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Ulprd. «. Redaktlon LrtSden-Neustadt ll. Meißner Gasse 4. Lie Zeitung erscheint Ttenstag, Lau n erfrag und «onuaben» früh. Udonnemeut»- Preis: tzterleljLhrl. M. 1,50 Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- «lstaltcn und durch unsere Boten. Ori freier Lieferung in» Hau« erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pf. iichlW VocheituG Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. Inserate werden biS Mo»lag. Mittwoch u. Freilag Mittag angenommen und kosten: dieispalt. Zeile 15 PI. Unter Eingesandt: 30 Pf. Inseraten» Annahmestelle»: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, Haasenstein L Bögler, Rudolf Mossc, G. L. Daube L Eo. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, KesselSdorf u. s. w. Wr. 85. Donnerstag, den 22. Juli 1897. 59. Jahrgang. Politische Weltschau Deutsches Reich. Der Kampf deSDeutsch- thums in Oesterreich wird auch in reichspoli- ttschen Kreisen aufmerksam verfolgt und dürfte ge wiß seine Rückwirkung auf das Verhältniß Deutschlands zu Oesterreich äußern. Sicher ist es jedenfalls, daß die deutsche Reichsregierung aus den österreichischen Verhältnissen ihre Schlüsse ziehen muß, ob sie die bisherige Reichspolitik sortsetzen will, deren Voraus setzung war, daß Oesterreich-Ungarn uns nütze, wie wir ihm. Oesterreich-Ungarn bedurfte eines Rückhaltes und sogar eines Bündnisses für den Fall, daß Ruß, land auf der Balkanhalbinsel weitere Fortschritte mache. Wir bedurften seiner Hilfe für den Fall, daß Ruß land und Frankreich sich gegen uns verbündeten. Allein ein solcher Fall würde mit dem Augenblicke, da Deutschland den österreichisch-ungarischen Interessen auf der Balkanhalbinsel den Rücken kehrte, so gut wie unmöglich. Das Deutsche Reich steht mit Rußland in keinem Interessengegensatz, sobald eS sich entschließt, seine schützende Hand von den Angelegenheiten Oester reichs im Oriente abzuziehen. Um diesen Preis können wir jeden Augenblick eine Lösung des russisch-franzö sischen Bündnisses erkaufen. Die Jahre von 1856 bis 1871 zeigen, daß sich ein herzliches Einvernehmen zwi. schen Rußland und Preußen-Deutschland mit dem größten Erfolge durchführen läßt. Wenn Deutschland trotzdem an dem Bündnisse festhält, so liegt der Grund dafür in der Erwägung, daß das Donau-Kaiserreich eine Vormauer gegen den slavischen Ansturm sein muß und zwar nicht nur gegen einen Krieg vom russischen Kaiserreiche, sondern auch gegen die deutsch-feindlichen Tendenzen seiner eigenensslavischen Stämme. Oesterreich hat sich gegen Rußland Deckung zu verschaffen ge sucht, indem es seinen eigenen slavischen Stämmen die weitestgehenden Zugeständnisse machte. Es wollte aus- gesprochenermaaßen einen „austroslavischen" Patrio tismus erzeugen. Das ist ihm aber nur bei den Polen gelungen und zwar aus naheliegenden Gründen. Die Polen haben Galizien wie ein ihnen gehöriges Land in die Hände bekommen und sie haben die ostgalizi schen Ruthenen dabei geknebelt. Für sie ist der Pan- slavismus der Gottseibeiuns, denn er bringt UnUr- werfung unter Rußland, dessen „milde" Hand die Brüder in Russisch-Polen kennen. Die Polen sind also natürliche Gegner Rußlands und daher ausiro- slavische Patrioten selbst in dem Falle, daß ihnen keine Zugeständnisse gemacht werden. Bei allen übrigen slavischen Völkerschaften, Czechen, Slovaken, Ruthenen, Serben, Kroaten, Slovenen, ist der austroslavische Ver ¬ such aber völlig fehlgesch lagen, trotz aller Zugeständ- , niffe, die man ihnen gemacht hat. Im Gegentheile, ! die am Meisten verhätschelten Austroslaven, die Czechen, sind immer eifrigere Panslavisten geworden und lieb äugeln mit Rußland. Die völlig eingeschüchterte öster reichische Regierung läßt ihnen nun immer mehr den ! Zügel schießen und giebt ihnen immer mehr deutsche oder vielmehr deutsch-österreichische Interessen preis. Das ist sogar soweit gegangen, daß Badeni die Sprachenverordnung erlassen konnte, welche die Deutsch. Oesterreicher in den Verzweiflungskampf ge trieben hat. Daß ein Herrscher über Oesterreich aus deutschem Stamme dies zugelassen hat, ist wohl die z schmerzlichste Erfahrung gewesen, welche die Deutsch- Oesterreicher überhaupt zu machen gehabt haben. Sie bestätigt, was man auch sonst schon wußte, daß der Kaiser sich nur noch von seinem auswärtigen Minister, dem ganz ultramcntanen polnischen Grafen GoluchowSki, berathen läßt. Damit ist aber die Voraussetzung, daß Oesterreich eine Vormauer gegen das Slaventhum sei, gänzlich hinfällig geworden. Wenn Oesterreich selber seinen Arm leiht, um die Deutschen den Czechen, Slovenen und Magyaren auszuliefern, dann hört für uns Reichsdeutsche das Interesse an den österreichischen Lebensfragen auf der Balkanhalbinsel auf. Es hat doch wahrlich keinen Sinn, daß wir den immerhin bedenklichen Groll Rußlands auf uns laden, um die Sicherheit eines Reiches zu verbürgen, das die Lebensfragen von zehn Millionen Deutschen mißhan deln läßt. Wenn Oesterreich selber die Auslösung in Natiönchen ertragen kann: wir können sie noch viel leichter mit ansehen und wenn Oesterreich an der Lieb äugelet der Czechen mit Rußland keinen Anstoß nimmt, so wird es ja wohl verschmerzen, wenn seine Deutschen Rückendeckung beim Deutschen Reiche suchen. Es hatte einen Sinn, daß Deutschland Opfer für Oesterreich i brachte, so lange dieses den zehn Millionen Deutschen Schutz gewährte, denn die letzteren konnten als eine Vormauer gegen den slavischen Ansturm aufgefaßt werden. Wenn Oesterreich selber aber sich aus einem Schirmherrn der Deutschen in einen Sturmbock gegen die Deutschen verwandelt, so hört das deutsche Interesse an seinem Wohlbefinden auf. Seit Abschluß des Bünd nisses mit Oesterreich hat sich Deutschlands militärische Macht um die Hälfte vergrößert. Oesterreich-Ungarn hat aber nichts Nennenswerthes gethan; es hat gnä- digst dem Deutschen Reiche erlaubt, die gewaltige Rüstung sammt allen Kosten auf sich zu nehmen, um dem Donaureiche Schutz zu verbürgen. Wir können zur Noth das österreichische Bündniß entbehren und, > wenn wir unsere schützende Hand von der Balkan halbinsel abziehen, jeden Augenblick die allerbesten Beziehungen zu Rußland haben. Da- Bündniß mit einem das Deutschthum mit Füßen tretenden Oester reich wird nicht mehr von der öffentlichen Meinung Deutschlands getragen und daraus wird, früher oder später, auch da» officiclle Deutschland seine Schlüffe ziehen. Ein gewisses Aufsehen hat e- besonder- in Sachsen erregt, daß, nachdem unter Vorsitz deS Königs Albert das zusammeng^rufene Schiedsgericht sich gegen den Prinzen Adolf von Schaumburg entschieden, der Kaiser an letzteren (derselbe ist bekannt- lich sein Schwager) ein Telegramm deS Inhaltes richtete, daß Lippe-Schaumburg nie wieder einen besseren und würdigeren Herrn erhalten werde. Das Organ der sächsischen Regierung, die „Leipziger Zeitung', be merkt hierzu: „Wie allgemein angenommen wird, war diese Mittheilung eine private, in der die Worte nicht auf die Wagschale gelegt werden und nicht entfernt von der Absicht eingegeben, persönliche Einflüsse zu Gunsten des kaiserlichen Schwagers geltend zu machen. Nur der übelangebrachten Veröffentlichung des Tele gramms ist es zuzuschreiben, daß es in Süddeutschland mehrfach so verstanden und mit Verwunderung aus genommen worden ist. Gerade jetzt scheint es be sonders nöthig, derartig enMißverständnissen, namentlich in Süddeutschland, vorzubeugen." Es ist bemerkenswerth, daß das Organ der sächsischen Regierung diese Warnung aussprechen zu müssen glaubt. Wie aus Bergen gemeldet wird, traf der auf der Fahrt nach Spitzbergen begriffene deutsche Schnell dampfer „Auguste Viktoria" mit vielen Vergnügungs reisenden am Montag hier ein, als die „Hohenzollern" mit dem Kaiser hier ankerte. Der Monarch, dessen Augenverletzung sich fortdauernd bessert, stattete dem schönen Dampfer einen Besuch ab und blieb längere Zeit auf dem Sch'ffe, das er unter Führung des Ka pitäns Kämpf eingehend besichtigte. Der Kaiser äußerte sich außerordentlich befriedigt über den vor Kurzem vollzogenen gelungenen Umbau und sprach wiederholt seine Anerkennung über die schöne Einrichtung deS Schiffes aus. Der Kapitän der „Auguste Viktoria" erhielt bald darauf die Photographie des Kaisers mit eigenhändiger Widmung. Den Passagieren wurde von dem Kaiser die Besichtigung der „Hohenzollern" ge stattet. Nachmittag 1'/, Uhr ging die „Hohenzollern" nach Stavanger in See, um den Herzog Carl Theodor von Baiern an Bord zu nehmen. Einen regen telegraphischen Verkehr unter hält der deutsche Kaiser auch gegenwärtig wieder auf seiner Nordlandsreise mit Berlin. Bei dieser Gelegenheit dürften einige Angaben über die Art am Platze sein, auf die die telegraphische Verbindung sich ab Feuilleton. Die Wege ver Vorsehung. Roman von Axel Albrecht. (Nachdruck verboten.) (30. Fortsetzung.) So kam denn die Nacht heran — für Viele die schrecklichste Nacht ihres Leben-. Ueberall hörte man herzzerreißende Klagen und gellende Angstrufe durch die finstere Nacht erschallen. Das Jammern der Frauen, das Wimmern und Schreien der Kinder er füllte fort und fort die Lust; dazwischen hörte man laute, verzweifelte Gebete und hin und wieder das TodeSröcheln eines Sterbenden. Draußen aber tobte und toste die Fluth ohne Unterlaß und mit unverminderter Kraft. Langsam strichen die Stunden dahin und trotz der ausgestandenen Strapazen war wohl Niemand in dem ganzen Hause, der in dieser Nacht Schlaf und Erholung gefunden hätte. Nicht weniger als 30 Personen, meist Frauen und Kinder, starben in dieser Nacht in Folge der über menschlichen Anstrengungen und der fortwährenden Todesangst, welcher sie stundenlang ausgesetzt waren. Aber auch innerhalb deS HauseS spielten sich die ergreifendsten Scenen ab. Dichte Gruppen von Frauen standen weinend, schluchzend, betend beisammen; zu Tode geängstigte Kinder erfüllten die Luft mit ihrem Schreien; auch die Männer standen mit blaffen, ent setzten Gesichtern da; Gram und stille Verzweiflung spiegelten sich in ihren Zügen wider. An den geöffneten Fenstern sah man einige ent schlossene Männer, die sich nicht einer ohnmächtigen Resignation Hingaben, sondern bemüht waren, vielleicht noch einige unglückliche Menschen zu retten, die sich in einer noch verzweifelteren Lage befanden als sie selbst. Zu diesen traten jetzt Albert und Karl und während sie in den reißenden Strom herabblickten, erzählten sie sich ihre Erlebnisse während der letzten furchtbaren Stunden. Wie sie so mit dankerfüllten Herzen von ihrer wunderbaren Errettung aus höchster Gefahr sprachen, rief Plötzlich Jemand: „Da — da treibt ein Mann auf dem Wasser! Seht dort auf dem Dache!" Aller Augen richteten sich nach der bezeichneten Stelle und man sah die Figur eines Mannes, der auf dem Dache eines fortgeschwemmten Holzhauses auSge- streckt lag und gerade auf das Hotel zutrieb. „Er scheint schon todt zu sein, der Aermste", rief eine mitleidige Stimme. „Dem ist nicht mehr zu helfen!" fiel ein Anderer ein. „ES hat keinen Zweck mehr, ihm ein Seil zuzu- werfen." „Er lebt", versicherte Ebel. „Ich habe deutlich gesehen, wie er sich eben jetzt bewegte. — Wie können wir ihn retten?" Nach diesen Worten drängten Alle an die Fenster, um den wie todt daliegenden Mann mit lautem Schreien anzurufen. Toch dieser regte sich nicht; nur noch eine kurze Strecke trennte ihn von dem Hotel, an welchem sein schwimmendes Floß im nächsten Augen blicke zerschellen mußte. „Er ist todt", hieß es allgemein. „Nein, nein, er lebt. Ich kann mich nicht geirrt haben", wiederholte Albert. „Bindet einen Strick um mich und laßt mich hinunter, daß ich ihn auffangen kann. Aber schnell, um Gotteswillen schnell!" In wenigen Sekunden wurde ein Seil fest um Ebel's Körper geschlungen und er dann langsam soweit hinunter gelassen, daß er dicht über dem Spiegel des Wassers schwebte. Jetzt trieb das Haus heran und stieß krachend an da- Hotel; Albert sprang vor, ergriff den bewegungslos Daliegenden und im nächsten Augen blicke wurden Beide langsam empor gezogen und sicher gelandet. Bevor Albert noch den Körper deS ManneS los gelassen hatte, öffnete dieser die Augen und sah mit verwunderten, verwirrten Blicken um sich. Dann aber wurde er von allen Seiten umringt und ebenso wie Albert vorhin mit tausend Fragen bestürmt. Der Mann war jedoch vorläufig noch zu schwach, um sprechen zu können; er wurde daher auf ein Sopha gebettet, wo man ihn einstweilen feinem Schicksale und der Pflege ewiger Frauen überließ. Als Albert eine halbe Stunde später wieder mit Karl am offenen Frnster stand und in die wogende See hinab sah, klopfte ihm Jemand plötzlich freundlich auf die Schulter; er drehte sich um und sah den Mann vor sich, den er vorhin aus den Fluthen gerettet hatte. „Ich glaube, mein Herr, daß ich Ihnen mein Leben zu verdanken habe", redete ihn dieser auf eng-