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denken gegen seine politische Einstellung in Berlin — und diese sind berechtigt So geht Wiesenhütter 1940 nach Saar brücken ans Theater, eine Zeit ungehin derter Aufbauarbeit scheint gekommen. Doch der Schein trügt. Nach einem durch schlagenden Erfolg seiner ersten Neuein studierung wird jede weitere selbständige Entwicklung gehemmt — er ist ja nicht Pg. Nach längerer Pause findet er beim Landes sinfonieorchester Westmark/Ludwigshafen ein neues geeignetes Wirkungsfeld. Doch er strebt weiter. Mit München und Salzburg sind ernst hafte Verhandlungen im Gange. Aber Ber lin macht wieder einen Strich durch die Rechnung. Trotzdem verpflichtet ihn der Reichssender München auf Grund seiner ausgezeichneten Leistungen regelmäßigfür zwei bis drei Konzerte im Monat. Gast direktionen erfolgen u. a. mit den Orche stern von Stuttgart, Kassel, Dresden, Mei ningen, Hagen, Berlin, Karlsruhe. Als die Kunstschaffenden der Rüstung übergeben werden, findet sich Gerhart Wie senhütter als Bürobote in einem Industrie werk. Dort erwartet er das schon lang er sehnte Ende des Krieges. Als die Rote Armee naht, bildet er in seinem Wohnort Weinböhla einen Aktionsausschuß, besetzt nach der Flucht der Bonzen das Rathaus und übergibt zusammen mit dem jetzigen Präsidenten der Sächsischen Eisenbahn, Barth, den Ort ohne weitere Beschädigung, worauf er als zweiter Bürgermeister am Aufbau der neuen Gemeindeverwaltung teilnimmt. — Doch Musik zieht ihn. Die verwaiste Dresdner Philharmonie bittet ihn um die Leitung des ersten Konzertes nach dem Zusammenbruch, und schon am 8. Juni kann die Dresdner Philharmonie ihre Kon zertveranstaltungen — wahrscheinlich als erstes Orchester in Deutschland — mit einem ausverkauften Sinfoniekonzert wie der beginnen. Die Landesverwaltung über trägt Gerhart Wiesenhütter die künstle rische Oberleitung der Philharmonie, und seither sind Dirigent und Orchester in ver eintem unermüdlichen Eifer um die Fort setzung ihrer ruhmreichen Tradition be müht — Kurz vor Drucklegung dieser Schrift wird bekannt, daß die Stadt Dres den Gerhart Wiesenhütter in Anerkennung seiner Bestrebungen, beste deutsche Or chestermusik weitesten Kreisen des Volkes nahezubringen den Titel „Generalmusik direktor“ verliehen hat Hören wir, was Gerhart Wiesenhütter selbst über seine zukünftigen Aufgaben zu sagen hat: „Wochen angespanntester Ar beit liegen hinter uns. Der ehemalige erst klassige Orchesterapparat der Dresdner Philharmonie ist schon während des Krie ges zerschlagen worden. Noch heute fehlt eine Anzahl der besten Stimmen. Dadurch wird eine organische Aufbauarbeit sehr er schwert. Manches Konzert stand plötzlich in Frage, weil Ersatzstimmen fehlten. Heute ist schon viel erreicht, trotzdem türmen sich immer wieder neue Schwierigkeiten auf, von denen der Zuhörer im Saale nichts ahnt. Mag ihm dies oder jenes noch nicht ganz vollkommen erscheinen, so vergegen wärtige er sich, daß ein Instrument, das längere Zeit unbenutzt im dumpfen Raume stand, Zeit und gründliche Überholung braucht, um wieder im alten Glanz zu strahlen. So auch ein Orchester, das neu aufgefüllt werden mußte. Nur rastlose und sorgfältigste Probenarbeit kann es zu einem Ganzen zusammenschweißen. Mit großer Freude habe ich mich dieser Arbeit hin gegeben und traf freudige Mitarbeit auch bei den Orchestermitgliedern an. So hoffe ich zuversichtlich, den alten Ruhm der Dresdner Philharmonie, die zu den besten deutschen Konzertorchestern gehört, in kürzester Zeit wieder zu vollem Glanz zu bringen, um die Aufgaben der Zukunft zu lösen, die neben der Pflege des Sinfonie- und philharmonischen Konzerts besonders in der Gewinnung breitester Volksschichten für das Verständnis und das Teilhaben an den unsterblichen, musi kalischen Geistesschätzen des deutschen Volkes und anderer Völker bestehen“.