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Vrped. «. Redatn-n vresdeu-Neustadt v. Meißner «affe L. Li« Zeitung erscheint Tteufta,, Gauuerfta, und Sunnaten» früh. Adanuewent»- Vret»: »irritljährl. M. 1^0. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- anstalten und durch unsere Bolen. Bei freier Lieferung inS HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pf. ällMchk DocheituW. Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. AmtShauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmaau Müler in Dresden. Inserate werden bis Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dieispalt. Zeile 1V Pf. Unter Eingesandt: » Pf- Inseraten» Annahmestellen: Die Arnoldische Buchhandlung, Invaliden dank, Haafenstein ^Bögler, Rudolf Moste, G. L. Taube «Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/v<, G. Nohl, LestelSdors u. f. w. Wr. 127. Donnerstag, den 28. Misker 1897. 59. Jahrgang. DullMNK-MlldNg. Bestellungen auf die „Sächsische Dorfzeituug" für die Monate November und Deeember nehmen alle kaiferl. Poftaustaltev und Postexpedtttonen, sowie auch alle Landbriesträger gegen Vorausbezahlung von 1 Mark entgegen. Die Verlag-. Sxpeditto«. Politische Weltscha« Deutsche- Reich. Angesicht- der Berathung über die neuen Marineforderungen, die im nächsten Reichstage bevorstehen, ist gewiß die Frage am Platze, was Deutschland, dessen Handelsflotte die zweitgrößte, dessen Dampferflotte sogar die größte der Welt ist, eigentlich zum Schutze seiner überseeischen Interessen gethan hat? Im Verhältnisse zum Werth und Um fang seiner Interessen, im Vergleiche zu anderen Staaten leider so gut wie nichts! Wir sind mit unserer Kreuzer flotte an die zehnte Stelle, hinter Staaten wie Chile und Argentinien, gerückt. Daß Deutschland nicht die Mittel besitzt zum Ausbau einer Kreuzerflotte, ist eine Behauptung, deren Widerlegung sich im Hinblicke auf lhre allzu offenbare Unrichtigkeit nicht verlohnt. Dazu kommt der Vorthetl, den ein Ausbau der Flotte unserer im erfreulichsten Aufschwünge begriffenen Schiffsbau industrie in ihrem Wettbewerbe, namentlich mit Eng land, bringen würde. Dieselbe würde mächtig gefördert werden und dann nicht nur den eigenen Bedarf Deutsch lands an Kriegs- und Handelsschiffen decken, sondern auch die Aufträge de- Auslandes mehr und mehr an sich ziehen. Auch andere unserer wichtigsten Industrie zweige, die Maschinen- und Kriegsmaterialienindustrie, die gesammte Eisen- und Montanindustrie würden an den Vortheilen und der Anregung theilnehmen, die durch einen erweiterten Schiffbau hervorgerufen würden. Nun wird von den Gegnern einer Verstärkung unserer Seemacht behauptet, Deutschland könne gar nicht so viele Kreuzer bauen, um bei kriegerischen Verwickelungen mit einem ebenbürtigen Gegner seine ausgedehnten und zerstreuten Interessen auch nur einigermaaßen zu schützen. Unser Seehandel würde in einem solchen Falle »einfach vernichtet werden". Aber so einfach dürfte die- selbst für einen sehr überlegenen Gegner doch nicht sein. Zunächst haben unsere Schnelldampfer, besonders die de- Lloyd und der Hamburg-Amerika- Linie, feindliche Kriegsschiffe auf hoher See nicht sehr zu sürchten, da eS ihnen wegen ihrer ganz bedeutend überlegenen Schnelligkeit ein Leichte- ist, sich der Ver- solguna zu entziehen. Selbst ein schnelle-, feindliche- ! Kriegsschiff vermag nur eiben solchen Schnelldampfer ein wenig au- seinem Kur- zu jagen oder ihm diesen oder jenen Hafen zu sperren. Nacht und Nebel machen aber sofort einer solchen Verfolgung ein Ende. Nur wenn sie in engen Gewässern von mehreren Seiten angegriffen werden, können sie in Gefahr kommen. Langsamere Dampfer fahren vorsichtig in Geschwadern vereinigt und lassen ihren Weg durch kleinere oder neutrale Schiffe ausklären, um sich im Falle der Gefahr > zu zerstreuen oder neutrale Häsen aufzusuchen. Nun ist aber Deutschland in der Zahl großer und schnell fahrender Dampfer allen anderen Nationen überlegen und den Engländern mindesten- ebenbürtig. Die meisten dieser Schiffe find mit Einrichtungen versehen, um im Kriegsfälle eine Armirung aufzunehmen. Unsere hervor ragende Industrie für Kriegsmaterial erlaubt uns mit Leichtigkeit, diese Schiffe mit der denkbar besten Armirung zu versehen und dieselbe dauernd zu ersetzen. Eine geringe Vermehrung unserer Kreuzer wird freilich auch ! zum Schutze dieses Theiles unserer Handelsmarine am Platze sein. Wir besitzen aber noch ein weiteres Ele ment einer zukünftigen starken Machtentfaltung zur See, das keiner der übrigen Nationen in so reichem Maaße eigen und in welchem uns so leicht auch kein Vorsprung ! abzugewinnen ist, da- ist unser herrliche- Material an Seeleuten und erprobten Schiffsführern. Wo nur immer unsere Seeleute Gelegenheit hatten, sich in schwierigen Lagen zu bewähren, haben sie — die der Handelsmarine nicht minder, al- die der Kriegsschiffe — sich ganz hervorragend brav und nicht selten Helden- müthrg benommen. Unser SeeosficierkorpS, wie unsere Blaujacken bilden den Neid der anderen Nationen. Man gebe solchen Leuten nur einigermaaßen den An- > forderungen entsprechende- Schiff-material unter die Füße, ermögliche die Unterstützung der improvifirten Kaperschiffe durch eine gute Kreuzer flotte und wir können dann allen Eventualitäten eine- Kreuzer- und KaperkriegeS entgegensetzen. Aber davon ist unter den augenblicklichen Verhältnissen keine Rede. Welche Werthe find in einem Seekriege zu gewinnen — und zu ver- ! lieren! Ein großer Dampfer mit Fracht stellt einen ! Werth von 15—20 Millionen Mark, ein kleiner den ! von 5—15 Millionen dar. Ein französischer, russischer oder englischer Kreuzer, der ein bis zwei solcher deut- j schen Schiffe aufbringt, oder ein deutscher, der ihre Weg. nähme hindert, hat sich also reichlich bezahlt gemacht. Denn wir uns also eine ausreichende Kreuzerflotte schaffen, so ist die- eine, auch vom einfach geschäfts mäßigen Standpunkte au- betrachtet, hervorragend produktive Kapitalanlage, denn bei einigermaaßen aünstigen Umständen können wir, wie die Sachen liegen, da- Hundertfache der aufgebrachten Mittel wiedergewinnen, ganz abgesehen von der Wirkung der Repräsentation unserer Flagge bei fremden Völkern, die unsere Handelsbeziehungen nur günstig beeinflussen würden. Leichtherzig hat sich die Regierung der Ver einigten Staaten über klare Vertragsbestimmungen mit ihrem neuen Dingley-Tarif hinweggesetzt und dadurch so ziemlich die ganze übrige Welt gegen sich aufgebracht. Außer Deutschland haben bereits folgende andere Staaten gegen die außerordentlich hohen Zölle nach drücklich protesttrt: Oesterreich-Ungarn, Großbritannien, Italien, Belgien, Dänemark, die Türkei, China und Japan. Einige dieser Länder, darunter das Deutsche Reich, haben zugleich mit diesem Proteste angekündigt, daß fie im Falle der Wirkungslosigkeit desselben Wieder- vergeltungSmaahregeln treffen und hohe Zölle auf amerikanisches Schweinefleisch, Rindfleisch, Getreide und andere amerikanische Erzeugnisse legen würden WaS antwortet darauf die Regierung der Vereinigten Staaten? Sie hüllt sich in ein undurchdringliches Schweigen be züglich ihres neuen Zolltarife-, versucht e- dagegen, ihrerseits einen Vorstoß zu unternehmen nach dem be- währten Grundsätze, daß der Hieb die beste Vertheidi- gung-art ist. Sie hat nemlich ihren Berliner Botschafter angewiesen, bei der Regierung Schritte zu thun, um eine Zurücknahme deS deutscherseits erlassenen Einfuhr verbotes gegen lebendes Rindvieh und frisches Rind fleisch zu veranlassen. Man dars auf die deutsche Antwort gespannt sein und wäre deren baldige Veröffent lichung sehr wünschen-werth. Anscheinend hat die bis herige Haltung unserer Regierung in Washington wenig imponirt, sonst würde man von dort aus nicht mit einer Forderung kommen, die unter den obwaltenden Umständen nur als eine Herausforderung betrachtet werden kann. Der neue Reichsschatzsekretär Freiherr v. Thielmann kennt al- gewesener Botschafter in Washington die dortigen Verhältnisse und Personen genau. Hoffentlich beeilt er fich, den neuen EtaatS- sekretär in der „Art, mit AankeeS umrugehen", gehörig zu unterweisen, damit man drüben recht bald andere Saiten aufzuziehen fich bequeme. Der beabsichtigte Besuch des GroßherzogS von Baden, sowie seiner Gemahlin beim Czaren- paare in Darmstadt ist unterbliebeu. Der Hofbericht der „Karlsruher Zeitung" bringt dazu folgenden, einiger, maaßen ausfallenden Kommentar: „Die großherzog. Ieuilleton. Der Spion. Historischer Roman aus der Gefchichte deS heutigen Rußland- von Julius Grosse. (Nachdruck verboten.) (9. Fortsetzung.) Auf eine so gestellte Frage gab eS freilich nur eine Antwort: „In solchem Falle entscheidet allerdings nur die Pflicht." „Gut und meine Pflicht habe ich gethan, nicht» mehr und nicht- weniger!" ries Sherwood. „Wollen Sie weiter hören?" Ich mußte mich niedersetzen. Die Kraft verließ mich und der Schrecken vor dem, wa- ich hören würde, lag wie eine Lähmung auf mir. Sherwood hatte wieder auf seinem Stuhle Platz genommen uud begann von Neuem: „Also hören Sie. Zn der Stadt Bogoduchow, eine Tagereise von Shar kow, machte ich Halt und fertigte mit erster Post einen Brief an Graf Araktschejef ab, meldete ihm, daß ich eine Verschwörung von Uebelgefinnten gegen den Kaiser und die Regierung entdeckt, daß ich unwiderlegliche Dokumente in den Händen habe, die ich nur dem Kaffer persönlich vorlegen könne, daß ich deshalb um die Lrlaubniß bitte, nach St. Petersburg zu kommen und daß ich die Antwort in Bogoduchow erwarten würde. „In Kurze« erhielt ich von dem Grafen die er» beteue Erlaubviß nebst Podoroshaa (Vorspannzettel zum Fahren mit Postpferden) und Progougeldern, fuhr mit Kurierpserden ohne Ruhe und Rast drei Tage und drei Nächte hindurch, kam am vierten Tage in Grusino an, wo der Minister auf seinem Landgut refidirte und meldete mich bei ihm. „Sie kennen den Grasen, Herr Oberst, diesen Emporkömmling, diesen Tyrannen von Rußland — derselbe Typus eine- Attila und Dfchingi-khan mit seinem Kalmückengesicht und seinen asiatischen Manieren. Ich habe nie in meinem Leben vor einem Menschen ge bebt, hier erschien ich mir wie ein Zwerg vor einem Riesen. „Als ich in sein Kabinett getreten war, sagte er in gebieterischem Tone: ,Tu hast die Existenz einer Ver schwörung gegen die Regierung und kaiserliche Familie deuuvcirt. Begreifst Du auch, waS Du gethan? Weißt Du auch, daß nach den Gesetzen der erste Knutenhieb den Denuncianten tr'fft, wenn er seine An gabe nicht beweisen kann? Merk' Dir da-! Und jetzt sprich, wo und wie Du diese geheime Gesellschaft ent deckt hast, aus welchen Personen fie besteht und welche Belege Du in Händen hast.' — Sie sehen, der all mächtige Satrap hatte ähnliche Wünsche wie Sie, aber ich konnte ihnen nicht entsprechen. „,Durchlaucht', sagte ich, ,ich habe diese Ver schwörung i« Gouvernement Kiew entdeckt, aber fie ist durch ganz Rußland verzweigt und ich kann dies durch Thatsachen beweisen. Aber erlauben mir Durchlaucht, Ihnen gehorsamst zu ei klären, daß ich diese Entdeckung Niemand als Seiner Majestät dem Kaiser selbst mit- zutheileu «ich für besugt halte/ „Me', ries »ich «rektschejef an, .weißt Du nicht, vag ich da- unbeschränkte Vertrauen des Kaiser- besitze und daß mir alle StaatSgehe mniffe bekannt find? Du bist verpflichtet, mir Alle- zu sagen, damit ich dem Kaiser Bericht erstatten kann.'" „Sie können sich denken, daß die Donnerstimme und Wildheit de- Minister- mir einigen Eindruck machten, denn ich kenne die schrankenlose Willkür diese» Tyrannen und seinen despotischen Charakter, aber der Gedanke, daß, wenn ich mein Seheimniß preisgäbe, Alle- verloren und bei Srite geschafft werden würde, nachdem ich Alle- entdeckt, gab wir neuen Muth und ich wiederholte meine frühere Antwort womöglich noch bestimmter und schob ihm die Verantwortung zu, wenn er durch längere Verzögerung die Gefahr Hereinbrechen ließe. „Der Graf sah mich grimwig an, aber meine Festigkeit schien ihm zu imponiren. Endlich sagte er: ,Gut, wir werden sehen, wa- Du dem Kaiser zu sagen hast. Seh' jetzt, iß schnell zu Mittag und hafte Dich bereit.' „Hierauf nickte er mit dem Kopfe, ich machte link», um «ehrt und und verließ da» Kabinett, eine Art Folterkammer für mich. Ein Lakai führte mich in ein besondere- Zimmer, wo da- Mittagessen schon bereit stand. Ich kann sage», daß ick», ermüdet von der Reise, mit einem wahren Wolf-Hunger darüber herfiel. Kaum war ich mit der letzten Schüssel zu Ende, kl ein Feldjäger meldete, der Graf sei soeben nach Beter»» bürg gefahren und wir müßten auf der Stelle fahre». „Eine Telega mit drei Pferden stand bereit» vor der Thür. Ich stieg eia mit dem Feldjäger, kau« ander» al» selbst ei» Sefauaever und gegen Abend waren wir in Peter»burg. Die Telega fuhr direkt zum