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älhsislhe D orheituG 59. Jahrgang Donnerstag, den 14. Oktober 1897 Ieuilleton. werden bi» Montag, Mittwoch n. Freitag Mittag angenommen und kosten: die Ispalt. Zeile 1S Pf. Unter Eingesandt: 80 Pf. blieben sie hinter dem blendenden Eindruck zurück. Solche Schönheiten waren mir im ganzen Leben bis her noch nicht vor Augen gekommen. Bon dieser Stunde an pries ich meinen Stern und Ruhland, daS mir wehe gethan, erschien mir jetzt als daS glück seligste Land. „Nach der ersten Freude des Wiedersehens wandte sich Uschakoff zu mir und stellte mich seinen Töchtern als Lehrer der englischen Sprache vor. „Meine ehrfurchtsvolle Verbeugung wurde von ihnen mit einer leichten Reverenz erwiedert und darauf dem Haushofmeister Befehl ertheilt, mir daS Zimmer einzuräi men, welches mein Vorgänger bewohnt hatte — eigentlich meine Vorgängerin, denn es war eine Gouvernante auS Genf, die Knall und Fall entlassen worden war, weil sie, wie ick später erfuhr, sich in eine Herzensangelegenheit der älteren Schwester einge mischt hatte, doch davon werde ich später noch ausführ licher zu berichten Haden. „Seit jenem Tage war ich der unzertrennliche Ge sellschafter meiner reizenden Schülerinnen. Sie hatten ihre Mutter verloren und standen unter der Aufsicht einer alten Verwandten, Sascha, die fast nie aus chrem Zimmer kan. Den Vater, der auf seinen weitläufigen Besitzungen, auf Jagden und Versammlungen viel zu thun hatte, sahen wir nur des M ttag- und Abend- und auch daS nicht täglich. Er bekümmerte sich damals nur wenig um uns. „Auch sonst fehlte eS nicht an originellen Gestal ten auf dem Herrensitz. Da war zuerst eine Art Fak totum, ein früherer Kosak Kuzmin, der mittags mit einer Trompete das Zeichen zur Tafel gab und abends Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neusta , für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. — Jnseraten- Anuatzmeftelear Die Arnoldische Buchhandlung, JnVaUdcndnnk, HaasenstetnLBoglcr, Rudolf Mofsc, G. L. Daube «To. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, KcsselSdorf u. s. w. die Balalaika spielte, ferner Iwan, der WolfSfänger und Otternjäger, endlich mehrere Verwalter, Forst aufseher und ein alter Friseur, ein Franzose, der im Jahre der großen Retirade gefangen worden und seit dem hier geblieben war. „Wie soll ich nun daS Weitere berichten, um Ihnen ein klares Bild zu geben und doch Niemand nahe zu treten? „Es ist wohl kaum zu verwundern, daß unser Ver kehr sehr bald ein intimer wurde. Die volle Freiheit, uns jeden Augenblick zu sehen, Ler Vortheil, wenn Andere zugegen, uns in einer fremden Sprache zu ver ständigen, die Enge des Landlebens und seine Ab- werselung — wir ritten und fuhren durch die weiten Forsten und Felder, ruderten auf Gondeln zu den ein samen Inseln der Seen, schossen nach der Scheibe und trieben Musik - Alles daS half unS rasch zu Vertrauten machen. „Beide Schwestern, so unähnlich einander wie möglich, waren von bezaubernder Schönheit. Tatiana, die keltere, brünett und von einer gewissen Nachlässig, test der Haltung, schien meist von Schwermuth und Trauer überschattet, sie hatte bereits eine schwere Prü- fung erfahren. D.e Jüngere dagegen, Nadjeschda, i braunlockig, war von ungebändigtem, lebhaftem Temperament, dabei doch von jungfräulicher SA" Anmulh. Was soll ich eS verhehlen, daß sie es bald mir anzethan? . Augenblick die Schranke ver- uns bestand, gab ich mich doch wrder- ^önen Traume Hw. Wir lasen Shakesprare S „Romeo-, Byron'- „Eorsar- und „Braut Exprb. «. Redaktion DreSbe»-Neustadt kl. Meißner Gasse 4. Die Zeitung erscheint Dieustag, Lnunersta» und G»«»arentz früh. Adnuuemeut»- Preis: UierttljLhrl. M. 1,80. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- anstalten und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung inS HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pf. 7—hat an die Bundesregie- 1 ^ftirreiben betreffend die Vorarb?Uen rungen -in Run^ Handwerk-organisa- zur Durchfüh 8. ^-geführt wird, daß eS sich * ""'»«^Üi^emvseblen werde, mit der Inkraftsetzung sollen zu welchem Zwicke m,ng«°ll„chaff-durqg-iu? au,g--,beU-t werden. betreffend die in «rast g-I-,t werden, d-rm Handwerlikam ' „ n,./ nach eine umsangreich« Lnn Di' weiteren Vorschr.stm U Ä-,e- ISNN.N «ft n°» Einrichlung der Hand- werlikammern in« L-d-n treten. Endlich wird nach sür die Regelung de« Prasungiw- nS di- von Normal-Prüfungsordnungen l°« di« selten- wie für die Meisterprüfung als erwägungSwerth ^"Au?'dem socialdemokratischen Parteitage in Lambu^ kam u. A. auch die Maifeier zur Sprache. Der Antrag, bei der Maifeier die ArbeitS- rube fallen zu lassen, erwies sich als nur von einem Bruchtheile der Hamburger Genossen unterstützt. Stolten. Hamburg befürwortete, alle anderen Redner bekämpf en den Anttag, auch im Hinblicke auf die guten Erfolge der österreichischen Maifeier. R-ferent Förster-Hamburg empfahl den vorjährigen Gothaer Beschluß: möglichste Arbeit-ruhe. Der Antrag Stolten wurde darauf zurückgezogen und der Gothaer Beschluß angenommen, ebenso der Wunsch, um so mehr für die allgemeine Arbeitsruhe einzutreten. — Eine Aeußerung, die besonders erwähnt zu werden verdient, ist dem Abgeordneten Bebel entschlüpft. In seiner Leb- Hastigkeit bemerkte er, die Gegner könnten aus ihrer Haut als BourgoiS nicht heraus und fuhr dann wört lich fort: „Auch viele Socialdemokraten — Sie, meine Herren Dclegirten, nicht ausgenommen — Eie würden, wenn Sie heute über Hunderttausende verfügten, BourgoiS werden und die Socialdemokratie an den Nagel hängen! Das ist ja ein ganz merkwürdige- Geständntß! Bebel stellt damit der UeberzeugungStreue der „Genossen" etn böseS Zeugniß aus. WaS soll man von den „Herren Delegirten" denken, die, wie Singer und vr. AronS, über Hundertausende verfügen und die Socialdemokratie trotzdem nicht an den Nagel hängen? Scheint der Bebel'sche Ausspruch nicht den jenigen vollkommen Recht zu geben, die längst den Verdacht hegen, daß eS diesen socialdemokratischen Millionären nur darum zu thun ist, eine politische Rolle zu spielen und daß sie, weil sie anderwärts nicht dazu kommen können, lediglich deshalb der socialdemo- btldet. Hier fand der Kaiser ausgebildet und in Thaten umgesetzt, was in ihm schlummert. Er fand eS ohne den Kampf der Gegensätze, der im deutschen Reiche existirt. Seine Begeisterung entzündete sich; nicht sofort, son dern am letzten Tage seine- Aufenthalte- gab er seinen Empfindungen Ausdruck und diese Empfindungen ver kündeten fast jubelnde Beistimmung, ein berauschende-, fortteißendeS Lob, an dessen Ehrlichkeit man um so weniger zweifeln kann, al- man überall weiß, daß Wilhelm ll. eS verschmäht, je etwa- zu sagen, wa- er nicht im Augenblicke auch meint. Realpolitiker haben ihre Folgerungen gezogen und erörtert: waS bedeutet der Besuch de- deutschen Kaiser- und seine Rede in Budapest? Inwiefern wird die allgemeine Politik davon berührt und worin wird insbesondere Ungarn- politische und gesellschaftliche Stellung beeinflußt? All' da- find gewiß wichtige Probleme. Aber man kann und muß noch eine andere Frage aufstellen. WaS be deutet der Besuch und die Rede in Ungarn für Kaiser Wilhelm ll.? Hier wird die Antwort lauten: Zum Mindesten ist erwiesen, daß der Kampf in der Seele de- Kaiser- noch nicht entschieden ist. Ein Herrscher, der solche Worte für einen durch und durch modernen Staat fand, kann nicht sein eigenes Land in mittel alterlichem Zwange bändigen wollen. Wie die end- giltige Entscheidung ausfallen wird, ist unmöglich heute zu prophezeien. Vielleicht kommt der Kaiser schließlich doch wieder zu der Ansicht, daß, was sür Ungarn paßt, in Preußen eine Unmöglichkeit ist. Vielleicht ! aber hat da- Kennenlernen und die verständnißvolle Würdigung de- ungarischen Nationalcharakters Zweifel in der entgegengesetzten Richtung in ihm gesät und bewegt ihn zum Entschlusse eines Systemwechsels oder wenigstens zu neueren Versuchen. Ganz ohne Einfluß können die Ungarntage an einem so impression-fähigen ! Fürsten nicht vorüberziehen." Biele- mag in dieser ! Auffassung richtig sein. Manches erscheint dem unbe- j fangenen Beobachter indessen doch in einem anderen Lichte. Der Kaiser ist nach Allem, WaS man von ihm wissen kann, ein Mann von einem impulsiven Tempe. rament, daS sich an gleichartigen Temperamenten nur j um so leichter entzündet. In Ungarn begegnete ihm solch ein impulsives „nationales" Temperament. Ist es da am Ende zu verwundern, wenn der Kaiser Wil helm, von der Gewalt de- Augenblickes fortgerissen, seiner innerlichen Erregtheit einen schwungvollen Aus druck verlieh, der sicherlich der Ausfluß ferner Empfin dung war und es auch in der Erinnerung bleiben wird? Aber daraus gleich die Folgerung zu machen: „Der Kaiser stehe am Scheidewege" und „in Budapest sei ! der Kreuzungspunkt zu bemerken gewesen", das ist unzweifelhaft sehr gewagt. Politische Weltschau. Deutsches Akeich» Ein interessante- Portrait Kaiser Wilhelm'- sucht ein Mitarbeiter de- „Pester Lloyd" zu entwerfen. Es heißt da u. A.: Bei dem Versuche einer Analyse zeigt sich, daß der Kaiser ein „sehr komplicirter Charakter ist und daß die divergiren- den Bestandtheile seiner Natur noch unausgeglichen um die Herrschaft seiner Seele streiten." Neben und gegen einander, so fährt der Verfasser in seiner Darstellung fort, leben in Kaiser Wilhelm zwei Naturen: die konservative Tradition und die moderne Idee. Den- noch ist Eines gewiß: „Wilhelm der Zweite ist kein Mann de- lauen Kompromisse-. Ein eiserne- Ent weder — Oder ist sein Motto." Je nachdem die Ent scheidung fällt: „er wird al- ein ganzer, ein über, ragender, energischer und zielbewußter Fürst vor un- stehen." Noch ist aber diese Zeit der Entscheidung nickt gekommen. Noch überrascht der Kaiser durch Stimmungswechsel. Noch ist der Kaiser in ernstem, heftigem Kampfe mit sich selbst begriffen. Ein wichtige- Moment in diesem Selbstentscheidungskampfe glaubt der Verfasser in dem Auftreten de- Kaiser- in Budapest erblicken zu können und er fährt dann wörtlich fort: „Man soll ihn merken und festhalten, al- ein Datum, wichtig vor allen. Im deutschen Reiche mehrten sich die Zeichen für ein Anwachsen der liberalen Strömung. Die erstarkte Opposition, die im Reichstage die Mehrheit hat, will einen persönlichen Lieblingsplan de- Kaisers durchkreuzen und nun, sicher mit einer starken Mißstimmung gegen den Liberalismus, der keine große Flotte haben will, kam der Kaiser nach Ungarn. Hier fand er eine Nation, die all das im höchsten Maaße besaß, waS ihm (dem Kaiser) nach dem Laufe der letzten Wochen, nach der Entscheidung, die sein Geist anscheinend getroffen, unsympathisch sein mußte. Eine Nation vor Allem, deren Leben in der gleichen Stunde begonnen hat, in der trauernd der Leichnam des Absolutismus zu Grabe getragen wurde. Man konnte erwarten, daß der preußische König den Ungarn mit strenger Kritik sich gegenüberstellen und bestenfalls mit konventioneller Höflichkeit sich abfinden würde. Das Gegentheil war aber der Fall. Das lebhafte Nationalgesühl der Ungarn, das politische Temperament, die patriotische Treue de- Volkes, der rege Sinn für die VerkebrSentwickelung ihrer Heimath, die schnell auflodernde Begeisterung für große Thaten und Ideen, die lebensfrohe Freude an Glanz und Pracht — all das findet sein Echo im Herzen Kaiser Wilhelms; seine andere Seele, die moderne, um faßt Alles, was die Vorzüge der ungarischen Nation Der Spion. Historischer Roman aus der Geschichte deS heutigen Rußlands von Iuliu- Grosse. (Nachdruck verboten.) (3. Fortsetzung.) „Wir fuhren ohne Aufenthalt ununterbrochen Meilen um Meilen. Da eS FrühlingSauSgang war, brach die Nacht erst spät herein, aber sie schien mir mit ihren klaren Sternen wie eine heilige Weihnacht-, nacht. Mit Tagesanbruch wurde die Gegend lieblicher. Ferne Höhenzüge erschienen mit laubreichen Wäldern, in meilenweiter Ferne blitzten die goldenen Kuppeln einer Stadt im Morgenroth. Endlich bogen wir in einen Föhrenwald ein. Bald wechselte daS Nadelholz mit Espen, Birken und Buchen, ein blauer See mit wehendem Schilf wurde sichtbar und gleich darauf lag da- stolze Herrenhaus von Stanitzr Tarussa vor unS. „I.» kühnem, elegantem Bogen fuhr die Telega vor der Paradetreppe vor. Sofort erschienen mehrere Diener aus dem Erdgeschoß und an ihren Armen wurde der noch immer schlaftrunkene Gebieter in da- HauS geleitet. „Oben im Voisaol eilten ihm zwei erwachsene Töchter entgegen und begrüßten den Vater mit lauter Freude. Ich wurde unbemerkt Zeuge einer rührenden Scene de- Wiedersehen». Meine Erwartungen waren, ich weiß nicht warum, hochgespannt grwesen; dennoch