht sie, ihnen Arbeit zu verschaffen und spart selbst bestimmte Ausbesserungen an den Häusern für solche Fälle auf. Die Leute sollen nicht daS Bewußtsein haben, Almosen zu empfangen, selbst das Anbieten von Arbeit in solchen Lagen erfordert gewiss n Takt. Bei dem steten Verkthr mit den Mietern gewinnt sie genauen Einblick in die Verhält nisse derselben und durch Strenge mit Wohlwollen gepaart gelingt eS ihr, auch Vertrauen zu finden. Sehr lehrreich sind hier ihre Erfahrungen: „ich mußte schließlich lernen, sagt sie, die Leute als meine Freund« zu betrachten und dadurch instinktmäßig dieselbe Ach tung vor ihrer häuslichen Unabhängigkeit zu hegen, wie ich sie irgend einem anderen Freunde beweise; was wir an Arme» thun, darf in keinem anderen Geist geschehen, als in dem wir unseresgleichen helfen würden." Miß Hill nimmt sich aber nicht nur der Erwach senen, sondern auch der Kinder an. Die Schulver hältnisse sind in England weit weniger geregelt als bei unS, deshalb bietet sie ihren Einfluß auf, daß die Kinder von den Eltern nach Möglichkeit zur Schule gesandt werden Für die freie Zeit hat sie Spiel plätze eingerichtet und läßt Balttreiben, Schlagbov Schaukeln, Springen und Singen einiger Kinver gartenlieder durch Gehilfinnen betreiben. Für Knaben hat sie Exerzieren bei Trommelwirbel und Pfeifenton eingcsührt. So sorgt sie nicht nnr für Förderung de» Behagens in den Wohnungen, sondern sie trachtet auch danach, in die jungen Herzen Samen auSzustreuen, der einst gute Früchte bringen muß Alles in allem ist es eine Arbeit im kleinen, die sie treibt, eine Arbeit, die die Geduld auf eine harte Probe stellt; doch ist sie sich klar darüber, daß der Erfolg in der Arbeit an den Armen von der Fähigkeit abhängt, feste Aufmerk samkeit auf kleine Dinge zu verwenden. Man muß über diese hinaus und durch sie hindurch sehen können, man muß die Arbeit treiben in dem Gefühl der Dankbarkeit, daß Gott unS für ihn arbeiten lasse, dann wird auch von Zeit zu Zeit cin Schleier gelüftet und man erkennt, welch köstliches Ding es ist, „wenn er durch Erweisung von Liebe an menschlichen Wesen ihm helfen läßt, Tempel zu bauen, in denen er wohnen kann.' Mancherlei in den Bestrebungen der Miß Hill ist ja natürlich auf die besonderen englischen Zustände berechnet, aber wie der Geist ihres Wirkens sich auch auf deutschen Boden verpflanzen läßt, hat die Stadt Darmstadt gezeigt, wo die angeregten Gedanken bereit- praktisch ausgeführt sind. Im Jahre 1888 schon er- mich, wenn Du mich net versteckst —" „Verstecken? Wo soll ich Dich denn verstecken?" rief Nothburg und blickte angstvoll umher. „Es is ja kein Fleck da, wo man sich verstecken könnt' und wenn sie die Hütten durchsuchen, müssen'S Dich ja augenblicklich finden—" „Oh, um das brauchst Dich net zu kümmern", sagte Toni nnd erhob sich hastig von der Bank „Wen» Du mir nur helfen willst Den Ort, wo ich mich verstecken werd', machen 's net ausfindig und wenn 'S a ein Jahr lang nach mir suchen. Da schau her." Er bückte sich auf den Boden nieder und faßte einen halb umgebogenen, rostigen Nagel, der kaum sichtbar aus den, Bretterboden hervorragte. Mit leichter Mühe hob er ein lose eingefügtes Brett in die Höhe und eine dunkle, schmale Öffnung, durch die ein Mann mit einiger Anstrengung sich zwängen konnte, wurde sichtbar. „Keine Seel' weiß was davon," flüsterte er. „Da drunten kann ich 's eine Zeit lang schon aushalten und es is gar net möglich, daß 's mich finden, wenn Tu das Brett wieder auf den alten Fleck legst und die Klumpsen (Spalten) mit Herdaschen überstreust. Red', Dirndl. Willst mir beisteh'n? Wenn Du nein sagst, nachher iS 's mir gleich, was aus mir wird. Nachher geh' ich den Grenzjägeen selber entgegen und laß' mich bandeln (binden) und einliefern an 's Ge richt." „Still, red' net lang," flüsterte Nothburg bebend und diängte ihn on die Öffnung. „Steig' hinab, da mit ich das Brett wieder richten kann. G'ichwind, oder cS wird am End' z' spät." Der Bursche ver schwand in der Öffnung und mit zitternden Händen fügte Notbbnrg das Brett wieder in dieselbe ein.
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