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Garten zeichnet sich durch seine endlosen Alleen und malerischen Baumgruppen au-, welche aus hundert jährigen Linden, Eichen und Tannen bestehen. Bom Großen Palais aus erstreckt sich die herrliche Simson« Allee, welche von einem Kanal durchflossen und von einem ganzen System von Fontaine» umsäumt ist. In mächtig rauschenden Kaskaden üürzt hier da- Master über zwei Freitreppen herab, die von reich vergoldeten mythologisLcn Gestalten flankirt find. Ein Druck auf den Regulator und die tosenden Waffermasten versiegen. Am Eingänge deS Kanal« steht in einem großen Bassin die mächtige Gestalt Simsons. Die gewaltigen Hände reißen den Rachen deS Löwen weit auf und aus der Höhlung deS Rachens schießt prasselnd ein mächtiger Wasserstrahl hervor, der hoch oben in der Luft funkelnd und glitzernd zerstiebt und dann rauschend in da« Bassin zurückfällt. Von den Ufern des Kanals sprühen aus auS Tritonenhörnern, Froschmäulern und Löwenköpfen unzählige Wasserstrahlen, sich in graziösem Bogen kreuzend in den Kanal. Zwischen den mächtigen Tannen der Allee sind Fontainen placirt, die rauschend die Zweige der Bäume benetzen. Der Blick auf die Simson« Allee von der Terrasse deS oberen Palais aus ist ein geradezu märchenhaft prächtiger. Im unteren Garten befindet stcb die eigentliche Sommer-Residenz des Czaren, die Farm Alexandria. In Neu-Peterhof, das sich an den Park schließt, breitet sich der krystallklare Kaiserin- See auS. DaS die Fontänen des Parkes speisende Wasser wird in Röhren auS Diedenhof, mehr als zwanzig Werst weit, nach Peterhof geleitet und sammelt sich in den Bassins des Kaiserin-Sees. Eines dieser Bassins ist so umfangreich, daß in demselben zwei künstliche Inseln angelegt werden konnten. Auf der einen befindet sich ein Pavillon im Style der pompe- janischen Bäder, der zahlreiche antike Fundstücke ent hält. Die Olga-Insel, ein zweites kleines Eiland im Kaiserin>See, wo am 9. August die Galavorstellung zu Ehren des Kaisers Wilhelm stattfinden wird, bietet im gegenwärtigen Augenblicke besonderes Interesse. Auf der Olga-Insel, auf einer schwimmenden Bühne, wird die Aufführung des Ballets „Die Abenteuer deS PeleuS" und des „Sommernachtstraum" ftattfinden; während dieser mit ganz besonderer Pracht inscenirten Dar stellungen wird der See vom Grunde aus mit vielen Tausenden von elektrischen Lämpchen beleuchtet werden. — Die Meldung, daß das Petersburger Stadt amt für die Ausschmückung der Residenz anläßlich des Besuches des Präsidenten Felix Faure einen Kredit bis zu 100,000 Rubel beantragt hat, ist nur zur Hälste richtig Diese Summe soll für die Ausschmückung der Residenz während des Besuches des deutschen Kaisers und des französischen Präsidenten reichen. Dänemark. Die unversöhnliche Kaiserin- Wittwe von Rußland hat ihre Absicht, einer Begegnung Kaiser Wilhelm'S in Petcr-burg auSzu- we'chen, wahr gemacht. Dieselbe ist am 2. August in Kopenhagen eingetroffen. — Nach einer anderen aller dings etwas abenteuerlichen Meldung soll die Abreise der Czarin-Wittwe nach Kopenhagen aber noch weitere Gründe haben. Wie verlautet, sei nemlich die Kaiserin mit den fortschrittlichen Bestrebungen des jungen Czaren durchaus nicht einverstanden und habe geplant, die Regentschaft an sich zu reißen. Deshalb sei sogar von ihr im Verein mit dem Minister Woronzow- Daschkow die Nachricht verbreitet worden, daß Nikolaus H. noch immer an den Folgen des Schlages auf den Kopf, den ihm bekanntlich ein japanischer Fanatiker beigebracht, leide. Deshalb sollte der Czar bewogen werden, eine längere Reise in das Ausland zu unter nehmen. Diese Jntrigue wurde dem jungen Herrscher jedoch noch rechtzeitig durch Graf Murawjew und Baron Frederick enthüllt und der Czar habe sodann, wie eS weiter heißt, eine Abtheilung seiner Leibgarde in einem Saale versammelt und darauf die in den Plan verwickelten Persönlichkeiten zu sich berufen. Als dieselben ver sammelt waren, theilte er ihnen mit, daß er von Allem Kenntniß habe. Alle wurden verwirrt und geriethen in noch größere Unruhe, als der Czar eine Thür öffnete und sie im Nebensaale die getreue Leibwache erblickten. Al- guter Sohn machte er aber seiner Mutter nicht den geringsten Vorwurf, um so schärfer war der Tadel, den der Czar gegen den Hosminister Woronzow- Daschkow aussprach, welcher den Auftrag erhielt, sofort seine Demission zu geben, was auch geschah. Frederick wurde sein Nachfolger und eine wettere Folge de- VorgangeS dürfte die sein, daß die Kaiserin - Wittwe ihren ständigen Aufenthalt in Kopenhagen nimmt (?). Griechenland. AuS Athen wird geschrieben: Das wundervolle Lustschloß der Kaiserin von Oester reich auf der Insel Korsu, da- sogenannte Achilleion, wird von seiner Besitzerin nicht mehr besucht werden und soll, wenn sich eine geeignete Persönlichkeit al- Käufer findet, in fremden Besitz übergehen. Die Kaiserin fand sich zu diesem Entschlusse veranlaßt, da ihr schon im verflossenen Herbste zu Biarritz die Aerzte da- Reisen zur See auf da- Entschiedenste abgeratben haben. Die Kaiserin trifft, nachdem sie sich entschlossen hat, sich von dem herrlichen Besitze zu trennen, persönlich die Anord nungen für die theilweise Räumung deS Schlosses. Die bekannte herrliche AchilleSstatue von dem Berliner Bildhauer Ernst Herter, nach der das Schloß den Namen führt, wird im Achilleion verbleiben. Ueber dem Tempel mit dem Heine-Denkmal, über das Kron prinz Rudolf Mausoleum, wo sich das Brustbild des Kronprinzen in Marmor befindet, sowie über die knidische Venus am AuSgange der Palmenallee auf der Terrasse de- Schlosses, von der au- man die bezaubernde AuS, sicht auf die Stadt Korfu, auf das Meer und auf die jenseits gelegenen Bergriesen von EpiruS genießt, sind bisher keine Entscheidungen getroffen worden. Der Bau des wunderbaren Schlosses ist vor ungefähr acht Jahren in Angriff genommen und erst vor 4 Jahren zu Ende geführt worden. Aber seither war die Kaiserin Elisabeth fortwährend bestrebt, die innere Ausstattung des Schlosses durch neue Kunstwerke zu bereichern. Kuba. Eine amtliche Mittheilung besagt, daß die Zahl der erkrankten spanischen Soldaten auf Kuba 22,000 überschreitet. — Nach einer Meldung des „Heraldo" benutzen die Aufständischen die Regen zeit dazu, ihre Streitkräfte zu ergänzen. Neueste Telegramme. — Kiel, 4. August. Der Kaiser empfing gestern den hier eingetroffenen Chef des Mtlilär- kabinetts v. Hahnke an Bord der „Hoheozoller»" uvd hatte mit diesem anläßlich der Beruuglückung seines Sohnes in Norwegen eine längere Unter redung. Im Winter sollen weitere Nachstellungen nach der Leiche vorgcnommen werden. — P e t e r s d u r g , 4. August. Zur Begrünung Ihrer Majestäten deS Kaisers Wilhelm und der Ra serin Auguste Vcktoria treffen Abordnungen der deutschen Kolonien aus Riga, Reval, Moskau, Warschau und Odessa hier ein — Parts, 4. August. Dem „Figaro" zu folge wird eine außerordentliche französische mili tärische Mission, bestehend aus einem General und einem Oberst nebst Gefolge, den diesjährigen russischen Manövern in Krasnoje Sfelo beiwohnen und eine ebenso zusammengesetzte russische Mission wird an den französischen Herbstübungen Theil nehmen. — Der Untersuchungsrichter übergab in der Affäre deS Brandes des WohlthätigkeltSbazarS seinen Antrag der Aullagekammer, außer den beiden Funktionären deS Ktnematographen Bellac und Bagratschow, auch den monarchistischen Deputirten Baron Mackau wegen Vergehens gegen die Sicherheit deS Lebens vor das Zuchtpolizeigericht zu stellen. — Madrid, 4. August In Tetuan bei Madrid kam cS infolge von Prtvatstretttg- keiten zu tumultuarischen Sreuen, in deren Verlaufe Schüsse gewechselt wurden; mehrere Personen erlitte« Verletzungen. Die Ruhe ist wieder hergeftellt. — Konstantinopel, 4. August. In dm KriedmSverhaudluugen scheint wieder einmal ein Stillstand etugetreteu zu fein. Hauptsächlich stößt man sich in Sriechrnland, wie auch aus Athen ge meldet wird, au der, wohl vor Alle« für die deut- schen Gläubiger geforderten Ktnauzkoutrole. — Athen, 4 August. Alle Blätter verwerfe» entschieden die Idee einer allgemeinen Kinanzkoutrole. DelyauniS soll geäußert haben, daß er sie mit alle« Mitteln bekämpfen würde. Auch in der Zeitung „Afty" bezeugt der Minister des Aeußereu, daß der König eine fremde Kontrole durchaus ver wirft und in einem solchen Kalle abdavken würde, daß aber offenbar keine allgemeine Kontrole beab sichtigt sei und nur Sicherheiten verlangt würden, wie solche früher von den Gläubigern vorgeschlage« seien. Unter diese« Umständen fei die Berufung der Kammer unvermeidlich, vielleicht wird sie schon in drei Wochen zusammeutreten. — Kanea, 4. August. Sin deutscher Bericht erstatter schreibt: Hier find die Dinge dank der euro päischen Intervention bis zu einem Grade zugespttzt, der eine wettere Steigerung kaum noch möglich er scheine« läßt. Tie unglücklichen, von ihrem Besitze vertriebenen Muhamedaner gehen unter dm Auge« der europäischen Kriegsschiffe dem langsamen Hunger- tode in den Straßen der drei oder vier noch iu türkischrm Besitze befindlichen Städte entgegen, wäh- reud die aufständischen Griechen ihren Ueberfluß a« Feldfrüchten öffentlich verkaufen! Kann man sich da wundern, wenn nicht nur die kretensischev Muha medaner, sondern auch die hiesigen Türken die euro päischen Mächte zum Mindesten mit Mißtrauen be trachten? Nachrickten aus Dresden und der Provinz. — Se. Majestät der König in Begleitung Sr. künigl. Hoheit de- Prinzen Friedrich August habe« sich am Montag Nachmittag nach den durch die Hoch- wafserkatastrophe hart betroffenen Orten Cotta, Löbtau, Plauen, Potschappel, Döhlen und Deuben begeben und nahmen daselbst unter Führung deS KreishauptmannS Schmiedel und Geh. RegierungSratheS Amt-Hauptmann vr. Schmidt von dem durch die Katastrophe herbeigeführten Zerstö- rungSwerke in eingehendster Weise Kenntniß. Kurz nach 4 Uhr trafen Se. Majestät sodann in der königl. Villa Strehlen ein. — Ihre Majestäten der König und die Königin haben für die durch die Wolkenbrüche und Ueberschmem- mungen in Sachsen in den letzten Tage» Geschädigten 20,000 M. zu spenden geruht. — Die für Dienstag beabsichtigte Abreise Ihrer Majestäten nach Rehefeld ist bi- auf Weitere- ver schoben worden. — Ihre königl. Hoheiten der Pri»z Georg und die Prinzessin Mathilde weilen seit Montag zum Besuche der Frau Fürstin Leopold von Hohenzollern ix ' dem Nordseebade Scheveningen. woselbst die Hohm Herr schaften im KurhauS-Hotel Wohnung genommen haben. Die Rückkehr nach Dresden bez. Hosterwitz erfolgt voraus sichtlich am Sonnabend Vormittag. — Mit Genehmigung Sr. Majestät deS König hat Se. königl. Hoheit Prinz Friedrich August den Ehrenvorfitz in dem Lande«-Central-Hilf-komitö für die Wasserbefchädigten übernommen. — Residenztheater. Herr Alexander, der gegenwärtige Gast des RefidenztheaterS, scheint mit den französischen Lustspieldichtern beinahe verheirathet zu sei», wie ein volkSthümlicher Ausdruck besagt, denn auch die letzte Novität am Montag, welche derselbe sür sein Auf treten gewählt, flammt au- Paris. Dieselbe trägt de» Titel „Dekorirt" und hat de» kürzlich verstorbenen Akademiker Henri Meilhac zum Verfasser, welcher unter zahlreichen anderen Bühnenstücke» a»ch »Frou - Frou" schrieb. Wenn baS alte Wort: „wer den Dichter wig Hur stellte er nuu fist, Lutz sich die fragliche An once in ollen Zeitungen im gleichen Wortlaute befand; dies war Beweis genug, daß es Herrn I. P. Lindner mit seinem Angebot ernst war, denn sonst würde er nicht so v el Geld für die Inserate auS- geg den haben. Ja, er sagte sich sogar, daß diese Annonce lediglich zu d.m Zwecke in alle Blätter gerückt war, damit gerade er sie lesen sollte. Von allen den Taufenden, die sie lesen würden, verstand nur er allein ihren Inhalt, war nur er allein im Stande, die geforderte § Auskunft zu ertheilen, denn kein Anderer befaß den ! Schlüssel zu diefim Räthfel oder wußte etwas von ! Albert Ebel's Vorleben. Was sollte er thun? Sollte er das Geheimniß bewahren und Herrn I. P. Lindner seine dann frucht losen Bemühungen sortsetzen lassen? Doch zunächst, wer war dieser I. P. Lindner? WaS hatte er für : Interesse daran, Informationen über einen schon so large Verstorbenen einzuziehen? Was bewog ihn dazu, eine so hohe Summe zu Vieten? I. P. Lmdner mußte jedenfalls ein Verwandter von Albert Ebel'S Frau sein. Sollte eS möglich sein, daß dieser Ehe ein Kind ent'prossen war? Dies war nach Aßmann'- Ansicht kaum anzunehmen; sollte eS aber dennoch der Fall sein, dann konnten allerdings wunderbare Komplikationen eintretrn und überraschende Enthüllungen zu Tage gefördert werden. Eine halbe Stunde lang saß Aßmann g'übelnd und sinnend vor seinem Schreibtisch; tausend sich widerstreitende Gedanken durchkreuzten sein Hirn. Seia erster Gedanke war, nicht die geringste Notiz von dem Jn.eiate zu veh-ien u. d der Versuchung Stand zu birten. Zweitausend Mark würden ihm allerdings mühe los in den Scuooß fallen, wenn er nur den Mund anfthun wollte. Zweitausend Mark, ein schönes Stück Geld! Toch sein eigener so schlau ersonnener P an und seine ganze LebenSexistenz konnten damit aufs Spiel gesetzt werden. WaS sollte er thun? Befürchtungen für seine eigene Sicherheit geboten ihm, zu schweigen und das Geheimniß, das jenen todten Albert Ebel umgab, mit sich in- Grab zu nehmen. Doch die Habsucht, die G er nach den zweitausend Mark unterdrückten schließlich alle Bedenken. „WaS habe ich übeihaupt zu befürchten?" murmelte er vor sich hin. „Daß ich den Tod meines Freundes zu meinem Bortheil auSgebeutet und einen Dummen hinterS Lickt geführt habe, wer will mir daS verdenken? Und der Betrogene selbst darf uvt Rücksicht auf seinen eigenen Ruf den Betrug nicht aufdecken. Hinweg mit dem kleinmüthigen Beter.km, wo es sich um ein große- Geschäft bandelt." Er durfte sich diesen fetten Bissen nicht entgehen lassen — ungeachtet aller Konsequenzen, die vielleicht nicht auSblerben würden. So schrieb er denn noch an diesem Abend einen Brief an Herrn I. P. Lmdner > noch Hamburg. 37. Kaprtel. Ein Brref aus Wallstadt. ES war ein schöner Morgen rm Monat Septem ber; die Sonne brannte mit heißen Strahlen auf die zahlreichen Boote im Alstnda sin zu Hamburg her nieder und die Straßen der großen Handelsstadt boten einen bewegten und interessanten Anblick dar. An dem geöffneten Fenster eine- Zimmers im Hotel St. Petersburg faß Albert Ebel und theilte seine Aufmerkiamkeit zwischen dm anziehenden Scenen deS Straßenlrbens unter sich und einem opulmten Frühstück, daS vor ihm aul dem Tische stand. Bor drei Tagen war Edel in Deutschland ge landet und hatte von seinem komfortablen, freilich etwas theuren Hamburger Qua'tier auS sogleich seine Arbeiten begonnen, derentwegen er hierher g-kommen war. Sem erster Schritt hatte darin bestanden, an alle großen Zeitungen jene Annonce zu senden, welche Aß mann so viel Kopfschmerzen verursachte. Jetzt wartete er nun mit begreiflicher Ungeduld da- Resultat seiner Bemühungen ab. El war jedoch nicht so sanguinisch, um an einen unmittelbaren, sofortigen Erfolg zu glauben. Er wußte ja, daß nur ein Mann, jener intime Freund seine- Vater-, von dem Hannah Wilford gesprochen hatte, die gewünschte Auskunft er- theilen konnte. Selbst wenn dieser noch leben und in Deutschland wohnen sollte, so konnte doch noch ein sehr langes Jnseriren nothwendig werden, um ihn auf zufinden. Gleich die erste Post a-n nächsten Morgen hatte bereits Briefe gebracht. Der eine war au» Berlin und der andere aus Hamburg selbst. Mit großer Spannung hatte Albert diese Briese geöffnet und gelesen, um sie rm nächsten Augenblick verächtlich fortzuwerfen. Der Berliner erklärte, Albert Ebel fehr gut gekannt zu haben, behauptete, die Ermordung desselben i« Pat