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Dresdner Journal : 15.09.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189309152
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18930915
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18930915
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-09
- Tag 1893-09-15
-
Monat
1893-09
-
Jahr
1893
- Titel
- Dresdner Journal : 15.09.1893
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O215. Freitag, den 15. September, abends. 1893. ftr Ore»ä«v viartsIjLNrUod B -0 kL, d«t j«o äeut-oboo k»,t»»»t»It«» jtdrliov ü »u«erk»Id äs» ävutivl»«» L»tvN« tritt koit- vQö 8t»»p«l»«»obl»s bü»». Lirnslo« Uawworu: 10 kt. L»«ü»-lxu»«»r»>>««re», für äs» N»m» «lQ«r L«l» ^tsi»« LckriN 10 ?L Ootor Nir 2«1« LV ö«i 1»d»Ue»- u»ä ÄNsri»»LtL ovtipr. Aukiotil»^. Linket»»» r IK^UoN Illit XlliiuNiwa äsr 8vllll- u. k«iert»8» »do»a» ksrurprsed - -nctilii»»: Kr. tLVL» DresdnerIaumal. Für die GesamUeitung verantwortlich: ^ofrat Otto Banck, Professor der titteratur- und Kunstgeschichte. re» it»ta»atxu»x«ll »»««Lrt»« />. Lrantirtetter, LovunixilouSr äs» vre«iosr ^ourv»!»; L»»d«r« >»rUo Vt.» L«tp»ix S»»«l Sr«»I»ll kr»»tt»r» «. ».: Daa«en«<»»l cs ^o^ier, S,rUl>V>«ll Luobar^- I-«>p»>x-rr»iiilturt ». H.-Hitord«»: k»rt, Loiuio» »-rU» - rr»»1kiirt ». N.- >«iUU»rt! Da»-« ls 6o.L«rU»: /nvai»<i«,<ia^t, Lr««!»»: DmU Xaüat-,' S»»L«^«r! (t. §e-ü«ier, L»U« ». »»> «s. Daret -S Oo. L«r»u»x»d«r» LdiU-I. Lrpväitivll ä« vre»äosr ^osnutt». vr»«6ell, 2MÜ>z«r»tr. 10. Lsnupraed-Aniclilai»: Ur. ILVS- Amtlicher Teil. Dresden, 15. September. Se. König!. Hoheit der Prinz Georg, Herzog zu Sachsen, ist gestern auS Schlesien zurückgekehrt. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem in den Ruhestand getretenen technischen Direktor von Schindlers Blaufarbenwerk in Nieder- psannenstiel und Gemeindevorstand Carl Heinrich Klemm, zur Zeit in Blasewitz, das Ritterkreuz 2. Classe vom AlbrechtS-Orden zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Werkführer in der Fabrik der Firma Christian Gottlob Hecker in Leipzig Seidel daS allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische und telephonische Wachrichtm. Straßburg, 15. September. (Tel. d. DreSdn Journ.) Se. Majestät der Kaiser richteten an den Statthalter ein Schreiben, in welchem er für den warmen, festlichen Empfang seitens der Stadt und Bevölkerung bei Allerhöchstseinem Scheiden aus dem Elsaß dankt, ferner die Befriedigung aus spricht für die gute Aufnahme der Truppen trotz der verhältnismäßig starken Einquartierungslast, und die Hoffnung auSdrückt, bald Gelegenheit zu finden, unter der elsässischen Bevölkerung, wo er sich durchaus wohl fühle, öfter und länger zu ver weilen. Paris, 15. September. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die brasilianische Gesandtschaft teilt ein Telegramm auS Rio de Janeiro mit, nach welchem das dortige Bombardement sechs Stunden dauerte, ohne irgendwelchen Schaden anzurichten. Paris, 15. September. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Nach Meldungen auS Buenos-AyreS wurden Truppen nach Tucuman gesandt, um den Eisen bahndienst dortselbst ficherzustellen. Rom, 14. September. (W. T. B ) Während der letzten 24 Stunden ist iu Casfiuo ein neuer Choleraerkrankungsfall nicht vorgekommen; einer der früher mitgeteilteu Erkraukuugsfälle hat einen tödlichen AvSgang genommen. AuS Livorno fehlen zuverlässige Nachrichten, jedoch verlautet, daß drei Erkrankungen an Cholera vorgekommen seien. Las Vorhandensein der Cholera in PrScara wird in Abrede gestellt. Madrid, 15. September. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Infolge heftiger Stürme sind in Neu castilien große Urberschwrmmungen eiugetrrten; der Verkehr auf der Südeiseubahn ist unterbrochen auf der Strecke zwischen Aranjuez und Alcazar; mehrere Eiseubahnzüge blieben stecken. Viele Per- sonen wurden getötet bez. verletzt; eS find bereits vierzig Leichen aufgefunden. Tarragona, 15. September. (Tel. d. DreSdn. Journ.) In Mont-Blanch fand ein Zusammenstoß zwischen Sozialisten und Gendarmerie statt; eS wurden mehrere Schüsse abgegeben; zwei Personen sind getötet, vier verwundet worden. London, 14. September. (W. T. B ) Nach einer Meldung deS „Reuterscheu Bureaus" auS BuenoS-Ayres ist Peixote im Besitz der tele graphischen Verbindungen. DaS Geschwader hat Gamboa bombardiert und sich deS Kanonenbootes „Alagoa" bemächtigt. Die BureauS der Kabel gesellschaft find verlassen. Die Kanonade der FortS war ohne Erfolg. Der Panzer „Bahia", welcher sich nach Paraguay begeben hatte, erhielt Kunst und Wissenschaft. Lady Sibylle. Erzählung von E. Schroeder. 18 (Fortsetzung.) Sibylle war die Einzige, die sich von ihr weder reizen, quälen, noch einschüchtern ließ. Sie zeigte ihr die schuldige Ehrerbietung im Benehmen, trug mit Geduld ihre Launen, sagte ihr aber, wenn daS Ge wissen sie trieb, mit Ruhe und Ernst ihre Meinung. Dann gab eS jedeSmal eme kleine Scene, in der die Gräfin sehr viele giftige Worte verlor und Sibylle stumm und mit über der Brust gefalteten Armen da saß oder stand und ihren endlichen Sieg abwartete, denn der blieb niemals auS — niemals. ES war aller Welt zum Wunder, allein die alte Despotin, die keine Autorität anerkannte, fügte sich mitunter ganz zahm der besseren Einsicht ihrer jungen Enkelin. Es glimmte eben noch ein Fünkchen für diese in ihrem ausgebrannten Herzen. Sie hatte ja auch beschlossen, sie auf den Gipfel deS irdischen Glückes zu heben, sie mit dem Enkel ihre» verstorbenen Bruders, dem jungen Herzog von Bangor, zu vermählen. Indem Sibylle die Thure hinter sich in da- Schloß zog, wandte die Gräfin den Kopf. „Sieh dal" warf sie in spöttisch schrillem Tone hin. „Schon heim- gekehrt?" „Endlich heimgekehrt, Großmutter"', nickte Sibylle und kam daher mit ihrem schwebenden, lautlosen Tang. Befehl, nach Montevideo zurückzukehren. DaS Kanonenboot „TiradeuteS" hat vor Montevideo Anker geworfen iu Erwartung eines Angriffes seitens deS Transportschiffes „Jtaoca", welches sich in den Händen der Aufständischen befindet. London, 15.September. (Tel.d.DreSdn.Journ.) Lie Bergleute von Forest of Dean nehmen am nächsten Montag die Arbeit wieder auf. — Deu „Daily News" zufolge ist auS Kairo ein heiliger Teppich hier eingetroffen; die Behörden werden getadelt, daß sie die Einbringung desselben ohne neuerliche Quarantäne gestattet haben, in Anbe tracht deS Umstandes, daß im Lager von Mahmal am Sonnabend ein Cholerafall vorgekommen ist. London, 15. September. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Konferenz der Bergarbeiter in Nottingham beschloß, eine Lohnherabsctzung nicht anzunehme». LenS, 15. September. (Tel. d.DreSdn.Journ.) Da alle BergwerkSgesellscbaften im PaS de Calais die Forderungen deS BergarbeitcrkongresskS zurück wiesen, beschloß riu neuer Kongreß gestern abend, einen Generalstreik im ganzen PaS de Calais von nächstem Montag ab zu eröffnen. Ckristiania, 14. September. (D. B Hd.) AuS Levanger wird telegraphisch gemeldet, daß ein neuer Erdrutsch im östlicheren Foldal statt gefunden hat, wodurch daS Flußbett verstopft und mehrere Bauernhöfe überschwemmt worden sind; mehrere unterhalb der Verstopfung gelegene Ge bäude find zerstört. Ler Schaden ist bedeutend. Die Värdalselv hat sich ein neues Flußbett gesucht. Nach einer Meldung auS Drontheim wird auch dort auf Sindtaker rin Erdrutsch befürchtet; der Boden ist voll Riffe, die Bewohner flüchten aus den Häusern. Belgrad, 14. September. (D. B. Hd.) Der Kinanzminister verfügte, daß bei Einfuhren von Weinen, Likören, Essenzen ein von den serbischen Konsulaten visiertes Ursprungszeugnis erfor derlich ist. Konstantinopel, 14. September. (W. T. B.) Gestern find in dem Jrrenhause zu Skutari sechs Personen an der Cholera erkrankt und fünf ge storben. Seit dem Auftreten der Cholera find dort insgesamt 103 Personen erkrankt und 66 ge- storden. In Skutari find zwei neue Erkrankungen vorgekommen. In Galata ist ein russisches Ehe paar an der Cholera gestorben. Aus Stambul werden einige vereinzelte Fälle gemeldet. Washington, 14. September. (W. T. B) Der Staatssekretär Gresham erhielt ein Tele gramm auS Rio de Janeiro, nach welchem die Schiffe der Aufständischen die FortS am Ein gänge der Bai bombardierten. Um 11 Uhr vor mittags richtete sich das Bombardement auch gegen das Arsenal und daS Zentrum der Stadt. Eine Krau wurde getötet, Die Absendung von Havdrlsdeprschen ist aufs nene verboten. Washington, 15. September. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der amerikanische Kreuzer „Charleston" begab sich von Montevideo nach Rio de Janeiro, um daselbst die Interessen der amerikanischen Staatsbürger zu schütze«. Der Kreuzer „Derroit" geht heute vom Fort Monroa zu gleichem Zwecke ebendahin. Dresden, 15. September. Zum deutsch-russischen Zollkriege. x Je näher die für den Beginn der zollpolitischen Verhandlungen zwischen Deutschland und Rußland an- „Du scheinst noch sehr viel Zeit zu Deiner Ver fügung zu haben oder wolltest Du mich heute beim Diner in dieser Toilette überraschen?" „Mir bleiben zum Ankleiden genau noch zwanzig Minuten, Großmutter, und eine Viertelstunde wird mir genügen. Verzeih' einstweilen nur, daß ich mich in diesem Aufzuge überhaupt zu präsentieren wage — ich habe nämlich in aller Eile eine Bitte an Dich." „Du — eine Bitte! DaS kommt nicht oft vor!" „Sie betrifft Robert. Ich habe versprochen, ihn aus einer Verlegenheit zu helfen." „Er braucht Geld?" rief die Alte, und aus den schwarzen Augen, aus allen Runzelchen des gelben Pergamentgesichtes, dem man auch keine Spur einstiger Schönheit mehr ansah, lachten Bosheit und Schaden freude. Neben dem Wunsche, Sibylle zur Herzogin zu machen, hatte sie keinen innigeren auf dieser Welt al- den, Robert einmal um Geld betteln zu sehen. Mit welcher Lust sie eS ihm verweigern wollte! „Wenn er Geld brauchte," antwortete Sibylle, die Augenbrauen zusammenziehend, doch in sanft gelasse nem Tone, „so wäre sein nächster Weg wohl nicht zu Dir, Großmutter, sondern zu seinem Onkel, Lord Chetword; aber eS handelt sich nicht um Geld, sondern um einen Freund, den er beherbergen möchte und nicht kann." ,Lch will nicht hoffen, daß er mir zumutet, zum zweiten Mal einen von Bradlaughs und LabouchereS Gesellschaft inS Hau- zu nehmen!" „Er mutet Dir aar nicht- zu, Großmutter. Ich war e-, die ihm vorschlug, seine« Freund zu uns zu schicken." beraumte Zeit heranrückt, um so beachtenswerter werden die versuche, welche die russische Presse in letzter Zeit unternommen hat, um ein dem wahren Thatbestande Halbwegs entsprechendes Bild von der durch den Zoll krieg geschaffenen Lage zu gewinnen. Die Erkundig ungen, die man hierüber be: den angesehensten russi schen Industriellen in St. Petersburg und Moskau eingezogen hatte, ergaben nicht die erstrebte Auf klärung und befriedigten keineswegs voll die Wiß begierde der wortführenden Leiter und Vertreter der öffentlichen Meinung; die großen und tonangebenden Vertreter der russischen Großindustrie erklärten zumeist, sie hätten von der Schließung der russischen Grenzen für die deutschen Konkurrenzartikel bisher nicht den geringsten Gewinn gehabt, da die Kaufleute in Er wartung eine- baldigen Endes des Zollkrieges bei ihnen keine größeren Kaufabschlüsse machten und eS bis dahin vorzögen, die im AuSlande bestellten Waren einstweilen gegen Zahlung deS geringen Lagergeldes in den Zollämtern liegen zu lassen; einige meinten, wiikliche und dauerhafte Kräftigung und Hebung der einheimischen Industrie wäre vom Zollkriege so lange nicht zu erhoffen, als die Landwirtschaft darunter leide, da letztere vorläufig nicht in der Lage sei, den durch Kampfzölle vor auswärtigem Wettbewerbe ge schützten Fabriksbetrieben ihre Erzeugnisse abzunehmen. Ausnahmslos aber rieten sie, man möge demungeachtet >!) in dem einmal begonnenen Zollkriege bis zur Er- kämpfung annehmbarer deutscher Zollsätze ausharren, und erklärten sich bereit, hierin die Regierung in jeglicher Weise unterstützen zu wollen. Diese hoch patriotischen Erklärungen der Industriellen, denen zu liebe doch russischerseits der Zollkrieg eigentlich eröffnet worden ist, riefen auf ihre Befrager nicht den erwünschten Eindruck hervor. Mehr war daS der Fall bei den Ausführungen der Vertreter der großen Handelsfirmen, die einmütig klagten und die Befürch tung aussprachen, daß der Zollkrieg, wenn er noch länger dauern sollte, dem russischen Zwischenhandel unabsehbaren Schaden zufügen und viele Existenzen zu Grunde richten werde. Die russischen Interviewer erfuhren auf diese Weise nur, daß der Zollkrieg in Rußland niemandem Nutzen bringe, wohl aber vielen mehr oder weniger fühlbaren Schaden zufüge. Das aber konnte doch unmöglich daS thatsichliche Ergebnis de» Zollkrieges fein, nach dem sich die russische Industrie und HandelSwelt so sehr gesehnt hatte. Der Leiter und der Herausgeber des „Nowoje Wremja" begnügte sich auch nicht mit diesen Aufklärungen und entsandte seinen besten Mitarbeiter, den bekannten BiSmarck- JntelViewer Eug. Lwoff, nach Deutschland, um die Wirkungen des Zollkrieges auf dem deutschen ,Kriegs schauplätze' zu erforschen, und um insbesondere über die Frage, ob und inwiefern Deutschland auch that- sächlich, wie man es in Rußland bisher geglaubt hatte, auf die russische Getreideausfuhr angewiesen sei, den nötigen Aufschluß zu geben. Hr. Lwoff eröffnete die lange Reihe seiner Be richte mit einem Aufsatze, worin er in anerkennens werter Aufrichtigkeit sich dahin äußert, daß, während Deutschland mit Riesenschritten auf der Bahn der Entwickelung vorwärts schreite, Rußland nicht allein hinter allen europäischen Staaten in dieser Hinsicht um volle hundert Jahre zurückgeblieben sei, sondern auch noch täglich immer mehr hinter denselben zurück- dleibe. Er wies auch auf die blühende deutsche Land wirtschaft hin, deren Leistungsfähigkeit unvergleichlich höher stehe, als die der russischen Landwirtschaft. Er konnte allerdings der ihm zugewiesenen Aufgabe hin sichtlich der fraglichen Abhängigkeit deS Deutschen Reiches von der russischen Getreideausfuhr noch bis her nicht genügen, ober sein Auftraggeber mochte schon aus den einleitenden Berichten den für Rußland „Sieh einmal an! DaS schlugst Du ihm vor — ganz ohne weiteres, so ganz, als ob Du die Herrin hier wärest? Nun, dann wundere Dich nicht, wenn ich Deinem Gaste die Tbüre weisen lasse!" „DaS wirst Du nicht thun", erwiderte Sibylle ruhig. „Ha! Fordere mich noch heraus!" fuhr die Alte erbost auf. „DaS wirst Du auS dem einfachen Grunde nicht thun, Großmutter, weil Du eine KarSbrooke bist und weil die KarsbrookeS keinen Bettler von der Thüre weisen, geschweige denn einen Gast der Tochter des Hauses." „Es fragt sich, ob Du das Recht hast, Gäste ein zuladen!" „DaS Recht?" entgegnete Sibylle. „Ich hatte sogar die Verpflichtung, als ich Robert in der Verlegenheit sah." Damit kreuzte sie die Arme unter dem Busen und preßte die Lippen fest aufeinander. Dies war bei ihr ein Zeichen, daß sie Mühe hatte, den innerlich kochen den Zorn vor dem AuSbruch zu bewahren. Der Alten galt eS al» ein Beweis unerschütterlicher Entschlossen heit. Nun lenkte sie ein. „Verpflichtung?"' schalt sie. „Deine erste Pflicht wäre eS, meine Wünsche zu respektieren, sollte ich meinen. Wie ost habe ich Dir wiederholt, daß ich Anarchisten und Atheisten unter meinem Dach nicht dulden will? Soll man die Leute gar noch prote gieren, die einem mit dem Messer an die Kehle möchten?!" ,Lch bin die letzte, so etwa« von Dir zu ver langen, Großmutter und Du weißt eS. Dieser Mann keineswegs befriedigenden Aufschluß herauSgefühlt haben, da er inzwischen schon erklärt hat, daß von der Beantwortung seiner Frage noch lange nicht da- Wohl und Wehe der russischen Landwirtschaft ab hänge, insofern dieselbe doch in erster Reihe auf den Absatz ihrer Produkte auf dem inlän dischen Markte angewiesen sein müsse, und eS doch die Sache der einschlägigen Staatsverwaltung sei, diesen Absatz durch Hebung de» allgemeinen Wohl standes erheblich zu vergrößern. Ein anderes russiiches Blatt, die liberale „Nedjela", gelangte auf dem Wege ähnlicher Erwägungen zu der Ansicht, daß man sich mit den Nachwirkungen des Zollkrieges, möge derselbe für Rußland noch so un günstig verlaufen, immerhin befreunden könnte, wenn die leitenden Kreise auS demselben die Lehre ziehen wollten, daß der größte Feind der russischen Land wirtschaft nicht Deutschland mit seinen Differential zöllen und auch nicht die russisches Korn auS den deutschen Märkten verdrängende nordamerikanische Kon- kmrenz, sondern die eigene Unwissenheit und Trägheit der russischen La- dwirte sei. DaS Blatt stellte Ver gleiche an zwischen der Leistungsfähigkeit der russi schen, deutschen, französischen, nordamelikanischen und englischen Landwirtschaft und gelangte zu dem Schluffe, daß der russische Bauer auf seiner Desjattne nur 39 Pud, der deutsche Bauer aus derselben Bodenfläche 69, der französische 71, der nordamerikanische 80, und der englische Landwirt sogar 122 Pad Getreide er zeuge. Daraus folgt, sagt die „Nedjela', daß die russische Landwirtschaft im Vergleiche zu der Leistungs fähigkeit der englischen Bodenkultur jährlich um 3000 Rubel weniger, als sie es könnte, aus dem von ihr bebauten Boden herausschlägt. Unsere Unwissenheit trägt uns demnach auf diesem einzigen Gebiete unserer Nationalwirtschaft jährlich einen Ausfall ein, der die im Jahre 1871 an Deutschland von Frankreich ge zahlte Kriegsentschädigung noch übertrifft Zu ähnlichen Schlußfolgerungen kamen die Mahn ungen, die daS ehemals von der russischen Regierung im russischen Nationalinteresse in Kiew gegründete Blatt „Kijewljanin" an die Adresse der leitenden Kreise in St. Petersburg richtet. Seine diesbezüglichen Aus führungen machten auf den „Grashdanin' den Ein druck, als ob es Rußland raten wollte, Deutschland fußfällig um Vergebung für den Zollkrieg anzuflehen. Der „Kijewljanin' ist das Organ der Kijewer land wirtschaftlichen Gesellschaft, an deren Spitze der von der Regierung ernannte Gouvernements-Adelsmarschall, Fürst Repnin, der Träger eines in der russischen Ge schichte berühmt gewordenen Familiennamens, steht. Drese Gesellschaft hatte vor kurzem an die Regierung eine Denkschrift gerichtet, worin die Lage der Land wirtschaft in Südwest-Rußland als eine geradezu ver zweifelte geschildert, und die Notwendigkeit eines baldigen Abschlusses der gegenwärtigen Zollfehde mit Deutschland betont wurde. In den den Industrie- kreisen nahestehenden Blättern hat man sih alle mög liche Mühe gegeben, diese Denkschrift als Produkt der — polnischen Schlachta, die es mit Rußland nie gut gemeint hat, zu brandmarken und ihrer Glaubens- Würdigkeit dadurch den Boden abzugraben. Dieser etwas abgeschmackte Einwand wird aber wohl niemanden irreführen und noch weniger den wirklichen That- bestanb hinsichtlich der in Rußland zur Zeit bereits vorherrschenden Abneigung gegen die Wetterführung deS Zollkrieges s 1'vutiLnee erschüttern. Lagesgelchichte. Dre-den, 15. September. Se. Majestät der König kamen heute vormittag ^11 Uhr von Villa Strehlen inS Residenzschloß und nahmen einige mili tärische Meldungen entgegen. Um 11 Uhr wohnten sieht mir aber wahrlich nicht aus, als ob er der Aristokratie an die Kehle möchte." „Wie sieht er denn auS?" murrte die Gräfin. „Als ob — als ob ihm eine Fürstenkrone gar nicht übel stehen würde," entgegnete Sibylle halb lachend, halb errötend. „Hm! Ein junger Mann?" „In Robert- Alter mag er sein. Der hat ihn iu Amerika kennen gelernt." „Doch um Himmel-Willen kein Aankee?!" „Nein, ein Deutscher." „Sein Name?" „Waldstedt." ,Kein Rang? Kein Titel?" „Ich meine doch, es genügt, daß er ein Gentle man ist." „Ja, aber wer bürgt mir dafür?" „Ich!' „Gut," nickte die Alte nach einigem Zögirn, ,gut! Du srllst Deinen Willen haben! Aber, ' setzte sie hinzu, alt Sibylle jetzt eilig an einen Schreibtisch trat, „unter einer Bedingung!" „Unter welcher?" „Morgen kommt Lionet. Du wirst mir versprechen. Dich für ihn so hübsch zu machen, wie Du kannst." „So hübsch, wie Mary kann," lachte Sibylle, nach Papier und Feder greifend, „ich selbst verstehe nicht- von der Kunst." „Kein Scherzen in dieser Sache, Sibylle! Sie geht mir zu nahe!" Sibylle warf ein paar Zeilen aus- Papier, faltet^ couvertierte, versiegelte und beschwichtigt» die Aus«
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