Volltext Seite (XML)
ZUR EINFÜHRU NG Der Mozartzyklus, der uns an zehn Abenden einen Überblick geben soll über Mozarts reiches Schaßen — beginnend bei seinen frühesten Werken, endend mit seinem Grabgesang, dem Requiem — soll gleich zeitig vor uns auch sein Leben -und \yerk erstehen lassen. Am Ende dieser Konzertreihe wird so in uns das Bild des Menschen Mozart lebendig geworden sein, dessen viel zu früh vollendetes Leben nur der Musik gewidmet war. Am 27. Januar 1756 wurde Wolfgang Amadeus als zweites Kind des „Hofkompositeurs“ zu Salzburg, Leopold Mozart, geboren. Seine außergewöhnliche musikalische Begabung wurde vom Vater frühzeitig gefördert, so daß er schon als sechsjähriges Wunderkind, zusammen mit seiner um fünf Jahre älteren Schwester auf einer mehrjährigen Konzertreise, die einen großen Teil Europas berührte, große Er folge als damals bereits überlegener Blattspieler auf dem Klavier und der Orgel, als Accompagnist und Improvisateur errang. Auch kompositorisch betätigt sich der Knabe bereits seit seinem fünften Jahre. Die während dieser Zeit entstandenen Arien, von denen der erste Mozartabend eine Auswahl brachte, zeigen die damals übliche Dacapo-Form, verraten aber schon eine beachtliche dramatische Begabung. Die Sinfonie in F-dur, die ebenfalls im ersten Konzert erklang, läßt wohl das Vorbild Joh. Christian Bachs, der in London — neben dem Vater — den ersten entscheidenden Einfluß auf den Knaben gewann und die Einwirkungen der neuen Wiener Sinfonik spüren, sie hat aber doch in vielen Zügen schon die nur Mozart eigene Sprache; nur wenige werden sie für das Werk eines elfjährigen Knaben gehalten haben. Die drei kurz aufeinander folgenden Reisen in Italien, die der weitblickende Vater für die Weiterentwicklung seines Sohnes für unerläßlich hielt, da dieses Land im Kunstschaßen der abendländischen Völker damals an hervorragender Stelle stand, brachten dem Knaben reiche Erfolge. Jetzt wird er bereits nicht mehr nur als Solist enthusiastisch gefeiert, sondern neben reifen Musikern dieser Zeit, wie z. B. Hasse, geehrt und geachtet. In Rom verlieh ihm der Papst den „Orden zum goldenen Sporn“, den auch Gluck besaß und in Bologna wurde er nach glänzend bestandener Prüfung in Komposition als Mitglied in die „Academie filar- monica" aufgenommen. Die im zweiten Konzert zu Gehör gekommene Sinfonie in F-dur und die Arien mischen deutsche und italie nische Stilelemente ebenso wie seine damals komponierten ersten Opern. Das Divertimento in Es-dur hörten wir in der Originalfassung für Streichquartett. 2 Klarinetten und 2 Hörner, während eine spätere Bearbeitung 2 Oboen und 2 englische Hörner vorsieht, woraus man vermuten dürfte, daß das Salzburger Orchester, wie viele andere deutsche Orchester, noch über keine Klarinetten verfügte. Das reifste Werk aus dieser Zeit, die für den Sänger Rauzzini geschriebene Motette „Exsultate jubilate“ nimmt, den Gepflogen heiten dieser Zeit entsprechend, weitgehendst Rücksicht auf die Wünsche des Bestellers, doch die Instru mentation Mozarts läßt mit seinen jubilierenden Oboen, die in den Jubelgesang des ganzen Orchesters über gehen, das auch die Bitte um Frieden so ergreifend gestaltet, die geniale Hand des Meisters spüren, der trotz Slilgebundenheit Eigenes zu geben weiß. Trotz aller Ehren und Erfolge blieb die vom Vater erhoßte Anstellung am Florentiner Hof aus. Aber alle auf den Reisen empfangenen Eindrücke sind in Mozart lebendig und kommen in der folgenden Zeit in Salz burg in seinem überreichen Schaßen zum Ausdruck. Der über die engen Salzburger Verhältnisse - und über den Vater — inzwischen hinausgewachsene Mozart ist in jenen Jahren des Reifens oft pessimistischen Stim mungen unterworfen, die sich in seiner Musik ausdrücken. Die Streichquartette, die io dieser Zeit entstanden, für die ihm Haydn, den er bei kurzem Aufenthalt in Wien kennenlemte, leuchtendes Vorbild wurde, drücken in einzelnen Sätzen Trauer schon ergreifend aus. und die Sinfonie in g-moll, die das heutige Konzert erößnet, ist ein elementarer Ausdruck der Verzweiflung; nur im Trio des Menuetts erklingen lichtere Töne, während die düstere Stimmung der anderen Sätze oft bis zur Leidenschaft gesteigert wird. Hier ist der große Sin foniker der späteren Jahre am Werk, der vom Vater nicht mehr verstanden, vom Erzbischof abgelehnt wird. Dieser forderte neben Kirchenmusik von seinem Konzertmeister galante Musik, so daß Mozart nach diesem Aufschrei nun eine schier unübersehbare Fülle heiterer Werke schuf, von denen das heutige Konzert die schönsten erklingen läßt. Das Konzert in B-dur, für das allgemein als „Komiker des Orchesters" an gesprochene Fagott, zeigt, daß dies, seinem Charakter entsprechend behandelte Instrument sich durchaus zum Solospiel eignet, ohne komisch zu wirken. Das Divertimento in D-dur ist eines aus der großen Zahl ähnlicher Divertimenti und Serenaden, einer damals sehr beliebten Musikform, die den reichen Schatz deutscher Volksmusik in sich birgt. Die meist darin verwobenen Sologesänge der Violine spielte bei den Salzburger Aufführungen der junge Meister selbst. Einen Höhepunkt dieser Art bildete die Hafiner-Serenade, geschrieben 1776 für die Hochzeit der Bürgermeisterstochter Elisabeth Haßner. Mit ihrer großen Anzahl von Sätzen und der verhältnismäßig starken Besetzung sprengt sie fast den Serenaden-Charakter. Sie ist ein geniales Festlied, dessen einzelne „Verse“ stets etwas anderes zu schildern wissen. Sich seinem alten Lieblingsinstrument, dem Klavier, wieder zuwendend, schaßt Mozart eine große Zahl Klaviersonaten und die ersten Klavierkonzerte. Auch fünf Konzerte für Violine entstehen in einem Jahr, von denen das in A-dur heute erklingt, jenes, das jedem Geiger noch heute ans Herz gewachsen ist. Schon die nach dem Orchestervorspiel einsetzende überirdisch schöne Kantilene leitet ein Werk von seltener Kost barkeit ein. Nach diesen sehnsuchtsvollen Tönen des Soloinstrumentes setzt es unmittelbar mit dem herben, schönen A-dur-Thema ein, das uns durch die Schönheiten des ersten Satzes führt. Noch einmal läßt er im zweiten Satz den ganzen Sinnenrausch und die beseeligende Schönheit der Violine vor uns erstehen und schließt das Konzert ab mit einem im Menuett-Charakter gehaltenen dritten Satz. — So ist dieses Konzert schönster Ausdruck für die in der Ruhe der Salzburger Jahre sich immer herrlicher entfaltende Genialität Mozarts, die diese Zeit des Reifens so überaus fruchtbar gestaltete, ehe ihn sein Ruf neuen Zentren des Musiklebens entgegenführte. Ruth Butowski Vorankündigung: 25. Dezember 1950: Weihnachtsfestkonzert mit Branka Musulin 26. Dezember 1950: Vordi-Puccini-Opernabend 1. Januar 1951 (Neujahr): Werke von Hans Pfitzner, Richard Strauß und Richard Wagner. Dirigent: Walter Stoschek