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Dresdner Journal : 16.12.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189312165
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18931216
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18931216
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-12
- Tag 1893-12-16
-
Monat
1893-12
-
Jahr
1893
- Titel
- Dresdner Journal : 16.12.1893
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M2Ä2. I8W. Sonnabend, den 16. Dezember, abends. Ämtlichcr Teil. Dre-den, 16. Dezember. Se. Königl. Hoheit der Herzog Nicolau- von Württemberg ist heute früh 12 Uhr 57 Minuten wieder abgereist. Wekanntrnachung. Die Anmeldung zu dem an der Königlichen Tmnlehrer-BUdungs-Anstalt in Dresden abzu» haltenden Lehrkursus zur Ausbildung von Turnlehrerinnen betreffend. An der Königlichen Turnlehrer-Bildungs-Anstalt zu Dresden beginnt am 8. Januar 1804 ein Kursus zur Ausbildung von Turnlehrerinnen. Gesuche um Zulassung zu demselben sind unter Beifügung 1) des GcburtS- oder Taufscheines, 2) eines ärztlichen Zeugnisses über den Gesund heitszustand, 3- eines amtlichen Zeugnisses über die sittliche Führung, 4) der Zeugnisse über die frühere Schulbildung, sowie über genossene turnerische Vorbildung und 5) eine? selbstgefertigten Lebenslaufes bei dem unterzeichneten Ministerium bis zum 31. Dezember 1893 kinzureichen. Dresden, am 30. November 1893. Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts. v. Seydewitz. Götz. Nichtamtlicher Leit. KekgraphWe und telephonische Nachrichten. 8. Leipzig, 16 Dezember. (Privattel. d.DreSdn. Journ.) Heute vormittag 9 Ubr wurden die öffent liche Verhandlung deS 2. und 3. Strafsenat» gegen die beiden Spione fortgesetzt. Der Präsident v. Wolff leitete die Sitzung ein, in dem er bekanntgab, daß neben dem Gesetz vom 3. Juli 1893, betreffend den Verrat militärisch« Geheimnisse, auch Z 92 de» Reichsstrafgesetzbuches bei Beurteilung der Angelegenheit in Frage komme Hierauf begann der Verteidiger, Rechtsanwalt Putzler, mit seinem Plmdoyer. Der Redner schickte zunächst die persönliche Bemerkung vorau», daß er sich al» Berteiviger in einer schwierigen Lage befinde. Zum ersten Male komme hier ein Gesetz in Anwendung, welches in seinen Konsequenzen sehr «eit gehe; da sei leicht die Gefahr vorhanden, sich m allgemeinen Erörterungen zu ergehen. Er wolle jedoch nur in Betracht ziehen, welcher Thatbestand hier erfüllt ist, um die Angeklagten zu verurteilen. Persönlich wünsche er unserer Marine ein scharfes Schwert; das Gesetz vom 3. Juli d I scheine aber diesen Zweck nicht zu erfüllen. In längeren al» 1 stündigen Ausführ ungen ging der Redner auf da« Gesetz ein und legte es von seinem Standpunkte au« au«, dabei die Gesichtspunkte betrachtend, die zu Gunsten der Angeklagten etwa sprechen könnten. Schließlich beantragte der Verteidiger, an Stelle de« Zuchthauses Festungsstrafe, und zwar da« niedrigste Strafmaß anzuwenden. Hr. Oberreichsanwalt Tesfindorff widerlegte die Ansicht de» Verteidigers in ver schiedenen Punkten. Er hob hervor, daß eS vom Reichs tag sehr weise gewesen sei, da« Spionagegesetz vom 3. Juli zu schaffen; im anderen Falle wäre der Bürger^ meister von Kiel, der sich im vorliegenden Falle bei der Verfolgung und Festnahme der Spione Verdienste er worben hat, in die Lage gekommen, den Spionen noch auf dem Schiffe einen Entschuldigungsbesuch zu machen, ihnen die geheimen Schriftstücke zu übergeben und eine glückliche Reise nach Frankreich zu wünschen. Der Ober- reichSanwalt rechtfertigte hierauf das hohe Strafmaß und bemerkte, daß es gelte, den Franzosen mit Ernst und Nachdruck zu zeigen, daß die deutschen KriegShäfen keine Objekte für französische Entdeckungsfahrten seien, daß sie insbesondere nicht Freihäfen für französische Offiziere seien. Nach dieser Rede wurden die militätischen Sach verständigen entlasten. Der Verteidiger replizierte und antwortete dann der Oberreichsanwalt wieder. Schließlich bat noch der erste der Angeklagten, ihm ein milde» Strafmaß zuzuerkennen und ihn vor allen Dingen nicht ehrverletzend zu bestrafen. Darauf zog sich der Gerichtshof zur Beratung zurück. Die Verkündigung de» Urteils erfolgt heute nachmittag 5 Uhr. Berlin, 16. Dezember. (Tel. d.DreSdn. Journ.) In Mexiko ist der Kongreß geschlossen worden. Der Finanzminister teilte mit, baß im Gegensatz zu früheren Jahren da» Budget in Einnahme« und Ausgaben balar.ziert. Da» Budget schließt ab mit 430143071 Dollar». Darmstadt, 16. Dezember. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Gestern wurden auf Station Bischofsheim 3 Personen verhaftet, die zahlreiche falsche Zwei markstücke, Formen und Werkzeuge zum Prägen von Geld sowie sozialistische und anarchistische Schriften mit sich führten. Pari», 16. Dezember. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Das „Journal de» LsbatS" bespricht die Er nennung Blaue» zum italienischen Minister de» Auswärtigen und erklärt e» für zweifellos, daß Blane» Einfluß auf die Besserung der politischen und kommerziellen Beziehungen zwischen Frankreich und Italien gerichtet sein würde. Lüttich, 15. Dezember. (D. B. Hd.) Infolge de» anhaltenden Regen» ist die Maa» so bedeutend gestiegen, daß der Hafen und die anliegenden Dörfer von einer Uebrrschwewmung bedroht sind Lüttich, 15. Dezember. (D. B. Hd.) Die TyphuSepitemie nimmt hierselbst immer größere Ausdehnung an; ganze Familien liegen im Spital krank danieder. Rom, 16. Dezembrr. (Tel. d. Dresdn. Journ.) CriSpi forderte in einem Rundschreiben die Prä- fektev unter Androhung strengster Bestrafung zur scharfen Beobachtung der Gesetze auf. Rom, 16. Dezember. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Da» Parlament ist zum 1S. Dezember d. I». rin- berufen worden. Genua, 16. Dezember. (Tel. d Dresdn. Journ ) DaS Gericht bewilligte der v»nc» populäre ein sechSmonatlicheS Moratorium Die Gläubiger find nicht einberufe«. London, 15. Dezember. (D B. Hd.) Gestern nachmittag ist während de» heftigen Sturme» ein Kohlenschrff antergegaugen. Zehn Personen find ertrunken; ter Kapitän wurde gerettet. London, 16. Dezember. (Tel.d.DreSdn Journ.) Der englische Dampier „Kapitän Parry" wurde in finkendem Zustande im irischen Kanal verlassen. Der Kapitän wurde gerettet; di« Besatzung »von zwölf Personen ist wahrscheinlich ertrunken. Kopenhagen, 15 Dezember. (D.B.Hd.) In der Delegiertevversammluag der Rechten, die von 800 Personen besucht war, wurden verschiedene Resolutionen angenommen, die volle» Vertrauen zur Regierung «»»sprechen und Unterstützung zu- sag?». Bei dem Festmahl der Delegierten ant wortete Mnnstei Präsident Estrup aus ein Hoch ans da» Ministerium, daß er sich über die Einig keit in der Rechten freue; wenn neue Wünsche aufgetaucht seien, so werde deren Erfüllung von der Rechten abhängig srin, wenn fie für die Durchführung von solchen Veranstaltungen thätig sein wolle, die den Druck nicht nur von der Land wirtschaft, sondern von vielen anderen Erwerb»- zweigen entfernen könnten, ohne die Interessen einer einzelnen Gesellschaftsklasse und die de» Staate» zurückzusetzen. Die Au»fübrungeu de» Ministerpräsidenten wurden mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Ebristiania, 15. Dezcmbrr (D. B. Hd.) Die Veröffentlichung eine» von Professor Aubert ent- drckltu diplomatischen Aktenstücke» au» dem Jahre 18l4 hat zu lebhafter Erörterung der gesamten Presse über den Kieler Traktat geführt. Die konservativen Blätter find dem Aktenstücke gegen über mißtrauisch, die Blätter der Linken sind da gegen fast ihrer Sache gewiß, daß der Kieler Traktat nicht dem Staate Schweden, sondern nur dem Könige von Schweden persönlich Rechte de züglich Norwegen» gab, die von ihm aber durch bindende Erklärungen aufgegedcu worden seien. St. Petersburg, 15. Dezember. (Tel. d. Dresdn. Journ) Bei dem kürzlich auf der Sa- ratow-Badn erfolgten Zusammenstöße zweier Züge sind 6 Güterwagen zertrümmert worden; 2 Bahn- veamte wurden verletzt. Warschau, 15. Dezember. (D. B. Hd,) In folge der anhaltenden warmen Witterung ist die Schiffahrt auf der Weichsel wieder eröffnet worden. Ncw-D ork, 15. Dezember. (D. B. Hd.) Auf Veranlassung der oberen Sicherheitsbehörde hat die Hafenvcrwaltung von New Dork, Washington und Philadelphia Vorsichtsmaßregeln für Ladung»- arbeiten angrordnet Eine gewisse Anzahl Auf srher muß bei den Ladungen im Schiffsraum und in der Warenhalle zugegen sein, um da» Ein schmuggeln von Höllenmaschinen unmöglich zu machen — Infolge Entdeckung einer Dynamit bombe zwischen Ballen und Koffern cine» zur Ab fahrt bereitstehenden Schiffe» herrscht unter der Bevölkerung die größte Erregung New-Dork, 16. Dezember. (Tel. d Dresdn. Journ) Der „New Aork Hnald" meldct au» BucnoS-AyreS: Gestern abend kurz nach 10 Uhr hatscht« in Ri» de Janeiro eine Panik. Peixoto hatte einen Angriff auf die Insurgenten gemacht; die auf der Insel Cobra postierten Batterien de Gama» erwiderten den Angriff, indem fie etwa SO Minuten die Stadt beschossen. In Rio hatten gerade die Theater ihre Vorstellungen beendet und zahlreiche Theaterbesucher befanden sich auf den Straßen. Viele Häuser wurden beschädigt. Rach dem „World" sollen auch viele Personen getötet sein. Jndianopoli», 16, Dezember. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Ein Teil der über den Ohiofluß zwischen Jefferson und LouiSvillc führenden Brücke stürzte gestern f^üh ein. Zahlreiche Personen fanden den Tod. Nähere Nachrichten fehlen noch. Tanger, 16. Dezember. (Tel d.DreSdn.Journ.) Mohammed Torre» hat eineu Bericht de» Sul- tau» an die Königin von Spanien erhalten, worin der Sultan über dir Vorgänge um Melilla, sowie über den Tod de» General» Margallo sein Be- dauern au»drückt und Genugkhuung verspricht Dresden, l6. Dezember. Zur Psychologie anarchistischer Verbrecher. „Volkshaufen und Sekten vom kriminalistischen Standpunkte au»" betitelt sich eine Studie, die der bekannte französische Fachmann M. G. Tarde im vor- letztcnHeste der „Revue des deux Mondes", also nur wenige Wochen vor dem Bombenwurf des vorigen Sonnabends, veröffentlicht hat, und auf die in einem nachstehend wiedergegebenen Aufsatz d-r „Weser-Ztg." zurückgegriffen wird, sehr zeitgemäß, da heutzutage natürlich der AnarchiLinus in einer solchen Abhand lung über die Epidemien des Verbrechens einen brei ten Platz einnehmen muß. Die Volkshaufen, die un organisierten Mengen begehen manchmal Greuelthaten, vor denen vielleicht jeder Einzelne zurückgeschaudert wäre, in dem Wutrausche, der sich in massenhafter Zu sammenrottung entwickelt, meistens aber der Führung und Aufhetzung eines oder mehrerer Sektierer bedarsi um sich in bestimmten Gewaltthaten zu entladen. Unter Sektierer versteht Tarde einen Mann, der mit Bewußt sein, System, Folge die Anwendung von Gewalt pre digt, leitet oder selbst übt. Die Septembermorde vor hundert Jahren wurden von wütenden Haufen aus geführt, aber von jakobinischen Sektierern kaltblütig angestiftet und gelenkt Sehr selten gelangt ein Haufe ohne solche Führung, die übrigens im Verborgenen bleiben kann, über ziellosen Lärm hinaus Dagegen können Sekten für sich allein handeln, ohne Mitwirk ung der Menge und selbst gegen die allgemeine Ström ung Dies, sagt unser Gewährsmann, ist der Fall bei den Sekten, deren hauptsächlicher Zweck oder ge wöhnliches Mittel das Verbrechen ist, wie bei der sicilianischen Maffia, der der neapolitanischen Camorra und dem europäischen Anarchismus. Die Gefährlich keit der Sekten wird dadurch, wie man leicht erkennt, um so größer. Auch in ihrem Schoße entwickelt sich ein Ansteckungsstoff, der Verbrechen besonderer Art ge bärt, aber wegen ihrer numerischen Beschränktheit sind sie schwer zu überwachen, ist ihrem geheimen Treiben nicht leicht Einhalt zu thun. Aus unbeachteten An fängen wachsen sie mit merkwürdiger Schnell gkeit zu furchtbarer Macht heran und überraschen eine unvor bereitete Gesellschaft, die sich plötzlich einer ganz neuen, ungeahnten Situation gegenüber sieht und längere Zeit braucht, ehe sie die Notwendigkeit ganz neuer Vec- teidigungsmittel einsieht, geschweige denn diese Mittel findet. Der Fürst Kropotkin gründete im Jahre 1880 in Genf das erste Blatt des doktrinären Anarchismus, im Jahre 1881 daS zweite in Lyon, Oe Revolte und 1,« Oroit social Beide Blätter fanden wenig Leser. Die ganze anarchistische Sekte bestand noch im Jahre 1882 aus höchsten« hundert Personen, die sich über ein halbe» Dutzend schweizerischer und französischer Städte verteilten. In Paris gab cs nur zwei bis drei Anhänger des russifchen Fürsten. Zehn Jahre später wurde in Paris eine Versammlung abgehalten, m der dreitausend Menschen die That Ravachols feierten und zahlreiche Zustimmungstelegramme aus dem übrigen Frankreich und dem AuSlande verlesen wurden Gegenwärtig giebt es unter den Pariser Arbeitern, wenn auch keine kolossale Menge, doch eine beträchtliche Anzahl Anarchisten, die allerdings unter sich durch Temperament urd Eifer sehr verschieden sein mögen. Die Lehre des russischen Fürsten die e» als Ziel aufstellt, die ganze bestebende Ordnung zu zerstören und auf ihren Trün mern las irdische Paradies zu proklamieren, diese Lehre hat gewiß für viele Köpfe etwas Verführerische», aber von lec Schwärmerei für den Gedanken bis zur praktischen Handhabung der zum System gehörenden mörderischen Mittel ist der Weg für die minder verwilderten Naturen wohl noch ziemlich weit. Trotzdem beruht in dieser Ansammlung zahlreicher Anhänger ein großer Teil der unheilvollen Kraft, die sich in den Thaten der entschlosfensten und wildesten Sektierer kund giebt. Tiefe letzteren würden Journal Dresdner Für die Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Gtto Banck, Professor der (itteratur- und Kunstgeschichte. «tzrei«: Für Dretdol vierteljährlich ^atel^hlüch s Mork, außer- halb dc» bauschen Reiche« Post- und Stem-«l»uschla». grazelne Nummern: 10 Ps Erscheinen: Täglich mit Ausnahme der ßoun- und Feiertag« abend«. Fenispr -Anschluß: Nr. 1SS» «nvi»»i,,,,»,«»»»«» Für den Naum einer aespal- tenen Zeile kleiner Schrift Lv Ps. Unter „Eingesandt" die Zeile LO Ps Bei Tabellen- und Zifsornlax entsprechender Aufschlag Herausgeber: Königlich« Expedition de« Dresdner Journal- Dresden, Zwingerstr. 20. Fernspr - Anschluß: Str. 1L9K. Kunst und Wissenschaft. K. Hoftheater. — Altstadt. — Am 15. Dezem ber: Viertes Symphoniekonzert der Königl. musikal Kapelle. An diesem Konzertabend wurde als Neuheit die Ouvertüre zur Oper „Gwendoline" von Emanuel Chabrier vorgeführt. Die Oper selbst ist bereits auf zwei deutschen Bühnen zur Darstellung gekommen und hat dem Verfasser, den unser Publikum durch die geistreiche Spieloper „Der König wider Willen" kennen lernte, freundliche Achtungserfolge eingetragen. DaS nämliche Schicksal war gestern auch der Ouvertüre beschicken In den Motiven teils unselbständig, teils trivial und ohne den entscheidenden Vorzug einer ge danklich bedeutenden und künstlerisch wohlabgewogenen organischen Gestaltung, interessiert sie lediglich al» koloristische Arbeit eines Orchestertechniker», der mit allen äußeren Darstellungsmitteln vollkommen vertraut ist und dieselben für eine überraschende Folge glänzender instrumentaler Effekte zu konzentrieren versteht. Sie wurde von der Königl. Kapelle unter Hrn. General musikdirektor Schuch- trefflicher Leitung bravourvoll aespielt und von den Hörern wohlwollend ausgenommen. Den Dirigenten gebührt für seine elastische Be- thätigung ein besonoere» Lob . . . Wirkliches musi kalisches Leben verbreitete im ersten Teil de» Konzerts die O-ckur Symphonie (Rr. 2) von Johanne» Brahm». Im schärfsten Geggnsatz zu der von gewaltigem Pathos getragenen 6-moU-Symphonie, atmet fie eine freund liche, leicht romantische Stimmung und gew'- t mit ihrem unschwer faßlichen Inhalt gleich beim ersten Anlauf unsere Sympathie. Ihre bedeutendsten Ge danken giebt fie in dem an interessanten Seitenpfaden reichen und in eine herrliche Loda mündenden Allegro sowie in dem an HaydnS spirituelle Final sätze gemahnenden Schlußstiick au». Am eingängltchsten wirkt sie in dem höchst reizend erfundenen und so einfach al» fein, namentlich auch in der Instrumentation gearbeiteten Scherzo, da» seine melodischen Elemente dem Anschein nach au» der Volksmusik geschöpft hat Hinter diesen Sätzen steht daS Adagio merklich zurück; eS ermangelt de» ungezwungenen Flußes und läßt das Gefühl deS Hörers unberührt. Die Symphonie, die in moderner Form den Grundsätzen der klassischen Schule zuneigt, wurde von der Kapelle unter ihrem mit größter Feinfühligkeit interpretierenden Leiter in allen Teilen vollendet vorgetragen. Mozarts Jupiter- symphonie brachte einen erhebenden Abschluß des Konzerts. -v- Der Dichter Ernst Müller Erzählung von E. Reinhold. « (Fortsetzung.) Wenn er de» Abend» bei den Eltern zu Gaste war und so gemütlich plauderte mit der Mama und auch mit ihr, und sie ihm den Thee reichte, da faßte sie wohl ein leise« Verlangen, immer um ihn sein, ihn pflegen, ihm dienen zu können. Aber ihr war weh dabei um» Herz. Ein Dichter ist wohl nur ein Mensch und er braucht auch eine Frau, aber konnte sein Blick auf fie fallen? Hatte fie, da» schlichte Mädchen, einer glühenden Dichterseele mehr zu biete», al» eia warme» treues Herz? Ach, so thürichte Gedanken wären ihr wohl nie gekommen, wenn er auSgesehen hätte wie — »un wie ein Dichterfürst und nicht wie ein gewöhn licher Sterblicher. In solchen Augenblicken bereitete sich SuSchen selbst eine süße Qual, indem sie in Ge danken „Ihn" in unerreichbare Höhe stellte, sich aber in weiblicher Demut vor sich selbst erniedrigte. Dann grollte sie heimlich dem Papa, wenn er ihren Abgott ein gemütliche» Hau» nannte, und dem brüderlichen Sekundaner, wenn dieser seinen Lehrer als „einen ganz vernünftigcn Kerl" bezeichnete. Wie konnte man so reden. Freilich, was wußten Papa und Bruder von„Ihm"? Nur einmal hatte sie sich über ihn — nicht gewundert, nein, aber er hatte etwas and.reS gesagt, al» sie erwartet hatte. Und hinterher hatte sie auch gefunden, daß er recht hatte. Adele Arndt hatte einmal da» Gespräch auf Ernst Müller» Gedichte gebracht und den Oberlehrer Aßmann um seine Meinung über diesen befragt. Nachdem der Oberlehrer seiner Überraschung Ausdruck gegeben, daß die Gedickte den Damen bekannt wären, hatte er sich freimütig geäußert: „Ernst Müller ist ein versprechendes Talent, dem nur vorläufig leider noch die nötige Aufmunterung durch Anerkennung von feiten dc» Publikums fehlt. Er darf sogar jetzt schon in die vordere Reihe der zeit genössischen Lyriker gestellt werden." Adele hatte hinterher zu Su»ch«n gesagt: „Er ist eingebildet, wie alle Männer " Damen, welche in Bezug auf ihre Verheiratung nicht« mehr zu sürchten, und auch diejenigen, welche nicht» mehr zu honen haben, schrecken vor solchen unmotivierten Urteilen nicht zurück. Luschen gehörte weder zu der einen, noch zu der anderen Gattung. Sie bestritt mit aller Energie die Richtigkeit dieser . Behauptung, sowohl im allgemeinen als auch in diesem besonderen Falle. „Er sagt nur die Wahrheit, m d cin großer Mann muß vor allen Dingen auch gegen sich selbst gerecht sein." — Durch diese» Gespräch halte die Freundschaft zwischen den beiden Mädchen einen kleinen Riß er halten. — Schmirgelberg wäre keine echte Kleinstadt ge wesen, wenn die öfteren Besuche des Oberlehrer- Aßmann im Hause de» SanitätsratS Schröter ganz unbemerkt und unkommentiert geblieben wären. Allerdings verflieg man sich noch nicht zu direkten Anspielungen den Beteiligten gegenüber, ober in em- geweihten Kreisen flüsterte man sich zu, „daß" u. s. w. Nur in der geräumigen Halle der Untersekunda hatte ein vorlauter Bursche es gewagt, zu dem dort domittlierten Repräsentanten der Familie zu sagen: „Unser Bärbel" — die» war der Kosename, mit dem die Bürsckchen ihren Ordinarius wegen seine» neiderregenden Bartwuchses beehrt hatten — „Unser Bärbel pussiert Deine Schwester." Eine Bemerkung, auf die Fritz Schröter mit einer schallenden Ohrfeige geantworiet hatte Mit diesem schlagenden Beweis hatte der wackere Jurge jcdenfall» la» richtige Mittel ergriffen, um allen derartigen Ge rüchten in diesen Kreisen ein sür alle Mal ein Ende zu machen. Zur Ehre der jungen Herren sei e» übrigen» ge sagt: die meisten von ihnen erwiesen sich derartigen
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