Suche löschen...
Dresdner Journal : 26.10.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189310266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18931026
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18931026
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-10
- Tag 1893-10-26
-
Monat
1893-10
-
Jahr
1893
- Titel
- Dresdner Journal : 26.10.1893
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
18S3 DomkrSta» dk» 26. Oktober, abend« Ak 250 Dres-nerIoumal s vc> Lukünäl?»»?«» LomuniinouLr «tu« I)k'-«>äuör ^ouinLi«; Dresden, 26. Oktober. Ein wunder Fleck im modernen Zeitungswesen. Es ist eine namentlich bei allen Wahlen scharf hervor tretende Thatsache, daß in weiten Kreisen gerade derjenigen Bevölkerungsschichten, die durch Bildung und Besitz zu einer regen Anteilnahme am politischen Leben berufen »raren, eine Apathie herrscht, welche,den extremen Elementen nur allzuleicht das Feld läumt. Die Gründe für diese bedauerliche Erscheinung sind von mancherlei Art. Der ge- Für -1« Gesamt!eitrmg verantwortlich: Hofrat Gtto Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte Ve»«»piD>»» »ür vr«ick»a vivrteljLdrliok S U»rlr S0 kt, det z« r»»»»rl. äsataokvo ko»t»n«t»lt«n ernrtM- U^rüed > Unrk; »»«erlulld ä« üsuteedea L«obn> Vitt koet- oaä 8t«mp«I»u»cdI»8 bin»». Liorsloa Nomwera: 10 kk L»dü»Ll»»nr»rot»akr»»r fSi äs» L»iuo einer ^eepnltenen Lail» dlsi»» godritt 16 kl. Vater „kioßsiaaät" äi« 2«il« 50 N. Sei I»b«Uen- aa^ 2iksra,Lt- eatepr. ^uk»vt»t»G. Lr»ed«iuea: ! wit itaenakwe der 8c oo- u. k»ierta^e adeari». keraeprecd-^Liodluee: dir. ILbk. Nichtamtlicher Teil. -el,graphische und tetepyouische Nachrichten. Wildparkstation, 26. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Ler Erzherzog Albrecht von Oesterreich ist heute früh 7 Uhr abgereist. Se. Majestät der Kaiser gaben demselben da» Geleite nach dem Bahnhof, woselbst die Verabschiedung in überaus herzlicher Weise erfolgte. BrrSlau, 26. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der hierselbst unter dem Vorsitz deS Oberpräsideuten v. Seydewitz tagende Ausschuß des schlesischen Komitees für Errichtung deS Kaiser WilhelmdenkmalS nahm eudgiltig daS von dem Bildhauer Behrendt in Bre-lau gefertigte -roße Relirfmodell an, München, 26. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) I« Finanzausschuß legte gestern der Ainauz- Minister Arhr. v. Riedel die einzelnen vorausseh baren Möglichkeiten dar, die Kosten deS Reichs- Mehrbedarfs zu decken. Keineswegs werde daS Budget weiter gestört werden. Die Börsensteuer könne sofort Erträgnisse liefern. Wenn der ganze Neichöfinanzplan durchgehe, erhalte Bayern im Jabre 1894 schon so viel Ueberschüsse, daß sein Zuschuß zum Reicht für 1893 wieder eesetzt sei. Zar Deckung der Kosten der Militirvorlage eine NeichSeinkommensteuer auf die Einkommen von mehr als 10 VW M. zu legen, wäre eine direkte LermögenSkonfiSkation. Prag, 26. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ ) Bei der gestrigen ErgäuzungSwahl deS Stadt- verordnetenkollegiumS wurden 16 Alttschechen und 13 Zungtschechrn gewählt. ES werden vier Stich Wahlen stattfindeu. Paris, 26. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Münzkonferenz nahm heute ihre Sitzungen wieder auf. Die auswärtigen Delegierten gaben von den Ansichten ihrer Regierungen über die vorbehaltenen Punkte Kenntnis. Sodanu wurde über die Feisten beraten, welche dem Publikum für dir Einziehung der italienischen Scheidemünze zu bewilligen find. Die nächste Sitzung findet morgen statt. Lyon, 26. Oktober. (Tel d. DreSdn. Journ.) Zu Ehren der russischen Offiziere fand im Hotel de Ville ein Bankett statt, an welchem 4VV Per sonen teilnabmrn. Der Maire toastete auf den Kaiser von Rußland und die Kaiserliche Familie und hob hervor, die Feste, welche den Offizieren de- russischen Geschwader» auf der Reise bereitet Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Schriftsteller und Drama turg des Leipziger StadttheaterS Crome-Schwiening in Leipzig das ihm von Sr. Hoheit dem Herzoge von i Loburg und Gotha verliehene, dem Herzoglich Sachsen- Lmestinischen HauSorden affiliirte Verdienstkreuz an nehme und trage. Dresden, 23. Oktober. Mit Allerhöchster Ge nehmigung Sr. Majestät de- KöwgS ist dem Gemeinde diener und Trichinenschauer Ernst Moritz Münch in Lberneundors bei Plauen für die von ihm am 22. August diese- Jahres unter eigener Lebensgefahr bewirkte Rettung eines sechsjährioen Knaben vom Tode des Ertrinken« im dortigen Teiche die silberne Lebensrettungsmedaille nebst Befugmß zum Tragen derselben am weißen B-.nde verliehen worden. kriaaktiu« ». M. «ÜL-U-ll! kort» Loiuto» Co., v«rUs: UE»,": C. ».! L<xot -S U». ILüoizl. Lrpsäitioa se» Vrvoüosr ^ooraol«. vrosäsll, 20. dir. 1LP«. würden, trügen einen friedlichen Charakter. Sie seien eine große Kundgebung für deu Frieden, welcher die Wohlthaten der Cinilisatiou sichere. Avellau autwortrte: Ju Rußland gelte Lyon alS die bedeutendste Industriestadt; er trinke auf die Munizipalität, die Bürgerschaft Lyon» und den Präsidenten Carnot. Später fand eine Gala- Vorstellung für die HinterbUrbrnrn der auf der „Ruffalka" verunglückten Seeleute statt, worauf die russischen OHziere um Uhr ihre Reise nach Tonlos fortsetzten, überall wurden ihnen ltbho^e Kundgebungen bereitet, Rom, 26. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der in der Lilleagiatur in Castel Gandolfo wei lende Bildhauer Senator Monteverde wurde bei einem Spaziergang mit seiner Familie von Bri- ganten überfallen. Obgleich die Banditen mehrere Schüsse auf ihn abgaden, blieb er unverletzt. Einer seiner Begleiter erhielt einen Dolchstoß. Die Briganten ergriffen schließlich die Flucht. — In Monte Reserrno in Sizilien fand ein Zusam menstoß zwischen der Gendarmerie und Briganten statt. Die Briganten wurden gefangen genommen; einer derselben ist erschossen worden. London, 26. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Gestern wurden in den Kohlenwerken von Hem» worth die Arbeiten zu den früheren Lohnsätzen wieder ausgenommen, sodaß 800 Bergleute wieder Beschäftigung gefunden haben. Die „TimeS" melden au» Philadelphia: Die für die Aufhebung der Shermanakte günstigen Aussichten werden besonder» der Thatsache zu- geschrieben, laß Cleveland sich den Republikanern anschloß. Außerdem ist ein neue» Projekt von Sherman angekündigt, welche» die Ausgabe von Obligationen vorfieht. Die beunruhigten Demo kraten de» Südens beschlossen, die Obstruktion aufzugrben. Ler „Standard" meldet au» New Dort: Die Repräsentanten nahmen die Vorlage an, welche bestimmt, daß alle Offiziere der amerikanischen Dampfer amerikanische Bürger sei» müssen. Kopenhagen, 25. Oktober. (D. B Hd.) Im LandSthiug wurde der Gesetzentwurf, betreffend die Herabsetzung de» Zolle» auf Korkpfropfeu (spaui- scher HaudelStraktat), ohue Abstimmung zur dritten Lesung verwiesen. Belgrad, 26. Oktober. (Tel.d. DreSdm Journ.) Die Polizei verhaftete hierselbst eine Falsch- münzerbaude und uahm deren Gerätschaften und eiue Anzahl falscher Münzen in Beschlag. Chieago, 25. Oktober. (D. B. Hd.) Auf der Ausstellung entstand gestern große Aufregung im sogenannten irischen Dorf, weil eine Anzahl Irländer die vom Blarueyschloß wehende englische Flagge mit Gewalt hernnterrrißen wollte. Sie wurden von den Beamten der Ausstellung mühe- voll vertrieben. Dev Anlaß zu dem wilden Au»- bruch der Irländer gab zuerst die Anwesenheit des Gouverneur» von Cauada. waltiaen Erhebung der Geister, die zur Wiedergeburt de« Deusichtn Reiche« geführt hat, mußte, wie nach einem Natur gesetz, ein« Abspannung folgen, in der man der politischen All- tagrarbeit teilnahm-lo« zusieht; die leidenschaftliche Hitze parlamentarischer Kämpfe und die Derbheit der Sitten, dl« sich in da« politische Leben eindrängten, haben gewiß feiner besä,lete Naturen ebenso adgehalten oder zurückgeschoben, wie die starre, mit dogmatischer Zähigkeit festgehaltene Schablone unsere« Parteiwesen« manchem unabhängigen Charakter die Mitarbeit verleidet hat. Große« ist erreicht worden; wa« die Väter ersehnt, aber kaum zu glauben gewagt batten, ist vollendet, nun stürmen neue Wünsche nach neuen Zielen, und wenn ein Teil der älteren Generation mit verschränkten Armen dem Gang der Dinge gegenüber- steht, so haben die Jüngeren, die au« eigener Erfahrung nicht wißen, welcher Summe ausdauernder und lang wieriger Arbeit von Generationen da« Gefüze unserer Zustände seine Existenz verdankt, vielfach kaum eine aus reichende Empfindung der ernstm Pflicht, da« überkommene Erbe zu erhalten und auszubauen. Wir beabsichtigen indessen nicht, schreibt der ,Hamb. Corr ", dem wir diese Betrachtung entnehmen, im allgemeinen auf die Ursachen und Wirkungen dieser politischen Gleich giltigkeit, die oft in Geringschätzung und Widerwillen ver fällt, näher einzugehen. An der Thatsache selbst ist ja leider nicht zu zweifeln. Und sie bietet den fruchtbaren Nährboden für eine Abart der periodischen Presse, die in Deutschland seit einem Jahrzehnt aufschießt, wie Pilze nach einem warmen Sommerregen Aber nicht in Deutschland allein: auch in Frankreich, in England, in Italien, in Österreich, hier mit besonders ins Gemeine verzerrtem Gesicht, wucyert eine Presse auf, die die Beschäftigung mit Politik al« etwas Verderbliche«, die Zugehörigkeit zu einer Partei für eine überlebte Lächerlichkeit, da« Streben nach Idealen für veraltet auSpofaunt und mit schlauer Berech nung die Neigung zu Klatsch und Tratsch, die Freude am Häßlichen und Rohen, die Sucht, erschlaffte Nerven durch Sensation und Pikanterie aufzustacheln, vor den Wagen spannt, welcher ein flotte« AnnonccnaesHäft in ihre Scheunen ziehen soll. Um ein billige« wird die Ware geliefert; für den Augenblick genügt sie ja, de« Leser« Sinn zu kitzeln, und morgen bringt der Tag eine neue Sendung, wenn auch die Beschaffenheit noch so geringwertig ist. Diese Sorte Zeitungen ist, wie schon bemerkt, auf Deutschland nicht beschränkt: Tie Pariser Boulevardpresse und die Londoner Sensations blätter sind Zweige von demselben Stamme, an dem auch die Wiener Bildlblätter und die meisten deutschen „Generalanzeiger" rauschen Aber was draußen immerhin noch mit einer gewissen systematischen Großartigkeit und in äußerst geschickter Mache auftritt, hat bei uns ein Ge wand angelegt, dessen Fadenscheinigkeit die innere Hohlheit kaum verhallt. Sie nennen sich rühmend Volksblätter und prunken mit ihrer weiten Verbreitung. Aber anstatt daß mit wachsendem Leserkreise ihnen auch die Erkenntnis ihrer Pflicht wüchse, den Tausenden eine gesunde und nahrhafte geistige Kost zu geben, schmeicheln sie allen üblen Instinkten und niedrigen Neigungen der Menge Die Hinlertreppen- litteratur, die in Schundromanen und Schauergeschichten die Seele vergiftet, ist mit Recht ein Gegenstand der Be kämpfung. Aber schlimmer als diese albernen und über- spanntm Kolportageromane, die in den Kellerwohnungen und Dachstuben herumliegen, ist diese Art von Zeitungen, die Tag für Tag die Vordertrepp« hinaufgetragen werten und willige Aufnahme finden. Denn hier werden Geist und Gemüt systematisch von den ernsten und großen Aufgaben, die jederzeit einem Volke obliegen, abgelenkt durch eine Lektüre, die angeblich unterhaltend und spannend sein will, in Wirklichkeit aber alle rohen Reizmittel verwendet, um mit derben Fäusten das Publikum zu faßen. „DaS billigste Blatt, da« die zahlreichsten Anzeigen, alle Neuigkeiten aus der Welt und besonder« au« der Stadt, nicht allein den Skandal von gestern, sondern auch den Skandal der Nacht und die „Man sagt" de» künftigen Tages mitteilt — e« scheint", so sagt die „National-Ztg." die ebenfalls diesem Symptom unsere« öffentlichen Lebens eine Be trachtung widmet, „sür viele schwer, solchen Reizmitteln zu widerstehen." Ein Blick in diese Lokal- und Generalanzeiger, wie sie selbst ihre Charakterlosigkeit paßend etikettieren, genügt, um unser Urteil nicht zu hart erscheinen zu lassen Mit fettesten Lettern gedruckt drängt sich gewöhnlich ein Tele gramm vor, da» irgend eine Greuelthat, einen Unglückssall, eine Katastrophe meldet. Das ist da« Wichtigste, die Sen sation de« Tage«, und je mehr Blut gefloßen, je entsetz licher da« Elend ist, um so besser. Daneben verblaßen die wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Ereignisse. Ein Staatsakt, der über Millionen Bürger siefemgreisende Entscheidungen bringt, die Verhandlung über ein Gesetz, da« neue Lebensbedmgungen schafft, ist nicht entfernt so bedeutsam in den Augen dieser Leute wie ein scheußlicher Mord oder rin Einbruch. Das bischen Politik, was man au« einer Art von Anstand-gefühl noch mitteilt, schneidet man seicht mit der E^r« zu einem „Originalartikel" zurecht; renn soweit reicht der Anstand nickt, daß man da« wohlerworbene litterarische Eigentum anderer Blätter achtet Was man an eigenen Gedanken hat, verwendet man ja nicht auf eine Besprechung politischer und sozialer Angelegenheiten; selbst ein Geringe« könnte hier dem Lese; zu viel fein. Aber die lokalen Ereignisse, die man au- allen Ecken und Winkeln zusammenkratzt, die bietet may in einer pikanten Sauce, besonders wenn man den leckeren Biffen irgend eincs Familienskandals oder sonstigen schlimmen Histörchens erwischen kann. Und kann man gar „recht tapfer schmähten", gegen die Behörden Oppo sition machen und gegen angebliche Mißstände die Autorität eines weggrjagten Schreibers als Stimme eines Fachmannes ins Felo führen, dann hofft man dem Publikum nach Gefallen zu sein und reibt sich die Hände. Ob die be treffende Redaktion sich die Mühe genommen hat, sich in die Materie hineinzuarbeiten, ob sie überhaupt Persönlich keiten hat, deren Wissen und Charakter dazu angethan ist, sich an maßgebenden Stellen unterrichten zu lassen und erst dann auf Grund eigener Anschauung ein Urteil zu fällen, kommt feiten in Bettacht. Nach diesem Rezepte „Billig und schlecht" werden in Dutzenden von großen Städten unseres Vaterlandes Zeitungen hergestellt, welche Tausenden und Abeitausenden nahezu die einzige litterarische Speise liefern. Wie wenige nehmen doch überhaupt ein Buch zur Hand! Die Tage-presse aber dringt, in der Stadt wenigstens, in jede« Hau«. Mit ebenso geringem Aufwand an Mitteln wie an Verstande«arbelt wird hier ein Produkt hergestellt, da« die Abstumpfung der Interessen und die Herabdrückung de« Geschmackes beim Lesepublikum zum ausgesprochenen Zweck hat. Auf die Aufgabe, zu belehren und zu er ziehen, dem Voile neue Wege zu werfen und Anleitung zu geben, sie einzuschlagen, verzichtet da« Generalanzeiger- tum völlig. Da« ist in der That nicht nur eine unerfreuliche, sondern eine unmittelbar besorgniserregende Erscheinung. Wie ihr entgegenzuarbeiten, da« ist freilich im einzelnen schwer zu sagen. Da an eine innere Wandlung des Generalanzeiger- tumS, so lange e« seine Rechnung bei den jetzigen Zu- ständen findet, natürlich nicht zu denken ist, muß sich der Umschwung in der Seele de« Publikum« vollziehen Und hier hoffen wir auf die Gesundheit unsere« Volke«, die sich im Augenblick wahrhaft großer Anforderungen noch immer bewährt hat, so krank und schloff manche Teile unsere« Volksorganismus in flauen Zeiten auch anscheinend waren. — Zum Schluß bemerkt der „Hamb. Corr": „Es ist zu erwarten, daß die in diesen Erörterungen gekennzeichnete Presse die Motive dieser Ausführungen in brotneidigem Arger über ihre gepnesenen Erfolge suchen wird. Niemand kann über seinen eigenen Schatten springen, und so wäre es nur natürlich, daß das Generalanzeizertum jene Sinnes art bei anderen voraussetzt, die sein innerste« Wesen au«- macht Die Gefahr einer solchen Verdächtigung hat un« nicht abgehalten, den Finger auf einen wunden Fleck unseres öffentlichen Lebens zu legen, und wir würden in einer derartigen Verleumdung nur die Quittung darüber erblicken, daß unser Zweck erreicht ist" Die denselben Gegenstand behandelnden Auslassungen der „National Zeitung" lauten in den haupisächlichsten Punkten: „In ollen Parteien ist die Klage über Beein trächtigung der ernsthaften politischen Zeitungen, über ihre Verdrängung im Publikum durch sogenannte parteilose Blätter dieselbe überall gewinnen die Lokal- und Generalanzeiger, die Blätter, welche die Gleichgiltigkeit gegen alle politischen Fragen und die Seichtigkeit de« Inhalts auf ihre Fahne geschrieben haben, die Oberhand Im Ausland ist eS hier und da nicht ander«, in Frankreich haben Zeitungen, die einst einen Weltruf hatten, Lurch und Wissenschaft. Lady Sibylle. Erzählung von E Schroeder. » (Fortsetzung.) Diese scheinbare Gleichgiltigkeit reizte den anderen, sortzufahren „Ja, ja, Sie mögen mir'- glauben oder nicht — eö ist wieder alles in schönster Ordnung mit Ler da drüben!" Er machte eine Schulterbewegung in der Richtung, in der Esdorf lag. LiihrS Sanders ließ sich jetzt herbei, mit seinem blödesten Blick zu äußern: „Wenn Sie was zu sagen haben, Konrad Schulze, was der Mühe wert ist, daß ein vernünftiger Mensch seine Ohren dazu aufthut, so fangen Sie gefälligst von vorne an, statt von hinten! Er ist ja — hol mich dieser und jener! — als ob einer ein Buch auf der letzten Seite aufschlägt und es einem verkehrt herum vorhält!" „Na, zu sagen ist so gewaltig viel gar nicht," meinte der andere, „nur wie ich gestern abend da oben bei Erdorf halte — Sie wissen, der Herr war zu Fuß hinüber und ich sollte ihm den Wagen bringen, weil er noch weiter wollte in die Stadt — wie ich da also halte und mich freue, daß eS wieder so lustig herauf raucht und hämmert, und bei mir denke, da» hätte eine böse Geschichte werden können neulich, wenn der Herr dem Lumpenpack nicht gezeigt hätte —" „Blitz noch 'mal!" verwunderte sich hier Lühr- Sander», ihm mitten in die Rede fallend, „der Kerl will gar nicht viel zu sagen haben und macht mehr Worte wie 'n Temperenzprediger! S»llten wir wohl vor Mittag noch fertig werden mit dem Sprech?" „Bin gleich zu Ende, Herr Sanders! Wie ich daS also denke und mit der Peitsche knalle und immer nach der Thüre von dem Direktor seinem Haus hin sehe, weil ich meine, Herr Waldstedt muß jeden Augenblick herauskommen, da roschelt's hinter mir im Gebüsch und ich höre Stimmen — erst dem Herrn seine, die sagt: „Auf Wiedersehen!" und dann so 'ne feine von 'nem Frauenzimmer, di: setzt hinzu: „Morgen früh!" Und wie ich dann verstohlen so 'n bißchen um die Ecke schiele, da ist's wahrhaftig die mit dem roten Haar, um die all' der Spektakel war im vorigen Jahr! Na, denke ich, „alte Liebe rostet nicht", denn sie schütteln sich die Hände und wie er fort will, da guckt sie ihn so schmachtend an und hält ihm die Backe hin, daß er gar nicht ander- kann, als 'nen Kuß darauf drücken. Ich an seiner Stelle hätte gleich 'n Dutzend angebracht, aber was so die feinen Leute sind —" er brach lachend und kopfschüt telnd ob. Lührs Sanders Gesicht war aus zu starrem Holz geschnitzt, um Herzensregungen wiedergebcn zu können. Dem Anschein nach blickte er mit der erhabenen Gleichgiltigkeit einer Sphinx von Gizeh über das Mitgeteilte hinweg, während er in ironischem Ton entgegne!«: „DaS nennen Sie also verstohlen 'n bißchen um die Ecke schielen, Konrad Schulze? Na, meinetwegen! Möchte man bloß wissen, «a- Sie mehr gesehen hätten, wenn Sie sich ganz umgedreht und 'n Kneifer auf die Nase gesetzt hätten? Der Herr wird 'ne rechte Freude haben, wenn er erfährt —" „Mein Gott! Herr Sander-, Sie werden doch nicht —" „Wenn Sie über die Sache nicht reinen Mund halrcn, so sage ich's ihm — darauf können Sie Gift nehmen!" Lührs Sanders kannte seinen Herrn. Er wußte, daß die bloße Vorstellung: „der Klatsch verbindet Deinen Namen mit dem einer Frau, man erwartet von Dir, daß Du sie heiratest" — im stände sei, kaltes Wasser auf dessen Leidenschaft zu schütten. Einmal hatte er sich ins Ehejoch zwängen lassen, znm zweiten Mal that er'S nicht. Sprach er daS bindende Wort, so sprach er es nur im Rausch der Liebe. Im Treppenhause wurden jetzt Schritte hörbar. Beide Männer wandten den Kopf und begrüßten in respektvoller Weise ihren Herrn, sobald er unter der Thüre erschien. Mit einem halben Blicke, einem stummen Kopfnicken dankte ihnen dieser. DaS deutete nicht auf die allerbeste Laune. Kaum daß er des Pferdes ansichtig ward, fand er auch schon an der Sattelung etwas auSzusetzen. Heftig tadelnd sprach er auf den Groom ein, der nun in ängstlicher Hast die Riemen fester zog Endlich im Begriffe, die Freitreppe hinabzusteigen, stutzte Waldstedt. „Etwas für mich?" rief er einem Boten de- Telegraphenamtes entgegen, der ziecklich eilfertig daherkam. „Eine Depesche, Herr", lautete die Entgegnung. Wenn der elektrische Draht dem gemeinen Manne überhaupt etwa- zu melden hat, so betrifft es meisten» Krankheit oder Tod. Deshalb waren sowohl de» Reitknechts wie Sander- Blicke mit ängstlicher Spannung auf ihrem Herrn geheftet, als er nun das Papier auseinanderschlug. Sein Gebaren schien denn auch ihre unheimlichsten Ahnungen zu bestätigen. Er las — fuhr sich mit der Hand über die Augen — las wieder — blickte wie geistesabwesend um sich, und dann auf einmal überkam den starken Mann ein Zittern, daß er nach der Treppenbalustrade Haschen mußte, um sich aufrechtzu- erhalten. Als Sanders eine Bewegung machte, ihm zu Hilfe zu eilen, wehrte er ihm heftig mit der Hand. Im nächsten Moment hatte er sich umgedreht und war im Hause verschwunden. In seinem Studierzimmer, vor dem Schreibtische sitzend, die Ellbogen aufgestützt, den Kopf zwischen den Händen, die Augen unverwandt auf das vor ihm ausgebreitete Telegramm gerichtet, so fand ihn San ders, der ihm nach wenigen Minuten gefolgt war. „Ob vielleicht auf daS vermaledeite Dings da 'ne Antwort wäre, will der Mensch wissen?" brummte der Getreue, der vor lauter Mitgefühl bärenhaft ver drießlich dreinschaute. „Er soll zurücktelegraphieren," fuhr Waldstedt herum. „Toch nein," unterbrach er sich, „ich will cs selber besorgen! Hier — gieb' ihm dies und schick ihn fort." „DieS" war ein blankes Goldstück, daS Sander» mit wahrem Entsetzen entgegennahm. „Wie? Was?" ricf er entrüstet, „der Kerl soll'» gar noch bezahlt kriegen?" Al» sein Herr ihn ver wundert ansah, setzte er erklärend hinzu: „ES kostet ja nicht», Herr." „So? Kostet'» nicht»?" fragte Waldstedt, leise auf lachend. „Wieder ein Beweis, war für eine verkehrte
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite