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Dresdner Journal : 19.09.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189309199
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18930919
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18930919
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-09
- Tag 1893-09-19
-
Monat
1893-09
-
Jahr
1893
- Titel
- Dresdner Journal : 19.09.1893
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^218. Dienstag, dm 19, September, abends. 1893. Vreick«» vi«tt»!M»rliot> B U»r^ d» kS, t>«1 »«üorl. ckoutxrkoo v»»rt*t- MKkliok L »o»»«rk»Ib 6«, äsulicl»«» tritt kost- 006 8t«wp«I»u»ot»l»- kii»«. Luudvloo Hummern: 10 kk. M 6«» L»um «ü»«r ^«»p^tooe» 2«U» ^Ioi»«r z«briA 29 kk. Unter „Kingeonockt" äi« 2«1o 99 kk. So» Tabellen- unä LiTerne^to «ntepr. ^ukevtünU. LrMvdelneur IK^Yob mit Xaennkm« ävr 8c »0- 0. koierto^o »denck», korneprvcy-Xneotüoes: Ur. 12VÖ. Ans-nerIourml. Für die G«faintlriwng verandvortlich: ^ofrat Gtho Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte. L»-td»o rco ^obüncklxuoxen »uivllrlst Lst^slU: ?>. Lra»ck»trttrr, ^owmi^monLr 6«» vreockner ckouruuli; Anmdnr» >»rlin Vt«u l^ipst? N»i«l Nr«,l»n Nrnnktnrt » H.! Laorrnrtcin <F Vo-krr, Lorlm VisnHiodiu^- Nr»U L»tpit,-rr»oktnr1 ». ». Nünede»! /kuck. knrt» Lons»» lerlln -Nnmblvrt ». N.->l»U»»rt: Daub« <e <7o.,' SorUo: /nva/i<1«neiantp Nr»,l»a: LmU Labalb,' Lmno, «r Le. Scbüisker, N»U« «.Larct <- 60. Ueroosxederr Dtni^I. Lrpeckition cke» Oresckoer Tournnl«. vreicken, 2vin^sr»tr. 29. k«noprecU-Ln»cbIuoo: Ur. 1L-L. ------ Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der praktische Arzt Hofrath vr. weä Hübler zu Dresden den ihm von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preu ßen verliehenen Kronenorden III. Classe annehme und trage. Bekanntmachung. Dar Ministerium des Innern hat I) der eingeschriebenen HülfSkasse „Gegen seitigkeit" zu Werdau, 2) dem „Kranken- und Begräbniß-UnterstützungS- vereine der Schuhmacher, eingeschriebene HülfSkasse, zu Oschatz," zu 1) auf Grund deren revidirten Statuts vom 26. März 1893, - 2) auch Inhalts seines I. Nachtrags zu seinem revidirtenStatute vom 3. August 1893 bescheinigt, daß diese Kassen, beziehungsweise nach wie vor, vorbehaltlich der Höhe des Krankengeldes, den Anforderungen des 8 75 des Krankenversicherungs- gesetzeS vom 15. Juni 1883 in der Fassung der No velle vom 10. April 1892 genügen. Dresden, am 15. September 1893. Ministerium des Innern, Abtheilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. Vodel. Lippmann. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische und telephonische Nachrichten. GünS, 19. September. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Dem gestrigen Hofviner wohnten Se. Majestät der König von Sachsen, ferner der Herzog von Eonnaught, Prinz Leopold von Bayern, Erz- berzog Franz Salvator, der Botschafter Prinz Reuß, Graf Kalnoky, der Sächsische Gesandte Graf v. Wallwitz, alle Militärattaches, der Minister Ti-za, sowie da» Gefolge und der Ehren dienst bei. Gün», 19. September. (Tel.d. DreSdn. Journ.) Se. Majestät der Deutsche Kaiser statteten gestern nachmittag Sr. Majestät dem Kaiser Kranz Joseph einen andrrthalbstündigen Besuch ab. Jbre Majestäten der Deutsche Kaiser und der König von Sachsen gaben für den Ministerpräfi- deutrn Wekerle ihre Karten ad. Buda-Pest, 19. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der „Buda Pester Corrrspondeuz" zu folge gaben Se. Majestät der König von Sachsen dem Ministerpräsidenten Wekerle gegenüber Lllrr- -öchstseine Freude über Seinen Aufenthalt in Ungarn Ausdruck. Berlin, 19. September. (Tel. d.DreSdn.Journ.) Der Reichskanzler Graf v. Caprivi ist heute 8 Uhr morgens nach Karlsbad abgereist. Wien, 18. September. (D. B Hd.) Offiziös wird gemeldet, daß in den letzten Wochen in Un garn wöchentlich ungefähr 8V« Personen an der Cholera erkrankt sind. Paris, 19. September. (Tel. d. Dresdn. Journ ) Die brasilianische Gesandtschaft teilt mit, daß die Stadt Rio de Janeiro gestern mittag stark beschossen wurde. Die Lag« s<i vnverändert. Rom, 18. September. (D. B. Hd.) Wie hier gerüchtweise verlautet, soll der Besuch der eng lischen Flotte wegen der Choleragefahr verschoben werben. Kunst und Wissenschaft. Lady Sibylle. Erzählung von E. Schroeder. LI (Fortsetzung.) „Was sie um mich herumkauderwelschten, mein Herr, davon ahnte meine Seele nichts. Sollte das wirklich alles deutsch gewesen sein? Na, wenn sie in dem Punkt einig waren, so war'S jedenfalls der einzige." „Wie lange ist's her seit Ihrer Reise?" näselte Lord Elkington herüber. „Ja — wie lang'ist'S her?" grübelte Mr. Treherne. „Vierzig Jahre — waS?" Mit dem letzten Wort, daS wie ein kurzes, scharfe» Bellen klang, wandte er sich an seine Frau, die nur stumm und apathisch die Achseln zuckte. „Natürlich, vierzig Jahre!" erinnerte sich Mr. Treherne. „Die Kinder waren noch klein damals; Selina ward gar noch auf dem Arm getragen." FruerSglut sprang in SelinaS Wangen, der Blick, den sie ihrem Vater zuwarf, war unkindlich. Mr. Seymour» Antlitz verschwand momentan hinter ihrem Fächer, Mr. Percy bekam einen schwachen Husten anfall. „Die Kinder hatten wir nämlich alle mit," erklärte Mr. Treherue, „außerdem noch zwei Dienstboten und einen Kurier, der un» mit der Sprach« aushalf. Wir reisten in unserem eigenen Wagen und eine gräßliche Reise war's, mein Herr! Ein dutzend Mal am Tage kamen wir in ein andere» Fürstentum und jedeSmal waren auf der Grenze Plackereien mit dem Zoll, mit den Pässen, mit den Pferden — vor allen Dingen mit dem Geld! Was in einem Lande gute Münze ge wesen, war in dem nächsten schon nichts mehr wert. Die Beine mußte man sich ablaufen noch einem Geld wechsler, bevor man ein Butterbrot bekommen konnte! Zum Überfluß erkrankten in einem weltvergessenen Nest am Rhein sämtliche Kinder an den Masern. Als es endlich weitergina, mußten der schwachen Augen wegen die Wagenfenster verhüllt bleiben —" „So daß Sie von Deutschland wenig oder gar nichts zu sehen bekamen?" „Nichts, mein Herr, außer den Gasthausbetten, die an Back'röge erinnerten, und den Speisen. Wunder bare Speisen! Von dem unvermeidlichen Sauerkraut gar nicht einmal zu reden, das ich für eine Art Kohl im letzten Stadium der Verwesung halte, wurden uns alte Ziegen von unglaublicher Zähigkeit vorgeseyt und Hühnchen, an deren Schwanz man unwillkürlich noch die Eierschale suchte, mitunter auch allerlei Getier, daS wir in der Naturgeschichte nirgends unterzubringen wußten. Ich erinnere mich zum Beispiel eines Sonntag mittag», an dem wir vor einem gebratenen Vierfüßler saßen, wie vor einem Rätsel. Ein Hase konnte e» nicht gut sein — da» Fleisch war zu weiß — ein Kaninchen auch nicht — das Tier war zu groß. Als wa» entpuppte e» sich schließlich? Als ein — Kalb, mein Herr, ein neu geborene» Kalb!" Die souveräne Verachtung, mit der da» ,Kalb" bingeschleudert wurde, war unwiderstehlich. Mr. Tre herne batte einen Lacherfolg, aber er würdigte ihn nicht. Mit düsterer Miene vor sich hinstarrend, grollt« er: „Line gräßliche Reise!" „Wenn Sie sie heute noch einmal machten", meinte Waldstedt mit veistccktem Spotte im Tone, „so würden Sie sich wundern, wieviel wir gelernt haben in vierzig Jahren. In den Gasthöfen sind wir ganz englisch geworden, den Engländern zu Gefallen." „Ich habe für mein Leben genug vom Reisen", entgegnete Mr. Tieherne mit unendlicher Bitterkeit. „Und ich kann nie genug reisen", versicherte Lord Elkington. „DaS scheint so", bemerkte die Gräfin mit ihrem boshaftesten Seitenblick. „Ew. Herrlichkeit sind öfter auf dem Kontinent zu finden, als daheim." „Es lebt sich freier, ungebundener dort, Mylady." „Und auch billiger, habe ich mir sagen lassen! ' DaS war so einer von den Aussprüchen, mit denen sie fatale Pausen in der Unterhaltung verursachte. Man sagte dem Lord nämlich nach, daß er nur reise, um den Repräsentationskosten daheim aus dem Wege zu gehen. „Ich denke es mir herrlich, fremde Länder zu sehen", beeilte sich Sibylle auSzurufen. Sie stand, den Ellbogen auf den Kaminsims, daS Kinn in die Hand gestützt, war mit dem Ohr bei der Unterhaltung und mit den Augen bei Mr». Seymour, die noch immer, malerisch hingegossen, dalag und unter den gesenkten Lidern hervor Waldstedt beobachtete. Ob sie ihn wohl endlich zwang, den Kopf zu wenden? „Herrlich?" spottete die Alte. „Heutzutage, wo man weder in Jerusalem, noch am Nordkap sicher davor ist, seinem Schuster und Schneider zu begegnen? Wa» sagen Sie — Herr Waldstedt?" „Für.«ich Mylady, giebt'» keinen höheren Genuß, Rom, 19. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) In den letzten 24 Stunden find au» Palermo 1S Choleraerkrankungen und 9 Todesfälle, an» Livorno 5 Erkrankungen und 2 Todesfälle ge meldet worden. Ja Rom ist eine Erkrankung an Cholera vorgekommen, eine früher erkrankte Per son ist gestorben. Madrid, 18. September. (D. B Hd) AuS Altcastilirn werden neuerding» schreckliche Ver heerungen durch die Überschwemmungen gemeldet. Zahlreiche Personen find unter den Trümmern be graben bez. in den Fluten umgekommen. Die Weinernte ist zum giößten Teil zerstört. Der Schaden ist sehr bedeutend. Magny, 19. September. (Tel. d. Dresdn Journ.) Ler Kriegsminister Loizillon gab gestern ein Diner für die höheren Offiziere und die fremden Militärattaches. Derselbe sprach der Armee seine Anerkennung auS und dankte den fremden Vertretern, daß sie der Einladung zu den Manöver» mit einer Bereitwilligkeit gefolgt seien, welche ein Unterpfand beS Wohlwollens und der Wertschätzung guter Kameradschaft sei. NameuS der fremden Militärattaches dankte der russische General Fredericks sür die herzliche Gastfreund schaft der französischen Offiziere und für die zu- vorkommende Aufnahme überall und trank auf daS Wohl Frankreichs und seiner Armee. London, 19.September. (Tel.d.Dresdn.Journ.) In SouthschieldS starb ein fremder Matrose au Bord der Rostocker Bark „Jenny" unter cholera verdächtigen Erscheinungen, cin anderer zu dem schwedischen Schiffe „Geste" gehörender Matrose erkrankte unter verdächtigen Erscheinungen und wurde in daS Spital überführt. Warschau, 18. September. (D. B. Hd.) Bei einem Eisenbahnunglück zwischen den Stationen Molodrczno und Prudy im Gouvernement Wilna, wobei ein Zug vom Damm herunterstürzte, find 12 Personen getötet worben. Dresden, 19. September. Politische Strömungen in Europa. IP Eine- der hervorragendsten englischen Blätter sagte vor kurzem zur Kennzeichnung der europäischen Lage, daß die „Atmosphäre bedenklich mit Elektrizität erfüllt" sei. Ein solcher Ausspruch ist heute mit dem Aufgebote der nötigen Gewandtheit unschwer zu ver treten. Will man seine Richtigkeit beweisen, so darf man daS Material hierfür aber nicht in den diplo matischen Akten, nicht in den Vorgängen der großen Politik suchen, sondern zunächst nur in den Spalten der Presse. Die Äußerungen der sogenannten öffent lichen Meinung einzelner Länder Europas können in der That den Eindruck erwecken, welcher in dem oben erwähnten Satze wiedergegeben ist. An manchen Orten hat sich in der Publizistik die Gepflogenheit ein gebürgert, daß man alle politischen Begebenheiten nur unter dem Gesichtspunkte künftiger kriegerischer Ver wickelungen würdigt. Diese Methode wird wohl durch allglmein gehaltene, friedlich klingende Phrasen zum Scheine verhüllt, doch nur so dürftig, daß die Leser durch den sachlichen Inhalt der betreffenden Aus lassungen unschwer immer wieder auf den Gedanken an den Zukunftskrieg hingelenkt werden können. Wenn jemand diese Behandlung der Tagesfragen als eine Brunnenvergiftung bezeichnen wollte, so können wir füglich nichts Stichhaltiges entgegen. — Alle Re gierungen und Staatsmänner, die ehrlich für die Sache des Friedens wirken wollen, betrachten es in kritischen Zeitläuften stets als ihre vornehmste Aufgabe, solchen Wendungen vorzubeugen, welche daS Seldstbewußtsein ordnung übergeaangen sein, wo dieselben heute Be achtung und Glauben finden. Dann wird sich hoffentlich auch die Erregung wieder mildern, welche an mehr als einer Stelle unter dem Eindrücke der falschen Sensationsmeldungen entstand. Die Keime für künftige überreizung-anfälle werden aber zurück bleiben und deshalb ist das Gebaren der Urheber des ganzen Treibens auf das Entschiedenste zu ver urteilen. Wir sehen den Vorgängen, die sich demnächst in Toulon und Paris abspielen werden, mit größter Ge lassenheit entgegen. Ein Blick auf die Bestimmungen des deutsch österreichischen Bündnisvertrages sagt uns, daß auS jenen Vorgängen auch dann, wenn dieselben entgegen aller Wahrscheinlichkeit die Einleitung wich tiger politischer Entwickelungen bilden würden, keine Überraschung für die beiden verbündeten Kaisermächte entstehen kann. Und ebenso hätten wir allen Einzel- episoden, welche die nahe Zukunft bringen mag, keine ernste sachliche Bedeutung beizumessen, wenn wir er wägen, daß keine derselben zu einer, von den Drei- bundsmächten nicht schon längst in die Berechnung einbezogenen Wendung führen dürfte. Von den poli tischen Prophezeiungen, die heute im Umlaufe sind, wird nur der kleinste Teil Bestätigung finden und jene neuen Thatsachen, welche sich wirklich ergeben mögen, werden die europäische Lage kaum wesentlich beeinflussen. Hinsichtlich der unablässig geförderten Erregung der breiten Volksschichten in manchen Län dern ist aber eine solche ruhige und sorglose Auf fassung nicht am Platze. Die Steigerung der Nervosität einzelner Nationen bildet einen Faktor, welcher nicht unterschätzt werden darf und es hand.lt sich da um ungreifbare und unmeßbare Kräfte, deren Stärke man erst zu erkennen vermag, wenn sie zur Geltung ge langen. Die Regierungen werden gewiß auch in der Zukunft ihre Friedensarbeit unermüdlich fortsetzen. Diese Arbeit wird aber erschwert, wenn da und dort in den Kreisen der Bevölkerung eine Gereiztheit herrscht, welche — in ruhiger Zeit belanaloS — bei dem Ein tritte unvorhergesehener Zwischenfälle einen bedenklichen Einfluß auf den Gang der Dinge üben kann. Wenn man künstlich politische Unlerströmungen im Volke schafft, so können dieselben gerade in jenen kritischen Augenblicken verheerend zum Durchbruche kommen, in welchen die offizielle Staatskunst die heikelsten Auf gaben zu bewältigen hat. Dies sollte man dort be herzigen, wo die Vertreter oder richtiger die Urheber der öffentlichen Meinung um wohlfeiler TageSerfolge willen unbedacht mit den Instinkten der Massen spielen. oder Ehrgefühl der Nationen berühren könnten. In sehr verbreiteten Blättern mancher Länder finden wir dagegen neuesten- sehr häufig Darlegungen, die nur darauf abzielen, die Bevölkerung durch gekünstelte Be weisführungen zu erregen und eben in ihrem Ehr gefühle auszustacheln. Der bequemste Behelf hierzu besteht darin, daß man den Vorgängen, welche sich anderwärts abspielen, eine provozierende Tendenz bei mißt. Diese Methode bietet die Möglichkeit, Erörter- ungen zu veranlassen, welche durch die kaum zu ver meidenden Erwiderungen der Gegner in- Unabsehbare fortgesponnen werden können. An Beispielen zur greifbaren Kennzeichnung dieses Treiben- ist leider kein Mangel. Vor kurzem hat es einem Teile der französischen Presse beliebt, das Erscheinen des italienischen Thronfolgers bei den Manövern in Lothringen als eine Herausforderung an die Adresse Frankreichs darzustellen. Die italienischen Blätter zögerten nicht mit der Antwort; in Paris wechselte man aber sofort das Thema, indem man den Besuch des russischen Geschwaders auf der Reede von Toulon als die Erwiderung auf die angeblichen Provokationen feierte, welchen Frankreich ausgesetzt war. Die Nach richt, daß eine britische Erkadre an der Küste Italiens eintreffen werde, bot dann wieder den Zeitungen von Paris, St. Petersburg und Rom Gelegenheit, die Er örterung in erregter Weise weiterzuführen und nebenbei ist man in Paris bereits dahin gelangt, daß man in dem Erscheinen des englischen Thronerben bei den militärischen Übungen in Ungarn das Ergebnis eines plötzlich entworfenen politischen Gegenzuges erblicken will, während dieser Besuch schon vor Halbjahrsfrist endgiltig angekündigt war. Zugleich mit derartigen zwecklosen und peinlichen Konjekturen werden kühn erfundene Gerüchte über politische Neugestaltungen verbreitet und zwar offenbar zum Zwecke einer weiteren Steigerung der Ner vosität in den Leserkreisen. Wir vernehmen, daß Rußland eine Flottenstation im Mittelmeer er richten'werde: tags darauf tönt daS Echo zurück, daß der formelle Anschluß Großbritanniens an den Drei bund bevorstehe. Wir erfahren, daß Schweden der Friedensliga beitreten werde; sofort erwidern die St. Petersburger Blätter, Rußland und Frankreich würden demnächst in Norwegen den Dritten im Bunde fin den. Run sind wir bei der Erwerbung von Tripolis durch Rußland angelangt und morgen wird man un» von dem Gegencoup erzählen, welcher auf diesen Schritt folgen soll. Alle diese Kombinationen werden aber stets mit Hinweisen auf die Änderungen verknüpft, welche sich im europäischen Kräfteverhältnisse vollziehen müßten, wenn die Durchführung der kühnen angeblichen Pläne thatsächlich stattfände. Man reizt die Einbildungs kraft der Kannegießer und der Leichtgläubigen, indem man ihnen drohende Gefahren und schöne Hoffnungen vorspiegelt. — Die drohenden Gefahren bestehen aber darin, daß die „Gegner" im Zukunftskriege hundert tausend Mann mehr aufbringen könnten, als die eigene Gruppe oder daß die „Feinde" über neue gün stige strategische Stützpunkte verfügen würden. Und als frohe Hoffnung bezeichnet man die Möglichkeit, daß der eigenen Regierung oder ihren Freunden ein solcher Erwerb gelänge! Man betreibt die Besprechung der großen Politik lediglich als ein Rechenexempel über die Stärke der Streitkräfte im Kriegsfälle und man findet dabei noch den Mut, diese Mache durch Be teuerungen der friedlichsten Absichten zu beschönigen. ES wäre ein müßiges Beginnen, wollte man im einzelnen all' die Unwahrheiten entkräften, die im Laufe der letzten Wochen mit Bezug auf angeblich be vorstehende politische Begebenheiten in Umlauf ge bracht wurden. In wenigen Wochen wird man über die Mehrzahl jener Gerüchte auch dort zur Tages- Cagrs geschlitzte. * Berlin, 19. September. Se. Majestät der Kaiser wohnten gestern den Manövern um GünS (Ungarn) bei. — Se. Majestät der Kaiser haben Allerhöchst- seine Befriedigung über die nun beendeten großen Übungen des XIV. ArmeccorpS Sr. König!. Hoheit dem Großherzog von Baden mittels Allerhöchsten Schreibens vom 14. d. MtS. ausgesprochen; das Kaiser!. Schreiben hat nach der ,Iarlsr. Ztg." folgenden Wortlaut: Durchlauchtigster Fürst l freundlich geliebter Retter, Bruder und Oheim l Die mit dem heutigen Tage dceadeten großen Übungen des XIV. gegen das XV. ArmeccorpS haben den sehr günstigen Eindruck, welchen beide Corps bereits bei den großen Paraden aus Mich gemacht hatten, in solchem Umfang bestätigt, daß Ich es als eine Pflicht empfinde, Meiner Freude und Hoh n Be friedigung hierüber nochmals gegen Eure Königl. Hoheit Aus druck zu geben und hieran Meine aufiichiigsten Glückwünsche zu lem vortrefflich n Zustande des XIV. ArmeccorpS zu knüpfen. tSlcichzeitig drängt es Mich, Eurer König! Hoheit erneut Meinen tiefgefühlten Tank auszusp:echen für daS lebhafte Interesse und die une müdliche THStigkcit, welche Euere Königl Hohen alle zeit der Ausbildung der Ihnen unterstellten Truppen in so Jade — nur daß der die Rahe im Tode suchte und ich das gcrade Gegenteil." „Das heißt?" fragte Sibylle hastig. „Den heiteren Wechsel im Leben, solch' kleine Freuden, wie sie auf Weg und Steg blühen." „Eine lachende Landschaft, ein reizendes Gesicht, ein lustiges Abenteuer —", mcinte Lord Elkington augenzwinkernd. „Gegen keines von diesen Dingen habe ich etwas einzuwenden," entgegnete Waldstedt, „aber freuen kann ich mich auch an den ernsten Werken der Natur und de- Menschengeistes." „Immer unterwegs" — meinte die Gräfin. „WaS sagt Ihre Familie dizu?" „Ich habe keine." „Ganz allein auf der Welt? DaS ist traurig!" bemerkte Lady Elkington. „Ich würde sagen: beneidenswert", flötete Mr». Seymour, zum ersten Mal ihre Rosenlippen öffnend. ,Feine Familie — keine Pflichten — keine Fesseln!" „Man sollte meinen," rief ihr Gemahl belustigt, „Du hättest an Deinen eigenen Fesseln gewaltig schwer zu tragen!" „DaS habe ich auch, John. Ach! wenn Du ahnen könntest, welch' eine Last Du mir mitunter bist!" Ihr Ton war scherzhaft, ihr Blick zärtlich, aber in ihren Worten mußte doch wohl ein derber Sern von Wahrheit stecken, denn die Gesellschaft verbiß sich da» Lachen, statt in die Heiterkeit de» vertrauensseligen Gatten einzustimmen. Waldstedt schenkte der Sprecherin den zweiten Blick seit seiner Ankunft. „E» ist derselbe Typ»»", sagte er sich, „aber in gröberer Ausführung und nicht nur körper»
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