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Lino Liviabclla gehört zu den jungen italienischen Kompo nisten, deren Werke auch in Deutschland größte Beachtung finden. Er ist ein Schüler Ottorino Rcspighis, der im April 1936 starb. Seinem Andenken hat Liviahella die Tondichtung „Monte Mario“ gewidmet. Am Kopf der Partitur stehen die Verse: Or ne canta, ne ode: abita presso il brusio di una fonte e d’un cipresso. (Stumm träumt der Sänger letzten Traum. Er ruht, umrauscht von Quell’ und Baum.) Rcspighi ist diese Tondichtung gewidmet, dem Komponisten, der so oft — in „Le Fontane di Roma“, in „Pini di Roma“, in „Feste di Roma“ — die italienische Land schaft in Tönen geschildert hat. Auch die Tondichtung Liviabellas ist Landschafts schilderung, mit seelischem Hintergrund sozusagen, denn die Musik soll zugleich die Erinnerung an den toten Meister hervorrufen, der mit der Natur verschwistert war. Das cinsätzige Werk ist deutlich in vier Abschnitte gegliedert, die eigene Über schriften tragen, aber ineinander übergehen. Schon die Besetzung des Orchesters zeigt, daß das Malerische im Vordergrund steht. Liviabella verwendet außer den Streichern und den gewöhnlichen Bläsern: Englischhorn, Baßklarinette, Kontrafagott, Baßtuba, sehr reich besetztes Schlagzeug (u. a. Tam-Tam), außerdem zwei Harfen, Celesta, Klavier und Glöckchen. Der erste Teil zeigt „Profili di cipressi tra la nebbia dell’ alba“ (Silhouetten von Zypressen im Nebel der Morgendämmerung). Zwischen gleitenden Quinten der Streicher und der Harfen setzt eine ostinate Figur der Bratschen an, geheimnisvolles Dämmern, aus dem sich der Ruf des Englischhorn herauslöst. Die vielfach geteilten Streicher ver vollständigen dann die Farben dieses zarten Bildes. Triller der Holzbläser, das Silber der Triangel, sich reibende Sekunden im Diskant des Klaviers, schwirrende Figuren der Streicher leiten den zweiten Abschnitt ein und charakterisieren ihn deutlich: „Rami fioriti tra voli di rondini“ (Schwalben fliegen zwischen blühenden Zweigen). Diesem bewegten Scherzo folgt ein langsamer Satz mit Trauermarschcharakter. Er trägt die Überschrift: „La quercia schiantata“ (Die entwurzelte Eiche). Ein riesenhafter Baum, vom Unwetter gefällt, vom Blitz zerschmettert: Anblick der Trauer. Die Bratschen sprechen sie aus, bald stimmen die Celli mit ein, immer größer wird der Chor der Klagenden, ihr Gesang schwillt zum großartigen Höhepunkt des ganzen Werkes an. Der Schmerz um einen Toten hat sich Bahn gebrochen. Was bleibt dem Menschen als Trost ? Die Unzerstörbarkeit, die Ewigkeit der Natur. Es bleiben „La fonte e il cipresso“ (Die Quelle und die Zypresse), das Rauschen der Quelle und des Baumes. Mit diesem vierten Teil läßt Liviabella seine Tondichtung, auf bauend auf einem chromatischen Motiv und unter Verwendung überraschender Orchesterfarben, traumhaft schwebend ausklingen. Lino Liviabella: Monte Mario Mit seinem Konzert für Violine und Violoncello mit Orchester greift Brahms die alte Übung des Concerto grosso auf, in dem dem Orchester ein Concertino, d. h. eine kleine Gruppe von Soloinstrumentcn, gegenübersteht. Wie es bei allen Brahmsschen Konzerten der Fall ist, werden auch hier den beiden Soloinstrumenten keine eigenmächtigen, eigen prächtigen virtuosen Aufgaben zugewiesen, sie beteiligen sich vielmehr zusammen mit dem Orchester an dem sinfonischen Geschehen. Meist ist es so, daß das Cello zuerst die neuen Gedanken ausspricht und die Geige dann wie bestätigend folgt. Das Werk gliedert sich in ein etwas kompliziert gebautes, machtvolles Allegro, ein empfindungs reiches Andante, in dem sich die Soloinstrumente, zum Teil im Einklang, aussingen, und ein heiteres, manchmal fast spritziges Rondo-Finale. Johannes Brahms: Doppclkonzert Dr. Karl Laux.