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254 Mittwoch, den 1. November, abends. 1893. DresdnerHomml Ii»»«l»o Huwmor»! 10 kt. (I.. 8.) vc» L»ttt»-tr»»x«n »»»«Lrlo« Lom^i«l0uLr äs» vr««tL«r lourv»!»; Für dt« Gosamtleittmg verantwortttch: ^ofrat Otto Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte kr»G l^tp»Iz kr»Lktll,t ». ». Nduekio: korto Looäo» vorU»-^ro»ktnn ». N.-Dauä« F Oo., N«cU2: , »r«»l»o: H«t Ladatä, 0. Loäck«t«r,- S»U« «. S.r Lacct <0 60 ll«r»u»T«derr LSoi^I. Lrpeältioo «t« Vreoävsr </ounu»I» vrooäe», Lvia^orotr. io. N»v»pr»ok-^L»cllu»»: Itr. 1LSL. vi«»ä«» vi«ch»IANrIioN B U»rk X> ?L, dot r«El. äm»t«l»»» koot»»ot»lto» vi«M- , N»rN! »»ooortuUK ä« ck«»boe»o» L»io»« Werorönung, betreffend die Einberufung des Reichstags. Sir Wilhelm von Geltet Gnaden Leutscher Kaiser, König von Preußen, rc. ic. re. virordnen auf Grund des Artikels 12 der Verfassung, M Namen des Reichs, was folgt: Der Reichstag wird berufen, am 16. November d IS. in Berlin tusammenzutreten, und beauftragen Wir den Reichskanzler mit den zu diesem Zweck nöthigen Vorbereitungen. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unter- chrift und beigedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Neues PalaiS, den 28. Oktober 1893. gez. Wilhelm. I k. ggez. Graf von Caprivi. Amtlicher Lell. Dresden, 1. November Ihre Majestät die köoiain sind heute Nachmittag 12 Uhr 57 Min. ut Sibyllen ort in der Königlichen Villa Strehlen ingrtroffen. Dresden, 28. Oktober. Ee. Majestät der König oben Allergnädigst geruht, de« in den Ruhestand ersetzten Botenmeister beim Amtsgerichte Freiberg iriedrich Wilhelm Ebert daS Allgemeine Ehrens :ichen zu verleihen. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische und telephonische Machrichten. Homburg v d. H., 1. November. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich ist heute von hier nach Berlin abgereist. Wien, 1. November. (Tel. d. DreSdn. Journ.) !Ler Kaiser ist gestern abend nach Buda Pest ab- preist. Wien, 1. November. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Las „Aremdenblatt" erklärt: Es wird angenom men, daß die Reihe der Persönlichkeiten, deren Laschauungen der Kaiser entgegevzunehmen beab sichtigt, noch nicht abgeschlossen sei. Man sehe »eitere« Berufungen nach Buda-Pest entgegen, »ameutlich solcher politischer Persönlichkeiten, die der Kaiser mit der Bildung eines neuen Kabi netts zu betrauen beabsichtige. Wien, 1. November. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Im Gefaugeneuhause Garsteu bei Steyr, aus dem gestern 4 Sträflinge flüchteten, wird ein allgemeiner Aufruhr befürchtet. Militär ist von Steyr dort- hm beordert worden. Die Sträflinge verweigerten tie Arbeit und griffen den Posten an, der von seinem Gewehr Gebrauch «achte und zwei Gefangene verwundete. Paris, 1. November. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Nachrichten aus Buenos-Ayres zufolge begünstigte der Gouverneur von Cordoba die Verständigung mit den Radikalen. Der Konflikt mit der Volks vertretung ist größer geworden; eö finden sehr er regte Sitzungen statt. — Aus Rio de Janeiro wird gemeldet: Die Insurgenten bemächtigten sich dc» mit Lieh beladenen argentinischen Dampfer» „Pedro Tercero". Rotterdam, 1. November. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Während der Losung für die Konskription fanden in Lagerungen ernste Auftritte statt. Die Polizei war ohnmächtig gegen den Lolksbaufen, »elcher eine rote Fahne entfaltete. Ein 23jähriger Sozialist verwundete den Bürgermeister und ein mit einem energischen und plötzlichen Entschlusse auf gegeben wurden. Der erste Schritt, welcher diesen Umschwung bewirkte, ist allerdings von dem österrei chischen KabinettSchef selbst gethan worden — jedoch unzweifelhaft ohne eine Absicht im Sinne der nun eingetretenen Konsequenzen. Graf Taaffe hat während seiner gesamten RegierungSthätigkeit fast aus nahmslos bei allen wichtigeren politischen Unter nehmungen die Taktik ^beobachtet, daß er mit den ihm befreundeten Führern der polnischen und der konservativen Gruppe des Abgeordnetenhauses die geplanten Maßnahmen beriet und daß er sich so der Unterstützung dieser Gruppen versicherte, bevor die parlamentarische Beratung seiner Vorschläge begann, oder doch, bevor die entscheidenden Abstimmungen er folgten. Man sagt, daß der österreichische Premier von dieser Methode auch nicht gänzlich abging, als nach dem Sturze DunajewSliS einem Mitgliede der deutschlideralen Partei eine bescheidene Rolle im Ka binett zugefallen war. — Dem Plenum der Volks vertretung blieb angesichts jener Taktik meist nur die Aufgabe Vorbehalten, kleine Gebrechen an den in ver traulichen Beratungen fertiggestellten Gesetzentwürfen zu beseitigen, somit eine politische Ziselierungsarbeit, die recht schätzbar sein mag, die aber dem Ansehen des österreichischen Parlaments keine wesentliche Förderung bieten konnte. Zum ersten Male seit langer Zeit ist Graf Taaffe von jener zur Norm gewordenen Tradition abgegan gen, als er die Volksvertretung vor wenigen Wochen mit der Einbringung der Wahlreformvorlage ganz und gar überraschte. Die Gründe, welche ihn dazu be stimmten, daß er düsen Schritt sogar ohne jede Fühlungnahme mit den ihm ergebenen Parteien that, sind vorläufig noch nicht aufgeklärt. In Wien be hauptet man, die Regierung habe ihre Stellung bei diesem Anlasse als eine unangreifbare betrachtet, weil die Annahme nahe lag, daß die Parteien im Hinblicke auf die Bewegung in der österreichischen Arbeiterschaft keinen Wlderspruchgegen eine, wie immer präzisierte Er weiterung des Wahlrechtes wagen würden. Wir wissen nicht, ob diese Erklärung zutreffend ist. Sicher ist aber, daß die Regierung einen Fehlschluß beging, als sie diesmal ausnahmsweise das Geheimnis als die Bürgschaft des Erfolges betrachtete. Unter dem Eindruck des Vorgehens der Regierung vollzog sich binnen kürzester Frist die früher so ost vergeblich an gestrebte Annäherung zwischen den drei großen Par teien oder vielmehr zwischen den Deutschliberalen einerseits und den Polen und Konservativen anderer seits. Bisher war eS im Laufe eines Jahrzehnts nie mals gelungen, daS innige Band, welches die beiden letzteren Parteien stets vereinte, auch zur deutsch lideralen Gruppe hinüberzuschlingen, und die Re gierung selbst mußte wiederholt die Aussichts losigkeit der von ihr in diesem Sinne eingcleiteten Versuche erkennen. Nun aber entstand die Koalition, deren Errichtung Graf Taaffe nicht zuwege brachte, völlig spontan als eine Liga der Abwehr oder deS Angriffes — gegen das Ministerium Taaffe. Der Führer der Konservativen, Graf Hohenwart, lüftete in einer Aufsehen erregenden Rede das Geheimnis, welches diese Entwickelung wenige Tage hindurch um gab, und auS seinen Worten konnte man entnehmen, daß diesmal daS Geheimnis wirklich als die Bürg schaft deS Erfolges gelten durfte. Der Mann, der seit der Epoche seiner Ministerthätigkeit immer wieder in der heftigsten Weise von den Liberalen befehdet worden war, bot den letzteren in achtenswerter Selbst verleugnung die Hand zu gemeinsamem Vorgehen und die Liberalen zögerten nicht, diese Bundesgenossenschaft zur Wahrung der von ihnen al- bedroht betrachteten wichtigen Interessen anzunehmen. Diese Begebenheiten können von Spöttern vielleicht belächelt werden; in Mitglied der Stadtbehördr. L«»«Ierit stellte die Ruhe wieder her. Loudou, R1. Oktober. (Lel. d.Dre»d«.3»urn.) Dem „Standard" wird M» N» A»rk aorldet, da- für Rechnung der brastli«ische» Menternug 1V Schiffe angekauft find »d daß Verha»dl»aen über den Ankauf weiterer GMsft schwebea. Es wird verwutet, daß die SchG» t» 14 LOge« ab- gehen werden. Leu „Timet" wird aus Rio d« Jaueir» »»« 27. Oktober gemeldet, da- die Aufständischen täg lich Nietheroy, Santa Cruz und Sao Jvao bombardieren. Nietheroy soll stark gelitten haben. Die provisorische Regierung, welch« feste» Knß ge faßt hat, orgauifiert eine Armee und hat 8 Ge schütze sowie 1500 Gewehre aus Montevideo durch den Dampfer „Republica" erhalten. Die Zahl der Mannschaften des Ld«irals Mello auf den Schiffen beträgt 1560 gegenüber 5000 Manu regulärer Truppen uutrr dem Befehl Peixotos in Rio de Janeiro und 1500 Manu in Nietheroy. — 40 Personen des Da«pfert „Urano" wurdrn durch das Feuer der Batterieu getötet, als der selbe Rio de Janeiro am 15. Oktober »erließ. — Der Dampfer „Republica" rannte mit seinem Sporn ei« Transportschiff, welches 1100 Man« von Rio de Janeiro nach Sautos bringen sollte, au; gegen 500 Personen haben hierbei den Tod in den Wellen gefunden. Loudou, 1. November. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der Herzog vou Sachsen-Coburg und Gotha ist gestern abend gegen S Uhr bier emgetroffe«. (Fortsetzung der Telegramme in der ersten Beilage) Dresden, 1. November. Die Krisis in Österreich. sf Ein abschließendes Urteil über die Bedeutung der Vorgänge, welche sich derzeit in unserem Nachbar lande abspielen, kann zur Stunde unmöglich gefällt werden, da das Bild jener Vorgänge mit jedem Tage durch neue Züge ergänzt oder zumindest verändert wird. Man darf auch heute tue Möglichkeit noch nicht übeisehen, daß eine überaus tiefgehende krisenhafte Entwickelung vielleicht doch nicht unmittelbar zu den in Österreich allgemein erwarteten großen Neugestalt ungen führt. Die Wahrscheinlichkeit spricht aber für den Eintritt einer solchen Wandlung. — Wie immer sich jedoch der Verlauf der Dinge gestalten mag, so ist eS in jedem Falle schon jetzt unzweifelhaft, daß die in Österreich auf der Tagesordnung stehenden Be gebenheiten einen politischen Prozeß kennzeichnen, welcher sich dort in gleicher oder ähnlicher Weise noch niemals vollzog. Die oppositionellen Redner des österreichischen Abgeordnetenhauses bedienten sich oft der Phrase von dem „armen Parlament", welches in Österreich fast nur ein Scheindasein als RegierungSfaktoc friste. Ein solches Wort mußte in unserer Zeit, in welcher so häufig auf den angeblichen Niedergang der parlamen tarischen Macht hingewiesen ward, stets auf frucht baren Boden fallen. Dies galt inrbesondere im Nach barlande, wo die Regierung seit Jahren die aus schließliche Führung an der Spitze der von ihr nach Bedarf herangezogenen Parteien innehalte. Die Frage, ob diese Verhältnisse durch daS Vorgehen der Regier ung oder mittelbar durch die Haltung einzelner Par teien geschaffen wurdrn, ist schwer zu beantworten. Sie kann aber gegenwärtig auch kein Interesse beanspruchen, denn das eigenartige Gepräge der jetzigen Lage er- giebt sich eben aus dem Umstande, daß die eingebür gerten politischen Gepflogenheiten von den Parteien Wirklichkeit hat eS sich aber um die ernste Thatsache gehandelt, daß alle Gegner ihren Zwist auS patrio tischen Erwägungen begruben. ES ist wohl nicht aus geschlossen, daß für die Haltung der beiden Parteien nicht nur die Verurteilung deS Wahlreformantrages der Regierung, sondern auch die Art der Einbringung diese- Anträge- maßgebend war. Man wird aber auch dann ein Auftreten nicht mißbilligen können, durch welches die leitenden österreichischen Parlamen tarier Verwahrung dagegen einlegen wollten, daß ihre Ratschläge und Anschauungen von dem Kabinett in hochbedeutsamen Fragen erst im Sitzungssaale ein geholt würden . . . Der Polenklub scheint auch diesmal an der Politik der Bedachtsamkeit festgehalten zu haben. Seine maß gebenden Mitglieder blieben wie immer an der Seite der konservativen Führer; sie überließen aber die Ini tiative bei einem Vorgehen, welches nicht ungefährlich war, ganz und gar dem Grafen Hohenwart. Sie waren dabei doch bestrebt, die Fühlung mit dem Kabinett nicht zu verlieren, und sie hätten offenbar bereitwillig eine vermittelnde Mission übernommen, wenn die Anhaltspunkte für eine solche vorhanden ge wesen wären. Auf polnischer Seite hat man die Möglich keit in Betracht gezogen, daß die ausgetauchten Schwierig, keiten durch eine Erklärung des Grafen Taaffe beseitigt werden könnten. Die Erklärung, welche der Kabinetts- chef zu diesem Zwecke abgab, genügte aber weder den Deutschliberalen, noch den Konservativen. Sodann wurde im polnischen Lager der Gedanke erwogen, daß die Krise vielleicht durch dar Ausscheiden deS Finanz- ministerS Steinbach aus dem Kabinett zu beschwören sei, da dieser Finanzpolitiker als der Schöpfer de» Wahlreformentwurfes auch der eigentliche Urheber deS Konflikte- war. Die Konservativen verhielten sich aber ebenso wie die Deutschliberalen auch gegenüber dem Plane einer solchen Lösung ablehnend. So verschärfte sich denn die Lage zusehends bis zu dem Augenblicke, in welchem die SolidaritätSerklärung des Kabinetts und die Ankündigung eines eventuellen parlamen tarischen Streiks seitens der Deutschliberalen den Bruch als einen wohl unheilbaren kennzeichneten. Kaiser Franz Joseph, der während deS Beginnes der Krise fern von seiner österreichischen Residenz weilte, ist nach Wien zurückgekehri, um das unvermeidlich gewordene DemissionLanerbieten deS Ministeriums ent gegen zu nehmen. Gleichzeitig mit dem EnthebungS- gesuche hat Graf Taaffe dem Monarchen den Vor schlag unterbreitet, daß ein Kabinett aus Mitgliedern der drei großen Parteien gebildet werden solle, da die bisherige Regierung durch die gemeinsame oppositionelle Haltung jener Parteien jeder Stütze im Parlamente entbehre. Die Entscheidung des Kaisers steht noch aus und eS ist angesichts der Eigenart und deS plötz lichen Eintrittes der Krise sehr begreiflich, daß diese Entscheidung erst nach eingehendster Prüfung der Ver hältnisse gefällt werden kann. So war denn die nun erfolgte Vertagung deS ReichSrateS unbedingt geboten, weshalb eS nicht zutreffend erscheint, wenn an diese selbstverständliche Maßnahme in der Wiener Presse der Schluß geknüpft wird, daß die Pause nur zu Ver suchen bezüglich der Wiederherstellung der früheren Situation dienen solle. Wir glauben vielmehr in der Vertagung deS Parlaments die Einleitung offizieller Schritte erblicken zu dürfen, durch welche die innere Lage in Österreich ei» neues Gepräge erhalten wird. Ist dies der Fall, so werden die großen poli tischen Parteien des Nachbarlandes bedeutsame Resul tate der von ihnen versuchten Kraftprobe zu verzeichnen haben. Die weit schwierigere Kraftprobe wird aber dann erst in der Zukunft zu bestehen sein, und zwar auf dem Gebiete positiven Schaffens. Alle Freunde des verbündeten Reiches müssen wünschen, daß diese Probe gelinge. » äo» L»um zsoop»lt«»v» L«Uo b»«»» ,0 ?L v»tor äio Lotto »0 NL AodoU«»- «oä Litkor»«»«- ootopc. ankookt»« AroeNol»«»» iE»«» mit Lu«>»l»wo <t«r Sc»»-». ?««««» »»Eö«. LsrviprvcbStr. 18»». Luust und Wissenschaft. dieser seiner Worte erinnern, als langen!" Er mochte sich denkbar, in weißen Mullkleidchen, Mullhütchen und wallendem Goldhaar. Sibylle hätte nicht kostbarer geschmückt sein können, wäre sie heute angesichts der ganzen Verwandtschaft als Herzogsbraut vor den Altar getreten. Über ihr Kleid von Weiß- und Silberbrokat fiel wie ein Ge webe von Feenhänden der Brüsseler Spitzenschleier, der zu den Erbstücken und Kunstschätzen deS Hauses KarSbrooke zählte. Diamanten, Waldstedts Hochzeit-- geschenk, trug sie am Halse, Myrten und Orangen- blüten im Haar, an der Brust und über die Schleppe ihres Kleider hin verstreut. Sie erschien den guten Leuten, die sie von Kindheit an gekannt hatten, so schön wie nie und so rührend glücklich daneben, daß die Thränen der Frauen sofort zu fließen begannen. (Fortsetzung folgt.) Waldstedt, dem jede Art von Schaustellung zuwider war, hatte lebhaft gewünscht, daß der Trauakt in aller Stille in London vollzogen werde, und Mainwaring halte ihm beipflichtend gemeint, auf die Weise werde auch die Abwesenheit der Familie bei der Zeremonie weniger bemerkt und weniger besprochen werden. Sibylle aber war besonders aus letzterem Grunde sehr entschieden gegen den Vorschlag gewesen. „ES fehlte gerade noch, daß ich mich in einem obskuren Winkel trauen ließe, um der Welt die kalte Engherzigkeit meiner Familie weniger augenfällig zu machen! Mag darüber reden, wer will!" hatte sie von der ganzen Höhe ihres Stolzes herunter auSgerufen, um gleich darauf demütig bittend hinzuzufügen: „Ach! Richard, laß e» hier sein! Thu mir die Liebe! Laß mich in der schönsten Stunde meines Lebens meine guten, armen Leute um mich sehen und gönne ihnen auch die Freude und mir daS Glück, daß sie Dich sehen. Dich ein bißchen be trachten und bewundern zu lassen — waS ist denn so Fürchterliche- daran?" „Mit der Bewunderung wird'- nicht weit her sein", hatte er lachen» entgegnet. „In- Pfefferland werden sie den fatalen Menschen wünschen, der ihnen ihren Liebling entführt. Aber fei'- drum — ich laufe, wenn e- notthut, Spießruten, um zu Dir zu ge- er am Hochzeitsmorgen an Robert- Seite durch die enge Gasse der Neugierigen in da» Kirchlein schritt. E» waren keine wohlwollenden Blicke, die ihn be grüßten. Und kein Wunder! War er nicht Ursache, daß den guten Leuten eine Herzenshoffnung zu Schanden ward? Hatte man nicht, sobald man erfahren, daß durch den Herzog von Bangor keine Gefahr drohe, aufs be stimmteste zu glauben angefangen, Lady Sibylle werde ihren Vetter erhören und zur allgemeinen Glückselig keit Herrin in KarSbrooke werden? Und nun kam dieser und streckte die Hand noch dem Kleinod auS — ein Ausländer, ein Mann, den niemand kannte und den, waS noch schlimmer war, niemand von der Fa milie kennen wollte, weil — ja, weshalb? War es möglich, waS man munkelte, daß die stolzeste Lady im ganzen Land sich in ein schönes Gesicht vergafft hatte, Vinter dem weder Rang, noch Titel, noch sonst etwa? steckte? War es möglich, daß sie im Begriffe stand, sich ihrer RangeSherrlichkeit zu entäußern, um einen Mann aus dem Volke zu heiraten ? Man schauderte bei dem Gedanken, man blickte in wahrer Herzensangst nach dem Wagen, der den Bräu tigam, den arglistigen Versucher, zur Stelle brachte. Al- er angelangt und auSgestiegen war, atmete man einigermaßen erleichtert auf, denn jene- schwer zu de finierende Etwa-, daS den Gentleman macht und daS in dem Volke, welches die Bezeichnung erfunden hat, jeder, auch derjenige, der eS selbst am wenigsten be sitzt, auf den ersten Blick erkennt, war in dem Mann vorhanden Aber ein Dieb und grausamer Entführer blieb er doch bei alledem und einen wohlwollenden Em- pfana hatte er, wie schon gesagt, nicht zu verzeichnen. Kaum war er in der Kirchenthüre verschwunden, al» SibylleS Wagen vorfuhr. Sie brachte Milly, Delly und Baby als Brautjungferchen mit sich. DaS Klee blatt war so reizend, so fein und vornehm, wie nur „Im Brunnen." Komische Oper in einem Alt. Text von Carl Sabina. Deutsche Übersetzung von Friedr. Binder. Musik von Wilh vlodek. Die Leipziger Opernbühne, deren Leitung sich be treffs einer manigfaltigen und insonderheit die jüngere Produktion verschiedener Nationen berücksichtigenden Spielplangestaltung stet- voll frischer Initiative zeigt, hat kürzlich als erstes deutschcS Theater Smetana» „Kuß" aufgeführt und damit in glücklichster Weise da» allgemeine Interesse für daS dramatische Tonschaffen des böhmischen Meister» angeregt. Denn e» müßte wunderlich zugehen, wenn die starke Wirkung dieser Oper am Ort der ersten Darstellung isoliert bleiben sollte und wenn in irgend einer Kunststadt Deutsch land» politische Antipathien, wie sie gegen die Natio» Lady Sibylle. Erzählung von E Schroeder. b7 (Fortsetzung.) „Wer behauptet das?" „Ist'- etwa nicht wahr?" „Er hat mir seine Liebe gestanden —" „Und was hast Du ihm geantwortet?" „Brauche ich Dir das noch zu sagen, Richard?" „Du hast ihm uie — nie auch nur eine Spur »vu Hoffnung gelassen?" „Richard!" Es war volle Entrüstung in ihrer stimme, ihre Augen sprühten, aber noch rechtzeitig fiel ihr jene fatale Nelly Burns ein, die an seinem Mißtrauen gegen die Frauen schuld war, und Nelly VurnS erntete all' ihren Zorn, er bekam nur im Tone Dmften Tadels zu hören: „Und daran zweifelst Lu?!" Er blickte zerknirscht vor sich nieder. „Ich sehe wohl «n, ich muß Dich in die Kur Rehmen," lächelte sie, schnell versöhnt. „Da- thue — aber bald!" rief er aus, und sie Airtlich an sich pressend, murmelte er an ihrem Ohr: «Wie bald, Sibylle?" „Sobald Du willst", flüsterte sie, „habe ich nicht Wn Jahr auf Dich gewartet und ist nicht ein Jahr Awigkeit genug?" 6. Kapitel. ES war nur drei Tage später, al» im Dorfe Kar»- «ooke die Hochzeitiglockea läuteten.